Dienstag, 30. August 2011

Eduard Baumgarten: Eine große philosophische Synthese auf pragmatischer Grundlage? (II)

2. Teil: Eduard Baumgarten: Aufgabe der Philosophie ist es, "die weltanschaulichen Gehalte unter dem Trümmerhaufen der klassischen idealistischen und romantischen Philosophie zu revitalisieren"

(Teil 1 siehe --> hier.)

Zusammenfassung: Es gibt eine gewisse geistige und personelle Traditionslinie vom (humanistischen) Kritischen Rationalismus von Karl Raimund Popper über den "Popper Deutschlands", den Humanisten und das GBS-Mitglied Hans Albert, zu dessen Lehrstuhl-Vorgänger Eduard Baumgarten (1898-1982) (Wiki) und zu dessen Freund Konrad Lorenz (alle vier waren miteinander befreundet und haben sich besucht) und damit zu dem dem gemeinsamen Versuch von Baumgarten und Lorenz um 1940 herum, auf der Linie von Alfred Rosenberg und Alfred Baeumler eine philosophische Grundlegung des Nationalsozialismus zu formulieren, die Elemente des ("gottgläubigen"?) philosophischen Deutschen Idealismus mit dem amerikanischen Pragmatismus und mit der Konrad Lorenz'schen Evolutionären Erkenntnistheorie zu verbinden suchte. Wer die Geschichte des naturalistischen Denkens in Deutschland während des 20. Jahrhunderts schreiben will und damit eines Evolutionären Humanismus, darf über diese heute wenig bekannten Bestrebungen nicht hinweggehen. Sie gehören zu einem vollständigen Bild dazu. Ob diese Ereignisse Lehren für die Gegenwart enthalten und wenn ja welche, bleibe an dieser Stelle zunächst unerörtert. Es geht hier nur um die Aufklärung wenig bekannter Sachverhalte.
Abb. 1: Eduard Baumgarten, 1960er Jahre

Bevor nun auf die wissenschaftliche und politische Biographie Eduard Baumgartens näher eingegangen wird, müssen einige Angaben zur Biographie von Alfred Baeumler zusammengetragen werden (15, 16). Denn anhand dieser Biographie lernt man einige der wesentlichsten geistigen und institutionellen Rahmenbedingungen kennen, innerhalb deren sich das philosophischen Denken Baumgartens während der 1940er Jahre vollzog.

Alfred Baeumler, der Förderer Baumgartens während des Dritten Reiches

Er gilt als der führende deutsche Philosoph während des Nationalsozialismus: Alfred Baeumler (1887-1968) (Wiki). Vormals unter anderem ein intensiver Gesprächspartner Thomas Manns hat Baeumler nach 1945 sich selbst und anderen verschiedene Erläuterungen gegeben, wie er zu dieser Stellung kam. Etwa in dem Brief, den Baeumler am 15. Juli 1954 nach mehreren Jahren Internierung in amerikanischen Lagern an einen Bekannten, an Jonas Lesser schrieb (15, S. 53):

Noch unter dem Druck der Wahl vom 5. März 1933 stehend, trat ich zum letzten Termin ... in die Partei ein. Ich entschloß mich zu diesem Schritt aus einem einzigen, klar bewußten Grund: Ich wollte nicht wieder daneben stehen. Jahrelang hatte ich nichts als kritisieren können, jetzt, so bildete ich mir ein, müßte ich Verantwortung übernehmen. Wäre ich etwas weltkundiger gewesen, dann hätte ich mich mit den neuen Machthabern "gut gestellt" und hätte in vorsichtiger Zurückhaltung weitergelebt, wie es so viele getan haben, die heute auf mich herabblicken.

Schon am 24. März 1950 hatte er ähnlich geschrieben als ein "damals und heute" dem Leben ganz und gar "hilflos" gegenüber stehender "Philosoph" an einen Freund (Manfred Schröter) (15, S. 53):

Dem dunklen Schicksal, das uns alle fortriß, stand ich so ratlos gegenüber wie jeder andere - damals und heute. Ich verhielt mich der Situation entsprechend - das ist alles ... Die Situation entscheidet. Meine Situation zwischen 1920 und 1930 war nach allen Seiten offen. Weltfern und ahnungslos, ungebunden und suchend, lebte ich nur zufällig meinen Erfahrungen und subjektiven Meinungen. Bei meiner zweiten Ehe (1925) griff ich in furchtbarer Weise fehl - kein Wunder, daß ich schließlich auch Räuber zu Politikern idealisierte. ...

Und schon 1948 schilderte er detaillierter, wie er selbst zum Nationalsozialismus gekommen war und wie er darin wirkte. 

Aufgabe: "Die philosophische Grundlegung der nationalsozialistischen Bewegung"

Alfred Rosenberg war 1928 auf einige seiner Veröffentlichungen aufmerksam geworden und hatte Baeumler angeschrieben. Baeumler antwortete Rosenberg aber nicht. Im März 1931 kam es über die Verlegergattin Elsa Bruckmann in München zu einer persönlichen Begegnung in der gleichen Zeit, in der Baeumler auch Adolf Hitler persönlich kennen lernte. In dem folgenden Text ist schon Eduard Baumgarten erwähnt, womit deutlich wird, dass Baumgartens Tätigkeit von Baeumler nicht gering geschätzt wurde (16; Hervorhebungen nicht im Original):

Mein Verhältnis zu Rosenberg hat niemals den Charakter einer Freundschaft gehabt. Ich habe mich immer gern mit dem kühlen und geistreichen Balten unterhalten; dass ich der Ältere und wissenschaftlich Erfahrenere war, blieb jedoch in unserem gegenseitigen Verhältnis immer spürbar. Verhängnisvoll war es, dass ich nicht wissen konnte, welche Ausnahme der Balte Rosenberg selber in der NSDAP bildete. So blieb mir vieles in der Partei verschlossen, weil ich alles nach Rosenberg beurteilte, der sehr viel in der Partei galt, ohne Macht zu haben, sehr kritisch war und immer auf Zeiten hoffte, in denen sich gewisse Verhältnisse bessern würden. Entscheidend war, dass er Verständnis hatte für die Art und Weise, wie ich die Entwicklung der Bewegung sah. Ich hielt die nähere Bestimmung des geistigen Gehaltes des Nationalsozialismus für eine Aufgabe der besten Geister der Nation. Auf die Versuche, das Parteiprogramm kanonisch zu machen, konnte ich nur mit Lächeln blicken. Es handelte sich nach meiner Überzeugung um eine Aufgabe von Jahrzehnten, an der nicht nur Wissenschaftler und Philosophen, sondern auch Dichter mitzuwirken hätten. (...)
Im Herbst 1934 ließ mich Alfred Rosenberg durch seinen Stabsleiter auffordern, als Referent für Wissenschaft in das Amt des 'Beauftragten des Führers' einzutreten. (...) Meine Tätigkeit als Referent für Wissenschaft fasste ich so auf, dass es meine Aufgabe sei, Übergriffe beschränkter oder fanatischer Parteistellen auf das Gebiet der Wissenschaft zu verhindern, Forschungspläne, die irgendwo in der Partei auftauchten, zu prüfen und vor allem, neue Forschungen anzuregen. Was ich an Torheiten verhindert, an Angriffen abgewehrt habe, kann ich aus dem Gedächtnis nicht alles schildern. Proben für diese Tätigkeit enthalten die Zeugnisse von Bruno Liebrucks, Elisabeth Klein, Eduard Baumgarten. (...)
Im Jahre 1937 wurde mein Referat zusammen mit allen anderen selbständigen Referaten in ein 'Amt' umgewandelt. Ich habe hierin keine Änderung gesehen. Das Amt bestand aus einigen jungen Leuten, die in meinem Auftrag Zeitschriften des In- und Auslandes lasen und exzerpierten, Verzeichnisse über den wissenschaftlichen Nachwuchs in den verschiedenen Fächern anlegten, Tagungen junger Forscher vorbereiteten usw. (...).
Die erste Lebensäußerung meines Amtes war eine Tagung junger Philosophie-Dozenten an den deutschen Universitäten in Buderose, bei welcher der Kreis der Eingeladenen sehr weit gezogen war und freie Diskussion zu lebhafter Aussprache führte. (...)"
Übrigens soll Robert Kempner zu Otto Bräutigam nach dem Nürnberger Prozess gesagt haben (zit. n.16, S. 65):
Der Prozess ist mindestens ein Jahr zu früh durchgeführt worden. Inzwischen haben wir sehr viel mehr Dokumente gefunden. Heute würden wir Rosenberg nicht mehr zum Tode verurteilen.
Am 24. Januar 1934 jedenfalls war Alfred Rosenberg von Adolf Hitler "mit der Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der Partei" beauftragt worden. Zu diesem Zweck wurde das "Amt Rosenberg" (Wiki) gegründet.  

