Freitag, 8. Mai 2020

Die geschiedene Margarethe Ludendorff klagte auf umfangreichere Unterhaltzahlungen (1931)

Zwei bislang unbekannte Briefe Erich Ludendorffs aus dem Jahr 1931

Auf einem Flohmarkt in Villach konnten zwei handschriftliche Briefe Erich Ludendorffs erworben werden aus dem Jahr 1931, die uns freundlicherweise mitsamt Erlaubnis zu ihrer Veröffentlichung zugesandt wurden (von Herrn Stefano Canevese) (Abb. 1-4). In beiden Briefen heißt die Anrede "Sehr geehrter Herr Justizrat". In beiden Briefen sind finanzielle Fragen behandelt. Damit passen sie thematisch grob zu zwei früheren Beiträgen hier auf dem Blog (1, 2). Nach unserem ersten Dafürhalten spricht nichts dagegen, daß sie echt sind.

Aufgrund des bislang entzifferten Inhalts (siehe unten), kann vorläufig die folgende grobe inhaltliche Zu- und Einordnung vorgenommen werden: 1925 hatte sich ein angeblicher Goldmacher, ein Hochstapler namens Franz Tausend (1884-1942) (Wiki), der im ersten Brief (Abb. 1) kurz erwähnt ist, an die deutsche Reichsregierung gewandt und ihr seine Hilfe angeboten beim Bezahlen der hohen Reparationsforderungen des Versailler Vertrages. Die Reichsregierung hatte ihn weiter verwiesen an Erich Ludendorff, der von dieser Regierung zu jener Zeit als ein "Treuhänder des Reiches" bezeichnet wurde (Wiki). Mit dem Namen Ludendorff konnten dann viele Geldgeber für das Unternehmen des Goldmachens gewonnen werden. Im Oktober 1925 wurde dafür eine eigene Firma gegründet, in der auch Heinz Pernet, der Stiefsohn Erich Ludendorffs, mitarbeitete (3). Viele Industrielle und Großkaufleute aus dem "nationalen Lager" aus ganz Deutschland gaben Geld, unter anderem der von Erich Ludendorff in seinen Lebenserinnerungen erwähnte Herr Adolf Held in Bremen (1859-1927) (NDB) (4), nach Ludendorff ein vormaliger Freimaurer. Im Dezember 1926 wurde Erich Ludendorff - auf Rat seiner zweiten Frau Mathilde Ludendorff - mißtrauisch und zog sich aus dem Unternehmen zurück. Daraufhin löste sich das Unternehmen auf. Heinz Pernet blieb allerdings Mitarbeiter des „Goldmachers“ Tausend bis Ende 1928. 1931 kam es dann zu einem Betrugsprozeß gegen Tausend. In diesem wurde Tausend als Betrüger verurteilt. Im Zusammenhang mit diesem Prozeß wurde in der Presse berichtet (zit. n. 5, S. 59):
Zeuge Heinz Pernet-Berlin bekundet, er sei von seinem Stiefvater, dem General Ludendorff, ersucht worden, sich die Tausendsche Sache anzusehen … er glaube nicht, daß Tausend betrogen habe, sondern er könne, was er sagte. Er, Zeuge, habe auch mit reinem Blei gearbeitet und kleine Erfolge gehabt … Über sein Verhältnis zum Verein sagte der Zeuge, daß er mit einem Monatsgehalt von 400-500 Mark angestellt war.
Pernet glaubte auch noch im Jahr 1931 an die „Fähigkeiten“ dieses Goldmachers. Vor Gericht sagte er aus (zit. n. 5, S. 59):
Ich habe keinen Beweis dafür, daß Tausend betrogen hat, und daß er Gold nicht herstellen kann. Meinem Stiefvater, Herrn Ludendorff, habe ich dann Bericht erstattet … Mit dem Angeklagten kam ich meist gut aus; allerdings habe ich mich dann im März 1928 mit dem Angeklagten zerkriegt, Tausend wollte mich entlassen, der Verein erkannte jedoch meine Entlassung nicht an; ich wurde daraufhin mit Gehalt beurlaubt. Nun ging ich als Chemiestudent auf die Hochschule.
Noch im selben Jahr 1925 war es zur Scheidung Erich Ludendorffs von seiner ersten Frau, der leiblichen Mutter von Heinz Pernet, gekommen. Erich und Mathilde Ludendorff berichten in ihren Lebenserinnerungen, daß Erich Ludendorff bei seiner Scheidung der geschiedenen Frau Margarethe Ludendorff finanziell sehr entgegengekommen sei. Als der schuldige Teil war er verpflichtet, lebenslange Unterhaltszahlungen in Höhe der Hälfte seiner Einkünfte zu zahlen (s. Annika Spilker, Geschlecht ... 2013, S. 190, GB). Im Jahr 1931 scheint es aber noch die eine oder andere Ungeklärtheit auf finanziellem Gebiet gegeben zu haben, um derentwillen Erich Ludendorff anwaltliche Beratung und Vertretung bei dem angeschriebenen Justizrat in Anspruch nahm.

