Dienstag, 30. Januar 2018

Erich Ludendorff im Jahr 1924

Das Jahr 1924 ist äußerlich eines der ereignisreichsten Jahre im Leben von Erich Ludendorff gewesen (1-10). Hier auf dem Blog sind schon zu mehreren seiner Lebensstationen im Jahr 1924 einzelne Aufsätze verfaßt worden (11-18). In dem vorliegenden Blogartikel soll ein Überblick über das gesamte Jahr 1924 gegeben werden, wofür die wichtigeren Fotografien ausgewählt sind. Inhaltliche Überschneidungen mit schon zuvor veröffentlichten Blogartikeln sowie Wiederholungen sind im folgenden nicht vermieden worden. Es wird aber im folgenden vollständiger aus den Lebenserinnerungen beider Ludendorffs (1, 3) zitiert als das in den bisherigen Aufsätzen geschehen ist.

Zunächst fand Ende Februar und März 1924 der Hochverrats-Prozeß in München statt (Wiki). Hierbei sind Fotografien entstanden, die jeder, der sich mit Zeitgeschichte ein wenig beschäftigt hat, kennt (Abb. 1 und 8). Das Urteil wurde am 1. April 1924 gesprochen. Adolf Hitler wurde zu Gefängnis verurteilt und saß in Landsberg ein. Ludendorff wurde frei gesprochen.

Abb. 1: Heinz Pernet, Friedrich Weber, Wilhelm Frick, Hermann Kriebel, Erich Ludendorff, Adolf Hitler, Wilhelm Brückner, Ernst Röhm, Robert Wagner - Angeklagte im Hitler-Prozeß im Frühjahr 1924

Am 4. Mai 1924 fand die Reichstagswahl (Wiki) statt. Die entstandenen völkischen Parteien in Norddeutschland (DVFP) und Süddeutschland (NSDAP) stellten sich unter der Führung Ludendorffs gemeinsam der Wahl und sie sollten einen Erfolg haben wie er völkischen Parteien bis 1930 nicht mehr beschieden war. Ludendorff wurde mit 31 weiteren Abgeordneten Mitglied des Deutschen Reichstages. Bevor der neue Reichstag zusammen trat, fand am 11. Mai 1924 in Halle an der Saale noch eine groß aufgezogene Enthüllung eines Moltke-Standbildes statt, das zuvor von Kommunisten zerstört worden war. Aus Anlaß dieses "Deutschen Tages" strömten hunderttausende von Deutschen in die Stadt (Wiki). Das Großereignis, an dem neben Ludendorff viele andere populäre Persönlichkeiten des Weltkrieges und des monarchischen Deutschland teilnahmen, wurde im Film festgehalten und die öffentliche Vorführung des Filmes wurde von der Reichsregierung verboten, so sehr fürchtete man die Wirkung, die allein von dem Film hätte ausgehen können (12).

Ende Mai 1924 trat der neue Reichstag zusammen und Ludendorff bildete zusammen mit Albert von Graefe und Ernst Röhm eine völkische Reichstags-Fraktion (Wiki). Der Zusammenschluß der norddeutschen völkischen Parteien und der süddeutschen NSDAP unter Ludendorffs Führung nannte sich "Nationalsozialistische Freiheitspartei". Ludendorff machte in den innerparteilichen Querelen innerhalb dieser Reichstagsfraktion und in dem Versuch des reichsweiten Zusammenschlusses eine Fülle von Erfahrungen. Der dauerhafte Zusammenschluß scheiterte insbesondere an der Indifferenz, mit der Hitler diesem aus der Landsberger Haft zusah und an der unterschwelligen Ermutigung der Gegner dieses Zusammenschlusses durch Hitler. Ludendorf bekam in diesem Zusammenhang aber auch erste Ahnung über das Wirken von Okkultlogen in der Politik. Diese sind heute aufgrund geschichtswissenschaftlicher Veröffentlichungen wesentlich besser bekannt als sie Ludendorff bekannt werden konnten (19).

Abb. 2: Die Angeklagten des Hitler-Prozeßes und ihre Verteidiger, Frühjahr 1924
Lütgebrune wohl rechts neben Hitler
Ende Mai, Mitte Juni, und im September fanden sogenannte "Deutsche Tage" (Wiki) in Marburg, Siegen und Münster statt, die Ludendorff besuchte. Den inneren Höhepunkt für die Entwicklung der völkischen Bewegung im Jahr 1924 sahen Erich Ludendorff und Mathilde von Kemnitz Mitte August in einer Kulturtagung, die die neue Nationalsozialistische Freiheitspartei  in Weimar abhielt. Zu den diese begleitenden paramilitärischen Aufzügen strömten neben den tausenden von Teilnehmern 25.000 Schaulustige in Weimar zusammen. Danach fuhr Erich Ludendorff zu einem Ostpreußentag nach Tilsit und von dort zur Feier der Schlacht von Tannenberg, zehn Jahre zuvor, in Königsberg. Nach einem Kurzbesuch in Berlin kam Ludendorff dann nach Osterode und Hohenstein in Ostpreußen zurück, um zusammen mit Paul von Hindenburg dem zehnten Jahrestag der Schlacht von Tannenberg am Ort der Schlacht selbst zu gedenken und um den Grundstein zu legen für den Bau eines Denkmals daselbst. An dieser Feier nahmen 60.000 Menschen teil (Wiki). (Konkrete Pläne für den Bau des Denkmals selbst sind aber erst in den Folgejahren entwickelt worden.) Ab der zweiten Jahreshälfte 1924 ist Erich Ludendorff öffentlich dann bei Großveranstaltungen nicht mehr in Erscheinung getreten. Er machte aber weiterhin Vortragsreisen im Zusammenhang mit dem Wahlkampf für die Reichstagswahlen vom 7. Dezember 1924 (Wiki). Außerdem war er weiterhin intensiv mit den innerparteilichen Auseinandersetzungen befaßt, für die sich keine Lösung finden sollte.

Das Jahr 1924 durchzieht außerdem noch die Auseinandersetzung zwischen dem Kronprinzen Rupprecht von Bayern und Ludendorff, weil letzterer ersteren unmittelbar nach dem 9. November 1923 in einem Interview als mitverantwortlich bezeichnet hatte für das Scheitern des Putsches. Dies faßte der Kronprinz als eine Ehrensache auf. Verschiedene Vermittlungsversuche zwischen beiden scheiterten, was wesentlich dazu beitrug, daß Ludendorff unter den "oberen Zehntausend" Deutschlands für Jahre hinweg nicht mehr so gelitten sein sollte wie er es zuvor gewesen war. Soweit ein grober Überblick zu Lebensstationen Ludendorffs im Jahr 1924. Einiges davon soll im folgenden detaillierter behandelt werden, allerdings ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit, ebenso auch ohne Anspruch auf allgemeinere Würdigung und Einordnung von heutiger Sicht aus. Das folgende verfolgt vornehmlich dokumentarische Zwecke.

Der Hitler-Ludendorff-Prozeß in München (Februar/März 1924)

Der Hitler-Ludendorff-Prozeß in München begann am 26. Februar 1924 (Wiki) (4). Ludendorff schreibt über sich und seinen Verteidiger Dr. Walter Luetgebrune (1879-1949) (Wiki) (1, S. 268f):
Ich fuhr täglich aus meiner Wohnung in das Gerichtsgebäude, die frühere Kriegsschule. (...) Dr. Luetgebrune wohnte in meinem Hause, so daß ich stets mit meinem Rechtsbeistande im engsten Einvernehmen sein konnte. (...) Die Hauptangeklagten, zu denen ich auch gehörte, äußerten sich, nachdem der Staatsanwalt die Anklage begründet hatte, über die Beweggründe ihrer Teilnahme an dem Unternehmen des 8. und 9. November in langen Ausführungen. Herr Hitler begann mit seinen Darlegungen. Ich hielt am 29. 2. 1924 meine Verteidigungrede.
Da Ludendorff in seiner Verteidigungsrede den katholisch-klerikalen Kräften in Bayern separatistische Tendenzen unterstellte, zog er mit ihr den Unwillen weiter Kreise des klerikalen Bayern, ja, Deutschlands und der katholischen Kirche insgesamt auf sich. Auch der Katholik Hitler zeigte sich über diese Inhalte der Verteidigungsrede nicht besonders erfreut. 

Abb. 3: "Hitler-Ludendorf-Prozess in München. General von Ludendorf (X) mit seinem Verteidiger begibt sich zur Verhandlung", Februar 1924
Fotograf: Georg Pahl
Fotografien von diesem Prozeß haben sich insbesondere über den jungen, umtriebigen Pressefotografen Georg Pahl erhalten (Abb. 3, 4, 6, 8, 9).


Abb. 4: Der Hitler-Ludendorff-Prozeß in der Kriegsschule in München,
(Fotograf: G. Pahl)
Von Georg Pahl stammt auch Abb. 4, die einzigste Aufnahme während des Prozesses gegen die "Hochverräter" des 9. November in der Kriegsschule in München.

Abb. 5: Ludendorff, Hitler und der Mitangeklagte Friedrich Weber in einer Pause während der Gerichtsverhandlungen an der Kriegsschule in München, Februar oder März 1924

Urteilsverkündung (1. April 1924)


Am 1. April 1924 wurde das Urteil im Hochverratsprozeß verkündet.

Abb. 6: "General Ludendorf [x] mit seinem Verteidiger begibt sich zur Urteilsverkündung",
1. April 1924 (die abgebildete Frau ist nicht Margarethe Ludendorff, vielleicht die Ehefrau des Verteidigers)
(Fotograf: G. Pahl)

Hierzu reiste auch Pressefotograf Pahl wieder nach München. Er fotografierte den ankommenden Ludendorff (Abb. 6), identifizierte aber die mit aussteigende Dame falsch als die Ehefrau Ludendorffs. Diese hat diese Zuschreibung in ihren Lebenserinnerungen als falsch bezeichnet. Wahrscheinlich handelt es sich um die Ehefrau von Luetgebrune, des Rechtsanwalts Ludendorffs, der rechts steht, und der in Abb. 2 neben Hitler zu stehen scheint.

Abb. 7: General Ludendorff nach der Freisprechung
- Tief entrüstet verläßt er den Gerichtssaal - München, 1. April 1924

Ludendorff reagierte auf seine Freisprechung mit Empörung, was auch auf dem bekannten Foto zu erkennen ist, auf dem er den Gerichtssaal verläßt (Abb. 7). Hinter ihm ist darauf sein mitangeklagter Stiefsohn Heinz Pernet erkennbar.


Abb. 8: Verteidiger Luetgebruene, Ludendorff, Heinz Pernet
Vermutlich die gleiche Szene am 1. April 1924
(Fotograf: G. Pahl)

Die damalige Mathilde von Kemnitz berichtet in ihren später verfaßten Lebenserinnerungen, daß sie Ludendorff im persönlichen Gespräch wenige Tage danach davon überzeugt habe, daß diese Entrüstung nicht die angemessene Reaktion auf den Freispruch sei. Ludendorff habe sich für die Begründung ihrer Meinung bedankt.


