Montag, 30. Januar 2012

1939 - Mathilde Ludendorff über "Weibesknechtung" im Dritten Reich

General von Halder würdigt Erich Ludendorff, Mai 1939 

In dem Beitrag "Künstler portraitieren Ludendorff" war auch auf die Ludendorff-Büste des Bildhauers Ludwig Manzel aus dem Jahr 1917 verwiesen worden, und daß diese im Mai 1939 in der Ruhmeshalle im Zeughaus in Berlin aufgestellt worden ist.

Abb. 1: Ludendorff-Büste von Ludwig Manzel (1917) (aus: 1)
Über sie heißt es (1):
In den Weltkriegsjahren von dem Künstler nach dem Leben geschaffen, ist diese Büste des Feldherrn als die lebensnaheste anzusprechen.
Sie ist am 21. Mai 1939 neben der Hindenburg-Büste des gleichen Bildhauers im Zeughaus Unter den Linden in Berlin aufgestellt worden im Rahmen einer Feier, zu der auch die Witwe Mathilde Ludendorff eingeladen worden war, und bei der General von Halder die Ansprache hielt. Im folgenden einigen Photographien von dieser Feier (aus: 1).

Abb. 2: General Halder während der Enthüllung der Ludenorff-Büste in der Ruhmeshalle in Berlin, 21.5.1939 (aus: 1)
Die Ruhmeshalle im Zeughaus in Berlin (1881 - 1945) 

In diesem Zeughaus, in dem sich heute das vielbesuchte "Deutsche Historische Museum" befindet, war im Jahr 1881 auf Befehl von Kaiser Wilhelm I. eine "Ruhmeshalle" eingerichtet worden. Sie entsprach dem Panthéon in Paris, der Walhalla und der Befreiungshalle bei Regensburg und der Ruhmeshalle in München (Wiki), die alle heute noch bestehen. Nur die Ruhmeshalle im Zeughaus ist 1945 zerstört und nicht wieder neu hergerichtet worden. (Auch im freimaurerischen Völkerschlachtdenkmal von Leipzig wird übrigens eine Halle als "Ruhmeshalle" benannt.) Auf Wikipedia heißt es über die Berliner Ruhmeshalle:
In den folgenden Jahren entwickelte sich das Zeughaus zu einem der beliebtesten Museen Berlins. (...) Über die Freitreppe (im Innenhof) gelang man zu der im Nordflügel des Zeughauses gelegenen Ruhmeshalle, die aus der mittleren Herrscherhalle und zwei seitlichen Feldherrenhallen bestand.
In der "Herrscherhalle" waren neben Standbildern der Preußenkönige seit dem Großen Kurfürsten Büsten des Freiherr vom Stein, von Scharnhorst, Bismarck und Roon aufgestellt (vgl. auch DHM). Büsten von je 16 deutschen Generälen waren sowohl in der Westlichen wie in der Östlichen Feldherrnhalle aufgestellt. 
Abb. 3: Enthüllung der Ludendorff-Büste im Zeughaus - M. Ludendorff und von Halder*)
An der zentralsten Stelle dieser Ruhmeshalle nun, in der Herrscherhalle vor den Standbildern des Großen Kurfürsten und König Wilhelms I. wurden 1939 die Büsten zunächst von Hindenburg, dann von Ludendorff aufgestellt. Über die Aufstellung der Ludendorff-Büste heißt es in einem zeitgenössischen Bericht (1):
Im Zeughause in Berlin fand vor etwa 100 geladenen Gästen, darunter vor allem die Generalität des Heeres - unter anderem Generaloberst von Bock -, der alten Armee - unter ihnen auch General von Bronsart - und Reichsarbeitsführer Hierl - eine Ludendorff-Feier statt.
Der Chef des Generalstabs, General der Artillerie Ritter v. Halder, übergab bei dieser Feier die Büste Professor Manzels - das gleiche Bildwerk, das auch auf dem Grabhügel des Feldherrn in Tutzing steht - dem Zeughause. Auch Frau Dr. Mathilde Ludendorff war der Einladung gefolgt. Von nahen Verwandten des Feldherrn nahmen außer dem Sohne Frau Mathilde Ludendorffs Professor Hans Ludendorff und dessen Sohn an der Feier teil.
Es läßt sich schwer übermitteln, welche Weihe diese Gedenkstunde an die gewaltige Persönlichkeit an dieser Stätte des Gedächtnisses an die großen Soldaten Preußen-Deutschlands in sich trug. Die Ruhmeshalle, eine wahrhaft würdige Stätte schweigenden Gedenkens an geschichtliche Größe, ließ das Verstehen der Feierlichkeit und Größe der Stunde an sich schon dem geladenen Kreise so recht zum Bewußtsein kommen.
Wenige Minuten vor 11 Uhr traf Frau Dr. Mathilde Ludendorff geleitet von Generalmajor de la Chevallerie vor dem Zeughause ein und wurde von dem Direktor des Museums Admiral Lorey begrüßt und zur Ruhmeshalle geleitet. (...)
Dann trat der Chef des Generalstabes Ritter v. Halder zum Rednerpult, er, der im Weltkriege in der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht unter dem Feldherrn gestanden (hatte) (...), und der an der Feier des 70. Geburtstages in Tutzing teilnahm und dort im Hause des Feldherrn noch einmal in unmittelbare persönliche Fühlung mit dem Toten trat. - Schon seine ersten Worte waren in tiefer Ergriffenheit gesprochen und lösten denn auch tiefer Ergriffenheit aus.
Kurt von der Chevallerie (1891 - 1945) war 1938 und 1939 Chef der Zentralabteilung des deutschen Generalstabs, also wohl enger Mitarbeiter des Generals von Halder. Im Rußlandkrieg erwarb er sich schon im Oktober 1941 als Divisionskommandeur das Ritterkreuz. Er scheint bei der Vertreibung 1945 in Pommern ums Leben gekommen zu sein.

