Montag, 11. Mai 2020

Die Ludendorff-Bewegung in Pommern (1924 bis 1945)

"Die Kirche war gerufen, für ihren Glauben einzutreten," heißt es in der Erinnerung Pommerscher Pastoren im Rückblick auf die Erfolge der Ludendorff-Bewegung
  • A. Einiges zur frühen völkischen Bewegung in Pommern (1924)
  • B. Der Tannenbergbund in Pommern (ab 1926)

Pommern, die einstige Kornkammer des Deutschen Reiches, mit seinen mehr als 500 Kilometern traumhaftem Ostsee-Strand. Schon um 4.000 v. Ztr. handelte das heute ausgestorbene Fischervolk von Neuwasser in Hinterpommern mit Bauernvölkern bis nach Ungarn hinein (1). In Pommern siedelte dann die Trichterbecher- und die Kugelamphoren-Kultur, Bauernvölker, deren genetische Herkunft in den neolithischen Mittelmeerraum verwies. Ab 2.800 v. Ztr. wurden diese Völker von den Schnurkeramikern abgelöst, Indogermanen, deren Ethnogenese sich um 4.700 v. Ztr. an der Mittleren Wolga vollzogen hatte, und von denen noch wir heute abstammen. In der Bronze- und Eisenzeit eher im Schatten der Weltgeschichte, siedelten dann hier zuerst die Goten, später die Wikinger. Ab dem 12. Jahrhundert wurde Pommern christianisiert und es fand die deutsche Ostsiedlung statt. In welchem Umfang die deutschen Pommern bis 1945 auch genetisch von den Wikingern abstammten, ist nie wirklich geklärt worden, könnte aber heute - aufgrund der humangenetischen Forschung - grundsätzlich geklärt werden (2).

Der Dreißigjährige Krieg hat das protestantische Pommern mindestens ebenso in Mitleidenschaft gezogen wie unzählige andere deutsche Provinzen. In Pommern fand der nachmalige Reichskanzler Otto von Bismarck Mitte des 19. Jahrhunderts jene religiöse Orientierung, die die vermutlich wesentlichste Grundlage für sein politisches Wirken bildete (bei den Pommerschen Pietisten rund um Marie von Thadden). Zugleich fand er hier seine Ehefrau Johanna von Puttkammer. - Dies als kurzer einleitender Ausflug in die Geschichte und Kulturgeschichte Pommerns.

Abb. 1: Köslin - Marktplatz mit Marienkirche - In Köslin befand sich von 1937 bis 1939 der Wirkungsort von Dietrich Bonhoeffer ebenso wie es dort eine stärkere Gruppierung von Ludendorff-Anhängern gab

Soweit übersehbar, gibt es bislang zu keiner deutschen Provinz eine auch nur halbwegs zusammenhängende Darstellung der Geschichte der Ludendorff-Bewegung in derselben. Daß die Ludendorff-Bewegung in einer deutschen Provinz stärker gewesen sei als in irgendeiner anderen, ist vorerst nicht erkennbar. Vortragsreisen Erich und Mathilde Ludendorffs haben ab 1928 in alle Teile des Deutschen Reiches geführt und überall viele Anhänger geworben.

Im vorliegenden Beitrag soll einmal zusammen getragen werden, was - bruchstückhaft - über die Geschichte der Ludendorff-Bewegung in Pommern derzeit bei nur sehr grober Suche zu finden ist. Dasselbe ist auch schon - und bislang noch bruchstückhafter - für Ost- und Westpreußen versucht worden (3-6). Dieser Beitrag soll - wie viele andere hier auf dem Blog - nach und nach ergänzt werden. Erste Anhaltspunkte zur Geschichte der Ludendorff-Bewegung in einer jeweiligen Provinz sind Lageberichte der Polizei, der Gestapo oder auch beider großer Kirchen, wie sie seit 1945 nach und nach editiert worden sind und weiter editiert werden. Solche Berichte bildeten auch den Ausgangspunkt für den vorliegenden Beitrag (7), der aber schnell um mancherlei weitere Anhaltspunkte hat erweitert werden können.

Die Vorfahren von Erich Ludendorff selbst stammen aus Pommern und lassen sich dort urkundlich bis ins fünfzehnte Jahrhundert zurückverfolgen. In Demmin und später in Stettin gehörten sie zu den ansässigen Kaufmannsfamilien. Erich Ludendorff hat aber in seinem persönlichen Leben sonst aber keine außergewöhnlichen Berührungspunkte mit Pommern aufzuweisen. Auch diese Provinz aber geriet - wie wir noch sehen werden - immer einmal wieder in sein Blickfeld. Denn in Pommern waren die politischen, geistigen und religiösen Auseinandersetzungen mindestens ebenso rege wie in anderen Teilen Deutschlands.

A. Einiges zur frühen völkischen Bewegung in Pommern (1924)

Die schwere politische, wirtschaftliche und geistig-moralische Krise nach dem Ersten Weltkrieg brachte die Freikorps-Kämpfe an den Ostgrenzen des Reiches und gegen die Kommunisten im Innern des Reiches mit sich. Diese Krise kulminierte schließlich im Kapp-Putsch von 1920 und im Hitler-Ludendorff-Putsch von 1923. In beiden Fällen war Erich Ludendorff führend beteiligt, in beiden Fällen sollten die "November-Verbrecher", die den Kaiser gestürzt hatten, die den Waffenstillstandsvertrag und den Versailler Vertrag unterschrieben hatten, abgesetzt werden. (Scheidemann, einer dieser Politiker, der in den Augen der Völkischen und Nationalen zu den "November-Verbrechern" gehörte, hatte selbst zuvor gesagt, jene Hand solle "verdorren", die den Versailler Vertrag unterschreiben würde.)

Abb. 2: Professor Theodor Vahlen, Rektor der Universität Greifswald, Förderer des Studentensports, völkischer Reichstagsabgeordneter für Pommern 1924/25

Beide Putsch-Versuche mißlangen zwar, der zweite Putsch-Versuch und der nachmalige Prozeß gegen die führenden Putschisten in München erhöhte aber die Popularität der sich hier erstmals aufsehenerregender manifestierenden völkischen Bewegung in Deutschland. Das zeigte sich dann bei den nachherigen Reichstagswahlen im Frühjahr 1924. Bei diesen hatte die völkische Bewegung in ganz Deutschland Wahlerfolge, die nachmals die NSDAP erst wieder im Jahr 1930 erreichen (und übertreffen) sollte. Während sie reichsweit 6,5 % der Stimmen erhielt, erhielt sie in Pommern 7,3 %. Über die Frühgeschichte der Völkischen in Pommern ist zu erfahren (31):

Im Vergleich zu anderen Gauen im Norden Deutschlands bildeten sich dort schon früh feste Organisationsformen heraus. 1923 hatte die NSDAP bereits 330 Mitglieder in zwölf Ortsgruppen - darunter Greifswald, Jarmen, Pasewalk, Stralsund und Stettin.

In Norddeutschland war aber auch die "Deutschvölkische Freiheitspartei" zur Wahl angetreten (8), für Pommern war der Greifswalder Professor für Mathematik Theodor Vahlen (1869-1945)(Wiki) in den Reichstag gewählt worden. Die NSDAP selbst war zwar nach dem Hitler-Putsch vorläufig in Deutschland verboten, an ihrer Stelle hatten sich aber völkische Wahllisten mit unterschiedlichen Namen gebildet. Die "Deutschvölkische Freiheitspartei" war gegründet worden von vormaligen Abgeordneten der Deutschnationalen Partei (DNVP). Diese waren aufgrund ihrer völkischen Einstellung aus ihrer ursprünglichen Partei ausgetreten und haben eine neue Partei gegründet. Zu ihnen gehörte auch Vahlen, der im Ersten Weltkrieg Batteriechef im Range eines Majors gewesen war und der 1919 der DNVP beigetreten war.