"Die Bestimmung des geistigen Gehaltes des Nationalsozialismus"

Abb. 2: A. Baeumler
Und in diesem übernahm Alfred Baeumler das "Amt Wissenschaft". Ihm unterstand damit das deutsche Hochschulwesen, insbesondere die Personalentscheidungen bei der Besetzung von Professuren.

Alfred Rosenberg nannte Baeumler am 25. November 1933 in einem Schreiben einen "unserer weltanschaulich sichersten Lehrer". "Seine Lebensaufgabe ist die philosophische Grundlegung der nationalsozialistischen Bewegung", so Rosenberg bei anderer Gelegenheit. (15, S. 41) Und Baeumler schrieb an Rosenberg (15, S. 43):

Nach meiner festen Überzeugung ist es die Aufgabe unserer Wissenschaftspolitik, die hervorragendsten Kräfte der Forschung um Ihre Person zu versammeln.
In diesem Sinne wurde Baeumler ab 1938 tätig zur Gründung einer Parteihochschule, der sogenannten "Hohen Schule". In einer Denkschrift schrieb Baeumler unter anderem (15, S. 48):
Alle Richtungen der Psychologie, so verschiedenartig sie auch sind, müssen zugelassen werden, wofern sie ehrlich nach Wahrheit streben. Auf diesem Wege und nicht durch Einengung oder Diktat wird auch unserer nationalsozialistischen Bewegung am besten gedient, die eine Bewegung zur Wahrheit ist.

Psychologie: "Nicht Einengung oder Diktat"

Nun zurück zu Baumgarten. Am 21. April 1933 hatte Baumgarten einen Lehrauftrag für Amerikakunde an der Universität Göttingen erhalten (17, S. 217):

Eine Veranstaltung ging über "Philosophie, Psychologie und Pädagogik des zeitgenössischen Amerika", eine andere behandelte den Pragmatismus ("Peirce-James-Dewey"), eine dritte den Behaviorismus ("Dewey-Watson"). Das waren völlig neue Ideen und Konzepte, die ungehörtes und in dieser Zeit unerhörtes Gedankengut nach Göttingen brachten.
Baumgarten vertrat die Meinung (17, S. 218):
"Nur ein Deutscher, dessen Denken und Fühlen gänzlich im deutschen Boden verwurzelt ist, kann unter den Deutschen die fremde Art Amerikas wirklich begreiflich machen, - freilich auch nur ein Deutscher, der zugleich lange Jahre hindurch, in tätiger und freudiger Mitarbeit, in den einzigartigen Ablauf und Rhythmus des amerikanischen Lebens eingemeindet war." Er habe eine feste Lebensstelle in den USA aufgegeben, um an der Orientierung der Deutschen über die Weltmacht USA mitzuarbeiten.
Eduard Baumgarten gilt als derjenige deutschen Philosoph, der die Philosophie des amerikanischen Pragmatismus von John Dewey und William James erstmals in Deutschland bekannt gemacht hat. Mit seinem zweibändigen Werk über den amerikanischen Pragmatismus, das 1936 und 1938 erschien, hat er sich 1936 in Göttingen habilitiert. Der Philosophie-Historiker Hans-Joachim Dahms schreibt (18, S. 183f):
Darüber kann kein Zweifel bestehen: Baumgartens Pragmatismusbuch ist die allererste ausführliche systematische Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Pragmatismus, die in deutscher Sprache erschienen ist.

Dies Verdienst wurde auch in dessen "Heimatland" voll anerkannt. So beginnt etwa die Rezension von H.W. Schneider im "Journal of Philosophy" mit den Worten:
"Eduard Baumgarten is the most serious student of American thought Germany has produced and is one of the best informed writeres of the subject in any language."
Seine Interpretation Deweys insbesondere wird als "the best I have read anywhere" gelobt.
Dahms nennt noch weitere Zeichen der Wertschätzung. So auch die Redaktion der Zeitschrift "Der Monat" 1950 (19):
Prof. Baumgartens Studie über den "Kompromiss" (...) ist eine der lesenswertesten Untersuchungen über die Unterschiede zwischen deutscher und amerikanischer Denkweise. (...) Der wissenschaftliche Wert dieses Büchleins im übrigen - wie auch der anderen Werke Baumgartens - ist unbestritten. Ebenso ist sein "Pragmatismus" das erste und bisher einzige ausführliche Buch über dieses Thema; es wäre wünschenswert, wenn Arbeiten über Peirce und die neueren Schriften Deweys die immer noch bestehende Lücken schlössen.
Als Baumgarten am 28. Dezember 1936 an einen "Gaudozentenbundsführer" Schürmann schreibt, wird auch erstmals seine Verbindung zu Baeumler sichtbar (18, S. 195, Anm. 92):
Herr Bäumler hat 1935 Arbeiten von mir zu Gesicht bekommen, sich für sie interessiert, hat mich daraufhin zu einer wissenschaftlichen Aussprache zu sich gebeten und hat seither mehrere größere Aufsätze von mir in seiner Zeitschrift erscheinen lassen.

Hier wäre zunächst zu fragen, wie Baeumler ausgerechnet auf Baumgarten gekommen ist. Eine Gemeinsamkeit zwischen beiden besteht darin, daß sie sich beide 1932 und 1933 mit Martin Heidegger zerstritten haben. Baumgarten hatte Heidegger schon während seines Wehrdienstes im Ersten Weltkrieg kennengelernt, war aus den USA zu Heidgger gekommen. Heidegger war sogar der Taufpate einer seiner beiden Töchter geworden. Dennoch haben sich beide bald wegen unterschiedlicher Kant-Interpretationen zerstritten. Heidegger waren Baumgartens Kant-Interpretationen zu "pragmatisch". Baeumler suchte 1928 den Kontakt zu Heidegger, 1932 unternahmen beide eine gemeinsame Wanderung durch den Böhmerwald, 1933 trafen sie sich noch einmal. Aber noch im selben Jahr zerstritten sie sich. Die Gründe des Streites sind nicht bekannt (15, S. 35).

Eduard Baumgarten konnte ein durchaus streitbarer Mann sein. Was Baeumler oben in Bezug auf Baumgarten und Schwierigkeiten durch Parteistellen angedeutet hatte, mag auch in Zusammenhang stehen mit Baumgartens Streitigkeiten mit Kollegen über die Beurteilung einer Promotion, die schließlich dazu führten, daß er einen der Kollegen zum Duell forderte. Da jedoch eine Woche später der Krieg zwischen Deutschland und Polen ausbrach, wurde dieses Duell nicht mehr ausgetragen (18, S. 189). Während des Zweiten Weltkrieges sollte Baumgarten auch Hitler persönlich begegnen (19, S. 165):

In einem noch ungedruckten Manuskript berichtet Baumgarten über seine Begegnung mit Hitler während des Zweiten Weltkrieges (freundliche Mitteilung von Michael Sukkale, Oldenburg).

Die schon im ersten Teil erwähnte über tausend Seite starke, zweibändige Darstellung zur Geschichte der deutschen Universitätsphilosophie während des Dritten Reiches (2; s.a. 22) wählt als Ausgangspunkt einen internen Bericht des Sicherheitsdienstes der SS (SD) zu einer Bestandsaufnahme der deutschen Universitätsphilosophie, entstanden etwa um die Jahreswende 1941/42 herum. 

Geheimdienste haben ein Auge auf "Staatsphilosophen" und solche, die es werden können

Der Geheimdienst des Dritten Reiches hat also sogar Dossiers über Philosophie erstellen lassen. Mit Recht, denn Philosophen können bekanntermaßen "Staatsphilosophen" werden und als solche großen Einfluß ausüben.

Der genannte Bericht könnte im Umkreis eines solchen philosophisch und religiös interessierten SD-Mannes wie Albert Hartl (Wiki) entstanden sein. Der SD war mit der Überwachung der weltanschaulichen Gegner des Nationalsozialismus beschäftigt. Zugleich war er mit der Überwachung der Einhaltung einer weltanschaulich einheitlichen "Parteilinie" befaßt. Er beobachtete damit auch die Suche von Parteimitgliedern und ihrem Umfeld nach weitergehenden, eigenen weltanschaulichen Grundlagen des Nationalsozialismus, sowohl auf dem Gebiet der Philosophie wie auf dem Gebiet der Religion. Denn immer mehr Parteimitglieder begannen, die philosophischen und religiösen Grundlagen des Nationalsozialismus und des völkischen Gedankens, so wie sie von solchen Autoren wie Adolf Hitler, Alfred Rosenberg oder auch Jacob Wilhelm Hauer und zahlreichen anderen formuliert worden waren, noch als unzureichend zu empfinden.