Generaloberst Fedor von Bock (1880 - 1945) hatte im März 1938 die Truppen bei der Besetzung Österreichs befehligt und war 1939 Oberbefehlshaber des Gruppenkommandos I in Berlin. In den Jahren 1939 bis 1942 spielte er als Heeresgruppenführer eine führende Rolle in der Kriegsführung, wurde dann aber aufgrund seiner Auseinandersetzungen mit Hitler in die "Führerreserve" versetzt. Er kam 1945 in Schleswig-Holstein bei einem Tieffliegerangriff - zusammen mit seiner Frau und seinem Fahrer - ums Leben.

Abb. 4: Geh. Rat Prof. Dr. Hans Ludendorff, Generaloberst Fedor von Bock, Mathilde Ludendorff, General Franz Halder, 21.5.1939 (aus: 1)
Wie die Aufstellung dieser Büste im Mai 1939 politisch einzuordnen ist, muß einstweilen dahingestellt bleiben. Es fällt auf, daß nur wenige führende Mitglieder der NSDAP bei dieser Feier in Erscheinung treten. Reichsarbeitsführer Hierl war ja 1926 ein enger politischer Mitarbeiter Ludendorffs gewesen (der erste Führer des Tannenbergbundes), hatte sich dann aber von ihm getrennt.
  
Abb. 5: Mathilde Ludendorff verläßt in Begleitung von Admiral Lorey und General de la Chevallerie das Zeughaus
Auch ist nicht bekannt, ob es noch gewechselte Briefe im Vorfeld und in der Vorbereitung dieser Feier gibt. Auffällig ist jedenfalls allemal, daß Mathilde Ludendorff am Nachmittag dieses Tages, der zugleich Muttertag war, bei einem separaten Treffen mit Freunden ihrer Philosophie in Berlin-Tiergarten eine Ansprache gehalten hat, über deren Schlußworte berichtet wird (1):
Dann gedachte sie des Muttertages, der auch Männern und Frauen so unendlich viele ernste Pflichten auferlege, denen es erwiesen wurde, daß Weibesknechtung der seit alters her beschrittene Weg aller Priesterkasten zu ihrer Macht sei!
Was für Worte. Man muß innehalten, um sie auf sich wirken zu lassen. Hätte man sich im Dritten Reich noch deutlicher aussprechen können? Das waren jedenfalls reichlich deutliche Worte von Seiten einer Frau, die nie einen Zweifel daran gelassen hatte, daß für sie hinter dem Dritten Reich das "schwarze Reich" freimaurerähnlicher, okkult-völkischer Männerorden stehen würde, und das nicht zuletzt deshalb auch die Verfolgung und möglichst das Verbot ihrer eigenen weltanschaulichen Bewegung fördern würde. Kein Zweifel auch, daß das insbesondere an die gewiß mitschreibenden Gestapoleute und etwaig anwesende Parteigenossen gerichtet gewesen ist, bzw. dann auch ganz offen an die Leserschaft der Zeitschrift insgesamt. 