Für die Dauer der Festungshaft Hitlers schlossen sich nun beide völkischen Richtungen zur "Nationalsozialistischen Freiheitspartei" unter der Führung Ludendorffs und Ernst Röhms zusammen, die zugleich die Führer der völkischen Reichstagsfraktion waren, der auch Vahlen angehörte. Dieser Zusammenschluß konnte aber nicht verhindern, daß es von Seiten der Hitler-Anhänger - auch in Pommern - Widerstand gegen die Parteiführung Ludendorffs gab. Theodor Vahlen hatte es diesbezüglich in Greifswald mit zwei Studenten zu tun, nämlich mit Joachim Haupt (1900-1989) (Wiki) und Reinhard Sunkel (1900-1945) (Wiki). Beide sollten im weiteren Verlauf des Jahres 1924 an die Universität Kiel wechseln und dort den "Nationalsozialistischen Studentenbund" gründen. Beide waren Angehörige des Freikorps Maercker gewesen. Sunkel war 1922 in die NSDAP eingetreten und hatte am Hitler-Putsch teilgenommen. Haupt hatte 1922 den "Pommerschen Beobachter" begründet und ihn bis 1923 als Schriftleiter geleitet. Diese beiden Greifswalder Studenten widersprachen Vahlen, der sich gegenüber Ludendorff loyal verhielt. Sie waren nicht bereit, das .... (9, S. 202, GB)

... Aufgehen in die DVFP unter der Patronage Ludendorffs zu akzeptieren. "Sie kennen jene Worte, die jeder Nazi gebraucht, um den grundsätzlichen Unterschied der beiden völkischen Richtungen zu erklären," schrieb der Stettiner Hitleranhänger an Theodor Vahlen. "Die NSDAP kommt von unten, die DFP (DVFP) kommt von oben. Wir kommen aus dem schaffenden Volk, die DFP aus dem völkischen Mittelstand." Gegenüber dieser radikalen Fraktion um Joachim Haupt und Reinhard Sunkel sah sich eine zweite, von Theodor Vahlen geführte Gruppierung von General Erich Ludendorff in die Pflicht genommen.
In den ersten Wochen des Jahres 1924 kam es daher in der Partei zu heftigen Kontroversen über den weiteren Weg der Nationalsozialisten. Um den Widerstand innerhalb des Landesverbandes zu brechen, ließ es sich Ludendorff nicht nehmen, die pommerschen Hitleranhänger selbst auf den deutschvölkischen Fusionskurs einzuschwören. Dabei stellte sich heraus, daß sich sowohl Ludendorff als auch die nach Berlin zitierten rebellischen Studentenvertreter auf Hitler beriefen. Beide streitenden Parteien konnten nicht wissen, daß der in Landsberg einsitzende NSDAP-Führer in der Frage der "Verschmelzung" mit der DVFP bereits mehrfach die Meinung gewechselt hatte. Besuche bei Hitler und an  ihn gerichtete Schreiben stifteten daher eher Verwirrung, brachten aber keine Klärung. Während Joachim Haupt und Reinhard Sunkel im Glauben, die richtige Position zu vertreten, unbeeindruckt gegenüber der DVFP auf Distanz blieben, zeigte sich Theodor Vahlen kooperationsbereiter.
Nach Verhandlungen mit dem Führer der DVFP, Albrecht von Graefe, dem pommerschen Landesvorsitzenden (Fritz) von Bodungen und Ludendorff veröffentlichte Vahlen ein Rundschreiben, in dem die Hitleranhänger darüber informiert wurden, daß Ludendorff im Auftrage des Führers nun mit der völkischen Einigung der Pommern beauftragt sei. Damit war der Widerstand im pommerschen Landesverband der Nationalsozialisten vorerst gebrochen. Haupt und Sunkel, die vergeblich auf einen klärenden Brief Hitlers warteten, konnten sich nicht durchsetzen und resignierten. "Alles ist zerstört und verwirrt", klagte Haupt in einem Brief an seinen Parteifreund Hinrich Lohse. "Solange Hitler uns im Stich läßt, haben wir keine Waffen dagegen."
Auch heißt es (9, S. 207, GB):
Ihren Hauptfeind sahen sie aus gutem Grunde in der Führung der DVFP und in zunehmendem Maße in Erich Ludendorff. Als Hitler noch im Juni 1924 einen Brief an Ludolf Haase richtete, in dem er sich gegen eine grundsätzliche Ablehnung der "Verschmelzung" aussprach und gleichzeitig seinen politischen Führungsanspruch für die Dauer der Festungshaft aufgab, bestand für das norddeutsche Direktorium kein Zweifel daran, daß er dazu "gepreßt" wurde.

Erkennbar wird an diesen Vorgängen, daß die Provinz Pommern im Jahr 1924 in den reichsweiten Einigungsbemühungen der völkischen Bewegung keine unbedeutende Rolle gespielt hat. Diese Einigungsbemühungen mußten dann endgültig ad acta gelegt werden, als Hitler zu Weihnachten 1924 aus der Gefängnishaft entlassen wurde und die NSDAP als eigene Partei neu gründete und zu dem antikatholischen Kurs Ludendorffs und der norddeutschen Völkischen auf Distanz ging, und als Ludendorff sich aus der vormaligen Tagespolitik zurück zog.

Vahlen - der eigentlich aus einer Wiener Professoren-Familie stammte - sollte wenig später der erste NS-Gauleiter für Pommern werden (31). Vor und während des Dritten Reiches hat er ein bewegtes Leben im Spannungsfeld zwischen Politik und Wissenschaft verbracht. 1944/45 war er als Lehrbeauftragter an der Deutschen Universität Prag gegangen und er starb im November 1945 in tschechischer Gefangenschaft in Prag. - Und wie gestaltete sich das weitere Lebensschicksal der beiden genannten Studenten? Haupt galt nachmalig als Freund Ernst Röhms und entkam 1934 nur knapp seiner Ermordung. 1938 ist er aus der NSDAP ausgeschlossen worden. Sunkel war persönlicher Adjutant von Erziehungsminister Bernhard Rust, wurde aber aufgrund einer entdeckten jüdischen Urgroßmutter 1937 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Beide leisteten schließlich im Zweiten Weltkrieg Kriegsdienst. Sunkel nahm sich am 8. Mai 1945 in Libau an der Kurlandfront anläßlich der Kapitulation das Leben. Haupt lebte nach norwegischer Kriegsgefangenschaft noch bis 1989 weiter.

Abb. 3: Mathilde und Erich Ludendorff "zu Besuch beim Siedelbauern Anton Bücheler am Ulenhof in Ückerhof (Pommern)" - Lichtbild von Else Scheidt, undatiert, wohl frühe 1930er Jahre

Bei dem erwähnten von Bodungen handelte es sich um Fritz von Bodungen (1879-1943) (s. Inst. f. Dt. Adelsforschung). Dieser war Oberförster und ostpommerscher Gutsbesitzer und hatte führende Positionen in der Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung in Pommern inne (GB). Nachmals sollte er nach Schleswig-Holstein übersiedeln und dort langjähriger Anhänger und Redner des Tannenbergbundes und der Ludendorff-Bewegung werden (siehe etwa DHM, erwähnt etwa auch hier) (10, 11).*) Am 15. November 1924 hat Josef Goebbels noch in seinem Tagebuch über ihn festgehalten (12, S. 246):

Am 15. in Stettin. Fritz von Bodungen. Prachvoller Willensmensch. Mit ihm zu Mittag. Abends los nach Altdamm ...

Er erwähnt ihn auch noch an anderen Stellen (12, S. 243, 247).

B. Der Tannenbergbund in Pommern (ab 1926)

1927 - Freimaurerkampf Ludendorffs in Pommern

Erich Ludendorff brachte im Herbst 1927 sein Buch "Vernichtung der Freimaruerei durch Enthüllung ihrer Geheimnisse" heraus. Der damit von ihm begonnene Kampf gegen die Freimauerei fand auch in Pommern großen Widerhall, und zwar dort anfangs sogar innerhalb der Evangelischen Kirche (13, S. 80) (GB):

... Oder der sich im Ruhestand befindende Pastor Eylau aus Bad Doberan, der den Kirchenaustritt Ludendorffs zum Anlaß nahm, die evangelische Kirche zur Teilnahme am Kampf gegen Judentum und Freimaurerei aufzufordern.
Abb. 3: Kleinstadt Zanow in Pommern, zehn Kilometer entfernt von Köslin

1929 - Mathilde Ludendorff und die Stettiner Presse

Anfang 1929 sollte eine Vortragsreise Erich und Mathilde Ludendorffs auch nach Pommern führen (14, S. 82):

Eine weitere Vortragsreise mit gleichem Inhalt führte in dem äußerst kalten Winter 1928/29 vm 10.1. bis 14.2.1929 nach Tübingen, Heilbronn, Geislingen, Plauen, Aue im Erzgebirge, Bautzen, Liegnitz, Görtlitz, Berlin, Stralsund, Greifenberg/Pommern, Zanow/Pommern, Stolp und Stettin. Der jubelnde Empfang und der Beifall der Tausende von Anwesenden täuschten die beiden Ludendorff nicht darüber hinweg, wie viele Millionen Deutscher völlig abseits ihres Ringens standen, ja von ... ... Wedelstaedt in Kausche, bei Keunecke in Alten-Pleen bei Stralsund und bei Meier in Bernshof bei Plathe/Greifenberg. Beim Vortrag in Zanow traf Ludendorff bei Herrn Walter einen Bekannten aus der Vorkriegszeit, Graf von der Recke, der ...