Abb. 9: "Jubelnd begrüßt durchfährt Ludendorfs Auto die Straßen Münchens", 1. April 1924 
(Fotograf: G. Pahl)
Ludendorff berichtet selbst über die Rückfahrt nach der Urteilsverkündung, bzw. seinem Freispruch (1, S. 323):
Meine Autofahrt von der Kriegsschule nach meiner Wohnung in Ludwigshöhe glich einem Triumphzug. Der Kraftwagen konnte sich durch die Menschenmenge kaum Bahn brechen. An meinem Hause hatten sich Freunde aufgestellt, die mich begrüßten. (...) Bald sollten mich der Alltag mit seinen Sorgen um die Weiterführung der Bewegung umfangen.
Von diesem "Triumphzug" hat wenigstens eine Fotografie über den Pressefotografen Georg Pahl erhalten (Abb. 9). [Weitere Fotografien rund um den Hochverratsprozeß: 11.]

In der Münchner satirischen Wochenzeitschrift "Simplicissimus" vom 14. April 1924 wurde die antiklerikale Haltung Ludendorffs, die bis dahin ja gerade diese Wochenzeitschrift ebenfalls vertreten hatte, nun von ihrem Zeichner Thomas Theodor Heine ins fast Lächerliche gerückt, indem Ludendorff als Boxkämpfer gegen den Papst dargestellt wurde, während sein vormaliger Kriegsgegner, der französische General Foch dem Papst die Füße küßt (20). Der "Simplicissimus" nimmt im Grunde zu keiner von diesen beiden Generälen eingenommenen Haltungen klar Stellung, sie kommen ihm beide "bedenklich" vor. 

Die Freundschaft zwischen Erich Ludendorff und Mathilde von Kemnitz entwickelt sich (April 1924)


Erich Ludendorff hatte im Herbst 1923 Mathilde von Kemnitz kennengelernt. Und in den Monaten nach dem Hitler-Putsch sollte sich die Bekanntschaft zu einer sehr engen Freundschaft zwischen beiden weiter entwickeln. Die damalige Mathilde von Kemnitz - ab 1926 wird sie die zweite Ehefrau von Erich Ludendorff werden - schrieb Anfang April 1924 in einem Brief an ihre Mutter (zit. n. 3, S. 158):
Ich war gestern also, wie ich schon sagte, zwei Stunden bei Ludendorff. Es ist mir eine helle Freude, daß dieser prachtvolle Mensch mir so großes Vertrauen schenkt, so großen Wert auf mein Urteil legt. Als ich ihm im Februar die "Schöpfungsgeschichte" mit der Widmung schickte "Ludendorff in Freundschaft überreicht von der Verfasserin", schrieb er mir den herzlichsten Dank für das Buch und "vor allem für die wunderschöne Widmung, das Buch soll meine erste Lektüre sein, wenn endlich dieser Prozeß vorüber ist" ... Ja, wir sind gute Kameraden geworden. 
Die "Schöpfungsgeschichte" war 1923 als das zweite philosophische Buch von Mathilde von Kemnitz erschienen - nach ihrem Buch "Triumph des Unsterblichkeitwillens". Bis nach der Heirat im Jahr 1926 sollte aber hisichtlich der öffentlichen Wertschätzung und Wiedergabe dieser Philosophie Gottfried Feder sich viel kenntnisreicher äussern alsErich Ludendorff selbst. Feder, dessen Frau sich in psychiatrischer Behandlung bei Mathilde von Kemnitz befand, hatte Ludendorff auf sie und ihre Philosophie hingewiesen. Am 9. April wurde in Ludendorffs Haus in Ludwigshöhe eine Feier seines Geburtstages abgehalten, auf der Mathilde von Kemnitz den Vortrag hielt "Der göttliche Sinn der völkischen Bewegung". Ihre Schwester Frieda Stahl umrahmte die Feier mit Klavierspiel (3, S. 159).

Eine Kulturtagung in Weimar - Auf Vorschlag von Gottfried Feder (20. April 1924)

Erich Ludendorff kam damals zu einer engeren Zusammenarbeit nicht zuletzt mit seinen völkischen "Mitkämpfern" Gottfried Feder (1883-1941) (Wiki) und dem völkischen Münchner Stadtrat, Rechtsanwalt Dr. August Buckeley (1878-?) (s. ADB, Amazon). Sie sollten im Folgejahr Ludendorff auch noch zu seiner Zusammenarbeit mit dem dubiosen Goldmacher Tausend zuraten. Für 1924 schreibt er über sie in seinen Lebenserinnerungen (1, S. 337):
Ich war gern auf den Vorschlag des Herrn Feder eingegangen für Mitte August in Weimar eine Tagung der Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung abzuhalten. Ich bat ihn und Herrn Rechtsanwalt Dr. Buckeley, sie vorzubereiten. 
Über eine vorbereitende Tagung, die schon im April in Weimar stattfand, wird berichtet (5, S. 118):
Schon am 20. April 1924 hatten sich im Weimarer "Hotel Hohenzollern" prominente Nazi-Größen versammelt, um die programmatischen Grundlagen einer nationalsozialistischen Partei zu diskutieren, die durch die Erfolge in Thüringen mächtigen Auftrieb erhalten hatte. Neben Alfred Rosenberg waren Hermann Esser, Gottfried Feder, Gregor Strasser, Julius Streicher, General Ludendorff sowie zahlreiche Nazi-Funktionäre aus regionalen, meist norddeutschen Parteiverbänden erschienen.
Diese vorbereitende Tagung erwähnt Ludendorff in seinen Lebenserinnerungen gar nicht. Dem in Landsberg einsitzenden Adolf Hitler wurden aus diesem Anlaß Geburtstagsgrüße gesandt.

Die Reichstagswahl (4. Mai 1924)

Erich Ludendorff schreibt (1, S. 333):
Von Mitte April an beteiligte ich mich am Wahlkampf. So sprach ich in Rosenheim, in Bamberg, Kulmbach, Bayreuth und kleineren Orten. Ich fühlte, wie überall die Vorgänge des 9. 11. die Gemüter erregt hatten und wie sich Deutsche auch infolge der Prozeßverhandlungen des Februar und März 24 uns zuwandten. Ich freute mich über die warme Begeisterung, die der völkischen Bewegung entgegengebracht wurde.
Aufgrund der großen Popularität des Hitler-Ludendorff-Putsches und des nachfolgenden -Prozesses in München hat die neue in Landtags- und dann in der Reichstagswahl antretende völkische Partei (Wiki) sehr starke Erfolge erzielen können: In Mecklenburg 20 % der Stimmen, in Bayern 17 % der Stimmen und reichsweit aus dem Stand 6,6 Prozent. Deshalb sollte sie am 27. Mai mit 32 Abgeordneten in den Reichstag einziehen. (Zum Vergleich: In der Reichstagswahl von 1928 errang die hatte die NSDAP nur 2,6 % der Stimmen und 12 Reichstagssitze.)


Abb. 10: Erich Ludendorff vor seinem Haus in München-Ludwigshöhe
(Fotograf: Georg Pahl)

Ludendorff schreibt (S. 335):
Die Wahl am 4. Mai war ein voller Erfolg für die völkische Bewegung. (...) Zweiundreißig Abgeordnete zogen in den Reichstag ein.
Aber zuvor sollte es noch ein nationales Großereignis in Halle an der Saale geben.

Abb. 11: Der Deutsche Tag in Halle - General Ludendorff schreitet die Front der Teilnehmer ab


Der "Deutsche Tag" in Halle (10. und 11. Mai 1924)

Zu dem "Deutschen Tag" in Halle war von dem dortigen "Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten" (Wiki) aufgerufen worden und dieser hatte auch Erich Ludendorff zu diesem Anlaß eingeladen. Ludendorff schreibt über seine Teilnahme am 11. Mai 1924 in seinen Lebenserinnerungen (1, S. 338-340):
Graf Eulenburg-Wicken, der letzte Kommandeur des 1. Garde-Regiments, übernahm den "Stahlhelm". (...) Die Haltung des "Stahlhelm" mir gegenüber war eine unklare. Frontsoldaten des "Stahlhelm" schienen wohl eine Annäherung an meine Person zu wünschen, nachdem diese am 9. 11. 23 und durch den Prozeß so stark in den Vordergrund gerückt war, aber der Führer des "Stahlhelm", Herr Seldte, widerstrebte diesem, und mußte ihm widerstreben, da an den freimaurerischen Einflüssen im "Stahlhelm" bei mir kein Zweifel mehr bestand, und die Einstellung der Freimaurerei gegen mich ja schon damals eine scharf ablehnende war. Eine andere Haltung wie Herr Seldte nahm Oberstleutnant Duesterberg in Halle ein. Er meinte, wenigstens so habe ich ihn verstanden, daß er den "Stahlhelm" mir anschließen würde, wenn sich sein Einfluß im "Stahlhelm" durchgesetzt haben würde. Ich stand dem skeptisch gegenüber. Die Verdienste des "Stahlhelm" als Gegengewicht gegen marxistischen und kommunistischen Terror namentlich in Mitteldeutschland habe ich stets anerkannt. Darum folgte ich auch einer Einladung nach Halle für den 10. und 11. Mai 1924. Es sollte hier an dem Kaiserdenkmal eine neue Moltkefigur enthüllt werden, da das frühere Standbild von Kommunisten zertrümmert worden war.

Die Feier war recht eigenartig. Am Abend waren die Ehrengäste versammelt, die Generale umgingen mich, wie jemanden, mit dem zu sprechen nicht recht geheuer ist. Ich war zu ihnen harmlos freundlich und das Eis schmolz. Wie vielen Suggestionen mußte ich da begegnen und das bei Leuten, die meine Leistung aus dem Weltkriege doch wohl kannten. Aber daß ich völkisch sein konnte, nun sogar noch Parlamentarier war, das haben die Kameraden doch wohl nicht begreifen können. Generaloberst v. Heeringen, als ältester General, hielt die Ansprache, die die Bedeutung des Heeres und die Arbeit der Generale für das Heer hervorhob, er vergaß aber völlig, den Obersten Kriegsherrn zu erwähnen, der sich für die Ausbildung des Heeres doch wahrlich eingesetzt und sie gefördert hatte. Daß er seinen Willen dem Kriegsminister, eben diesem Generaloberst von Heeringen gegenüber leider nicht durchgesetzt hatte, lag in einem Handeln, das dieser dem Kaiser wohl kaum hat verargen können. Bekanntlich hat Generaloberst v. Heeringen dem Streben des Kaisers nach einer Heeresverstärkung und auch meinem Streben vor dem Weltkriege, die allgemeine Wehrpflicht durchzuführen, entschiedenen Widerstand gegenübergestellt. Ich entsinne mich nicht mehr genau, ob ich an dieser Versammlung oder nur in anderen Versammlungen desselben Abends auf den Kaiser gesprochen, um die geschichtliche Wahrheit wiederherzustellen. Das mag von vielen, auch von völkischen Freunden, als "nicht zeitgemäß" erachtet worden sein. Aber hierauf kam es mir nicht an. Was wahr ist, sollte auch wahr bleiben. Die Stahlhelmer selbst, zu denen ich sprach, begrüßten mein Tun.

Die Enthüllung des Moltkedenkmals selbst war feierlich. An dem sich anschließenden einfachen Frühstück saß ich neben den Herren Duesterberg und dem Deutschnationalen Abgeordneten Leopold. Die nähere Unterhaltung, die ich hier führen konnte, genügte, um festzustellen, wie himmelweit mein Denken von dem Denken dieser Leute verschieden war und der "Stahlhelm" nur eine Organisation sein konnte, in der gute Kräfte vom wahren völkischen Freiheitringen ferngehalten wurden. Ich hatte auch schon aus eingehenden Unterhaltungen in dem Hause meines Deutschnationalen Gastgebers, so gastlich ich auch aufgenommen war, bereits entnommen, daß diese Kreise ein Verstehen meinem völkischen Denken nicht abgewinnen konnten.