Wo man überhaupt auf sie zu hören gewillt war, scheint sie also jederzeit bereit gewesen zu sein, ihren ihr eingeräumten Einfluß in Anspruch zu nehmen. - Wenn sie durch diesen etwas in ihrem Sinne Gutes für Deutschland glaubte bewirken zu können. Furcht spricht aus diesen Worten nicht. Dementsprechend mußte gleich bei Kriegsbeginn im September ihre Zeitschrift auf staatliche Anordnung hin das Erscheinen einstellen.

Erläuternde Worte über die Stellung der Frau im Dritten Reich finden sich in einer im Jahr 1979 in der Zeitschrift der Ludendorff-Bewegung "Mensch & Maß" erschienenen Besprechung eines damals neu auf den Markt gekommenen Buches der ehemaligen "Reichsfrauenführerin" Gertrud Scholtz-Klink. Eine Frau, die wohl im Jahr 1939 aus Anlaß des Muttertages andere Gedanken geäußert hat. Diese Besprechung kritisiert das Buch von Scholtz-Klink weitgehend. Aber sie berichtet auch:
Es ist zu begrüßen, daß Scholtz-Klink eine Gegendarstellung einbezogen hat, die ihren Führungsstil von damals kritisiert, die die Bedeutungslosigkeit der Frauenorganisation innerhalb der Partei darlegt; die aufzeigt, daß sich Frauen der Oberschicht erfolgreich der Erfassung durch die NS-Frauenschaft entziehen konnten, daß das intellektuelle Niveau denkbar niedrig gehalten und die Frauenarbeit auf Arterhaltung, Hauswirtschaft und Wohlfahrt beschränkt wurde. Man sei bestrebt gewesen, "die deutschen Frauen durch unzählige, überwiegend unpolitische Aktionen und Lehrgänge in Atem zu halten".
Ob andererseits General von Halder noch im Mai 1939 ähnliche Pläne mit der Erinnerung an Erich Ludendorff verfolgte, wie sein Vorgänger Beck 1935 mit dem lebenden Ludendorff (siehe früherer Beitrag) muß künftig noch einmal genauer untersucht werden.

Die Pension Mathilde Ludendorffs (1939)

Der Admiral Lorey spielte auch noch einmal in einem anderen Zusammenhang eine Rolle. Karl von Unruh, ein enger Mitarbeiter Erich und Mathilde Ludendorffs, berichtet darüber (2, S. 3):
Als im September 1939, also kurz nach Ausbruch des Krieges, wegen der notwendigen Einschränkungen und des Rückganges der Einnahmen Frau Dr. Mathilde Ludendorffs aus ihren Arbeiten sich die Frage erhob, ob die Fortführung des Haushaltes in Tutzing in der vom Feldherrn gewünschten Weise ebenso wie die Erhaltung des Hauses und des Gartens und der Grabstätte gesichert sei, mußte diese Frage verneint werden. Nach den gesetzlichen Bestimmungen konnte Frau Dr. Ludendorff die Zuerkennung einer Pension beantragen. Sie hätte einen solchen Schritt nie getan.

Ich erachtete ihn in jeder Hinsicht als der Gattin des Feldherrn nicht angemessen. Da ihr aber das Recht zustand, schrieb ich an den Kommandanten des Zeughauses, Admiral Lorey, und bat ihn um Rat. Eine Antwort erhielt ich nicht; aber Frau Dr. Mathilde Ludendorff bekam durch die Versorgungbehörde die ihr zustehende Pension.

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*) Wie man sieht, war sie noch keine Anhängerin der "I'd rather go naked than wear fur"-Bewegung. 
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  1. o.N. (wohl M. Ludendorff?): Eine würdige Ludendorff-Feier am 21. 5. 1939. In: Am Heiligen Quell Deutscher Kraft, Folge 6, 16.6.1939, S. 231 - 234
  2. Akten-Zusammenstellung (zu Walter Löhde). Mit einem Nachwort von Franz Freiherr Karg von Bebenburg. Typoskript o. J. [Mai 1963]
  3. G.M.: "Die Frau im Dritten Reich". Besprechung des gleichnamigen Buches von Gertrud Scholtz-Klink. In: Mensch & Maß, Folge 9, 9.5.1979, S. 427f [eine größtenteils kritisierende Besprechung] 

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