Die Kleinstadt Plathe (Wiki) bei Greifenberg liegt 75 Kilometer nordöstlich von Stettin. Darüber hieß es in der "Deutschen Presse" (15, S. 161) (GB, b):

Provinzialverband Pommern. Der Verein Stettiner Presse bittet uns um Aufnahme folgender Erklärung:
"Der Tannenbergbund hat in Stettin am 14. Februar eine Versammlung abgehalten, zu der auch die Stettiner Presse eingeladen war. Bei dieser Gelegenheit hat es Frau Dr. Ludendorff für nötig befunden, ohne den leisesten sichtbaren Grund, den sämtlichen Stettiner Zeitungen 'von rechts bis links' wissentlich falsche Berichterstattung vorzuwerfen. Die anwesenden Vertreter der Stettiner Zeitungen haben daraufhin einmütig den Saal verlassen, wobei es zu Schmährufen aus der Versammlung und tätlichen Angriffen gegen die Pressevertreter kam. Nunmehr gibt Frau Ludendorff in ihrem Organ, der „Deutschen Wochenschau“ in Nr. 9 vom 3. März eine Darstellung, nach der sie zu ihrem Verhalten der Presse gegenüber veranlaßt sein will auf Grund der Tatsache, daß 'ein Kopf mit schwarzem Kraushaar sich unter ihnen (den Pressevertretern) besonders bemerkbar durch abwechselnde Heiterkeitsausbrüche und Kopfschütteln' gemacht habe. Diese Darstellung veranlaßt uns zu folgender Erklärung: "Abgesehen davon, daß von Heiterkeitsausbrüchen nicht die Rede sein ..." 

Mathilde Ludendorff behandelt diesen Vorgang auch in ihren Lebenserinnerungen (16, S. 20):

... den Zuhörern die Pressevertreter von links bis rechts am Tisch. Ein Kopf mit schwarzem Kraushaar machte sich unter ihnen besonders bemerkbar durch abwechselnde Heiterkeitsausbrüche und Kopfschütteln und auf-die-Stirne-tippen, während die Tausende tief erschüttert und atemlos den ernsten Enthüllungen des Feldherrn lauschten. Offenbar wollte er seine Presseergüsse sinnvoll vorbereiten. Zu Beginn meines Vortrages sagte ich den Stettinern, daß aller Erwartung nach die Presse Stettins von rechts bis links noch mehr als anderwärts einen guten Anschauungsunterricht darüber geben werde, in wessen Dienst sie stehe, und die Stettiner möchten die Presseergüsse vergleichen mit dem, was sie selbst in der Versammlung gehört und erlebt hätten. Dann erzählte ich ihnen das Verhalten des einen Pressevertreters. Die große Versammlung von vielen Tausenden brach schon allein deshalb in hellen Jubel aus, weil ich ihr zeigte, wie man mit solcher Presse umgehen muß und wie ihre Berichte sinngemäß verwertet werden müssen. Unter dem Eindruck des Beifallsturmes erhoben sich auf einmal solidarisch alle Pressevertreter von rechts bis links, um den Saal nacheinander im Gänsemarsch zu verlassen. Sie erklärten sich also solidarisch mit dem ungeheuerlichen Verhalten des Schwarzgelockten und gaben tatsächlich den prächtigsten Anschauungsunterricht. Das Gelächter und der Jubel des Volkes über die Selbstzerstörung des Pressenymbus wollte nicht enden. Der Schwarze, der zuerst versucht hatte, sich als 'Publikum' hinzusetzen und unkenntlich zu bleiben, mußte auf meine Aufforderung hin als letzter vor dem Gelächter der Deutschen die Flucht ergreifen. Die Stettiner aber werden begriffen haben, daß die 'politische Großmacht der Presse' nur solange ihr unheilvolles Szepter schwingen kann, als das Volk noch auf sie hört, daß sie aber sonst von einem Tag zum anderen zum Gelächter des Wahrheit fordernden Volkes wird! Es mag für die Gegner auch eine ebenso überraschende wie verdrießliche Entdeckung gewesen sein, daß in manchen Gegenden der Tannenbergbund schon eine wirkliche Volksbewegung geworden, das heißt alle Stände umfaßte und ganze Ortschaften ihm angehörten. Jedenfalls starrte mancher an der Türspalte entsetzt auf die Nach-Versammlungen, zu denen nur Tannenberger zugelassen wurden. Unsere Kampfesweise, den Gegner im Unklaren zu lassen über den Grad des Wachstums der Bewegung, ist viel zu richtig und viel zu wichtig, als daß wir nun zu viel verraten!

Das Sprechen von einem "Schwarzgelockten" bediente natürlich antisemitische Klischees. Das Ehepaar Ludendorff kam auch nach Zanow in Pommern. Erich Ludendorff berichtet in seinen Lebenserinnerungen (17, S. 209):

Dort traf ich (…) meinen Bekannten aus der Vorkriegszeit und wirkungsvollen Kämpfer gegen die Freimaurerei, Graf von der Recke. Ich freute mich, ihn wiederzusehen, und bekam auch von ihm weiteren Aufschluß über das Wirken des Skaldenordens, der namentlich Pommern als sein Arbeitsgebiet ansah und der mir überall, namentlich einige Tage später in Stettin sogar im Tannenbergbunde, entgegentrat. Auch hier hatte er sich eingeschlichen, um unter der Vorgabe, deutsche Ziele und den Tannenbergbund zu fördern, ihn schließlich zu hemmen.

Die Kleinstadt Zanow (Wiki) liegt zehn Kilometer nordöstlich von Köslin. Der Landesführer des Tannenbergbundes in Pommern und der Mark Brandenburg war zeitweise Major Holtzmann (14, S. 103).

Abb. 4: "Gau-Tag in Pommern" des Tannenbergbundes, 1931 - Ort unbekannt

Die Zeitzeugin Else Wussow, die um 1933 herum als Mädchen in der Kleinstadt Zanow in Pommern aufwuchs, erinnert sich an

"die Ludendorffer, die Stahlhelmer und die Deutschnationalen"
die
"gegen die Kommunisten und Sozialdemokraten"

aufmarschierten und Vortragsveranstaltungen organierten (18) (GB). Auch wird über die östliche Neumark, über Zühlsdorf nördlich von Berlin, Ähnliches berichtet (s. "Kirchliches Leben in der östlichen Neumark", 2006, S. 33) (GB):

In Zühlsdorf lagen die Anfänge der Entkirchlichung früher. Dort hatte schon Ende der 1920er Jahre der von Mathilde und Erich Ludendorff gegründete Tannenbergbund Fuß gefaßt. Das war eine völkisch-nationalistische, antisemitische und antichristliche Bewegung, die ihren Ursprung in der Niederlage von 1918 hatte. Der plakative Slogan im Blick auf den christlichen Glauben und die christliche Kirche war: "Wenn es einen gerechten Gott gäbe, dann hätte er ...

Und (S. 42):

... Pastoren des Sprengels hatten "die Tannenbergvorstöße zurückgewiesen", und fortfährt: "Die allgemeine Auffassung im Kreise der Superintendenten deckt sich mit meinen Wahrnehmungen, daß die Agitation des Tannenbergbundes im Sprengel ihren Höhepunkt überschritten ... (hat). Der Name Ludendorff zieht nicht mehr." Generalsuperintendent Kalmus übersieht bei diesem Urteil, daß der Name "Ludendorff" von dem Namen "Hitler" abgelöst wurde und sich mit diesem Namenswechsel die Ablehnung des ....

In der Zeit zwischen 1930 und 1932 dürfte das Foto in Abbildung 3 entstanden sein in Ückerhof (Wiki), einem Dorf in Hinterpommern, gelegen etwa 40 km südöstlich von Stettin und etwa 15 km östlich von Pyritz, 1 km nördlich des Plönesees (19). Dieses Dorf hatte 1910 knapp 100 Einwohner gezählt. 