Am Nachmittage fand ein großer Vorbeimarsch von Kriegervereinen, von "Stahlhelm"-Formationen und des "Frontbann" vor den Generalen des alten Heeres statt. Es war wieder derselbe traurige Anblick, alte Soldaten, zum Teil in Uniform, aber ohne Waffen vorbeimarschieren zu sehen. (...)

Es war bezeichnend, daß am Abend noch eine Zusammenkunft der Gäste - in einer Loge sein sollte. Ich zog vor, dort nicht hinzugehen. Der Abend war für mich mit einer studentischen Feier ausgefüllt. Die ganze Veranstaltung war wieder einmal eine echt nationale Feier ohne jeden tieferen Inhalt gewesen.
Abb. 12: Der Deutsche Tag in Halle - Admiral Scheer, von Heeringen, Prinz Oskar, Erich Ludendorff, General Mackensen, 11.5.1924

Der Anlaß für den "Deutschen Tag" in Halle war also - wie von Ludendorff schon erwähnt - die Enthüllung eines neuen Moltke-Standbildes an dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal (Abb. 15) (Wiki), nachdem das vorherige von Kommunisten zerstört worden war. Beides - Moltke-Standbild und Kaiser-Wilhelm-Denkmal sind nach 1945 vollständig vernichtet worden. Es gibt sie heute nicht mehr. Aber damals nahmen an diesem Deutschen Tag etwa 100.000 Menschen teil.


Abb. 13: Admiral Scheer, Ludendorff, Prinz Oskar auf dem Deutschen Tag in Halle (aus 3, S. 257)
Der zeitgenössische Kommentar zu den historischen Abbildungen lautete (n. Bundesarchiv/Bildarchiv):
Der große deutsche Tag in Halle, an welchem große Heerführer und tausende Nationalgesinnter teilnahmen, um das vor einem Jahr von Kommunisten zerstörte Moltkedenkmal wieder einzuweihen. Aufmarsch der Verbände vor den Tribünen der Rennbahn.
Abb. 14: Prominente Teilnehmer am Deutschen Tag in Halle am 11. Mai 1924: Ludendorff, Prinz Oskar (ein Sohn des Kaisers), Graf Luckner (der "Seeteufel"), General von Below, General von Heeringen, General von Stein, Duesterberg
(Herkunft: Wiki; Fotograf: G. Pahl a, b)

An der Großveranstaltung in Halle nahmen neben Erich Ludendorff (n. Wiki) viele im Weltkrieg und im kaiserlichen Deutschland populäre Persönlichkeiten teil. In Abb. 14 stehen rechts neben Ludendorff Oskar Prinz von Preußen, einer der Söhne des letzten Kaisers, der legendäre "Seeteufel" Felix Graf Luckner und  der Kriegsminister der Jahre 1909 bis 1913 Josias von Heeringen (vgl. die handschriftlich eingetragenen Zahlen 1 bis 4). Der Sprechende auf Abb. 14 ist der erwähnte Stahlhelm-Führer Theodor Duesterberg (Wiki), der zu dieser Feierlichkeit eingeladen hatte, und der die Verdienste des "Stahlhelms" im Kampf gegen den Kommunismus in Mitteldeutschland hervorhob.


Abb. 15: Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Halle an der Saale (1901-1945) (Postkarte)

Außerdem waren anwesend (n. Wikider Admiral Ludwig von Schröder, der "Löwe von Flandern", sowie der General August von Mackensen, der unter anderem 1916 in einem schnellen Feldzug den neuen Kriegsgegner Rumänien niedergeworfen hatte. Anwesend war weiterhin der Freikorps-Führer General Maercker, der unter anderem mit zum Scheitern des Kapp-Putsches im März 1920 beigetragen hatte, indem er sich während desselben nicht auf die Seite der Putschisten gestellt hatte.


Abb. 16: Zeitgenössische Erläuterung: "Der große deutsche Tag in Halle, an welchem große Heerführer und tausende Nationalgesinnter teilnahmen, um das vor einem Jahr von Kommunisten zerstörte Moltkedenkmal wieder einzuweihen. General Ludendorff (X) nimmt nach der Feier die Parade der nationalen Verbände ab."
(Herkunft: Wiki)

Bei dieser Zusammensetzung nimmt es nicht wunder, daß bei diesen alten konservativen Knochen das Eis erst schmelzen mußte, bevor sie völlig unbefangen mit dem völkisch gewordenen Ludendorff ins Gespräch kommen konnten, jenem Ludendorff, der sich zu einem "Gefreiten" herabgelassen hatte, angeblich im Ansinnen, eine patriotische Taten dabei zu vollbringen. 


Abb. 17: Prinz Oskar und Erich Ludendorff - Vor Beginn der Parade
(Herkunft: Flickr)
Viele standen dem 1924 noch mit völligem Unverständnis gegenüber. Beziehungsweise: Es wird auch auf den vielen Fotografien womöglich sichtbar, daß tatsächlich erst bei vielen prominenten Teilnehmern das Eis gegenüber Ludendorff schmelzen mußte.

Abb. 18: Oskar Prinz von Preußen, Erich Ludendorff - vor Beginn der Parade

Aber genauso ist auf den Fotografien ganz gut erkennbar, daß dieser Deutsche Tag in Halle - wie Ludendorff oben sagte - "eine echt nationale Feier ohne jeden tieferen Inhalt" war. 


Abb. 19: Prinz Oskar, Erich Ludendorff - Vor Beginn der Parade
(Fotograf: Georg Pahl)

Mit welcher Sorge die demokratische Reichsregierung auf die Popularität dieser "Deutschen Tage" sah, die von den politischen Kräften "rechts" von der demokratischen Mitte getragen waren, zeigt sich deutlich genug in dem Umstand, daß ein über dieses Großereignis erstellter angefertigter Kinofilm ein generelles Aufführungsverbot im ganzen Deutschen Reich erhielt (n. Wiki).


Abb. 20: Erich Ludendorff bei seinen Gastgebern in Halle, 10. oder 11. Mai 1924
(Herkunft: Privates Fotoalbum

Erich Ludendorff war vor und nach der Großveranstaltung in Halle auf einem Gutshof in der Nähe der Stadt bei jenem Quartiergeber einquartiert, den Ludendorff in seinen Lebenserinnerungen auch kurz - allerdings nicht namentlich - erwähnt. 

Abb. 21: "Deutscher Tag in Halle 1924" (aus: 2, S. 352; 3, S. 272)
Von dieser Einquartierung haben sich ebenfalls viele Fotografien erhalten. Sie erwecken den Anschein, als ob auf dem Gutshof auch viele andere Teilnehmer des "Deutschen Tages" untergebracht gewesen waren und daselbst vor Ludendorff in Formation angetreten sind (13).


Abb. 22: Erich Ludendorff bricht zur Großveranstaltung auf - Halle, 10. oder 11. Mai 1924
(Herkunft: Privates Fotoalbum; s.a. Alamy)

"Deutsche Tage" in Marburg (25. und 26. Mai 1924)

Zwei Wochen nach den "Deutschen Tagen" in Halle nahm Ludendorff auch an einem "Deutschen Tag" in Marburg teil (25. und 26. Mai 1924) (1, S. 340-342). Er war vor allem von Studentenverbindungen getragen wie Ludendorff erwähnt (1, S. 340f). In der Reichstagswahl vom 6. Mai 1924 hatte der „Völkisch-Soziale Block“ in Marburg mit den Spitzenkandidaten Ludendorff und Hitler 17,7% der Stimmen bekommen.

Reichstagsabgeordneter in Berlin (27. Mai 1924)


Abb. 23: Ludendorff auf dem Weg zum Gottesdienst zur Reichstagseröffnung im Berliner Dom am 27.5.1924
(vermutlich, denn im Hintergrund sind doch Lustgarten und Altes Museum zusehen) 
(Fotograf: G. Pahl

Einen Tag später, am 27. Mai 1924, trat der neue Reichstag in Berlin zusammen. Erich Ludendorff schreibt (1, S. 335):
Ende Mai traten die völkischen Abgeordneten im Reichstage zusammen. Hiermit beginnt der parlamentarische Leidensweg für mich. Ich mußte sehr bald erkennen, daß alle Versuche, die einzelnen Gruppen einander zu nähern, durch offen auftretende oder im geheimen arbeitende Kräfte gehindert wurden.

Abb. 24: Nach der ersten Reichstagssitzung am 27. Mai 1924 
(Herkunft: Wiki)
 Die zeitgenössische Erläuterung von Abb. 24 lautet:
"Die Eröffnungssitzung des neuen Reichstages in Berlin im Mai 1924. General Ludendorf wird nach der Sitzung stürmisch begrüßt."
Wie Erich Ludendorff laut seiner Lebenserinnerungen diese Zeit erlebte - er verabscheute das parlamentarische Treiben und konnte eine innere Einigung der Fraktion der Nationalsozialistischen Freiheitspartei nicht erreichen - sei hier nur kurz angedeutet (1, S. 335f):
Ich habe das parlamentarische Leben aus tiefster Seele verabscheut. Für einen an Tätigkeit gewöhnten Menschen war das Herumsitzen in den Speiseräumen, auf den Stühlen in den Wandelhallen oder das Zuhören langer Reden, die nur für die Parteipresse gesprochen wurden, und das Erleben des ganzen Getriebes "im Plenum" - gut, daß das ein Fremdwort ist - eine Strafe. 

Abb. 24a: General Ludendorff verläßt den Reichstag, 29. Mai 1924 (Omnia, Europeana)
Es dürfte von Interesse sein zu erfahren, um wen es sich bei dem jungen Mann handelt, von dem Erich Ludendorff Ende Mai 1924 in Berlin auf mindestens zwei Fotos (Abb. 23 und 24a) begleitet wird. (Vielleicht gehörte er zur Familie Sprickerhoff?)