Die Philosophie-Tagung in Buderose (1939)

Abb. 3: Buderose
Nachdem seit 1937 abzusehen war, daß der Kirchenkampf während des Dritten Reiches zu einem ziemlich eindeutigen Sieg - mit Dreiviertel-Mehrheit - für die "Deutschen Christen" innerhalb der Evangelischen Kirche enden würde, nachdem aber gerade auch aufgrund dieses allmählich als "kleinlich" empfundenen Kirchenkampfes es seit dem Jahr 1936 vor allem unter Mitgliedern der NSDAP zu der größten Kirchenaustrittsbewegung gekommen war, die es bis dahin in der deutschen Geschichte gegeben hatte - Zahlen, wie sie erst wieder nach 1968 in Deutschland erreicht werden sollten -, nachdem nicht zuletzt mit der Eingliederung Österreichs in das "Großdeutsche Reich" 1938 auch der Einfluß des reaktionären Katholizismus im deutschen Sprachraum (mit dem Schuschnigg-Regime) zurückgedrängt worden war, wurde unter nachdenklicheren Parteigenossen die Frage nach ernsthafteren weltanschaulichen, religiösen und philosophischen Inhalten jenseits von Kirche, Christentum und verschwommener "politischer Religion" gestellt.

Vom 12. bis 19. März 1939 wurden im Wesentlichen von dem Doktoranden- und Studentenkreis rund um Alfred Baeumler zu einer Tagung auf dem Schloß Buderose (Wiki) bei Guben an der Neiße (siehe Abb.  3, 4) 30 jüngere deutsche Philosophen eingeladen (2, S. 956ff; 23). Darunter vor allem Schüler von Nicolai Hartmann wie Eduard Baumgarten, Heinrich Springmeyer oder Bruno Liebrucks. Teilnehmer war auch der eben genannte SD-Mann Albert Hartl, ein früherer katholischer Priester. Ebenso nahm teil der enge Mitarbeiter Alfred Rosenbergs, Heinrich Härtle (Wiki). Auffälligerweise sind damals Schüler aus dem Kreis von Arnold Gehlen nicht eingeladen worden.

Der Tagungsort lag knapp zwei Autostunden von Berlin entfernt auf dem Ostufer der Neiße (G-Maps). Er hatte schon 1938 als Tagungsort für ein Treffen der deutschen Frontdichter gedient, auf dem Rosenberg auch gesprochen hatte. Das Schloß Buderose ist nach 1945 verfallen und heute bis auf den Keller abgetragen

Abb.: Buderose - oben: Schloß, unten Blick auf die Neiße und das Dorf

Am 17. März referierte Rosenberg selbst über "Sinn und Aufgabe der Wissenschaftstagung". Baumgarten, Springmeyer und Liebrucks gehörten zu den häufigsten Diskutanten, die sich nach fast jedem der dortigen Vorträge zu Wort meldeten. Parallel zur damals in der evangelischen Kirche von den "Deutschen Christen" viel diskutierten Frage der "Entjudung des Christentums" ging es hier nicht zuletzt auch um die Frage einer "Entjudung" des deutschen, philosophischen Denkens.

Die Existenz des jüdischen Volkes und seine Teilnahme am geistigen Leben eine notwendige Voraussetzung einer "philosophischen Grundlegung des Nationalsozialismus"?

Abb. 4: Buderose

Und es ist nun schon hochgradig interessant, welche Akzente hier Eduard Baumgarten in seinen Diskussionsbeiträgen setzte und damit tatsächlich "Spielräume unter Hitlers Herrschaft" ausschöpfte. Wichtig sind dieselben aber vor allem auch deshalb, um zu einer Einordnung zu kommen, was Eduard Baumgarten meinen konnte, wenn er ein Jahr später an Baeumler eben von jener schon zitierten zu gründenden "Dependance von Buderose" in Königsberg schrieb. (In der Zwischenzeit hatte Baumgarten nämlich Konrad Lorenz kennen- und schätzengelernt.)

Während andere Teilnehmer in Buderose die Meinung vertraten, daß man als Deutscher nichtdeutsches Denken, insbesondere "jüdisches Denken" auf dem Gebiet der Philosophie und der Ethik per se nicht verstehen könne (und umgekehrt), sich also in der Konsequenz für den Abbruch jeglicher Kommunikation mit jüdischem Denken aussprachen, sagte Baumgarten (2, S. 960):

"Damit macht man sich doch aber ein x für ein u vor. Bei den Juden ist das Selbstbewußtsein durch Glorifizierung des Leidens gebrochen. Gerade das aber verstehen wir, wie uns Nietzsche gezeigt hat." Und deutlicher: "Meine Rasse wird mir erst zur Welt, wenn sie anderen Rede und Antwort steht; dadurch vollzieht sich der Weg der Rasse zum Logos." Wie Cordier (ein anderer Teilnehmer), der in der Polarität zwischen "meiner" und "der" Welt die "dynamische Spannung" sah, die allein eine "eigenständige Entwicklung" in "gefährliche Offenheit" verspreche, so sperrte sich auch Baumgarten dagegen, ein unverbundenes Nebeneinander partikularer Welten anzunehmen. Am Logos partizipierten alle Rassen, deswegen sei die Behauptung, wir könnten einen Juden nicht verstehen, "ein sehr bequemer, aber vernunftloser Hinweis" (Cordier). (...)
Baumgarten erinnerte an die von Nietzsche geltend gemachte "Wesensdifferenz von Juden und Germanen". (...) Baumgarten bestand weiter darauf, daß der "Andere" nicht nur Gegner, sondern auch Partner sein könne, dessen Einwirkungen "mich" veränderten.

Das klingt nun wirklich nicht gerade geistlos und plump. Und wenn es nichts anderes geben sollte, was man Baumgarten aus der Zeit des Dritten Reichen vorzuwerfen hätte, als eine derartige "philosophische Grundlegung des Nationalsozialismus", dann wären daran wirklich viele ungewöhnliche Schlußfolgerungen anzuknüpfen. Denn die Quintessenz dieser Ausführungen lautet doch: Ein Volk wie die Juden darf man gar nicht ausrotten oder der Teilnahme am geistigen Leben berauben, denn dadurch geht einem ein wesentlicher Partner im Prozeß der eigenen ethnischen Selbstfindung verloren. Es wird ja hier nichts weniger vertreten als das Existenzrecht, ja die Existenznotwendigkeit des jüdischen Volkes - als philosophische Grundlage des Nationalsozialismus! Gehen wir damit zu weit in der Interpretation? Sie wäre abzusichern anhand der unveröffentlichten Buchmanuskripte von Baumgarten selbst.

[Ergänzung 4.12.21] Daß diese Äußerungen von Baumgarten in Buderose im Jahr 1939 keine "ad hoc"-Äußerungen waren, sondern daß seine Gedanken über die Rolle anderer Völker und Kulturen für das Erkennen der eigenen Identität ein Grundgedanke seines akademischen Wirkens im Dritten Reich war, wird klar, wenn als Grundgedanke seines Aufsatzes "Das politische Fach der Amerikakunde an der Universität Göttingen" aus dem Jahr 1934 das folgende referiert wird (Strunz 1999, S. 163f):

Die Funktion des neuen Faches der Amerikakunde bestand für ihn darin, eine "Probe aufs Exempel" dafür zu sein, ob die in ihrer öffentlichen Wirkung umstrittene Universität "politische Schule sein kann und nicht sein soll". Eine solche, zumeist zweckorientiert gedachte Kulturkunde, die den "fremden Nationalcharakter" nur deshalb erforschen wollte, um ihn besser dominieren und als Folie für das schärfere Erkennen der eigenen Identität nutzen zu können, lief zwangsläufig Gefahr, instrumentalisiert zu werden und in Klischees zu münden. Levin Schücking warnte deshalb schon früh (1927) davor, daß die Amerikakunde in eine "gelehrte Untermauerung des Chauvinismus" abgeleiten könne, der zusätzlich noch das Odium des Dilettantismus anhafte.

Daß Baumgarten solchen Gefahren zu steuern bereit und willens war, geht jedenfalls deutlich genug aus seinen Diskussionsbeiträgen in Buderose hervor. [Ergänzung Ende] Der daraus gebrachte Auszug soll jedenfalls als Beispiel dienen dafür, in welcher Art hier - unter der Oberleitung von Alfred Rosenberg - philosophische Diskussionen geführt wurden und werden konnten auf einer Tagung eines Arbeitskreises, der "an einer philosophischen Grundlegung des Nationalsozialismus" arbeiten wollte. 