1930 bis 1933 - Kirchenaustritte in Pommern durch den Tannenbergbund - Warnung für die Kirche

Solche Dörfer und Versammlungen darf man sich vorstellen, wenn es in einem Bericht über den Kirchenkampf in Pommern (in Form eines Privatdrucks) von Seiten des Kösliner Pfarrers Karl Scheel einleitend heißt (zit. n. 7, S. 167):

"Die Kämpfe der Bekennenden Kirche im Dritten Reich wurden in Ostpommern vorbereitet durch das Auftreten des Tannenbergbundes seit 1930. Von diesen Anhängern der Mathilde Ludendorff wurde in den Jahren 1930 - 1933 eine lebhafte Tätigkeit entfaltet, den Deutschen Gottglauben zu propagieren und den christlichen Glauben als jüdisch verächtlich zu machen. In einigen Dörfern konnte sie Erfolge erzielen, in einer Gemeinde sogar über 30 zum Kirchenaustritt bewegen. Die Kirche war in jenen Jahren bereits gerufen, für ihren Glauben einzutreten. In dem Raum von Belgrad bis Lauenburg wurden Vorträge über den evangelischen  Christenglauben und die Bedeutung des Alten Testaments gehalten, in denen es zum Teil zu scharfen Auseinandersetzungen mit Vertretern des Tannenbergbundes kam. Im Jahre 1933 sah man seine Anhänger in der SA wieder. Damit war klar, daß sie ihren Kampf gegen den Christenglauben dort weiter führen würden." (Scheel, S. 1).

Dies ist nicht der einzige Fall, in dem Pfarrer, die sich öffentlich gegen den Tannenbergbund ausgesprochen hatten, wenige Jahre später im Rahmen der Bekennenden Kirche tätig wurden. Im Pommern-Kalender von 1950 wird Karl Scheel als ein "Märtyrer der pommerschen Kirche" bezeichnet.**)

Wie auch noch aus weiteren Ausführungen hervorgeht, hat es in Köslin (Wiki) offenbar eine größere Gruppe von Ludendorff-Anhängern gegeben. Zugleich aber hat hier auch Dietrich Bonhoeffer 1937 bis 1939 insgeheim eine Vikarausbildung der Bekennenden Kirche betrieben. Das alles zerstob im Winde, als im Januar und Februar 1945 zunächst etwa 65.000 Menschen in Flüchtlingstrecks durch Köslin gen Westen treckten und schließlich die Stadt selbst am 5. März 1945 durch die Rote Armee besetzt wurde. Diese steckte die Innenstadt in Brand. Dabei wurde etwa 40 % der Bausubstanz zerstört, ein Schicksal, das vielen deutschen Städten in Pommern wiederfuhr.

(Während Köslin 1940 33.000 Einwohner hatte, zählte es ab 1985 mehr als 100.000 Einwohner. Heute gilt Köslin nach Stettin als die zweitgrößte Stadt Pommerns. Rudolf Virchow ist Ende der 1830er Jahre in Köslin zur Schule gegangen, aus Köslin stammte auch der völkische Schriftsteller Bogislaw von Selchow, sowie der 1934 im Zusammenhang mit den Röhm-Morden ermordete Freikorps-Führer Peter von Heydebreck. Der deutsche Schauspieler Paul Dahlke ist hier aufgewachsen.)

Abb. 5: Im Beitrag erwähnte Orte: Ückerhof (bei Pyritz) - Stargard - Plathe - Greifenberg - Belgard -  Köslin - Zanow - Rügenwalde - Stolp - Bütow - Lauenburg (GMaps)

Ein Zeitzeuge Bergmann berichtet dann - über die Zeit nach 1933 (20, S. 167):

Ein anderer Freund, an dessen Name ich mich nicht mehr erinnere, kam - politisch gesehen - aus einer ganz anderen Ecke. Er war ein Gutsbesitzer aus Pommern, den seine Verehrung für den General Ludendorff dazu gebracht hatte, sich dessen "Tannenbergbund" anzuschließen, was für die Gestapo ausreichte, ihn wegen "staatsfeindlicher Äußerungen" in in Schutzhaft zu nehmen.

Selten macht man sich bewußt, daß die Ludendorff-Bewegung auch noch während des Dritten Reiches in allen Teilen Deutschlands neue Anhänger gewonnen hat. So ist der Opa des Autors dieser Zeilen ebenfalls erst im Jahr 1935 mit der Ludendorff-Bewegung in Berührung gekommen in der Provinz Brandenburg (21).

Frühjahr 1935 - Vorträge in Stettin mit 700 Zuhörern

Für die gleiche Zeit erfahren wir nach den Gestapo-Berichten aus Stettin zum Frühjahr 1935 (7, S. 166) (Darstellungsband):

In diesen Monaten hielt sich der Schriftleiter der Ludendorffschen Halbmonatsschrift "Am heiligen Quell deutscher Kraft", Hans Kurth, aus Haar bei München, einige Zeit in Pommern auf, wo er Vorträge hielt+). Er sprach in Stargard, Stettin, Greifenberg, Stralsund und Stolp; die Veranstaltungen wurden von 200 bis 700 Personen besucht (Nr. 2, 13). In Stolp sprach er über das Thema "Von Kant über Schopenhauer zur Gotterkenntnis"; der Stapobericht aus Köslin vermerkte, die Zuhörer seien hauptsächlich frühere Anhänger des Tannenberg-Bundes gewesen. Während die Vorträge dieses Redners nicht verboten wurden, wurde der Versuch eines anderen Anhängers des Tannenbergbundes untersagt, in Rügenwalde, Kreis Bütow, Vorträge über Freimaurerei zu halten, da die Vermutung bestand, er wolle nur für den Tannenbergbund werben (Nr. 13). Am 9. April 1935 feierte Ludendorff seinen 70. Geburtstag, an dem zwar nicht die persönliche Aussöhnung zwischen Hitler und Ludendorff statt ....
+) Anmerkung: In einer Zuschrift vom 4. Mai 1972 an das GStA teilte Hans Kurth mit, er habe von 1929-1935 der Ludendorffbewegung (nicht dem Tannenbergbund) angehört, bis zu seinem Bruch mit Frau Dr. Ludehndorff. Der Tannenbergbund, den er persönlich ablehne, da er ...

Auch hieran wird erkennbar, wie sehr der schon zitierte Kösliner Pfarrer Karl Scheel Berechtigung hatte, auf die Werbearbeit der Ludendorff-Bewegung in Pommern sorgenvoll zu blicken. Gerade im Jahr 1935 fing ja die eigentliche Kirchenaustrittsbewegung in Deutschland erst an. Bis zum Jahr 1940 erreichte sie Zahlen, wie sie in Deutschland dann nach 1945 erst im Jahr 1968 wieder erreicht worden sind.

Diese Kirchenaustrittsbewegung war von dem sogenannten "Neuheidentum" Alfred Rosenbergs und von dem weltanschaulichen Wirken der Luendorff-Bewegung getragen (22).

9. April 1935 - Vortrag in Stettin

Im Dokumentenband der Gestapo-Berichte wird der Lagebericht der Gestapo Stettin vom 4. Mai 1935 wörtlich angeführt. In ihm heißt es (7, S. 70):

G. Sonstiges (...) a) Presse (...)
b) Tannenbergbund
Anhänger des Tannenbergbundes entfalteten zu Anfang d. Mts. wie festgestellt werden konnte eine regere Tätigkeit, die durch den Geburtstag des Generals Ludendorff hervorgerufen wurde. Der für Stettin vorgesehene Redner des Ludendorff-Verlages, Engel, wurde von den nationalsozialistischen Organisationen abgelehnt, weil dieser gegen den Führer aufgetreten ist. Auf meinen diesbezügl. Sonderbericht v. 14.4.35 [nicht feststellbar] darf ich Bezug nehmen. Der Ersatzredner, Erich Meyer, aus Dampen, Kr. Bütow, blieb in seinem Vortrag sachlich. Er schilderte die Großtaten des Generals im Weltkrieg und ging auch auf die Lehren der Frau Dr. M. Ludendorff ein, deren Anschauung er besonders würdigte, jedoch so, daß zu Beanstandungen ein Anlaß nicht vorlag.
c) Bibelforscher (...)