Wohnhaft bei der Unternehmerfamilie Sprickerhoff (1924)


Abb. 25: Villa Sprickerhoff, Berlin, Paulsborner Straße 52/53
(Herkunft: Denkmaldatenbank)
In seinen Lebenserinnerungen schreibt er weiter über seine Zeit als Reichstagsabgeordneter in Berlin zwischen Ende Mai 1924 bis 1925 (1, S. 337):
Die Tage, die ich in Berlin zu verbringen hatte, waren voll besetzt. Viele Völkische kamen zu Besprechungen, wollten aber meist eine Bestätigung ihrer eigenen Ansichten hören. Das einzige, das mich trotz alledem gern an die Berliner Tage zurückdenken läßt, war mein Zusammensein mit Herrn Sprickerhoff und seiner Familie. Er hatte mir sein Haus in der Paulsbornerstraße in Grunewald zur Verfügung gestellt. Gern hatte ich das Anerbieten angenommen. Ich fand in ihm nach den Lasten und Mühen des parlamentarischen Lebens Ruhe und Erholung. Herr Spickerhoff war ein prächtiger Deutscher Mann, der sich in seinem Leben einen großen Wirkungskreis geschaffen hat und vollständig auf dem Boden völkischer Weltanschauung stand. Er war es, der auch an Herrn Helfferich den Gedanken der Rentenmark herangetragen hat, den dieser im Herbst 1923 verwirklicht sah. Herrn Sprickerhoff gehörte außerdem das Rittergut Plüggenthin auf Rügen. Er konnte mich also auch über die damalige Lage des Großgrundbesitzes eingehend aufklären.
Als letzter Besitzer von Plüggenthin wird ein Gerhard Sprickerhoff genannt (GB). Womöglich handelte es sich bei diesem um einen Sohn des vor 1914 sehr tätigen Bauunternehmers Albert Sprickerhoff, dessen Firmen in Bremen, Hannover und Berlin-Grunewald vor allem im Eisenbahnbau tätig waren und diesbezüglich mehrfach in der zeitgenössischen und in der nachherigen Sekundär-Literatur erwähnt sind (GB). An dem Ende 1924 von Ludendorff verfaßten Wahlprogramm für die Nationalsozialistische Freiheitsbewegung war auch Sprickerhoff beteiligt. Ludendorff berichtet (1,S. 383):
Den Abschnitt über die Rentenmark hatte Herr Spickerhoff geschrieben.
Die "Villa Sprickerhoff" in der Paulsborner Straße 52/53, einen halben Kilometer vom Hubertussee im Grunewald entfernt, ist noch heute erhalten (DenkmaldatenbankWiki). 1905/06 war sie von Albert Sprickerhoff erbaut worden. Dieser war nicht nur Unternehmer, sondern zugleich auch Architekt.

Veranstaltungen in Siegen, Neubrandenburg, Walsrode (Juni, Juli 1924)

Mitte Juni 1924 nahm Ludendorff an einem "Deutschen Tag" in Siegen teil (1, S. 342). Und er schreibt außerdem (1, S. 343):
Die Monate Juni und Juli 1924 führten mich weiterhin noch zu verschiedenen Veranstaltungen. (...) So war ich in Neubrandenburg und Elberfeld, Orte, die mir aus der Vorkriegszeit bekannt waren und viele Erinnerungen in mir wachriefen.
Und (1, S. 345):
Eine besondere Feier hatte Major v. Waldow mit seinem Verbande "Hindenburg" in Walsrode nördlich von Hannover in schöner, hannoverscher Landschaft veranstaltet. Wie schon erwähnt, hatte er den Verband "Hindenburg" für die Verteidigung Oberschlesiens aufgestellt. Er hatte hier verdienstvoll gewirkt und war daselbst auch in Beziehungen zum Bunde "Oberland" getreten. (...) Er hatte auch mit mir Verbindung aufgenommen, und ich war so diesem Verbande näher getreten. In Walsrode erfreute ich mich der soldatischen Frische und des völkischen Wollens des Verbandes und seines Führers. Bemerkenswert für mich war diese Tagung dadurch, daß ich auf ihr in nähere Berührung mit Herrn Held aus Bremen kam.
Bei diesem Herrn Held handelte es sich um den Überseekaufmann Adolf Held (1859-1927) (NDB), der in Kolumbien zu Wohlstand gekommen war. Auch ein enger Mitarbeiter dieses Held, ein Karl Bollmeyer (1887-1982) (Wiki), stand laut Wikipedia bis Ende der 1920er Jahre der Ludendorff-Bewegung nahe. Ludendorff berichtet weiter (1, S. 346f):
Ferner besuchte ich, von Veranstaltungen in Markbreit/Main (...) kommend, Stettin und Augsburg. So war denn der Sommer durch parlamentarische Sitzungen und Reisen für mich überreich in Anspruch genommen.
.

Abb.: Erich Ludendorff in Zivil im offenen Wagen sitzend, den Hut ziehend (Gallica)
Weiterhin findet sich ein Foto von Erich Ludendorff in Zivil im offenen Wagen sitzend, den Hut ziehend.

Abb.: Erich Ludendorff in Zivil im offenen Wagen sitzend, den Hut ziehend


Im Internet (Omnia) wird das Foto auf das Jahr 1920 datiert, allerdings mit folgendem Erläuterungstext (übersetzt aus dem Niederländischen): "General Ludendorff begrüßt die Umstehenden als er das Berliner Reichstagsgebäude mit dem Auto verläßt." Im Reichstagsgebäude war Erich Ludendorff ja erst 1924 tätig, deshalb dürfte die Datierung auf das Jahr 1924 richtiger sein. 

"Gewissenlose Saboteure" (28. Juni 1924)


Mit welcher Art von innerparteilichen Problemen und Feindschaften Ludendorff es damals zu tun hatte, geht aus einem Brief hervor, den er am 28. Juni 1924 an Adalbert Volck schrieb, jemand, der sich als "Vertreter Hitlers in Norddeutschland" (zit. n. 7, S. 257; 16) ansah, Ludendorffs Führung nicht anerkannte und Gegner der Verschmelzung der norddeutschen DVFP und der süddeutschen NSDAP war (Hervorhebung nicht im Original):
Geehrter Herr Volck!
Nehmen Sie meinen Dank für Ihren Brief vom 27.
Mitte Mai hat mir Herr Hitler aus sich heraus in Gegenwart von Kriebel, Rosenberg, Dr. Weber, Hptm. Weiß erklärt, er wünsche die Verschmelzung.
Wenn Hitler später schwankend geworden ist, so ist das auf die Tätigkeit gewissenloser Saboteure zurückzuführen. Am 12. 6. 1924 nahm Hitler einen ähnlichen Standpunkt ein wie Mitte Mai; er hielt damals die Grundlage für die Verschmelzung in naher Aussicht und befahl seinen Anhängern, bis zum Abschluß der Verhandlungen jeden gegenseitigen Kampf und Sonderbestrebungen zu unterlassen.
Sie schreiben nun in Ihrem Brief, Hitler wäre gegen die Vereinigung und darum hätten Sie sich einer Sondergruppe angeschlossen. Hitler sagte mir das letzte Mal, als ich ihn sah (15. 6.), es wären nicht alle einverstanden und gab mir Abschrift Ihres Briefes an ihn vom 11. . Ich erwähne das deshalb, damit Sie die Verantwortung erkennen, die Sie tragen, wenn Sie, wie ich zu Hitler sage, "400 %" Nationalsozialisten folgen. Im übrigen will ich nicht auf Sie einwirken, bedaure aber, daß schließlich persönliche Momente immer wieder bestimmend zu sein scheinen. Haben Sie keine Sorge, daß die Bewegung abstirbt. Sie wird auch von keinem Freikorps geführt (?). Leider fehlt uns jede Organisation und will man eine einrichten, so kommen die 400 %! Damit geht Kraft und Arbeit verloren. Diese Verantwortung tragen Sie mit.
Ich nütze dem Volke da, wo ich kann und wo ich Wirkungsfeld habe für meine Absichten. Die Redewendung, "ich wäre für das ganze Volk da" ist abgedroschen. Das ganze Volk will mich ja nicht, auch nicht einmal die 400 %. Jedenfalls danke ich für Beteuerungen, wenn man nur Schwierigkeiten macht. Ob ich klar sehe oder nicht, ist meine Sache, z.Zt. sehe ich noch recht klar!
Mit deutschem Gruß!
Ludendorff.
Auf der Tagung in Weimar eineinhalb Monate später sollte der offizielle Ausschluß der Gruppe Volck beschlossen werden (16).

Abb. 26: "I. Tagung N.S. Freiheitsbewegung i. Weimar"
Ludendorff spricht mit angetretenen Teilnehmern, 17. August 1924

Die Tagung in Weimar (15. bis 17. August 1924)

Vom 15. bis 17. August 1924 fand die Tagung der "Nationalsozialistischen Freiheitspartei" in Weimar statt, die ebenfalls mit einem "Deutschen Tag" verbunden wurde. An ihr nahmen sowohl Erich Ludendorff wie auch seine spätere Frau Mathilde, damalige von Kemnitz, teil (1, 348-352; Fotos: 1, S. 304, 321). Auch beispielsweise Joseph Goebbels berichtet in seinen Tagebüchern ausführlich und begeistert von seiner Teilnahme an dieser Tagung, die ihn das erste mal in Berührung mit der völkischen Bewegung brachte. Mathilde Ludendorff unterscheidet in ihren Erinnerungen die vornehmlich süddeutschen Nationalsozialisten, die im Mittelpunkt ihres politischen Kampfes vorwiegend in Saalschlachten sahen, von anderen Teilen der völkischen Bewegung, die derselben kulturellen und auch religiösen Gehalt geben wollten.  Beide Teile der völkischen Bewegung spielten auf der Tagung in Weimar einen Rolle. Erich Ludendorff schreibt in seinen Lebenserinnerungen (1, S. 348):
Die zweite Augusthälfte 1924 brachte für mich bedeutungvolle Tage. Am 15. und 17. August fand in Weimar die Tagung der Nationalsozialistischen Freiheitpartei statt. (...) Ich erwähnte schon, daß die Herren Feder und Dr. Buckeley die organisatorischen Anordnungen für die Tagung trafen. Herr Feder war mit mir fortgesetzt in engster Verbindung und unterstützte mein Streben, auf der Tagung Gebiete berührt zu sehen, die die Tiefe der völkischen Bewegung zeigen sollten.
Es sollten Schulfragen, literarische Fragen, die Frauenfrage behandelt werden (1, S. 349):
Ich wollte endlich, daß auch der religiöse Halt der völkischen Bewegung behandelt wurde, natürlich in einer Form, die die leicht empfindlichen Christen hinnahmen, ohne von vornherein in Opposition zu geraten. Herr Feder schlug Frau Dr. v. Kemnitz als Redner vor, da er namentlich den "Triumph des Unsterblichkeitwillens" voll in sich aufgenommen hatte. Ich stimmte dem zu und glaubte, daß es allen Teilnehmern recht gut sein würde, einmal über diese Fragen nachzudenken, wie ich es auch seit geraumer Zeit tat. Im übrigen waren noch der üblichen Vortragsstoffe die Menge, wie Organisation, Politik, Wirtschaft, Presse, Werbung und dergleichen mehr zu behandeln.
Ludendorff berichtet dann von der Tagung selbst (1, S. 351):
Der klare und durchdachte Vortrag Frau Dr. v. Kemnitz: "Die Macht der reinen Idee" hatte tief gewirkt. 
Und Mathilde Ludendorff schreibt in ihren Lebenserinnerungen (3, S. 187):
Ludendorff hatte es erreicht, daß endlich, wie die Besten der Freiheitsbewegung es schon seit Jahren ersehnten, die ernsten Kulturfragen angeschnitten und in würdiger Weise behandelt waren. (...) Zwar hörte ich an diesem letzten Tage auch von viel Häßlichem, was sich zugetragen hatte, aber ich ließ mir die Freude nicht trüben.
Mit dem Häßlichen ist wohl gemeint, daß das Verhalten vieler nationalsozialistischer Teilnehmer dieser Kulturtagung in Weimar mit Kultur nicht sehr viel zu tun hatte. Es trafen eben innerhalb der völkischen Bewegung sehr heterogene Elemente aufeinander, die Ludendorff damals alle noch unter einen Hut zu bringen trachtete.