[Ergänzung 4.4.2020] In einer Studie aus dem Jahr 2019 referiert der schon zitierte Dahms (32):

Baumgarten scheint in den Augen der infrage kommenden Autoritäten in Buderose positiv wahrgenommen worden zu sein. 1941 wurde er auf einen Philosophie-Lehrstuhl in Königsberg berufen als eine Art späten Nachfolger von Kant. Er übernahm den Lehrstuhl von Arnold Gehlen, der in dem Jahr zuvor nach Wien gegangen war, und der in seinem Hauptwerk in dieser Zeit "Der Mensch", (philosophisch-)pragmatistische Tendenzen aufgezeigt hatte und offensichtlich Wissen von Baumgarten's Arbeit. In Königsberg entwickelte Baumgarten ein Programm für einen biologischen Pragmatismus, der auf der Evolutionstheorie fußen sollte. Er nannte einige Leute, die möglicherweise bei der Arbeit an diesem Programm kooperieren könnten, aber in seinen Bemühungen hatte er nur zum Teil Erfolg. Schließlich erreichte er eine Berufung in umgekehrter geographischer Richtung wie Gehlen, nämlich von Wien nach Königsberg. Ich meine Konrad Lorenz, der später der berühmte Begründer der Tierverhaltensforschung werden sollte, und der ein ausgebildeter Biologe war, der einen Psychologie-Lehrstuhl in Königsberg erhielt. Sie hatten sich schon zuvor in Göttingen getroffen, als der (spätere) berühmte Biologe und Tierphysiologe Erich von Holst Baumgarten mit Lorenz bekannt machte.
Baumgarten seems to have had a good showing in Buderose in the eyes of the relevant authorities. He was called in 1941 to a philosopy chair in Königsberg, in a way as a distant successor to Kant. He replaced directly Arnold Gehlen, who went to Vienna a year earlier, and who had shown in his main work from that time, Der Mensch, pragmatist tendencies and obvious knowledge of Baumgarten’s work. In Königsberg Baumgarten developed a program for a biological pragmatism based on evolution theory. He named some people who could possibly work on that program in cooperation, but he was only partially successful in his efforts. He at least achieved a move in the opposite direction as Gehlen’s voyage, that is, from Vienna to Königsberg. I have in mind Konrad Lorenz, later the very famous founder of animal ethology and a trained biologist, who received a psychology chair in Königsberg. They had met earlier in Göttingen, when the (also later on) famous biologist and animal physiologist Erich von Holst introduced Baumgarten to Lorenz.

[Ergänzung Ende]

"Liberale, Indifferente, Positive ..."

Der schon genannte 1941/42 von einem SD-Mitarbeiter (wohl im Umkreis von Albert Hartl) verfaßte Bericht teilte in jener Zeit 66 untersuchte Philosophen in fünf weltanschauliche Gruppen ein (2, S. 15),

in konfessionell Gebundene, Liberale, Indifferente, politisch Positive und nationalsozialistische Philosophen, letztere mit dem einschränkenden Zusatz versehend: 'Versuche, eine nationalsozialistische Philosophie aufzubauen'.

Zu den "Liberalen" wurden gezählt (2, S. 852f) unter anderem Eduard Spranger und Otto Friedrich Bollnow. Zu den "Indifferenten" wurden unter anderem gezählt Nicolai Hartmann und Hans-Georg Gadamer. Zu den "politisch Positiven" unter anderem Eduard Baumgarten, Martin Heidegger, Hermann Glockner und Bruno Liebrucks. Und zu den nationalsozialistischen Philosophen unter anderem Arnold Gehlen. Um so auffälliger, daß Arnold Gehlen nicht nach Buderose eingeladen worden war.

Was immer eine solche Charakterisierung auch bedeuten möge. Die aus heutiger Sicht wohl zukunftsträchtigsten Ansätze haben damals Konrad Lorenz und Eduard Baumgarten in Königsberg vertreten (2, S. 793ff). Baumgarten, mit Martin Heidegger seit seiner Meldung als Kriegsfreiwilliger 1916 befreundet, 1933 zerstritten, dann von Heidegger übel als "liberal" den Nationalsozialisten gegenüber denunziert, entstammte in der Tat dem liberalen Heidelberger Gelehrtenkreis um Max Weber. Und er hatte mehrere Jahre Philosophie in den USA gelehrt. Er hatte die erste umfassendere Darstellung der philosophischen Entwicklungen des amerikanischen Pragmatismus verfaßt (Charles Sanders Peirce, John Dewey), der eine nüchterne, realistische Haltung gegenüber den Naturwissenschaften einfordert und begründet, einhergehend mit einer Ablehnung idealistischer philosophischer Traditionen. Man sollte wohl betonen, daß seine Arbeiten im nationalsozialistischen Deutschland geschrieben und veröffentlich worden sind und bei Leuten wie Alfred Baeumler Widerhall gefunden haben.

Während nun also solche Gedanken und Absichten in den Köpfen rumorten, hatte, wie gerade zitiert, Baumgarten 1939 in Göttingen durch Erich von Holst (Wiki) Konrad Lorenz kennen gelernt. Zwei Jahre zuvor, im "Geburtsjahr der Ethologie",  hatte Erich von Holst Konrad Lorenz in dessen berühmtem Vortrag am 12. Februar 1937 im Harnack-Haus in Berlin über den Instinkt-Begriff kennengelernt. - "Ja, ja, es stimmt!, es stimmt!" und "... Idiot!" waren die berühmten und legendären Worte, die Erich von Holst in der letzten Reihe der Zuhörer sitzend unerkannt vor sich hinmurmelte während des Lorenz-Vortrages, nicht wissend, daß neben ihm die Ehefrau von Lorenz saß und alles mithörte. Ohne Zweifel: Es herrschte damals in manchen Bereichen wissenschaftliche Aufbruchstimmung. In diese geriet Eduard Baumgarten mit hinein.

An Friedrich Hölderlin als Philosoph anknüpfen?

Wenn nun Baumgarten damals noch zusätzlich die Absicht äußerte,

die weltanschaulichen Gehalte unter dem Trümmerhaufen der klassischen idealistischen und romantischen Philosophie zu revitalisieren,

dann könnte er dabei an den Buderoser Mitdiskutierenden Bruno Liebrucks gedacht haben, der als einer der ersten die philosophische Gedankenwelt eines Friedrich Hölderlin zu erschließen suchte. Dabei handelte es sich ebenfalls um eine sehr moderne Richtung in der deutschen Philosophie, die dann bis heute insbesondere von Dieter Henrich fortgesetzt worden ist, der inzwischen herausgearbeitet hat, daß das Hölderlinschen Philosophieren gar kein idealistisches und damit ähnlich naturwissenschaftsfernes war wie jenes seiner philosophisch ihn mißverstehenden Freunde Hegel und Schelling.

Man kann nur erahnen, welche Form von philosophischer Synthese damals im Kopf von Eduard Baumgarten rumort haben muß. Daß sie aber einen weiteren Horizont hatte, als das meiste, was heute im Umfeld etwa einer Giordano-Bruno-Stiftung philosophiert wird, dieser Eindruck drängt sich doch ziemich bald auf.

Aus diesen Zusammenhängen heraus wurden lange nach jenen 1940er Jahren von Konrad Lorenz die Grundlagen zur Evolutionären Erkenntnistheorie entwickelt (24), die "Der Erinnerung an Königsberg gewidmet" ist, "sowie meinen Königsberger Freunden, vor allem Otto Koehler und Eduard Baumgarten". Ein ganzes Kapitel darin bezieht sich auf die Schichtenlehre Nicolai Hartmanns.

Welche Erinnerungen an Königsberg waren es? Es wird berichtet (4, S. 33):

In Göttingen fand 1939 ein kleines Kammerkonzert statt. Im Streichquartett des Physiologen Erich von Holst spielte dieser Bratsche und der Königsberger Philosoph Eduard Baumgarten die erste Violine. Baumgarten fragte beim Musizieren Holst, ob er einen biologisch orientierten Psychologen kenne, der sich auch für Erkenntnistheorie interessiere. "Sie werden lachen, ich kenne so einen komischen Vogel ...", sagte Holst, "er heißt Lorenz und lebt in Altenberg bei Wien!" Baumgarten besuchte den "komischen Vogel in Altenberg. 
Am 15. April 1940 schrieb Eduard Baumgarten von der Universität Königsberg an den führenden Philosophen des Dritten Reiches, Alfred Baeumler, in Berlin den folgenden Brief (2, S. 794):
... Die Fakultät beantragt die Ermöglichung einer Zusammenarbeit der Philosophie mit einer noch zu besetzenden biologischen Psychologie. Für die letztere habe ich zwei hervorragende Männer präsentiert, die beide geeignet sind: der berühmte Konrad Lorenz und der geniale junge Erik von Holst (Göttingen).
Abb. 5: K. Lorenz

Baumgarten begründete seinen Antrag mit den folgenden Worten:

Mit der gleichen Energie, mit der es Lorenz gelungen ist, den Instinktbegriff experimentell einzuengen und exakt zu machen, oder den Instinktzerfall bei Domestikation und Bastardisierung nachzuweisen, wirft er sich zur Zeit in das Studium der kantischen Philosophie. Gewinnen wir diesen Mann für die Psychologie, so wird die Zoologie seinen nächsten Arbeitsgefährten Erik v. Holst (...) hier unterzubringen versuchen. Holst hat schon in Göttingen mit mir zusammengearbeitet. Gegen diese beiden Riesen will ich aber die geisteswissenschaftliche 'Anthropologie' nicht alleine repräsentieren und hochhalten; das verkrafte ich gar nicht; sondern in diesem großen Spiel gegengewichtiger Kräfte muß mir Springmeyer helfen.