Der hier erwähnte Redner Dr. Ludwig Engel aus München hat auch Schriften veröffentlicht und er taucht auch sonst in Deutschland als Redner der Ludendorff-Bewegung in jenen Jahren auf.***) Im Lagebericht des Regierungspräsidenten in Stettin, Graf Bismarck-Schönhausen an Göring  vom 10. Mai 1935 heißt es (7, S. 75):

Ludendorffbewegung
Eine allgemeine Befriedigung hat die Ausschaltung Ludendorffs als politischen Gegner des Nationalsozialismus ausgelöst. Die starken Sympathien der Bevölkerung für den Feldherrn Ludendorff bewiesen die zahlreichen Ehrungen in Stadt und Land anläßlich seines Geburtstages und die Freude und Genugtuung über die ihm von seiten der Regierung und Wehrmacht zuteil gewordenen Anerkennung. Es ist anzunehmen, daß seine früher im "Tannenbergbund" zusammengeschlossene Anhängerschaft nunmehr ebenfalls ihr Mißtrauen gegen den nationalsozialistischen Staat aufgeben wird.

Das sollte schon in einem Lagebericht vom 4. Juli 1935 wieder etwas besorgter klingen (siehe gleich). In einem Lagebericht an Göring vom 16. Mai 1935 von Seiten des Oberpräsidenten und Gauleiters Schwede-Coburg heißt es zunächst noch ähnlich (7, S. 81):

Anfang des Monats entfalteten Anhänger des Tannenbergbundes eine regere Tätigkeit, die durch den Geburtstag des Generals Ludendorff hervorgerufen wurde.

Am 4. Juli 1935 heißt es im Lagebericht der Gestapo in Stettin (S. 95):

Das Verhältnis zwischen den nationalsozialistischen Organisationen, den Kampfformationen und dem Stahlhelm (NSDFB) ist immer noch als gespannt zu betrachten. Die verstärkte Werbetätigkeit des Stahlhelm, besonders in Ostpommern, hatte in den Kreisen der Bevölkerung Unruhe hervorgerufen. Von gewissen Stahlhelmern werden Gerüchte verbreitet, daß man doch eines Tages auf den Stahlhelm zurückgreifen müsse, um ihm den Platz einzuräumen, der ihm gebühre. Hierbei wird auch gern von dem kommenden 4. Reich gesprochen, worin der Stahlhelm wieder zur Geltung kommen würde. Mit dem Tage, an dem General Ludendorff in Deutschland wieder eine Rolle spielen würde, würde auch der Wiederaufstieg des Stahlhelms beginnen. - In vielen Kreisen meines Bezirks ist ein erheblicher Teil der SA-Reserve-Männer wieder in den Stahlhelm zurückgegangen.

Außerdem ist die Rede von einem (7, S. 156):

Strafverfahren gegen Tannenbergbund-Anhänger in Rügenwalde.

(7, S. 163):

G. Sonstiges. Der Tannenbergbund entfaltet anscheinend wieder eine regere Tätigkeit. In Stolp hat der Schriftleiter Hans Curth (Kurth) vom Tannenberg-Verlag einen Vortrag über das Thema: "Von Immanuel Kant über Schopenhauer zur Gotterkenntnis" gehalten ... Über den Verlauf der einzelnen Versammlungen habe ich laufend bereits berichtet, und ich darf auf diese Berichte Bezug nehmen. [nicht feststellbar].

(7, S. 163):

Auf meinen diesbezüglich besonders erstatteten Bericht nehme ich Bezug. [nicht feststellbar]. Im Kreise Bütow sind Schriften des Tannenbergbundes vertrieben worden. In Rügenwalde hat sich ein früherer Polizeibeamter Noback bei einem Anhänger des Tannenbergbundes, dem Fleischer Müller, einquartiert, um  Vorträge über die Freimaurerei zu halten. Es bestand die Vermutung, daß er für den Tannenbergbund werben will. Die Vorträge sind vom Bürgermeister und auf Beschwerde vom Landrat und vom Herrn Regierungspräsidenten wegen Gefährdung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit verboten worden.

Scheinbar hat sich aus diesem Vorgang das Strafverfahren ergeben.

1937 - "General Ludendorff"-Jugendherberge in Demmin

In der vorpommerschen Stadt Demmin wurde anläßlich der 700-Jahr-Feier der Stadt im Jahr 1936 der Grundstein zu einer Jugendherberge am Devener Holz gelegt, die im Jahr 1937 fertig gestellt wurde und "General Ludendorff"-Jugendherberge benannt wurde (Abb. 3). Es hat in jenen Jahren viele Kasernen, Straßen und Plätze gegeben, die nach Erich Ludendorff benannt wurden. Das mußte nicht in einem besonderen Zusammenhang mit konkreteren Sympathien vor Ort mit dem damaligen Geistesgut des Hauses Ludendorff stehen. Anfang 1945 hat es in der Stadt Demmin während der Besetzung durch die Rote Armee einen Massenselbstmord gegeben. In dieser Zeit ist auch die Jugendherberge abgebrannt.

Abb. 6: Jugendherberge "General Ludendorff" in Demmin am Devener Holz - Grundsteinlegung anläßlich der 700-Jahr-Feier der Stadt 1936, Fertigstellung 1937, Anfang 1945 abgebrannt - Die Stadt Demmin ist bekannt geworden durch den Massenselbstmord daselbst während der Besetzung durch die Rote Armee (Statt-Museum Demmin)

Der oben erwähnte Vortragsredner vom 4. April 1935 - Erich Meyer-Dampen (1898-1943) - scheint aus dem Dorf Dampen bei Bütow in Pommern gestammt zu haben (Ortsfamilienbücher). 

1943 - Gefallen bei Stalingrad

Er hat in jenen Jahren Aufsätze und Schriften veröffentlicht. Über ihn heißt es (Kopp, 2004, S. 13):

Meyer-Dampen, der aus dem Krieg nicht mehr zurückkehrte.

Er ist in oder nach der Schlacht von Stalingrad (Wiki) ums Leben gekommen. Beim Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge findet sich die Auskunft (Gräbersuche online):

Nachname: Meyer
Vorname: Erich
Dienstgrad: Major
Geburtsdatum: 24.01.1898
Geburtsort: Dampen
Todes-/Vermisstendatum: 28.01.1943
Todes-/Vermisstenort: Stalingrad
Abb. 6: Erschienen 1937 und/oder 1939

Er wäre somit mit 45 Jahren gefallen oder gestorben. Schon ab dem 22. Januar hatte niemand mehr ausgeflogen werden können, da nur noch Versorgungsgüter abgeworfen werden konnten. Der 28. Januar war ein Tag kurz vor der Gesamtkapitulation der 6. Armee, die am 31. Januar und 2. Februar erfolgte. Von Seiten des Volksbundes wird außerdem ausgeführt:

Erich Meyer konnte im Rahmen unserer Umbettungsarbeiten nicht geborgen werden. Die vorgesehene Überführung zum Sammelfriedhof in Rossoschka war somit leider nicht möglich. Sein Name ist auf dem o.g. Friedhof an besonderer Stelle verzeichnet.

Ende der 1930er Jahre hatte er die Schrift heraus gebracht "Deutsche Gotterkenntnis als Grundlage wehrhaften Deutschen Lebens" (25, 26).

__________
*) Sein Sohn Frithjof von Bodungen lebte nach der Flucht mit seiner Mutter, ebenfalls einer Ludendorff-Anhängerin, in Bayern und war als junger Mensch mehrere Jahre Fahrer und Lebensgefährte der Konzertpianistin Elly Ney (Für Kultur 2017).
**) Über den eigentlichen Kirchenkampf 1933/34 wird dann aus dem Bericht von Karl Scheel zitiert (S. 123):
Wie stark die Aktivität einer im Kirchenkampf fest hinter ihrem Bekenntnispfarrer stehenden Gemeinde war, zeigt ein Ausschnitt aus einem Privatdruck, den der ehemalige Kösliner Pfarrer Karl Scheel für seine Gemeindeglieder erschienen ließ: "Nach der Gründung der Bekennenden Kirche, der Bildung der Bruderräte, dem Zusammentritt der Synode der BK in Bremen [Barmen] und ihrer Erklärung nahm der größte Teil der Kösliner Pastoren  an der Pfarrerversammlung in Stettin teil, bei der sich die Pfarrer dem Pommerschen Bruderrat unterstellten.  In der Folge wurden in den meisten Gemeinden Pommerns Bekenntnisversammlungen abgehalten und die Gemeindeglieder aufgerufen, durch die Unterzeichnung der grünen Karte sich der BK anzuschließen. Auch der Kösliner  Gemeindekirchenrat und die Gemeindevertretung unterstellten sich dem Bruderrat. Etwa 1500 Gemeindeglieder unterzeichneten die grüne Karte, 800 zahlten regelmäßige Beiträge. Im Gemeindehaus fanden in der  folgenden Zeit Versammlungen statt, an denen Generalsuperintendent D. Kähler, Superintendent Faisst, Konsistorialrat Baumann, Herr von Thadden, Pastor Johannes Busch, Pastor Niemöller u.a. sprachen. ..."