Abb. 27: "Großdeutsche Freiheitsbewegung, Weimar, 17.8.24
Exz. Ludendorff und Hauptmann Röhm nach der Fahnenweihe, Gelöbnis der Treue"
Ludendorff berichtet (1, S. 352):
Sonntag, der 17. brachte am Vormittag eine "militärische" Feier auf dem Flugplatz von Weimar. Hier waren Kriegerverbände und "Frontbann"-Formationen aufgestellt. (...) In den ersten Nachmittagstunden versammelten sich die Wehrformationen und die Teilnehmer der Tagung auf dem freien Platz vor dem Theater. Die Veranstalter der Tagung standen auf dem Balkon des Theaters. Herr Dinter hielt eine Ansprache auf mich und - verpflichtete alle Anwesenden, auch sich selbst, zur Treue bis zum Tode auf mich in recht pathetischen Worten. Solche "Vereidigung" schien tatsächlich unausbleiblich zu sein. Wie es mit dem Halten solcher "Treueverpflichtungen bis zum Tode" später bestellt war, werde ich noch zeigen. Dann folgte ein Vorbeimarsch und die Tagung war beendet.
Über ihre Weiterreise per Bahn nach Ende der Tagung berichtet Mathilde Ludendorff noch etwas Lustiges, Selbstironisches. Sie verpaßte fast einen Anschlußzug (3, S. 187):
Erst im letzten Augenblick eilte ich mit Koffer und Blumen zum anderen Zuge und rief, da in den ganzen Tagen immerwährend Heilrufe gehallt hatten, dem Zugführer "Heil" statt "Halt" zu. Das war meine Rettung. Er war so verblüfft, daß er tatsächlich erst einen Augenblick später, als ich schon auf der Wagentreppe stand, abfahren ließ.
An ihre Mutter schrieb sie in einem Brief am 22. August 1924 (zit. n. 3, S. 188):
Natürlich bin ich etwas erschöpft; denn dort haben wir ja Tag und Nacht getagt! (...) Großartig war, daß hochstehende Referate über alle Kulturgebiete gehalten wurden. Am dritten Tage waren über 20.000 Sturmtruppen da zusammen gekommen, und das ganze Weimar, das noch vor drei Jahren die Nationalversammlung der Revolutionäre empfangen hatte, feierte schließlich begeistert mit. Nach der großen Feier auf dem Flugplatz in Weimar waren noch drei Feiern auf dem überfüllten Schloßplatz, dem Marktplatz und dem Platz des National-Theaters am Schiller- und Goethedenkmal. Dort standen wir mit Ludendorff auf dem Balkon des Theaters und sahen auf die unübersehbaren Menschenscharen. (...) Wir sind ein gewaltiges Stück weiter. Fast alle Reden waren vorzüglich. Große Reformen des Rechts, der Pädagogik, der Wirtschaft, der Jugendbewegung, des Rasseschutzes wurden zum Ziele gesetzt.  
Soweit also quasi Zeugnisse der "Innenperspektive" dieser Tagung von Seiten Erich Ludendorffs un der damaligen Mathilde von Kemnitz. Der Tagung wurde aber natürlich auch in der Lokalpresse Aufmerksamkeit gewidmet (5, S. 117-130). Und hier zeigt sich zunächst, daß die Erinnerungen des Ehepaares Ludendorff nicht übertrieben haben. Auch hier wird erwähnt, daß zu den Aufmärschen und Umzügen, die als Auftakt dieser Tagung abgehalten wurden, 25.000 Teilnehmer und Zuschauer gekommen waren. Das Kommen Ludendorffs war am 16. August 1924 in der Weimarer Lokalpresse uneingeschränkt begrüßt worden, Tenor (zit. n. 5, S. 117):
"Weimaraner! Morgen, Donnerstag früh betritt der Feldherr der Weltkriege, General Ludendorff Eure Stadt!" Alle Bürger wurden gebeten, an ihren Häusern schwarzweißrote Fahnen aufzuhängen, um Weimar drei Tage lang besonders festlich erscheinen zu lassen. Der öffentliche Schmuck müsse ein kleiner, aber wichtiger Dank sein. (...) Schon am nahe gelegenen Flugplatz wollten städtische Honoratioren den hohen Gast begrüßen; danach sollte eine farbige Militärparade mit "Abschreiten der Front" und später ein Besuch der kulturellen Gedenkstätten stattfinden, zu denen an diesem Wochenende die Krieger-Gedächtnishalle gehörte.
Die Tagungs-Inhalte selbst scheinen in der Lokalpresse keine Erwähnung gefunden zu haben (5, S. 117f):
Kein Wort über jene groß inszenierte Versammlung, die im Weimarer Nationaltheater geplant war. Man verschwieg, daß es einen gewaltigen Festumzug durch die Stadt geben sollte. Wie sich später herausstellte, war alles wie eine unverfängliche Kulturkundgebung arrangiert, zu der jedoch keine schöngeistigen Kulturvereine, sondern die völkisch-rechtsradikale Vorhut eingeladen war: der "Deutsche Offiziersbund", der "Weimarische Krieger- und Militärvereinsbund", der "Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten", sowie der "Jungdeutsche Orden". (...) Thüringens neuer Innenminister Georg Sattler, Mitglied im "Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten", hatte sich in den Urlaub abgemeldet. (...) Ludendorffs pompöser Auftritt war mit generalstabsmäßiger Präzision vorbereitet worden.
Und weiter (5, S. 121f; Hervorhebung nicht im Original):
Mit dem legendären Erich Ludendorff empfing man einen General, der wie ein neuer Held gefeiert wurde. Weimar prangte im Flaggen- und Blumenschmuck, als die Kolonnen des Stahlhelms, des Jungdeutschen Ordens, des Werwolfs sowie zahlreicher anderer vaterländischer Vereinigungen am Bahnhof ankamen und in ihre städtischen Quartiere gebracht wurden. "Heilrufe klangen in den Gesang vaterländischer Lieder aus Tausenden von jungen Kehlen", schrieben Lokalreporter "alt und jung war auf den Beinen, um das seltene Schauspiel mitzuerleben." (...) Im Armbrustsaal spielte eine Militärkapelle zackige Armeemärsche; ergriffen erhob sich die Zuhörerschaft von den Plätzen, als "Die Wacht am Rhein" und das "Stahlhelm"-Lied intoniert wurden.
Die Regisseure dieser vorher als "völkische Heerschau" angekündigten Veranstaltung taten alles, um ihren Ehrengast in den Mittelpunkt zu postieren. Ludendorff erschien zu allen Auftritten unter Polizeischutz an der Seite des Weimarer Oberbürgermeisters Walter Felix Mueller. Ihrem Ehrengast hatten die Organisatoren sogar das Recht eingeräumt, nach seinem Eintreffen auf dem Flugplatz einen feierlichen Feldgottesdienst zu zelebrieren. Im offenen Viereck warteten alle Abordnungen darauf, ihre Fahnen dem alten Heerführer wie zur persönlichen Weihe zu übergeben. Ludendorff (...) erinnerte daran, daß bei den Nationalsozialisten eine Fahne Zeichen zur Sammlung sei. "Nur mit Gott kann unser Weg gehen, der zum Siege führt. Wir haben zwar keinen König mehr, gebe Gott aber, daß wir bald wieder einen völkischen König bekommen."
Danach sang man gemeinsam die dritte Strophe des Deutschlandliedes, und Ludendorff schritt (...) die Front ab; am Nachmittag mußte er sich (...) fast eine Stunde Zeit nehmen, weil zur Militärparade so viele Abordnungen gekommen waren, daß der Aufmarsch die Länge von einem Kilometer erreicht hatte. Über 25.000 Schaulustige verfolgten ein Spektakel, dessen Attraktivität offenbar auch von seinen Organisatoren unterschätzt worden war; statt der geplanten zwei Festzüge gab es sogar drei Aufmärsche, die sich (...) sternförmig Richtung Weimar in Bewegung setzten. (...)
Mit ausdrücklicher Billigung der Stadtväter (...) nahmen die Nationalsozialistische Partei und ihre Führer die alten Gebäude, Denkmäler und Plätze Weimars in Besitz. (...) Wo eine Woche zuvor Spitzenvertreter der Reichsregierung und des Reichstages gegen die "Anbeter des Hakenkreuzes" gewettert hatten, standen deren Führer jetzt auf der Bühne.
Eine Woche zuvor war in Weimar der fünfte Jahrestag der Republik gefeiert worden - ebenfalls mit dem Oberbürgermeister von Weimar (5, S. 123):
Beim offiziellen Begrüßungs- und Festakt im Nationaltheater waren auf der Bühne gut sichtbar für die zahlreichen Pressevertreter sechs Hakenkreuzfahnen postiert. Der NS-Reichstagsabgeordnete Gottfried Feder lobte Ludendorff als Vorbild von Tannenberg und rühmte den abwesenden Hitler als "den Erwecker der deutschen Seele".
Am deutlichsten wurde in diesen drei Tagen die Ablehnung der Republik von Arthur Dinter ausgesprochen (zit. n. 4, S. 123f):
"Ich klage hier an der Seite des größten deutschen Feldherrn die gegenwärtige Reichsregierung des Volks- und Hochverrats an! Sie gehören an den Galgen! Wir wollen, daß dieser Volks- und Vaterlandsverrat vor dem Staatsgerichtshofe abgeurteilt wird. Unsere Geduld ist erschöpft!" (...) Er forderte alle Anwesenden auf, mit ihm gemeinsam die Hand zum Schwur zu erheben. (...) Man hob (...) die rechte Hand und sprach die Sätze: "Wir schwören unserem Führer Ludendorff, wenn er uns ruft, zu folgen bis in den Tod und nicht eher zu rasten, bis die November-Verbrecher ihrer Strafe vor dem deutschen Staatsgerichtshof zugeführt worden sind." (...) Schillers "Tell", Goethes "Faust" und der "Götz", "Egmont", "Hermann und Dorothea" sowie viele andere Werke seien immer rein völkisch gewesen, meinte Dinter und rief (...): "Das ist der wahre Geist von Weimar, den diese beiden Fürsten unter den Geistesgrößen vertreten. Den Preußengeist eines Preuß lehnen wir ab, wir halten es mit dem Preußengeist eines Ludendorff. Der Geist von Potsdam war von vornherein mit dem Geist von Weimar vermählt." Danach erscholl ein dreifaches "Heil" auf den Ehrengast, der (...) an Adolf Hitler erinnerte. (...) Von der Empore vor dem Nationaltheater verlas er ein Grußtelegramm des in Landsberg eingesperrten (...) NS-Führers.
Hitler hatte sich ja reichlich spät, erst ganz gegen Ende der Tagung zu einem solchen Grußtelegramm durchgerungen. Zum Inhalt der Kultur-Tagung wird weiter ausgeführt (5, S. 124f):
Man lauschte Wagners "Meistersingern" und folgte dem Auftritt eines Schauspielers, der Siegfrieds Tod aus der "Edda" rezitierte. In mehreren Vortragszyklen hatten Lehrer, Ärzte und Sprecher politisch nahestehender Verbände immer wieder den deutschen Kulturgedanken interpretiert.
Auch der NS-Reichstagsabgeordnete Franz Wulle und der Schriftsteller Adolf Bartels hielten Vorträge. Letzterer bekannte sich bei diesem Anlaß erstmals öffentlich zur NS-Bewegung (5, S. 126):
In einer sorgfältig ausgetüftelten Strategie haben die Nationalsozialisten damals Köpfe und Herzen der Weimarer Bevölkerung erobert.
Soweit die damalige Wahrnehmung durch die Lokalpresse in der Auswertung durch nachmalige Geschichtswissenschaft.