"Zusammenarbeit der Philosophie mit einer biologischen Psychologie"

Heinrich Springmeyer (1898-1971) (Uni Halle) war der persönliche Assisent des deutschen Philosophen Nicolai Hartmann (Wiki). Nicolai Hartmann hatte die Dissertation Springmeyers zusammen mit Ernst Bertram (Wiki) betreut. Baumgarten weiter:

Wir machen hier eine Dependance von Buderose auf, zu der (...) sich ein 2. Mal nicht so leicht wieder die einstimmige Bewilligung zweier Fakultäten zusamt dem Rektor erreichen lassen [wird].

"Philosophie als Geisteswissenschaft ist überholt"

Schon die wenigen bisher zitierten Worte des Briefes von Eduard Baumgarten aus dem Jahr 1940 deuten weitreichende inhaltliche, wissenschaftsstrategische Perspektiven an. Diese werden noch einmal deutlicher in dem, was Baumgarten im September 1940 Alfred Baeumler in einer Denkschrift als "Konzept einer naturwissenschaftlich zu fundierenden Philosophie" noch weiterhin vorlegte (im folgenden in Paraphrase):

Durch die Existenzphilosophie wie durch die Resultate der modernen Biologie sei der Glaube an die 'reine Vernunft' nachhaltig erschüttert worden. Es sei ein Faktum, daß auch die höchsten Lebensäußerungen des Menschen mit ihren stammesgeschichtlichen Vorformen 'vergliedert' blieben und nur von daher zu verstehen seien. Die Geschichte des Selbstbewußtseins des Menschen könne darum nur noch Hand in Hand mit seiner Naturgeschichte rekonstruiert werden. Philosophie als Geisteswissenschaft sei überholt.
Das sind kühne Worte, die noch heute aufhorchen lassen, da ihre Wahrheit noch heute nicht wirklich überall in die Herzen gedrungen ist, so möchte man einmal sagen. Weiter heißt es:
Biologie und Philosophie berührten sich in der Psychologie, und an diesem Schnittpunkt müsse die Neuorientierung auch institutionell Gestalt gewinnen. In einem Institut für biologische Psychologie müßte die Brücke gebaut werden, die künftig Geistes- und Naturwissenschaften verbinden werde. Die Biologie allein sei nicht imstande, eine neue Weltanschauung zu bilden, da sie der Gefahr fachwissenschaftlicher Versimplung nur allzu leicht erliege.

Auch das sind kühne, weittragende Worte.  

Die Gefahr "fachwissenschaftlicher Versimpelung" für die Biologie

Die Stellung der Psychologie im Wissensbau der Menschheit in diesem Sinne zu umreißen, würde wohl auch heute noch manchem Psychologen schwer fallen, trotz so manches Paradigmenwechsels, der sich in der Psychologie zwischenzeitlich vollzogen hat (siehe etwa das Lehrbuch von Jens Asendorpf). Baumgarten wird, so scheint es, wirklich den Diskutanten auf beiden Seiten des Wissenschaftsgrabens einigermaßen gerecht!

Darum gewinne die Philosophie eine neue Funktion ...
nämlich
... die weltanschaulichen Gehalte unter dem Trümmerhaufen der klassischen idealitischen und romantischen Philosophie zu revitalisieren.

Und das scheint genau das zu sein, was Jahrzehnte später Dieter Henrich in seinem groß angelegten Projekt zum nicht-idealistischen Philiosophieren Friedrich Hölderlins weiter fortgeführt hat. Die Philosophie als eine Wissenschaft, die der modernen Biologie zuarbeitet - aber auf Augenhöhe. Die Biologie als eine Wissenschaft, die ohne Psychologie droht, einer "fachwissenschaftlichen Versimpelung" anheim zu fallen.

Erchüttert im Angesicht des Untergangs Königsbergs und Ostpreußens (März 1945)

Im März 1945 hat Eduard Baumgarten - wie er sagt auf eigenen Antrieb - eine Ansprache im deutschen Rundfunk gehalten. Und zwar aus dem von britischen Bombern zerstörten und schon militärisch von den Sowjets eingeschlossenen Königsberg. In dieser Rede ist von Adolf Hitler oder der deutschen Regierung nirgendwo die Rede. Baumgarten spricht von der Heimat, der Kultur, der Geschichte und der Philosophie (26):

Der verantwortliche Staatsmann einer der großen Nationen, die gegen uns im Felde stehen, der englische Premierminister, hat kürzlich gemeint, eine Bedrohung des künftigen Friedens werde aus einer Annexion Ostpreußens an Sowjet-Polen dann nicht erwachsen, wenn alle Ostpreußen in das Innere Deutschlands umgesiedelt würden.

Baumgarten weiter (26):

Ich spreche aus einem Trümmerhaufen. In zwei Nächten des vergangenen August haben britische Bomber Leben und Gestalt der Innenstadt Königsbergs ausgelöscht. (...) Jene höllischen Nächte enthüllen auch in dieser Stadt, daß die Grausamkeiten des gegenwärtigen Krieges schon unter uns Europäern - von den Grausamkeiten der Russen schweige ich - so ins Maßlose gestiegen sind, daß am Ende dieses Krieges keiner, kein einziger der Beteiligten, und sei er von Haus aus noch so selbstgerecht gesonnen, über den Gegner moralisch Gericht halten könnte, ohne damit sein eigenes innerstes Gewissen zu schänden, ohne Gott zu lästern.

Und (26):

Wohl ist der unendliche Schatz der deutschen Städte, von Freiburg bis Reval, äußerlich so gut wie vertilgt. Aber nicht ist vertilgt das innere Bild, das nun als Sehnsucht und Schwur fortlebt. Wehe jedem Versuch, Europa gegen die Wahrheit dieses Bildes willkürlich zu formen. (...) Die furchtbare Schwächung und Einbuße an einfacher deutscher Lebenskraft, die vielen unserer Gegner als wünschenswert erscheint, wird unentrinnbar aufgewogen werden durch die steigend machtvolle Erinnerung in deutschen Herzen an die gigantische Tapferkeit in den Jahren 1914 bis 1918 und 1939 bis heute und bis zum Ende dieses Krieges. (...) Und gäbe es einst in Europa nur noch versprengte Haufen von Deutschen, diese Legende würde sie eines Tages wieder zur Nation sammeln und emportragen.

In seiner Rede bezieht sich Baumgarten immer wieder auf Immanuel Kant. Er benutzt ihn geradezu wie ein jeden bösen Fluch bannendes Kreuz. Er Kant vor sich, vor Ostpreußen vor Deutschland (26):

Ich rede in niemanden Auftrag. Ich habe von mir aus als der derzeitige Inhaber des Königsberger Philosophischen Lehrstuhls, des Lehrstuhles von Immanuel Kant, um die Möglichkeit gebeten, über den deutschen Rundfunk das Wort zu ergreifen. Wer im Angesichte Kants redet, redet im Angesicht Europas. Zu Kants Gedächtnis und für die Zukunft Europas will ich sagen, was ich zu sagen habe.

Und (26):

Vor zwei Jahren habe ich in der Kant-Gesellschaft in Königsberg eine Rede gehalten, in der ich die zweite Formel des Kantischen Imperativs wiederholte: "Behandle Deine Partner so, daß Du in ihnen niemals Dein Mittel und Werkzeug siehst, sondern immer zugleich ihren eigenen Willen achtest, der sie von sich aus an die Gemeinschaft Europas bindet." Ich wiederhole diese Worte, heute, wo ganz Europa in Königsberg sich wehrt ...

Baumgarten konnte nicht wissen, daß es das Kriegsziel der Westmächte seit 1941 gewesen ist, Deutschland und Europa gemeinsam mit Stalin an der Elbe zu teilen.