***) So in zeitgenössischen Hirtenbriefen der katholischen Kirche (23, S. 40)(GB, b):

... In München wurde in einer Versmmlung der Deutschen Schulgemeinde am 15.2.35 (Redner Stadtschulrat Bauer), ebenso in einer Versammlung der Deutschen Glaubensbewegung am 17.5.35 (Redner Landesleiter Backofen), ebenso in einer Versammlung des Ludendorff-Redners Dr. Engel am 13. Juni 1935 wiederholt und stürmisch zur Ermordung des Erzbischofs von München aufgefordert, und in gleicher Weise wurde die Nennung irgendeines Bischofsnamens mit Zwischenrufen begleitet: "Hängt ihn auf! An die Wand mit ihm!" ....
(23, S. 41):
... Jude und Christ sei gleich, meint Dr. Engel in einem Vortrag am 2. Juli 1935. In einer großen Zahl von Tages- und Wochenzeitungen werden die Katholiken fast in jeder Nummer mit einer Flut von Unwahrheiten und Verleumdungen übergossen. ...
 (24, S. 43):
... sprach in Pfarrkirchen vor etwa 150 Leuten ein Dr. Engel vom Ludendorff-Verlag in München. Der Eindruck der Versammlung war ein recht ungünstiger. Der Redner bewegte sich in den bekannten Ludendorffschen Gedankengängen ....
(24, S. 47):
... Dezember hielt Dr. Ludwig Engel von Gröbenzell bei München im kleinen Saal des Ludwigsbaues hier einen Vortrag über "Grundlagen der Deutschen Gotterkenntnis". Der Vortrag war von ungefähr 300 Personen besucht. ... Dr. Engel wies dann auf die Gefahr des Katholizismus hinsichtlich der Entwicklung des völkischen arteigenen Lebens hin. Internationaler Katholizismus dulde keine völkische ...
Als Anmerkung: Ludwig Engel war Schriftleiter der Halbmonatsschrift Am heiligen Quell deutscher Kraft, die der Tannenbergbund bzw. die Ludendorff-Gemeinde unter Leitung von Mathilde Ludendorff herausgab. 

(24, S. 65):

... Der Generalvertreter des Ludendorff-Verlages Dr. Ludwig Engel hielt am 6. des Monats im kleinen Saal des Ludwigsbaues einen Vortrag über "Grundlagen der Deutschen Gotterkenntnis". ...

Ludwig Engel hat auch zur Totenfeiern für Heinrich Richter gesprochen, den Schwager von Mathilde Ludendorff (Am Heiligen Quell deutscher Kraft, 1934, S. 883)(GB):

Dr. med. Heinrich Richter, ein Mitbegründer des "Deutschvolkes", ist am 7.2.1935 in München nach kurzemn Leiden, ein Tag nach der Erkrankung, im 59. Lebensjahr gestorben. Seine Mitkämpfer bereiteten ihm am Sonnabend, den 9.2. im Krematorium in München eine Totenfeier, die in ihrer schönen, würdigen, aller Todesverängstigung der Christen so weltfernen Weise auch auf alle die vielen Anwesenden, die unserer Deutschen Gotterkenntnis noch ... Da der Tote früher dem völkischen Offizierbunde von München angehört hatte, sprach Dr. Engel, der ebenfalls einst sein Mitglied war, die warmen Worte, die der Ehre des Mitkämpfers galten. ... Er zeigte den Einklang des Todwissens unserer Deutschen Gotterkenntnis mit dem Ahnen der Vorfahren und zeigte, ...
__________________
  1. Bading, Ingo: Ostsee-Handels-Schifffahrt lange vor dem Ackerbau Über die Ausgrabungen in Neuwasser in Hinterpommern seit 2003, 11. Juli 2017, https://studgendeutsch.blogspot.com/2017/07/ostsee-handels-schifffahrt-lange-vor.html.
  2. Bading, Ingo: Die Wikinger in Osteuropa - Ihre Gene, ihre Münzen Der Hochadel des Frühmittelalters im Baltikum, in Preußen, Pommern, Rußland, Polen, Schlesien und Böhmen - Stammte er zu einem Viertel bis zur Hälfte von den Wikingern ab? 7. September 2019, https://studgendeutsch.blogspot.com/2019/09/wikinger-gene-in-elite-grabern-gropolens.html.
  3. https://studiengruppe.blogspot.com/2017/03/die-tannenberg-gedenkfeiern-in.html
  4. https://studiengruppe.blogspot.com/2018/03/neue-quellen-zur-geschichte-der.html
  5. https://studiengruppe.blogspot.com/2018/07/kinder-von-ludendorff-anhangern-in-der.html
  6. https://studiengruppe.blogspot.com/2016/01/nobodies-memories-ein-leben-als-sohn.html
  7. Robert Thevoz, Hans Branig, Cecile Lowenthal-Hensel: Pommern 1934/35 im Spiegel von Gestapo-Lageberichten und Sachakten. Grote'sche Verlagsbuchandlung 1974 [Geheime Staatspolizei in den preußischen Ostprovinzen 1934-1936 Bände 11-12 von Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz](GB, a, b) (ein Band Darstellung, ein Band Dokumentation)
  8. Reimer Wulff: Die Deutschvölkische Freiheitspartei, 1922-1928. E. Mauersberger, 1968
  9. Schröder, Uwe, Zur Entwicklung der Hitler-Bewegung in Pommern, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittelund Ostdeutschland 41, 1993, S. 197-216 (GB)
  10. Claus Heinrich Bill: Friedrich Wilhelm v. Bodungen (1879-1943). Portrait einer ungewöhnlichen militärischen Laufbahn, in: Zeitschrift für Heereskunde, Jg.LX (1996), Nr. 381, S. 94-99
  11. Claus Heinrich Bill: Deutsche Besatzungspolitik im Baltikum 1915 bis 1945 - Vorstellung zweier Neuerscheinungen des Schöningh-Verlages zu Paderborn. In: Nobilitas - Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XIV (2011)
  12. Goebbels, Josef: Tagebücher  
  13. Ralf Melzer, Anton Pelinka, Helmut Reinalter: Konflikt und Anpassung: Freimaurerei in der Weimarer Republik und im "Dritten Reich". Braumüller, 1999
  14. Kopp, Hans: Geschichte der Ludendorff-Bewegung. Die Jahre 1913-1939. Verlag Hohe Warte, Pähl 1975 
  15. Der Verein Stettiner Presse bittet uns um Aufnahme folgender Erklärung. In: Deutschen Presse, S. 161 (GB, b)
  16. Ludendorff, Mathilde: Statt Heiligenschein oder Hexenzeichen - Mein Leben. 1968
  17. Ludendorff, Erich: Lebenserinnerungen. Bd. II.
  18. Else Wussow: Unsere Zukunft war die nächste halbe Stunde - Erinnerungen einer Kriegsmarin-Helferin. 2010 (GB)
  19. Lichtbild von Else Scheidt. Beilage zur Monatsschrift "Deutschjugend" und "Heiho", Folge 4/1934, herausgegeben von Fritz Hugo Hoffmann, Frankfurt (Oder), gedruckt bei Karl Pfeiffer jun., Landsberg (Warthe)
  20. Karl Hans Bergmann: Der Schlaf vor dem Erwachen: Stationen der Jahre 1931-1949, ‎DEFA-Stiftung 2002 (GB)
  21. Bading, Ingo: Mein Opa - ein gewöhnlicher Ludendorff-Anhänger als Beispiel Wie mein Opa Ludendorff-Anhänger wurde. 1. September 2012, https://studiengruppe.blogspot.com/2012/09/mein-opa-ein-gewohnlicher-ludendorff.html. 
  22. Erich Ludendorff, Mathilde Ludendorff: Die machtvolle Religiosität des deutschen Volkes vor 1945. Dokumente zur Religions- und Geistesgeschichte 1933–1945. Zusammengestellt von Erich Meinecke. Verlag Freiland, Viöl 2004 
  23. Zeugnis und Kampf des deutschen Episkopats, gemeinsame Hirtenbriefe und Denkschriften. Konrad Hofmann Herder, 1946 (GB
  24. Helmut Witetschek, ‎Walter Ziegler: Die kirchliche Lage in Bayern" 1966 
  25. Engel, Ludwig: Papsttum und Jesuitenorden. In: Der Kampf um Salzburg. Tagungsband, hrsg. v. Fritz von Bodungen, Tannenberg-Studentenbund 1931
  26. Engel, Ludwig: Der Jesuitismus, eine Staatsgefahr. Ludendorffs Verlag, München 1935 [Schriftenreihe 2 / Heft 9] 
  27. Scherr, Johannes: O ihr gesegneten Flammen der Scheiterhaufen! Zwei Aufsätze von Johannes Scherr. Mit einer Einführung von Dr. Ludwig Engel. Sonderdruck aus "Die Völkische Sammlung". Ludwig Engel/München, 1936
  28. Meyer-Dampen, Erich: Deutsche Gotterkenntnis als Grundlage wehrhaften Deutschen Lebens. Ludendorffs Verlag, München 1934 (= 1.Schriftenreihe Heft 2), 1937 (26. - 30. Tsd.), 1939
  29. Meyer-Dampen, Erich: Wahnglaube, Mythos, Gotterkenntnis. Ludendorffs Verlag, München 1941 (28 S.)
  30. Hans-Otto Furian: Vom Kirchenkampf zum Christuskampf. Kirchliches Leben in der östlichen Neumark 1933 bis 1945. Wichern-Verlag, 2006 (GB)
  31. Pommerscher Rektor als Hitlers Konkurrent, 15.04.2013, https://www.nordkurier.de/pommerscher-rektor-als-hitlers-konkurrent-1528150404.html.