Abb. 28: "I. Tagung N. S. Freiheitsbewegung in Weimar 15. - 17. Aug. 24 - Ludendorff-Gräfe"
(Vielleicht auch schon vor der Tagung aufgenommen auf der Treppe vor Ludendorffs Haus
in München-Ludwigshöhe, um die Aufnahme an Teilnehmer der Tagung zu verkaufen)
In seiner eigenen Rede hatte Ludendorff - unter anderem an innerparteiliche Gegner wie Adalbert Volck gerichtet - ausgeführt (zit. n. 7, S. 267f) (Hervorhebung nicht im Original):
Noch gebricht es unserer Bewegung an Wucht. (...) Es gibt Unterführer, die sich überschätzen in eitler Verblendung. So bildet sich ein Partei-Bonzentum, so schlagen Spaltpilze immer wieder Wurzeln in unserer Partei, und es wird ihnen nicht entgegengetreten. Die Unterführerkrise bleibt ein ernstes Zeichen für uns. Wir haben Männer unter uns, die nicht zu uns gehören. Lehnen wir als Mitglieder grundsätzlich alle ab, die noch Bindungen haben außerhalb unserer Weltanschauung! (...) Grundsatz der gemeinsamen Bewegung ist schärfste Durchsetzung des Führergedankens.
Und es wird berichtet (7, S. 268f):
Die "Reichsführerschaft" gab am 25. August 1924 folgende Erklärung heraus: "Es hat sich unter den Herren Volck, Haase, Sunkel ein 'Direktorium der nationalsozialistischen Arbeiterpartei' gebildet. Dieses Direktorium besitzt keine gültigen Vollmachten des Herrn Hitler und wird von den Unterzeichneten nicht anerkannt. gez. Ludendorff, Strasser, v. Graefe"
Damit hatte man recht. Volck antwortete aber wenige Wochen später mit der Erklärung, daß auch Ludendorff und Mitkämpfer keine gültigen Vollmachten von Hitler hätte (16). Hitler arbeitete währenddessen hinter dem Rücken Ludendorffs gegen Ludendorff, was dieser auch noch zum Zeitpunkt des Verfassens seiner Lebenserinnerungen so konkret nicht scheint gewußt zu haben wie es heute auf Wikipedia steht (Wiki):
Während einer völkischen Tagung in Weimar am 16. und 17. August 1924 versuchte Hitler per Telegramm erfolglos, Gregor Strasser von einer Mitarbeit in der NSFP-Führung abzubringen. Endgültige organisatorische Entscheidungen wurden in Weimar verschoben. Die Tagung ging auf eine Initiative Ludendorffs zurück, der sich selbst als Führer des Zusammenschlusses positionieren wollte.
Erich Ludendorff hat damals eng mit Albrecht von Graefe (1868-1933) (Wiki) zusammen gearbeitet. Offenbar wurde während der Tagung eine Fotografie beider verbreitet, um die Einigkeit und Einheit innerhalb der Partei, personifiziert durch diese beiden "Führer", herauszustellen. Albrecht von Graefe zählte sich - laut Wikipedia - später auch zu den sogenannten "Deutschen Christen" und schrieb als solcher 1931 eine Schrift gegen das Christentum-kritische Buch von Mathilde Ludendorff "Erlösung von Jesu Christo". Aber das waren Fragen, die erst in späteren Jahren zu deutlicheren Gegensätzen führen sollten.  - Übrigens rang man sich im Weimarer Stadtparlament trotz vorherige Begeisterung wenige Wochen nach der Veranstaltung zu einer Verurteilung derselben durch (5, S. 129):
Man stellte fest, daß die Tagung der Nationalsozialistischen Freiheitspartei Weimar zum Schauplatz lärmender parteipolitischer Massendemonstrationen gemacht habe und wies ausdrücklich darauf hin, daß derartige Veranstaltungen Weimars historischer Bedeutung und seinen großen Überlieferungen nicht entsprächen. (...) Derartige Auftritte sollten sich möglichst nicht wiederholen.
Anlaß dazu hatte sicherlich das "Häßliche" gegeben, das auch Mathilde Ludendorff andeutet, also Gewalttätigkeiten der Tagungsteilnehmer, die mit Kultur nicht das mindeste zu tun hatten. Auffällige Worte hat Erich Ludendorff zehn Jahre nach dieser Tagung in einem Gedenkaufsatz für diese Tagung geschrieben (21):
Von der Reichstagung der geeinten Nationalsozialistischen Deutschen Freiheitsbewegung (nicht zu verwechseln mit der NSDAP!) im August 1924 in Weimar wird heute nicht mehr gesprochen. In unserer, in rasender Geschwindigkeit dahingleitenden Zeit wird vieles eben schnell vergessen, und doch gewinnen Tatsachen, die von so vielen Mitlebenden übersehen werden, oft für Nachlebende ihre geschichtliche Bedeutung, die weit in die Zukunft hineinragt. So kann es auch mit dieser Tagung in Weimar geschehen, so vieles auch von ihr mit Recht trauriger Vergessenheit anheimfallen kann.

Auf dieser Tagung sprach das erste Mal im Rahmen der völkischen Bewegung meine Frau, damals Frau Dr. med. v. Kemnitz, über Deutsches Gotterkennen und seine Bedeutung für die Zukunft unseres Volkes vor - wohl lauter Christen. Es waren Worte wie aus einer anderen Welt, denen wir lauschten, mag auch der eine oder der andere, sicher waren es nur ganz wenige, ihr unvergleichliches Werk Deutschen Gotterlebens „Triumph des Unsterblichkeitwillens“, das das Gottahnen unserer Rasse zum Einklang mit den Naturerkenntnissen und zum Gotterkennen geführt hat, und das gewaltige, aus transzendenter Schau geschaffene Werk „Schöpfunggeschichte“ gelesen haben, das den Willen Gottes in die Erscheinung zu treten in dem Werden des Weltalls bis hin zur Entwicklung des Menschen in überzeugender Kraft unantastbar feststellt. In ihrem Vortrage über die „Allmacht der reinen Idee“ deutete meine Frau ihre gewaltigen Erkenntnisse an, wohl wissend, welche tiefe Kluft zwischen diesen und der Gedankenwelt der Zuhörer bestand; aber sie wandte sich an die Volksseele, die doch in vielen der lauschenden Deutschen Völkischen wieder lebendig geworden war. (…)

Deutsches Gotterleben hatte damit, allerdings von Wenigen nur verstanden, für die Bildung Deutscher Weltanschauung und für Deutsche Volksschöpfung grundlegende Bedeutung erlangt. In der Tat, eine neue Epoche der Weltgeschichte hatte damit unmerklich begonnen, eine Epoche, die im schärfsten Gegensatz zu der uns durch Judentum, Priestertum und Christentum aufgezwungenen steht, die (…) in ihrem Beginnen kaum greifbar erscheint.

Abb. 29: "Ostpreußentag in Tilsit 24./25. August 1924 -
Die Freiheit ist unser Ziel - Ludendorff" 
(Postkarte)

In Tilsit (24./25. August 1924)

Aber der unermüdliche Ludendorff war schon längst wieder weiter gereist. Die Tage des zehnjährigen Gedenkens der Schlacht von Tannenberg im August 1914 in Ostpreußen riefen ihn nach dort. Er berichtet in seinen Lebenserinnerungen (1, S. 353):
In Ostpreußen waren zur Erinnerung des zehnjährigen Gedenktages der Schlacht von Tannenberg und der Befreiung Ostpreußens vom ersten Russeneinfall feierliche Veranstaltungen und die Grundsteinlegung des Tannenbergdenkmales auf dem Schlachtfelde von Tannenberg vorgesehen. Am Sonntag, den 24. sollte in Königsberg und am Sonntag, den 31. auf dem Schlachtfelde die Feier stattfinden. Ich selbst hatte, bevor ich zu der Veranstaltung in Königsberg eingeladen war, die Teilnahme an einer Feier in Tilsit zugesagt. Mich zog es besonders in diese Stadt, weil sie Grenzstadt geworden war; nördlich des Njemen lag ja das Memelland, das nicht nur in litauischer Verwaltung stand, sondern von Litauen in steigendem Maße bedrängt wurde.
Ich fuhr zunächst nach Insterburg und besuchte hier das Hotel, in dem das Oberkommando der 8. Armee nach der Schlacht an den Masurischen Seen im September 1914 und dann im Januar und Februar 1915 zur Winterschlacht in Masuren sein Hauptquartier hatte. Es waren erhebende Erinnerungen, die ich hier durchlebte. Dann ging es im Kraftwagen durch die litauische Landschaft nach Tilsit. (...) An der Chaussee nach Tilsit hatten sich in den Ortschaften Kriegervereine aufgestellt und die Bevölkerung sich versammelt. Sie dankten mir die Befreiung von dem Russeneinfal. (...) Der warme Empfang in den Ortschaften hatte mich aufgehalten. (...) Auch die Veranstaltungen in Tilsit waren vom gleichen Geist getragen. Sie waren vom "Frontring", so hieß der "Frontbann" in Ostpreußen, aber auch von anderen Teilen der Bevölkerung unternommen.
Aus Anlaß des Besuch Ludendorffs in Tilsit wurde daselbst eine Postkarte verbreitet (Abb. 29). Es handelt sich um eine Porträt-Fotografie Erich Ludendorffs am Schreibtisch. Auf ihr sind die handschriftlichen Widmungsworte Erich Ludendorffs aufgedruckt worden:
Ostpreußentag in Tilsit 24./25. August 1924.
Die Freiheit ist unser Ziel
                                         Ludendorff

In Königsberg (26./27. August 1924)