Schwierige innere Umstellung (1945 bis 1949)

Baumgarten scheint dann doch noch heil aus Königsberg heraus gekommen zu sein mit Millionen anderer Flüchtlinge. Er scheint sich im Juni 1945 in Heidelberg aufgehalten zu haben. Denn am 17. Juni 1945 schreibt er an seine dort lebenden Tante Marianne Weber (1870-1954) (Wiki), er könne an ihrem Tisch nicht mehr erscheinen (28, S. 562),

solange von Deinem jungen Freunde "der" Offizier der nationalsozialistischen Ära in Bausch und Bogen geschmäht

werde. Noch 1943 hatte er einen Vortrag gehalten über die Rolle des Offiziers, der Vortrag kam im Jahr 1945 zur Veröffentlichung (33). Seine eigene Zeit sei wohl weder in Mariannes Haus, noch im "gegenwärtigen Vaterland" gekommen, so schrieb er. Marianne Weber andererseits mußte erkennen, daß ihr Neffe sich nicht nur äußerlich angepaßt hatte während des Dritten Reiches, sondern zum Teil auch aus Überzeugung gehandelt hatte. Am 18. Dezember 1946 schrieb Marianne an das französische Militärgouvernement Baden-Baden wegen einer Zuzugsgenehmigung ihres Neffen und seiner Familie nach Freiburg (28, S. 562):

Sie wies u.a. darauf hin, daß er trotz Parteimitgliedschaft entnazifiziert worden sei. Baumgarten sei wegen der Treue zu ihrem Mann Max Weber, der als führender Demokrat und Soziologe diffamiert gewesen sei, verfolgt worden.

Am 1. März 1949 schrieb Marianne Weber an ihren Neffen aber dennoch, daß es sie immer noch bekümmere, daß er sich "auf Hitlers Seite gestellt" habe und offenbar immer noch nicht "zu einem anderen Urteil" gekommen sei. Hitler habe doch furchtbares Unglück über die ganze Welt gebracht. 

Am 9. Mai 1949 fragte sie ihn, was er mit der Rede von den "Illusionen der Antinationalsozialisten" meine. Es sei doch alles so gekommen, "wie wir erwartet hatten - nur viel schlimmer". Es würde sie sehr freuen, wenn Eduard noch eine "innere Wandlung" vollziehen könne (28, S. 563). Hier wird deutlich wie sehr Baumgarten mit den nach 1945 in Westdeutschland vorherrschend gewordenen Ansichten und Sichtweisen innerlich über Jahre haderte.

"I feel in good fighting trim again" (1950)

Nach 1945 erörterte Baumgarten mit Leo Wohlgeb die Gründung eines "Instituts für Soziologie und Verhaltensforschung" an der Universität Freiburg (Nachlaß Wohlgeb). Als ihm 1950 seine Nähe zum Nationalsozialismus vorgeworfen wurde, wehrte er sich gegen diesen Vorwurf. Unter anderem schrieb er etwas für ihn sehr Typisches, Charakteristisches (19):

Der Unterzeichnete hat seit langem in seinem Leben die zwei (oder mehrere) Seiten einer Situation zu sehen und unterschiedlich zu traktieren versucht: die spott- und die widerstandsbedürftigen Seiten und die guten, zu ermunternden Seiten einer und derselben Sache. Die Absolutisten - einerlei welcher Partei und Glaubensrichtung - waren ihm immer verdrießlich (und er ihnen). James' "truth as cash-value" hat er nicht (...) mit "Wahrheit als Barwert" übersetzt, sondern - wie es strenger (und unbequemer) gemeint war - mit "Wahrheit als Kleingeld"; das soll heißen, daß es Wahrheit immer nur im Plural gibt und also auch Begriffe nicht dazu dienen sollen, die Vielfalt und Geschehnisse über einen Leisten und tot zu schlagen.
So wird der Unterzeichnete sich denn auch weiterhin an dem "kampffrohen" (sit venia verbo!) und ritterlichen Sinn erlaben, mit dem William James 1908 nach Oxford auszog, den Absolutisten aller Tonarten die Haut abzuziehen: "I feel in good fighting trim again, eager for the scalp of the absolute."

Neubegründung der Amerikakunde in Stuttgart (1953)

[Ergänzung 4.12.2021] Eduard Baumgarten gestaltete noch die Gründerzeit der Amerika-Studien in Deutschland nach 1945 mit (Strunz 1999, S. 22):

Auch wenn sie sich Mitte der 50er Jahre endgültig der Politikwissenschaft bzw. der Soziologie zuwandten, zählten Arnold Bergstraesser und Eduard Baumgarten zu den Amerikanisten der ersten Stunde. Beide hatten nur frühzeitig erkannt, daß sich die für die Amerikastudien ursprünglich angestrebte Balance zwischen den Kulturwissenschaften und der Philologie beinahe ausschließlich zugunsten letzterer verschoben hatte und sie sich hier nicht nur keine wissenschaftlichen Karrierechancen mehr ausrechnen konnten, sondern sich vielmehr auf Dauer in einer Außenseiterrolle befänden.

1953 wurde die "Deutsche Gesellschaft für Amerikastudien" (DGfA) gegründet (Strunz, 1999, S. 242). Auf der Gründungstagung befanden sich unter 21 Professoren 6 Nichtanglisten, darunter der Historiker Egmont Zechlin, die Soziologen Eduard Baumgarten und Gerhard Mackenroth, der Philosoph Helmut Kuhn und der Politikwissenschaftler Bergstraesser (Strunz, S. 246). Wie schon gesagt, verfocht Baumgarten in ihr zusammen mit den DGfA-Mitgliedern Friedrich Tenbruck und Gerhard Mackenroth gegenüber der Mehrheit der Philologen einen sozialwissenschaftlichen Minderheiten-Standpunkt (Strunz, 1999, S. 243). Dennoch hatte die Philologen-Mehrheit Sorge, daß die Soziologen-Minderheit, das "sociological camp", auf der Stimmung des Zeitgeistes fahrend "das gesamte Feld der Amerika-Studien für sich selbst" vereinnahmen könnten (Strunz, S. 248). Sie wurden deshalb sogar als "Radikale" empfunden.

Baumgarten, Tenbruck und Bergstraesser gründeten noch im gleichen Jahr 1953 das stiftungsfinanzierte George-Washington-Institut für Amerikakunde in Stuttgart als Gegenentwurf zum Philologen-Mainstream, und auf das sie sich in der Folgezeit sozusagen "zurückzogen" (Strunz, S. 250):

Das Institutsprogramm berufte auf leicht modifizierten Plänen Eduard Baumgartens, die dieser bereits 1952 für die Errichtung eines "Instituts für Sozialwissenschaften" - allerdings im Zusammenhang mit der Universität Freiburg - entwicklt hatte und für die Karl Jaspes ein Gutachten geschrieben hatte. Baumgarten wurde daher zum Geschäftsführer der Stiftung ernannt. Die wissenschaftliche Leitung des Instituts teilte er sich mit Arnold Bergstraesser. (...) Unter den Mitarbeitern befand sich auch (...) Friedrich Tenbruck.

(Strunz, S. 253):

Beratende Funktion hatte der wissenschaftliche Beitrag, dem u.a. die Remigranten Hans Rothfels von der Universität Tübingen, früher Chicago, und Karl Löwith von der Universität Heidelberg, früher Japan und USA, angehörten.

"Jede Geißelung ist ruhmvoll ..." (1956)

1956 veröffentlichte Baumgarten im ersten Band des von der DGfA herausgegebenen "Jahrbuches für Amerikastudien" einen Aufsatz über die Anregungen, die Nietzsche noch kurz vor dem Verfasser seines "Zarathustra" von dem US-amerikanische Philosophen Ralph Waldo Emerson (1803-1882) (Wiki) erfahren hat (Baumgarten 1956). Diese Studie erschien 1957 auch als separate Buchveröffentlichung. Sie war gewidmet seiner Frau "Margarete Baumgarten-Münnich zum 25. September 1955". Er hat sie offenbar verfaßt in der Casa de Burlet in Wengen im Berner Oberland (GB).

Die in dieser Studie herausgearbeiteten gedanklichen Ermutigungen, die Nietzsche in den 1880er Jahren in sich aufgenommen hatte, wird Baumgarten sicherlich auch als Ermutigungen für sich selbst aufgefaßt haben für die Zeit vor und nach 1945. Nietzsche hatte insbesondere die "Versuche (Essays)" Emersons intensiv gelesen. Baumgarten benutzte für seine Abhandlung das persönliche Handexpemlar Nietzsches, in das Nietzsche viele handschriftliche Eintragungen eingefügt hatte. Dieses Handexemplar ist mitsamt der Nietzsche-Anmerkungen inzwischen vollständig digital verfügbar (Emerson 1858). 