Abb. 1: Erster Brief aus München vom 14. März 1931 an einen Justizrat

Erich Ludendorff schrieb aus München am 14. März 1931 auf einem Briefbogen, der das Emblem der von ihm gegründeten weltanschaulichen Vereinigung "Deutschvolk" trug (dem Vorgängerverein des "Bundes für Gotterkenntnis") (im folgenden soweit entzifferbar und rekonstruierbar, kursiv bedeutet, der Wortlaut ist nicht sicher):
                                               München, 14.3.31

Sehr geehrter Herr Justizrat!
               [Eingangsstempel: 16. März 1931]

   Ich danke Ihnen für Ihre Zeilen vom 12.
Es ist dies die Angelegenheit für (?) die ich
bei Ihnen vorsprechen wollte und in der
nächsten Woche um eine Unterredung
bitten werde.
   Bei der Sache Tausend wäre festzustellen,
daß sie gegenstandslos geworden ist. Es hatte
sich als hierbei nicht wie des Geldversetzen
gehandelt. Einnahmen wären mir
nicht zugeflossen.
   Bei der Sache Moderegger müßte ange-
führt werden, daß die Klage - es war damals
ich - um einen höheren Betrag als 45000
Mark gegangen sei. Tatsächlich hätte ich
dies u. das erhalten. Vielleicht warten wir
noch die Versteigerung ab, dann herrscht Klarheit. 
   Ich spreche also in der nächsten Woche nach Anruf vor.
   Mit Deutschem Gruß
                                Ludendorff.
Soweit der erste Brief. War womöglich Margarethe Ludendorff in finanzielle Schwierigkeiten geraten und hatte gegen ihren geschiedenen Ehemann geklagt? Dies könnte der Hintergrund für diese beiden Briefe sein.

Abb. 2: Zweiter Brief aus Tutzing vom 19. Juli 1931 an einen Justizrat

Der zweite Brief lautet:
                                        Tutzing, den 19.7. [1931]
                                   [Eingangsstempel 20. Juli 1931]
Sehr geehrter Herr Justizrat!
   Ich pflichte Ihrer Auffassung bei und bitte
Sie um entsprechende Antwort an Herrn Justizrat
Eschenberger (?). 
   Mir ist die Sicherheit sehr schwer gefallen. Auch
die geschiedene Frau hatte mit Moderegger
zu tun. Es war mir damals schwer schwer
........ mit ihm, ihre Papiere zu retten.
Ich habe besonders in dem Vertrag mich nehmen
lassen. s. 13 3. 
   bis zum Höchstbetrage von 45000 Mark. 
Daraus geht ganz klar hervor was gemeint ist.
Auf Anderes hatte ich mich nicht eingelassen.
Selbstverständlich wird es mein Willensvorschlag (?)
die Sicherstellung von 30000 M. nur dann
um 45000 Mark zu erhöhen, wenn der
Eingang aus der Sache Moderegger dies zuläßt,
sonst bleibt es bei dem Eingang.
   Mit Deutschen Gruß
                                    Ludendorff.
Der hier mehrmals genannte Familienname Moderegger scheint aus der Steiermark zu stammen (Namenspedia).

Abb 3: Rückseite und Ende des ersten Briefes

Abschließend noch die beiden Rückseiten der Briefe. 

Abb. 4: Rückseite und Ende des zweiten Briefes
Beim jetzigen Kenntnisstand sind diese beiden Briefe schwer einzuordnen. Womöglich würde eine genaue Lektüre der Lebenserinnerungen Erich und Mathilde Ludendorffs zum Jahr 1931 noch weiterführende Kenntnisse mit sich bringen können.