Weiter ging die Reise nach Königsberg (1, S. 355):
Am 26. ging es dann weiter durch das Samland nach Königsberg. (...) In Königsberg wohnte ich bei der Familie Döring. Herr und Frau Döring standen an der Spitze der Deutschvölkischen Freiheitspartei in Königsberg und nahmen mich gastlich auf. In der Veranstaltung in der Stadthalle sprachen außer mir der Forstmeister Gieseler aus Taberbrück nördlich Osterode, der die Deutschvölkische Freiheitspartei der Provinz leitete, und Hauptmann Röhm, der sich in meiner Begleitung befand. Auch diese Feier war von hohem Schwunge getragen. Im Schützenhaus versicherten mich der Führer des "Wehrwolf", Korvettenkapitän Wiersbitzki, und der Führer des "Frontring", Herr v. Auer, der üblichen Treue. Wieviel Treue ist mir gelobt worden!
Im "Deutsche Wochenschau Filmarchiv" ist ein Dokumentarfilm erhalten mit dem Titel "Die Tannenbergfeierlichkeiten in Ostpreußen". Durch diesen erhält man einen guten Ein- und Überblick über den Ablauf derselben, und zwar zunächst derjenigen in Königsberg. Über die Aufnahmen heißt es (8):
Dokumentarfilm über die Feierlichkeiten anläßlich des zehnjährigen Jubiläums der Schlacht bei Tannenberg. Teilnehmer der Feierlichkeiten sind u.a. Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg und die an der Schlacht beteiligten Heerführer und Soldaten.
In den meisten Filmsequenzen steht Hindenburg im Mittelpunkt, bzw. Vordergrund (Hervorhebung nicht im Original) (8):
Da es sich um einen Stummfilm handelt, wird der Film von zahlreichen Zwischentiteln unterbrochen. 10:00:00 – 10:01:50 Pillau: Schiff „Odin“ läuft in Hafen ein. Empfang. Generalfeldmarschall von Hindenburg schreitet Ehrenkompanie der Reichswehr ab (verschiedene Einstellungen). Männerchor singt zur Begrüßung. Hindenburg begrüßt Kriegsveteranen, teilweise in alter Uniform mit Pickelhaube.
10:01:45 – 10:02:55 Menge winkt Hindenburg mit Taschentüchern zu. Sitzende Zuschauer (Totale). Hindenburg auf Ehrentribüne. Massensportformationen von Jugendlichen auf dem „Walter-Simon-Platz“ (Totale). 10:02:50 – 10:03:10 Sportplatz der Palästra Albertina, Hindenburg zwischen Generälen (nah). 10:03:05 – 10:04:00 General Erich Ludendorff, Hindenburg u.a. zu Besuch in der Schwimmanstalt Prussia. Kinder und Jugendliche an der Badestelle der Schwimmanstalt Prussia (Totale). Hindenburg im Gespräch mit Ludendorff (Ludendorff von hinten). Hindenburg im Gespräch mit Dame. Steg der Badeanstalt, Badende (Totale).
10:03:55 – 10:04:50 Hindenburg wird mit offener Limousine auf Wiese gefahren, Sportler winken zur Begrüßung. Veteranen am Barren. Turner am Reck, Hindenburg im Auto als Zuschauer. Hindenburg im offenen Automobil (nah). Veteranen machen Turnübungen auf Wiese. 10:04:45 – 10:05:30 Empfang im Tiergarten: Kinder in weißen  Sportanzügen stehen für Hindenburg und Militärs Spalier. 10:05:25 – 10:08:50 Flughafen Königsberg: Flughafengebäude, Veteranen stehen auf Aussichtsterrasse. Veteranen steigen in Flugzeug Aufschrift „Junkers“. Pilot steht auf Tragefläche, posiert vor Kamera. Start Flugzeug „Junkers“. Flughafen Königsberg (Totale). Junkers klein am Himmel. Landebahn (Wiese) mit Zuschauern. Gelandete Junkers rollt heran. Passagiere, auch eine Frau, steigen aus Flugzeug (nah). Uniformierter schüttelt Pilot die Hand. Gäste auf Flughafengelände. Hindenburg und andere Veteranen auf Terrasse des Flughafengebäudes. Zwei Kriegsveteranen mit Orden behängt (nah). Abfahrt Hindenburg und andere Militärs mit Mercedes- / Daimler- Coupés.
10:08:45 – 10:09:35 Königsberger Hafen: Veteranen, u.a. mit Pickelhaube, steigen auf Ausflugsschiff. Paddelboote. Abfahrt Ausflugsdampfer „Kneiphof Königsberg“ mit Veteranen und Frauen. 

Im Berliner Reichstag (28. August 1924)

Ludendorff schreibt (1, S. 355):
Am 27. abends verließ ich Königsberg und traf am 28. früh in Berlin ein, um an den Abstimmungen zu dem Dawes-Gutachten teilzunehmen.
Um an dieser Abstimmung als Reichstagsabgeordneter teilzunehmen, fuhr Ludendorff also nach Berlin, um danach nach Ostpreußen zurück zu kehren. Die Annahme des Dawes-Planes durch den Reichstag empörte Ludendorff zutiefst (1, S. 356-358):
Als die letzte Abstimmung erfolgt war, erhob ich mich, rief den neben mir sitzenden Mitgliedern der Deutschen Volkspartei, die ja auch immer wie die Deutschnationale Volkspartei in vaterländischen Phrasen schwamm, zu, sie sollten sich schämen, und verließ den Reichstag, um ihn lange Zeit nicht mehr zu betreten. (...) Zur politischen und militärischen Versklavung war nun die wirtschaftliche gefolgt. (...) Im tiefsten Herzen verwundet, war ich bereits am 29. abends nach Ostpreußen abgereist, und zwar nach Osterode, dem Hauptquartier des Oberkommandos der 8. Armee an dem entscheidenden Schlachttage, dem 28.8. 
Von der Ankunft daselbst auf dem Bahnhof ist eine Fotografie überliefert (Abb. 30).

Abb. 30: Am Bahnsteig in Osterrode, 30. August 1924
(entnommen: 2, S. 400)

In Hohenstein (30./31. August 1924)

Auf einer zeitgenössischen Postkarte (Abb. 31) ist zu sehen: "Exzellenz v. (sic!) Ludendorff - Ankunft in Hohenstein am 30. August 1924 zur Tannenbergfeier". Ludendorff wird von den Pfarrern Hohensteins begrüßt. Ludendorff berichtet weiter (1, S. 359f):
In Tannenberg hatte ich einen Gedenkstein zu enthüllen. (...) Auch in Neidenburg nahm ich an einer Feier teil.
Verspätet traf er zu der letzteren Feier ein. Dadurch geriet die kirchliche Feier in Unordnung (1, S. 360):
Mich traf bald darauf ein mißbilligender Blick des Generals v. Mackensen.

Abb. 31: "Exzellenz Ludendorff - Ankunft in Hohenstein am 30. August 1924 zur Tannenbergfeier"

Ludendorff erinnert sich, wie er sich während des Krieges für Mackensen eingesetzt hatte und setzt fort (1, S. 361):
Doch so etwas vergißt sich, namentlich wenn man eine kirchliche Feier unbeabsichtigt stört. Die Hauptfeier bildete die Grundsteinlegung für das zu errichtende Denkmal in der Gegend von Hohenstein. Sie erfolgte da, wo dann im August 1927 das Denkmal errichtet wurde. (...) Die Feier war von Pionier-General Kahns gut vorbereitet. (...) Wohl 40. - 50.000 Deutsche Männer und Frauen und Jugend waren erschienen. Es war ein buntes Bild, das sich dem Beschauer bot. (...) Nach den Predigten erfolgte die Grundsteinlegung. (...) Die gesamte Feier nahm einen schönen Verlauf und endete mit einem Vorbeimarsch der Verbände. Mein Wiedersehen mit General v. Hindenburg schien von gegenseitigem Vertrauen getragen, ich brachte ihm damals nur noch zu viel entgegen. Viele Generale waren, wie ja schon in Halle, recht zurückhaltend. (...) Ich stand ja noch immer zu dem Gefreiten Hitler. Ich ließ sie gehen, zeigte ihnen die kalte Schulter und freute mich des Vertrauens, das mir das Volk schenkte.

Abb. 32: Hindenburg und Ludendorff - Grundsteinlegung für das Denkmal für die Schlacht von Tannenberg,
31. August 1924 (Links hinter Hindenburg sein Sohn Oskar)

In der schon genannten Filmwiedergabe heißt es über die Hauptfeier am 31. August 1924 (8):
10:09:30 – 10:11:30 Die Schlacht bei Tannenberg (26. – 31.8.1914): Graphik / Trick: Schlachtpläne / Karten mit militärischen Strategien. 10:11:25 – 10:15:50 Junge Frauen in  weißen Kleidern begrüßen ankommende Veteranen. Veteranen in Uniform mit Pickelhaube, Hindenburg begrüßt Veteran. Veteranen gehen durch Gasse von Schaulustigen. Menschenmenge (verschiedene Einstellungen). Militärkapelle. Hindenburg und Anhang schreiten Soldatengarde mit aufgepflanzten Bajonetten ab. Hindenburg, General-Feldmarsschall August von Mackensen (mit Husarenmütze) und andere schreiten an salutierenden Soldaten vorbei. Handschlag Hindenburg mit Veteran in Zivil. Abgang in Pferdekutschen. Abgang von Generälen und Offizieren zu Fuß. Verhülltes Ehrenmal, Menschenmenge teilweise mit Fahnen (Schwenk). Denkmal wird enthüllt. Hindenburg legt Kranz an Ehrenmal nieder.
10:15:45 – 10:18:53 Militärkapelle marschiert über Straße, bleibt am Rand stehen. Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten, Soldaten, Militärkapelle, Veteranen marschieren, Schaulustige am Straßenrand (verschiedene Einstellungen). Hindenburg auf Ehrentribüne salutiert, daneben Mackensen Gedenkstein, Aufschrift „Herr mach uns frei“ (nah).

Abb. 33: Hindenburg und Ludendorff - Grundsteinlegung
für das Denkmal für die Schlacht von Tannenberg, 31. August 1924
Ludendorff schreibt weiter (1, S. 364):
Am 3.9. verließ ich Tabernbrück und besuchte nun auch noch wiederum Herrn v. Oldenburg-Januschau, bei dem auch General v. Hindenburg als Gast war. Ich weilte hier wenige Tage und fuhr dann von Deutsch-Eylau nach München zurück. (...) Erinnerungsreiche, eindrucksvolle Tage lagen hinter mir.

Abb. 34: "Tannenbergfeier am 31. August 1924 - Feldgottesdienst auf dem Felde bei Hohenstein: 1. v. Hindenburg, 2. v. Mackensen, 3. Ludendorff, 4. v. Seekt

"Ludendorff steht dauernd an falscher Stelle" (September 1924)


Der oben genannte Adalbert Volck antwortete auf die Weimarer Erklärung vom August - wie schon erwähnt - mit der Erklärung, daß auch die "Reichsführerschaft" unter Ludendorff keine Vollmachten von Hitler hätte. Am 7. September 1924 veranstaltete das genannte Direktorium unter Volck eine Tagung mit den ihm unterstehenden Verbänden. Volck äußerte dort (zit. n. 7, S. 270):
Ludendorff steht dauernd an falscher Stelle und mit falscher Haltung. Das in Weimar gefallene Wort "der Wunsch Ludendorffs ist uns Befehl" ist ein Schlag ins Gesicht der völkischen Idee. 
Die Feindschaften innerhalb der Partei waren also wirklich sehr groß. Und dabei ist auffallend, daß sie ja noch kaum auf eigentlich inhaltlich unterschiedlicher Ausrichtung beruhten konnten, sondern wohl offenbar aus ganz anderen Motiven gespeist waren (16).