Emerson ersteht in dieser Abhandlung vor unseren Augen als ein Autor, der mit den menschlichen Möglichkeiten zwischen "Gut" und "Böse" experimentiert, der kühn ist und bereit ist, das Gegenteil von allem anzunehmen, was konventionellerweise angenommen worden ist, und zwar mit der Zielsetzung, als Persönlichkeit dem Gehalt der Welt, dem Göttlichen nahe zu bleiben. In all diesen Eigenschaften wird er sehr deutlich als ein Geistesverwandter von Nietzsche erkennbar, allerdings als ein Geistesverwandter, über den hinaus Nietzsche selbst sich noch zu größerer, "höherer" Kühnheit hinaus geschwungen haben mag. Und Baumgarten wird als jemand erkennbar, der diese Geistesverwandtschaft nachzuvollziehen in der Lage ist, weil er sie wenigstens zum Teil auch selbst erlebt haben wird. Emerson schrieb beispielsweise (zit. n. Baumgarten 1956):

Der Candidat der Wahrheit ... prüft alle entgegengesetzten Verneinungen zwischen denen wie zwischen Mauern sein Wesen hin und her gestoßen wird ... und ehrt das höchste Gesetz seines Seins.

An den Rand schrieb Nietzsche dazu "Bravo" und wir sehen im Geiste Baumgarten ebenfalls dazu ein "Bravo" setzen. Emerson schrieb (zit. n. Baumgarten 1956):

Kampf und Anfechtung müssen ihm reine Freude sein.

"Ja" schrieb Nietzsche dazu an den Rand. Baumgarten sicherlich im Geiste nicht weniger. Emerson schrieb über den wahrheitssuchenden Menschen (zit. n. Baumgarten 1956):

.... Jede Geißelung, die an ihm vollzogen wird, ist ruhmvoll für ihn, jedes Gefängnis ein glänzender Aufenthalt; jedes verbrannte Buch oder Haus erhellt die Welt; jedes unterdrückte oder vernichtete Wort hallt wieder durch die ganze Erde ... Im Allgemeinen ist jedes Übel, dem wir nicht unterliegen, eine Wohltat für uns.

Baumgarten weist darauf hin, daß alle diese Worte von Nietzsche stark markiert worden sind. Damit sollen nur einige eher willkürliche Beispiele angeführt sein, um den Inhalt dieser Abhandlung anschaulich zu machen.

Im Oktober 2021 wird ein Band "Nietzsche als Leser" heraus gebracht, der sich größtenteils mit den früheren Lebensphasen von Nietzsche beschäftigt. Nur das abschließende Kapitel ist mit der Lebensphase Nietzche's befaßt, in der sein Hauptwerk erschienen ist und hier wird Nietzsche - erneut - als Leser von Emerson in den Mittelpunkt gerückt und es wird ausgeführt (Freregger, 2021, S. 423):

Die massive Einwirkung Emersons auf Nietzsche war in Deutschland - also gerade dort, wo die meisten Bücher über Nietzsche geschrieben wurden - lange Zeit wenig bekannt und verdeckt. Hier begann erst Eduard Baumgarten sie in den 1950er Jahren hervorzuheben.

Also noch heute bleibt die "Entdeckung" Baumgartens für das Verstehen Nietzsches insgesamt wegleitend und wird in dieser neuen Studie (Freregger 2021) auch sehr eindrucksvoll heraus gearbeitet.

Das Denken Emerson/Nietzsches benötigt eine "demokratische Kontrolle", sagt Baumgarten 1956

Licht auf die ganz persönliche innere Entwicklung Baumgartens fällt womöglich, wenn man die Schlußbetrachtung dieses Emerson-Nietzsche-Aufsatzes berücksichtigt. Nach dem Inhaltsverzeichnis war folgendes für die Schlußbetrachtung vorgesehen gewesen:

(Schlußbetrachtung): Die "Freiheit" der Nietzscheschen Konstruktionen des Übermenschen in einem gesellschaftlichen Vakuum; die amerikanische Gesellschaft als Erfüllungsort und kontrollierendes Organ des konservativen und revolutionären Denkens Emersons.

Für sich gesehen, sagen diese Zeilen noch nicht so viel. Soweit uns übersehbar, sind dieser vorgesehene zweite Teil dieses Aufsatzes - und damit auch diese Schlußbetrachtung - bis heute nie zur Veröffentlichung gelangt. Oder irren wir uns darin? In dem "Jahrbuch für Amerikastudien" selbst findet sich jedenfalls der zweite Teil nicht. Doch bei genauem Lesen finden wir schon in diesem ersten Teil eine leichte Andeutung dessen, wovon in dieser Schlußbetrachtung hätte die Rede sein sollen. Baumgarten referiert da nämlich die amerikanische Sicht auf die Traditionslinie Emerson-Nietzsche (Baumgarten 1956, S. 145):

War nicht Emerson - trotz einiger wunderlicher Lehren - ein Sohn der amerikanischen Demokratie und ein Kind des englischen "common sense"? War nicht umgekehrt Nietzsche der extreme Sprecher einer Nation, die für Autokratismus der Regierungsformen und für eine Neigung zur Selbst-Vereinzelung der Individuen in der Gesellschaft berühmt war?

Was immer damit im einzelnen gemeint sein möge. Baumgarten bezieht sich dann auf die neuesten Veröffentlichungen zur Thematik und schreibt (Baumgarten 1956, S. 146):

F. O. Matthiessen: American Renaissance. Art and Expression in the Age of Emerson and Whitman, 1941, deutsche Ausgabe: Wiesbaden 1948, S. 349 (...) schließt an die enge Beziehung zwischen Emerson und Nietzsche folgende Bemerkung: Wohin romantische Religiosität treibt, kann man ersehen aus den "Wirkungen von Emersons unvergorenem Wein auf weniger abgeklärte Naturen als die seines Herstellers ... Als Saadi zu Nietzsches Zarathustra wurde, verwandelte sich der Mann der selbstvertrauenden Energie in den starrwilligen Übermenschen, dessen Bild wiederum in den brutalen Menschen des Faschismus verändert und entwürdigt werden sollte." - Wir haben nicht die Absicht, vor diesem bedrückenden - sachlich so von Grund auf zwiespältigen, historisch auf so grauenhafte Weise verwickelten - Zusammenhang, auf den Matthiesen hindeutet, die Augen zu verschließen. Wir werden vielmehr versuchen, ihn darzulegen und zu beurteilen (Abschn. VII, 1, 2).

Und nachdem man diese Worte gelesen hat, kommt man zu einem besseren Verständnis der schon angeführten Inhaltsangabe der vorgesehenen (und womöglich niemals veröffentlichten) Schlußbetrachtungen (im vorgesehenen Abschnitt VII, 2):

Die "Freiheit" der Nietzscheschen Konstruktionen des Übermenschen in einem gesellschaftlichen Vakuum; die amerikanische Gesellschaft als Erfüllungsort und kontrollierendes Organ des konservativen und revolutionären Denkens Emersons.

Die These ist, Nietzsche habe eine Art zu denken, nämlich diejenige Emersons der sie umgehenden amerikanischen demokratischen Gesellschaft als eines "kontrollierendes Organes" entrissen und in ein diesbezügliches "gesellschaftliches Vakuum" gebracht, wo die demokratische Kontrolle für ein solches Denken gefehlt habe, was sich "historisch auf so grauenhafte Weise" dann in Deutschland weiter entwickelt habe. Demgemäß wären die amerikanischen Truppen 1945 ganz richtig zur Kontrolle nach Deutschland zurück gekehrt, sozusagen unter der Fahne und mit den Anliegen Emersons. Immerhin eine - spannende - Deutung, die auch manches Weiterführende beinhalten mag.

Professur in Mannheim (1957)

Die für das "vielversprechende" Stuttgarter Institut erhofften Spendengelder aus der Wirtschaft blieben aus. Schon 1955 drohte die Insitutsschließung (Strunz, S. 288). Alle drei Hauptprotagonisten mußten sich anderwärts ein Auskommen suchen, als letzter Baumgarten (Strunz, S. 256):

Im April 1957 erhielt Baumgarten schließlich eine Professur für Empirische Soziologie an der Wirtschaftshochschule Mannheim, die allerdings mit einem kw-Vermerk versehen war. Mit ihm wanderte auch das private "Insitut für vergleichende Sozialwissenschaft" nach Mannheim. In einer komplizierten Konstruktion sollte das neue Mannheimer Insitut teils staatliches Hochschulinstitut werden, teils wie bisher privates Stiftungsinstitut für Vergleichende Sozialwissenschaften der George-Washington-Stiftung bleiben, so daß die offizielle Bezeichnung für beide Teile "Institut für Empirische Soziologie der Wirtschaftshochschule Mannheim in Verbindung mit der George-Washington-Stiftung für Vergleichende Sozialwissenschaften, Stuttgart" lautete.