Exkurs: Adolf Held in Bremen - Finanzieller Förderer der völkischen Bewegung


Erich Ludendorff hatte den erwähnten Großkaufmann Adolf Held aus Bremen im Sommer 1924 auf einer Tagung des Verbandes "Hindenburg" in Walsrode persönlich kennengelernt. Er schreibt darüber im ersten Band seiner Lebenserinnerungen (Bd. 1, 1940, S. 346):
Bemerkenswert für mich war diese Tagung dadurch, daß ich auf ihr in nähere Berührung mit Herrn Held aus Bremen kam. Er hatte sich in Columbien in Südamerika ein großes Tätigkeitfeld geschaffen und ein entsprechendes Vermögen erarbeitet, er galt als einer der angesehensten, erfolgreichsten Kaufleute Bremens und genoß in völkischen Kreisen den Ruf eines gleichgesinnten Deutschen. Ich hatte bereits im Schriftverkehr mit ihm gestanden. Während der Inflation bedeutete ja der Dollar ein Vermögen und der Gedanke - in Amerika -, d. h. in den Vereinigten Geld zu sammeln, war an der Tagesordnung. Es hatte sich schon vor 23 ein früherer Deutscher Seeoffizier an mich gewandt, er wolle die Vereinigten Staaten besuchen, ich möchte ihm nur eine Bescheinigung mitgeben, daß er in meinem  Auftrag Gelder sammeln, die er mir dann abliefern wolle. Ich stellte ihm einen Schein aus, habe dann aber nie wieder etwas Näheres von dem betreffenden Herrn gehört; habe aber auch an den Erfolg seiner Tätigkeit nicht glauben können, nachdem ich gehört hatte, daß es ja Frau Siegfried Wagner schon ... Herr Held hatte nun von der Reise dieses Seeoffiziers gehört und mir mitgeteilt, daß solche Wege verfehlt wären. Er hatte ja durchaus recht, wie ich später selbst einsah, er hatte aber Worte gewählt, die mich nicht angenehm berührten, ich hatte entsprechend geantwortet, und so war denn ein Mißverstehen entstanden. Da Herr Held mich als Feldherrn und völkischen Führer verehrte, und ich an seiner Deutschen Gesinnung nicht zweifelte, sprachen wir uns in Walsrode aus, und ich bin seitdem bis zu seinem Tode im Herbst l927 in steter Verbindung mit ihm geblieben. Er machte auch mir gegenüber später kein Hehl daraus, daß er Freimaurer war und hielt einen Kampf gegen die Freimaurerei wie gegen das Judentum für unerläßlich. Er nannte meinen Kampf  gegen die Freimaurerei eine Tat, die größer sei als die Tat Luthers, da er diese Gesellschaft wohl nur zu gut kannte. Leider hat er nicht selbst den Kampf geführt, er fürchtete wohl für seine ausgedehnten Wirtschaftkreise. Freimaurer haben mir später aus meinen Beziehungen zu Herrn Held einen Strick drehen wollen. Ich legte ihn zu den übrigen und habe mir die Erinnerung an Herrn Held nicht trüben lassen.
Im zweiten Band seiner Lebenserinnerungen schreibt er über das Jahr 1927 (1951, S. 80):
Am 28.6. abends waren wir in Bremen zum Besuch der Familie Held. Ich habe von Herrn Held im ersten Bande gesprochen. Er hat den völkischen Kampf und auch mein Ringen wirtschaftlich weit unterstützt. Als ich mit ihm über die Freimaurerei sprach, erwähnte er sogleich seine eigene Zugehörigkeit zur Freimaurerei und gewährte mir einen Einblick in sie, der mir das Kennenlernen des freimaurerischen Wirkens erleichterte. Er weilte jetzt schwer erkrankt auf seinem Landsitz in Dötlingen im Oldenburgischen, wohin wir am 29. auf einige Tage fuhren. Er beglückwünschte mich hier zu meinem Entschluß, mein Werk "Vernichtung", von dessen Inhalt ich ihm Kenntnis gab, herauszugeben. Er sagte mir aber, daß nunmehr die gehässigste Hetze gegen meine Frau und mich beginnen und die Freimaurer versuchen würden, uns in Prozesse zu verstricken. Er hat recht gehabt. Er hat Anfang August die "Vernichtung" noch verbreiten helfen. Dann starb er bald nach unendlich schweren Operationen. Ich hatte einen Deutschen Mann verloren, der mir treu ergeben war. Seine schwere Krankheit hatte mich verhindert, an ihn das Ansinnen zu stellen, zwischen der Freimaurerei und mir zu wählen. Ich nahm an seiner Beerdigung teil. Freimaurer höhnten deshalb, und Deutsche fielen darauf hinein. Ich könne es ja mit einem Kampfe gegen die Freimaurerei nicht so ernst nehmen, denn ich wäre ja bei der Beerdigung des Herrn Held zugegen gewesen. Ausdrücklich habe ich in der Einleitung meines Werkes "Vernichtung" klargestellt, daß ich nicht jeden Freimaurer als Volksfeind ansehe, ich habe auch ihnen helfen wollen, nur verlangte ich von ihnen Klarheit, nachdem ich ihnen Einblick in die höheren Grade gegeben hatte.
Adolf Held ist schon mit 68 Jahren gestorben. 
_______
  1. Bading, Ingo: Juristen und Prozesse in der Geschichte der Ludendorff-Bewegung, 29. April 2019, https://studiengruppe.blogspot.com/2019/04/juristen-und-prozesse-in-der-geschichte.html.
  2. Bading, Ingo: Einiges zu den Finanzen der Ludendorff-Bewegung 1938 bis 1948, 12. Oktober 2014, https://studiengruppe.blogspot.com/2014/10/mathilde-ludendorff-als-betreiberin.html.
  3. Bading, Ingo: Das Familienleben Erich Ludendorffs - Insbesondere rund um seine erste Ehe (1909-1925), 15. Februar 2013, https://studiengruppe.blogspot.com/2013/02/das-familienleben-erich-ludendorffs.html.
  4. Prüser, Friedrich, "Held, Adolf" in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 462 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd135905176.html#ndbcontent 
  5. Wegener, Franz: Der Alchemist Franz Tausend. Alchemie und Nationalsozialismus von von Kulturfoerderverein Ruhrg, 2006 (Google Bücher)

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