Abb. 35: Ludendorff und Pfeffer von Salomon in Münster, 14. September 1924


"Ludendorff-Tag" in Münster (14. September 1924)

Am 14. September 1924 nahm Ludendorff an einem "Deutschen Tag" in Münster teil. Dieser stand unter der Leitung des vormaligen Weltkriegsteilnehmers und bekannten Freikorpsführers Franz Pfeffer von Salomon (1888-1968) (Wiki), eines Katholiken. Ludendorff schreibt (1, S. 343):
In Münster hatte Hauptmann Pfeffer v. Salomon, ein bekannter Freikorpsführer, "Frontbann"-Abteilungen zusammen gezogen. (...) Leider kam es in Münster zu einer sehr ernsten Aussprache zwischen Herrn v. Graefe und Herrn Hauptmann v. Pfeffer, der von großdeutschen Bestrebungen gesprochen hatte, wie dies in römischen Kreisen üblich war, die ein Übergewicht des Protestantismus durch Preußen im Reich befürchteten. Herr v. Graefe war strenger Protestant, Herr v. Pfeffer ebensolcher Katholik, so platzten denn die Ansichten gegeneinander.
Dazu heißt es in einer 2016 erschienenen Biographie zu Pfeffer von Salomon (9):
Ludendorff hatte im Vorfeld des Besuchs unter den Nationalen im katholischen Münster mit seinen Thesen von der Unvereinbarkeit völkischer Weltanschauung und Katholizismus für starke Irritationen gesorgt. Von einigen Gruppierungen wie etwa auch Anhängern des Treubundes wurde die Einladung Pfeffers an Ludendorff gar als Provokation aufgefaßt.
Pfeffer von Salomon sollte später für eine Zeit lang der Führer der SA werden. Er hatte Erich Ludendorff vormittags auf dem Bahnhof in Münster mit einer Ehrenkompagnie begrüßt und in die Stadt zu einem Mittagsmahl geleitet (9):
Neben Graefe waren auch Wulle, Röhm sowie Strasser anwesend. (...) Insgesamt beteiligten sich rund 2.000 Menschen am "Deutschen Tag". (...) Die Pressestimmen aus dem konservativen und nationalen Lager waren insgesamt durchweg positiv.
Auch hier kam es wieder zu Treueschwüren (10) (s. a. 2010). Inhalte der Rede Ludendorffs in Münster wurde einen Tag später auch von einer internationalen Presseagentur verbreitet. Darin heißt es (eig. Übersetz.):
Ludendorff, Führer der faschistischen Partei in Deutschland, stellte heute in einer Rede in Münster, wo tausende von Nationalisten versammelt waren, eine neue Version von Deutschlands Kriegsschuld vor: "Das deutsche Volk als Ganzes war nicht schuld am Ausbruch des Krieges," sagte Ludendorff, "aber es gibt Männer, die einen Anteil an der Schuld haben. Es sind dies jene Führer, die es 1912 unterließen, jene Rekruten einzuziehen, die von der Armee gefordert worden waren." 
Erich Ludendorff war ja 1912 die treibende Kraft der Heeresreform gewesen und wurde um dessentwillen Anfang 1913 strafversetzt nach Düsseldorf. Er meint, wäre die Heeresreform konsequent durchgesetzt worden, hätten es die Kriegsgegner Deutschlands vielleicht nicht so leicht gewagt, Deutschland den Krieg zu erklären (Abschreckungstaktik).

Erich Ludendorff im "Simplicissimus" (November 1924)


Wenn es auch aus der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1924 kaum noch Fotografien von Erich Ludendorff gibt, so war er doch in der täglichen Berichterstattung der Zeitungen weiterhin präsent. Seine schon erwähnte Auseinandersetzung mit dem bayerischen Kronprinzen Rupprecht wurde in der Münchner satirischen Wochenzeitschrift Simplicissimus als "Größenwahn" Ludendorffs wahrgenommen und dargestellt (Abb. 36) (20).

Abb. 36: "Rupprecht von Bayern überläßt Erich die Krone"
Zeichnung von Thomas Theodor Heine im satirischen Wochenblatt "Simplicissimus" vom 22. November 1924
Die bayerischen Offiziere hatten Ludendorff im Zuge seiner Auseinandersetzungen mit dem Kronprinzen Rupprecht aus ihrer "Standesgemeinschaft" ausgeschlossen. Auch dieserhalben machte sich das satirische Wochenblatt "Simplicissimus" in der gleichen Folge um Ludendorff Sorgen in Form eines satirischen Gedichtes:


Abb. 37: Simplicissimus, 22. November 1924

Ludendorff isolierte sich damals - wie es auch im Gedicht zum Ausdruck kommt - einerseits von den monarchisch-konservativen Kreisen um den Kronprinzen Rupprecht ebenso von den nationalsozialistischen Kreisen um Leute wie Arthur Dinter. Nur noch die norddeutsche Deutschvölkische Freiheitspartei unter von Graefe hielt - wie es im Gedicht zum Ausdruck kommt - zu Ludendorff.

Erneut Reichstagswahlen (7. Dezember 1924)


Am 7. Dezember 1924 fanden erneut Reichstagswahlen statt (Wiki). Im Dezember stand Adolf Hitler kurz vor seiner Entlassung aus der Festungshaft und er hatte sich - mit anderen süddeutschen NSDAP-Mitgliedern - bis dahin schon merklich von Ludendorff und den norddeutschen Völkischen ("Deutschvölkische Freiheitspartei") distanziert. Die Spaltung zwischen beiden sollte gleich nach seiner Entlassung aus der Festungshaft manifest werden. Dies ist einer der Gründe dafür, daß die zusammengeschlossene "Nationalsozialistische Freiheitsbewegung" unter der Führung Ludendorff und von Gräfe, die eigentlich die nord- und süddeutschen Völkischen vereinigen sollten, in der Reichstagswahl vom 7. Dezember 1924 nur noch die Hälfte der Stimmen erhielt und damit nur noch die Hälfte der vormaligen Zahl von Reichstagsabgeordneten stellen konnte im Vergleich zur Wahl vom Mai 1924.

"Wir vergessen mit jedem Tag mehr, was Freiheit ist" (9. Dezember 1924)


Der Hauptmann Hans Tröbst, der im November 1923 mit Ludendorff zusammen am Hitler-Putsch in München teilgenommen hatte, ging zu jener Zeit wieder als Auslandskorrespondent zurück in die Türkei (18). Am 27. November 1924 erschien von ihm ein Bericht in der "Deutschen Allgemeinen Zeitung" (Fb). Darin führte er den Gedanken aus, daß die Ausrottung der Armenier zum eigenen großen wirtschaftlichen Schaden der Türken geschehen sei (Fb). Am 9. Dezember 1924 bedankte sich Erich Ludendorff bei Tröbst für die Übersendung von dessen erstem Buch "Soldatenblut - Vom Baltikum zu Kemal Pascha", in dem er über den türkischen Freiheitskampf unter Kemal Pascha berichtete, der auch für die völkische Bewegung in Deutschland Vorbild war. Ludendorff schrieb (18):
Mein lieber Hauptmann Tröbst! Heute trafen Brief und Buch ein, nehmen Sie für beides herzlichen Dank. Wir haben Freiheitsschaffen mehr als nötig, denn wir vergessen mit jedem Tag mehr, was Freiheit ist. Der 7.12. hat es erschreckend gezeigt. Mit Deutschem Gruß Ihr Ludendorff

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  1. Ludendorff, Erich: Vom Feldherrn zum Weltrevolutionär und Wegbereiter Deutscher Volksschöpfung. Meine Lebenserinnerungen von 1919 bis 1925. Ludendorffs Verlag GmbH, München 1941 (12.-16. Tsd.)
  2. Ludendorff, Mathilde (Hg.): Erich Ludendorff - Sein Wesen und Schaffen. Ludendorffs Verlag, München 1938
  3. Ludendorff, Mathilde: Statt Heiligenschein und Hexenzeichen - Mein Leben. IV. Teil: Herrliches Schaffen und des Freiheitskampfes ernster Beginn (1917-1924). Verlag Hohe Warte, Pähl, 2. Auflage 1981
  4. Hans-Joachim Hecker, Hitler-Ludendorff-Prozess, 1924, publiziert am 12.04.2017, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Hitler-Ludendorff-Prozess,_1924> (29.01.2018)
  5. Mauersberger, Volker: Hitler in Weimar. Der Fall einer deutschen Kulturstadt. Rowohlt, Berlin-Verlag, Berlin 1999
  6. Zirlewagen, Marc: "Bekenntnis für den deutschen nationalen Gedanken." Ludendorffs Besuch der Deutschen Tage in Marburg im Mai 1924, in: "Einst und Jetzt. Jahrbuch für corpsstudentische Geschichtsforschung", Bd. 51/2006, S. 235-241
  7. Franz-Willing, Georg: Putsch und Verbotszeit der Hitlerbewegung. November 1923 - Februar 1925. Verlag K.W. Schütz KG, Preußisch Oldendorf 1977
  8. Die Tannenbergfeierlichkeiten in Ostpreußen (1924). Stummfilm. Deutsche-Wochenschau.de (19 Min.)
  9. Fraschka, Mark A.: Franz Pfeffer von Salomon. Hitlers vergessener Oberster SA-Führer. Wallstein Verlag, Göttingen 2016 (GB)
  10. Meldungen aus Münster 1924 - 1944. Geheime und vertrauliche Berichte von Polizei, Gestapo, NSDAP und ihren Gliederungen, staatlicher Verwaltung, Gerichtsbarkeit und Wehrmacht über die politische und gesellschaftliche Situation in Münster. Eingeleitet und bearbeitet von Joachim Kuropka. Verlag Regensberg Münster 1992
  11. Bading, Ingo: Die deutsche Politik der Jahre 1923 und 1924 aus der Sicht eines Pressefotografen. Studiengruppe Naturalismus, 26.1.2012, http://studiengruppe.blogspot.com/2012/01/die-deutsche-politik-der-jahre-1923-und.html
  12. Bading, Ingo: Erich Ludendorff und der Film. Studiengruppe Naturalismus, 31.12.2013  http://studiengruppe.blogspot.com/2013/12/erich-ludendorff-und-der-film.html
  13. Bading, Ingo: Einhunderttausend Deutsche auf dem "Deutschen Tag" in Halle, Mai 1924. Studiengruppe Naturalismus, 20.11.2015, http://studiengruppe.blogspot.com/2011/09/ludendorff-auf-dem-deutschen-tag-in.html
  14. Bading, Ingo: "Ich bin der größte Revolutionär, den Deutschland heute hat." - Erich Ludendorff 1928. Studiengruppe Naturalismus, 28.11.2010, http://studiengruppe.blogspot.com/2010/11/ich-bin-der-grote-revolutionar-den.html
  15. Bading, Ingo: "Das nationale Wollen in dieser schwer bedrohten Provinz bedurfte besonderer Pflege". Studiengruppe Naturalismus, 21.3.2017, http://studiengruppe.blogspot.com/2017/03/die-tannenberg-gedenkfeiern-in.html
  16. Bading, Ingo: Adalbert Volck gegen Erich Ludendorff (1924). Studiengruppe Naturalismus, 6.8.2014, http://studiengruppe.blogspot.com/2014/08/adalbert-volck-gegen-erich-ludendorff.html
  17. Bading, Ingo:      Erich Ludendorff auf "Deutschen Tagen" 1923 bis 1925. Studiengruppe Naturalismus, 20.11.2015, http://studiengruppe.blogspot.com/2015/11/erich-ludendorff-auf-deutschen-tagen.html
  18. Bading, Ingo:      Erich Ludendorff lehnte früh die Schriftsteller des "Neuen Nationalismus" ab (1926). Studiengruppe Naturalismus, 3.4.2015, http://studiengruppe.blogspot.com/2015/04/erich-ludendorff-lehnte-fruh-die.html
  19. Bading, Ingo: Wie wurde Erich Ludendorff Geheimpolitik-Kritiker? Unveröffentlichtes Manuskript, 2016, 200 Seiten  
  20. Bading, Ingo: Erich Ludendorff im Spiegel des "Simplicissimus" (1924 bis 1932). Studiengruppe Naturalismus, 11.2.2012, https://studiengruppe.blogspot.de/2012/02/die-ludendorff-bewegung-im-spiegel-des.html 
  21. Ludendorff, Erich: In: „Am Heiligen Quell Deutscher Kraft“, Folge 13/1934; zit. in: Beißwenger, Heidrun ("Adelinde"): Erich Ludendorff - Rückblick auf Weimar 1924. Auf: Adelinde.net, 1. Juli 2018, https://www.adelinde.net/erich-ludendorff-rueckblick-auf-weimar-1924/
  22. Hitlerprozess 1924 in der Kriegsschule zu München, 1924, https://www.filmothek.bundesarchiv.de/video/577247  

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