Freitag, 8. Mai 2020

Die geschiedene Margarethe Ludendorff klagte auf umfangreichere Unterhaltzahlungen (1931)

Zwei bislang unbekannte Briefe Erich Ludendorffs aus dem Jahr 1931

Auf einem Flohmarkt in Villach konnten zwei handschriftliche Briefe Erich Ludendorffs erworben werden aus dem Jahr 1931, die uns freundlicherweise mitsamt Erlaubnis zu ihrer Veröffentlichung zugesandt wurden (von Herrn Stefano Canevese) (Abb. 1-4). In beiden Briefen heißt die Anrede "Sehr geehrter Herr Justizrat". In beiden Briefen sind finanzielle Fragen behandelt. Damit passen sie thematisch grob zu zwei früheren Beiträgen hier auf dem Blog (1, 2). Nach unserem ersten Dafürhalten spricht nichts dagegen, daß sie echt sind.

Aufgrund des bislang entzifferten Inhalts (siehe unten), kann vorläufig die folgende grobe inhaltliche Zu- und Einordnung vorgenommen werden: 1925 hatte sich ein angeblicher Goldmacher, ein Hochstapler namens Franz Tausend (1884-1942) (Wiki), der im ersten Brief (Abb. 1) kurz erwähnt ist, an die deutsche Reichsregierung gewandt und ihr seine Hilfe angeboten beim Bezahlen der hohen Reparationsforderungen des Versailler Vertrages. Die Reichsregierung hatte ihn weiter verwiesen an Erich Ludendorff, der von dieser Regierung zu jener Zeit als ein "Treuhänder des Reiches" bezeichnet wurde (Wiki). Mit dem Namen Ludendorff konnten dann viele Geldgeber für das Unternehmen des Goldmachens gewonnen werden. Im Oktober 1925 wurde dafür eine eigene Firma gegründet, in der auch Heinz Pernet, der Stiefsohn Erich Ludendorffs, mitarbeitete (3). Viele Industrielle und Großkaufleute aus dem "nationalen Lager" aus ganz Deutschland gaben Geld, unter anderem der von Erich Ludendorff in seinen Lebenserinnerungen erwähnte Herr Adolf Held in Bremen (1859-1927) (NDB) (4), nach Ludendorff ein vormaliger Freimaurer. Im Dezember 1926 wurde Erich Ludendorff - auf Rat seiner zweiten Frau Mathilde Ludendorff - mißtrauisch und zog sich aus dem Unternehmen zurück. Daraufhin löste sich das Unternehmen auf. Heinz Pernet blieb allerdings Mitarbeiter des „Goldmachers“ Tausend bis Ende 1928. 1931 kam es dann zu einem Betrugsprozeß gegen Tausend. In diesem wurde Tausend als Betrüger verurteilt. Im Zusammenhang mit diesem Prozeß wurde in der Presse berichtet (zit. n. 5, S. 59):
Zeuge Heinz Pernet-Berlin bekundet, er sei von seinem Stiefvater, dem General Ludendorff, ersucht worden, sich die Tausendsche Sache anzusehen … er glaube nicht, daß Tausend betrogen habe, sondern er könne, was er sagte. Er, Zeuge, habe auch mit reinem Blei gearbeitet und kleine Erfolge gehabt … Über sein Verhältnis zum Verein sagte der Zeuge, daß er mit einem Monatsgehalt von 400-500 Mark angestellt war.
Pernet glaubte auch noch im Jahr 1931 an die „Fähigkeiten“ dieses Goldmachers. Vor Gericht sagte er aus (zit. n. 5, S. 59):
Ich habe keinen Beweis dafür, daß Tausend betrogen hat, und daß er Gold nicht herstellen kann. Meinem Stiefvater, Herrn Ludendorff, habe ich dann Bericht erstattet … Mit dem Angeklagten kam ich meist gut aus; allerdings habe ich mich dann im März 1928 mit dem Angeklagten zerkriegt, Tausend wollte mich entlassen, der Verein erkannte jedoch meine Entlassung nicht an; ich wurde daraufhin mit Gehalt beurlaubt. Nun ging ich als Chemiestudent auf die Hochschule.
Noch im selben Jahr 1925 war es zur Scheidung Erich Ludendorffs von seiner ersten Frau, der leiblichen Mutter von Heinz Pernet, gekommen. Erich und Mathilde Ludendorff berichten in ihren Lebenserinnerungen, daß Erich Ludendorff bei seiner Scheidung der geschiedenen Frau Margarethe Ludendorff finanziell sehr entgegengekommen sei. Als der schuldige Teil war er verpflichtet, lebenslange Unterhaltszahlungen in Höhe der Hälfte seiner Einkünfte zu zahlen (s. Annika Spilker, Geschlecht ... 2013, S. 190, GB). Im Jahr 1931 scheint es aber noch die eine oder andere Ungeklärtheit auf finanziellem Gebiet gegeben zu haben, um derentwillen Erich Ludendorff anwaltliche Beratung und Vertretung bei dem angeschriebenen Justizrat in Anspruch nahm.

Abb. 1: Erster Brief aus München vom 14. März 1931 an einen Justizrat

Erich Ludendorff schrieb aus München am 14. März 1931 auf einem Briefbogen, der das Emblem der von ihm gegründeten weltanschaulichen Vereinigung "Deutschvolk" trug (dem Vorgängerverein des "Bundes für Gotterkenntnis") (im folgenden soweit entzifferbar und rekonstruierbar, kursiv bedeutet, der Wortlaut ist nicht sicher):
                                               München, 14.3.31

Sehr geehrter Herr Justizrat!
               [Eingangsstempel: 16. März 1931]

   Ich danke Ihnen für Ihre Zeilen vom 12.
Es ist dies die Angelegenheit für (?) die ich
bei Ihnen vorsprechen wollte und in der
nächsten Woche um eine Unterredung
bitten werde.
   Bei der Sache Tausend wäre festzustellen,
daß sie gegenstandslos geworden ist. Es hatte
sich als hierbei nicht wie des Geldversetzen
gehandelt. Einnahmen wären mir
nicht zugeflossen.
   Bei der Sache Moderegger müßte ange-
führt werden, daß die Klage - es war damals
ich - um einen höheren Betrag als 45000
Mark gegangen sei. Tatsächlich hätte ich
dies u. das erhalten. Vielleicht warten wir
noch die Versteigerung ab, dann herrscht Klarheit. 
   Ich spreche also in der nächsten Woche nach Anruf vor.
   Mit Deutschem Gruß
                                Ludendorff.
Soweit der erste Brief. War womöglich Margarethe Ludendorff in finanzielle Schwierigkeiten geraten und hatte gegen ihren geschiedenen Ehemann geklagt? Dies könnte der Hintergrund für diese beiden Briefe sein.

Abb. 2: Zweiter Brief aus Tutzing vom 19. Juli 1931 an einen Justizrat

Der zweite Brief lautet:
                                        Tutzing, den 19.7. [1931]
                                   [Eingangsstempel 20. Juli 1931]
Sehr geehrter Herr Justizrat!
   Ich pflichte Ihrer Auffassung bei und bitte
Sie um entsprechende Antwort an Herrn Justizrat
Eschenberger (?). 
   Mir ist die Sicherheit sehr schwer gefallen. Auch
die geschiedene Frau hatte mit Moderegger
zu tun. Es war mir damals schwer schwer
........ mit ihm, ihre Papiere zu retten.
Ich habe besonders in dem Vertrag mich nehmen
lassen. s. 13 3. 
   bis zum Höchstbetrage von 45000 Mark. 
Daraus geht ganz klar hervor was gemeint ist.
Auf Anderes hatte ich mich nicht eingelassen.
Selbstverständlich wird es mein Willensvorschlag (?)
die Sicherstellung von 30000 M. nur dann
um 45000 Mark zu erhöhen, wenn der
Eingang aus der Sache Moderegger dies zuläßt,
sonst bleibt es bei dem Eingang.
   Mit Deutschen Gruß
                                    Ludendorff.
Der hier mehrmals genannte Familienname Moderegger scheint aus der Steiermark zu stammen (Namenspedia).

Abb 3: Rückseite und Ende des ersten Briefes

Abschließend noch die beiden Rückseiten der Briefe. 

Abb. 4: Rückseite und Ende des zweiten Briefes
Beim jetzigen Kenntnisstand sind diese beiden Briefe schwer einzuordnen. Womöglich würde eine genaue Lektüre der Lebenserinnerungen Erich und Mathilde Ludendorffs zum Jahr 1931 noch weiterführende Kenntnisse mit sich bringen können.

Exkurs: Adolf Held in Bremen - Finanzieller Förderer der völkischen Bewegung


Erich Ludendorff hatte den erwähnten Großkaufmann Adolf Held aus Bremen im Sommer 1924 auf einer Tagung des Verbandes "Hindenburg" in Walsrode persönlich kennengelernt. Er schreibt darüber im ersten Band seiner Lebenserinnerungen (Bd. 1, 1940, S. 346):
Bemerkenswert für mich war diese Tagung dadurch, daß ich auf ihr in nähere Berührung mit Herrn Held aus Bremen kam. Er hatte sich in Columbien in Südamerika ein großes Tätigkeitfeld geschaffen und ein entsprechendes Vermögen erarbeitet, er galt als einer der angesehensten, erfolgreichsten Kaufleute Bremens und genoß in völkischen Kreisen den Ruf eines gleichgesinnten Deutschen. Ich hatte bereits im Schriftverkehr mit ihm gestanden. Während der Inflation bedeutete ja der Dollar ein Vermögen und der Gedanke - in Amerika -, d. h. in den Vereinigten Geld zu sammeln, war an der Tagesordnung. Es hatte sich schon vor 23 ein früherer Deutscher Seeoffizier an mich gewandt, er wolle die Vereinigten Staaten besuchen, ich möchte ihm nur eine Bescheinigung mitgeben, daß er in meinem  Auftrag Gelder sammeln, die er mir dann abliefern wolle. Ich stellte ihm einen Schein aus, habe dann aber nie wieder etwas Näheres von dem betreffenden Herrn gehört; habe aber auch an den Erfolg seiner Tätigkeit nicht glauben können, nachdem ich gehört hatte, daß es ja Frau Siegfried Wagner schon ... Herr Held hatte nun von der Reise dieses Seeoffiziers gehört und mir mitgeteilt, daß solche Wege verfehlt wären. Er hatte ja durchaus recht, wie ich später selbst einsah, er hatte aber Worte gewählt, die mich nicht angenehm berührten, ich hatte entsprechend geantwortet, und so war denn ein Mißverstehen entstanden. Da Herr Held mich als Feldherrn und völkischen Führer verehrte, und ich an seiner Deutschen Gesinnung nicht zweifelte, sprachen wir uns in Walsrode aus, und ich bin seitdem bis zu seinem Tode im Herbst l927 in steter Verbindung mit ihm geblieben. Er machte auch mir gegenüber später kein Hehl daraus, daß er Freimaurer war und hielt einen Kampf gegen die Freimaurerei wie gegen das Judentum für unerläßlich. Er nannte meinen Kampf  gegen die Freimaurerei eine Tat, die größer sei als die Tat Luthers, da er diese Gesellschaft wohl nur zu gut kannte. Leider hat er nicht selbst den Kampf geführt, er fürchtete wohl für seine ausgedehnten Wirtschaftkreise. Freimaurer haben mir später aus meinen Beziehungen zu Herrn Held einen Strick drehen wollen. Ich legte ihn zu den übrigen und habe mir die Erinnerung an Herrn Held nicht trüben lassen.
Im zweiten Band seiner Lebenserinnerungen schreibt er über das Jahr 1927 (1951, S. 80):
Am 28.6. abends waren wir in Bremen zum Besuch der Familie Held. Ich habe von Herrn Held im ersten Bande gesprochen. Er hat den völkischen Kampf und auch mein Ringen wirtschaftlich weit unterstützt. Als ich mit ihm über die Freimaurerei sprach, erwähnte er sogleich seine eigene Zugehörigkeit zur Freimaurerei und gewährte mir einen Einblick in sie, der mir das Kennenlernen des freimaurerischen Wirkens erleichterte. Er weilte jetzt schwer erkrankt auf seinem Landsitz in Dötlingen im Oldenburgischen, wohin wir am 29. auf einige Tage fuhren. Er beglückwünschte mich hier zu meinem Entschluß, mein Werk "Vernichtung", von dessen Inhalt ich ihm Kenntnis gab, herauszugeben. Er sagte mir aber, daß nunmehr die gehässigste Hetze gegen meine Frau und mich beginnen und die Freimaurer versuchen würden, uns in Prozesse zu verstricken. Er hat recht gehabt. Er hat Anfang August die "Vernichtung" noch verbreiten helfen. Dann starb er bald nach unendlich schweren Operationen. Ich hatte einen Deutschen Mann verloren, der mir treu ergeben war. Seine schwere Krankheit hatte mich verhindert, an ihn das Ansinnen zu stellen, zwischen der Freimaurerei und mir zu wählen. Ich nahm an seiner Beerdigung teil. Freimaurer höhnten deshalb, und Deutsche fielen darauf hinein. Ich könne es ja mit einem Kampfe gegen die Freimaurerei nicht so ernst nehmen, denn ich wäre ja bei der Beerdigung des Herrn Held zugegen gewesen. Ausdrücklich habe ich in der Einleitung meines Werkes "Vernichtung" klargestellt, daß ich nicht jeden Freimaurer als Volksfeind ansehe, ich habe auch ihnen helfen wollen, nur verlangte ich von ihnen Klarheit, nachdem ich ihnen Einblick in die höheren Grade gegeben hatte.
Adolf Held ist schon mit 68 Jahren gestorben. 
_______
  1. Bading, Ingo: Juristen und Prozesse in der Geschichte der Ludendorff-Bewegung, 29. April 2019, https://studiengruppe.blogspot.com/2019/04/juristen-und-prozesse-in-der-geschichte.html.
  2. Bading, Ingo: Einiges zu den Finanzen der Ludendorff-Bewegung 1938 bis 1948, 12. Oktober 2014, https://studiengruppe.blogspot.com/2014/10/mathilde-ludendorff-als-betreiberin.html.
  3. Bading, Ingo: Das Familienleben Erich Ludendorffs - Insbesondere rund um seine erste Ehe (1909-1925), 15. Februar 2013, https://studiengruppe.blogspot.com/2013/02/das-familienleben-erich-ludendorffs.html.
  4. Prüser, Friedrich, "Held, Adolf" in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 462 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd135905176.html#ndbcontent 
  5. Wegener, Franz: Der Alchemist Franz Tausend. Alchemie und Nationalsozialismus von von Kulturfoerderverein Ruhrg, 2006 (Google Bücher)

Beliebte Posts