Ein kw-Vermerk ist ein Wegfall-Vermerk, der nach Ausscheiden des Stelleninhabers für diese Professur in Kraft treten würde. Sie würde also nicht nachbesetzt werden sollen. Tatsächlich hat Baumgarten dann aber doch einen Nachfolgern gehabt: Hans Albert. 2000 Fachbücher gingen 1957 mit Baumgarten von Stuttgart nach Mannheim (Strunz, S. 256):

Als Baumgarten 1963 emeritiert wurde, erfolgte eine Umbenennung des Insituts in "Institut für empirische Sozialforschung". Damit entfiel jeglicher namentliche Hinweis auf den ursprünglich geplanten engen Forschungszusammenhang mit den USA. Das bisher Baumgarten zugeordnete Insitut wurde nun allen soziologischen Lehrstühlen zugeordnet, die im WS 1963/64 mit Rainer Lepsius, Hans Albert und Martin Irle besetzt wurden.

Diese Worte sollen zunächst am vorläufigen Ende der vorliegenden Studien stehen. Ihren Abschluß können sie erst finden, wenn die beiden genannten, bislang unveröffentlichten Buchmanuskripte Baumgartens zugänglich geworden sind.



/ Neubearbeitung einer schon am 
10./11.10.2010 veröffentlichten Fassung;
Ergänzung [zu Lit.angabe 28]: 28.7.2019;
Ergänzung 4.4.2020;
Ergänzung [33 bis 35] 4.12.2021  /

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*) Die weiteren Inhalte seiner Ansprache seien als Anmerkung mitgeteilt. Sie erhalten mehr politisches Raisonement enthalten als ein solches über den Kant'schen Imperativ (26):
... sich wehrt gegen die "Macht der moralischen und geistigen Krankheit des Kommunismus", der "in der arktischen Nacht seine Bajonette wetzt und mit trotzig hungrigem Munde" gegen die reiche Schönheit und Individualität unseres europäischen Lebens "seine Lehre des Hasses und des Todes verkündet". Das sind Churchills Worte. Uns aber dünkt, daß nicht nur das Licht jener Kantischen Formel gegen die wüste arktische Nacht in uns allen entfacht werden muß, sondern daß es darüber hinaus Zeit sei, daß alle Männer, die miteinander für Bestand oder Untergang Europas einst die Verantwortung tragen werden, sich herauslösen aus dem Gesetz der Trägheit, zu dem sie gefesselt erscheinen. (...)
Ein englischer Politiker und bedeutender Staatsdenker hat die Feststellung getroffen, daß von den zwei Fundamenten aller zwischenvölkischen Politik: Gewissen und Gewalt, das Gewissen gegenüber einem Partner nur dann zu Wort kommt, wenn die Gewalt - oder Machtverhältnisse so sich lagern, daß ein eigenes Interesse entsteht, auf das Gewissen zu hören. Die Gewalt- und Machtverhältnisse in Europa haben sich in den letzten Wochen - wenn auch vielleicht vorübergehend - so verschoben, daß aus dem aktuellen Stand der Waage Europa/Asien plötzlich ein völlig verändertes rasantes "Interesse" für alle untereinander noch so feindseligen europäischen Partner aufspringt: Das Interesse am Erwachen des verschütteten, von tatsächlichen oder vermeintlichen Sonderinteressen überdeckten gemeinsamen Gewissens. 
So lauten die letzten Worte dieser Ansprache.
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  1. Albert, Hans; Popper, Karl R.: Briefwechsel 1958 - 1994. Fischer Taschenbuch 2005
  2. Tilitzki, Christian: Die deutsche Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Teil 1 & 2. Akademie-Verlag, Berlin 2002 (Google Bücher)
  3. Sukale, Michael: Max Weber - Leidenschaft und Disziplin. Leben, Werk, Zeitgenossen. Mohr Siebeck, 2002
  4. Festetics, Antal: Konrad Lorenz. Aus der Welt des großen Naturforschers. Piper Verlag, München 1983
  5. Bischof, Norbert: "Gescheiter als alle die Laffen". Ein Psychogramm von Konrad Lorenz. Rasch u. Röhring, 1991, Piper TB 1993
  6. Föger, Benedikt; Taschwer, Klaus: Die andere Seite des Spiegels. Konrad Lorenz und der Nationalsozialismus. 2001
  7. Albert, Hans (Hg.): Sozialtheorie und soziale Praxis. Eduard Baumgarten zum 70. Geburtstag. Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1971
  8. Baumgarten, Eduard: Gewissen und Macht. Abhandlungen und Vorlesungen 1933 - 1963. Ausgewählt und eingeleitet von Michael Sukale. Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1971
  9. Lorenz, Konrad: Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit. In: Albert, Hans (Hg.): Sozialtheorie und soziale Praxis. Eduard Baumgarten zum 70. Geburtstag. Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1971, S. 281 - 345
  10. Lorenz, Konrad: Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit. Piper Verlag, München 1973 (bis 1989 20 Auflagen)
  11. Albert, Hans: Vorwort. In: ders. (Hg.): Sozialtheorie und soziale Praxis. Eduard Baumgarten zum 70. Geburtstag. Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1971
  12. Albert, Hans: In Kontroversen verstrickt. Vom Kulturpessimismus zum kritischen Rationalismus. Wien 2007
  13. Baumgarten, Eduard: Max Weber - Werk und Person. Tübingen 1964
  14. Poliakov, Leon; Wulf, Joseph: Das Dritte Reich und seine Denker. arain Verlag, Berlin-Grunewald 1959
  15. Bräuninger, Werner: "Ich wollte nicht wieder daneben stehen." Biographische Skizze über Alfred Baeumler. In: ders.: "Ich wollte nicht daneben stehen ..." Lebensentwürfe von Alfred Baeumler bis Ernst Jünger. Essays. Ares Verlag, Graz 2006, S. 24 - 60 
  16. Baeumler, Alfred: Meine politische Entwicklung (26. Mai 1948). In: Baeumler, Marianne u.a. (Hg.): Thomas Mann und Alfred Baeumler. Eine Dokumentation. Königshausen & Neumann, Würzburg 1989, S. 193 – 201
  17. Hausmann, Frank-Rutger: Die Göttinger Anglistik und die "Affäre Baumgarten". In: ders.: Anglistik und Amerikanistik im "Dritten Reich". Franfurt am Main 2003, S. 213 - 225 (G-Bücher) 
  18. Dahms, Hans-Joachim: Aufstieg und Ende der Lebensphilosophie. Das philosophische Seminar der Universität Göttingen zwischen 1917 und 1950. In: Die Universität Göttingen unter dem Nationalsozialismus. K.G. Saur, München 1987, S. 169 - 199
  19. Die Redaktion: James und die militärische Ausdrucksweise. Eine Stellungnahme von Eduard Baumgarten. In: Der Monat, Nr. 21, Juni 1950, S. 327f (CEEOnlineLibrary)
  20. Matthiesen, Michael: "Machtstaat und Utopie". In: H. Lehmann, O. G. Oexle (Hg.): Nationalsozialismus und Kulturwissenschaften, Bd. 2, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, S. 165ff (G-Bücher)
  21. Wellenreuther, Hermann: Mutmaßungen über ein Defizit. Göttingens Geschichtswissenschaft und die angelsächsische Welt. In: H. Bookmann, H. Wellenreuther (Hg.): Geschichtswissenschaft in Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1997, S. 261 - 285 (G-Bücher)
  22. Luca; Milly; Timo: Vom "Pluriversum der Völker" und "Roosevelt'schen Weltherrschaftsplänen". Eine Einführung in die obskure Gedankenwelt des neu-rechten FU-Dozenten Christian Tilitzki. In: Magazin des AStA der FU Berlin, Sommersemester 2009
  23. Frontdichterheim Buderose. Auf: Literaturreport.de 
  24. Lorenz, Konrad: Die Rückseite des Spiegels. Versuch einer Naturgeschichte menschlichen Erkennens. Piper Verlag, München 1973
  25. Metzinger, Thomas: Der Preis der Selbsterkenntnis. In: Gehirn & Geist, Juli/August 2006, http://www.gehirn-und-geist.de/artikel/848829
  26. Baumgarten, Eduard: Aus der Rundfunkansprache von Professor Baumgarten, dem Dekan der philosophischen Fakultät der Universität Königsberg. aus dem eingeschlossenen Königsberg im März 1945. In: Der Weg (Zeitschrift, Buenos Aires, Argentinien), Jg. 1950, S. 480-482
  27. Weltanschauung und Philosophie. Arbeitstagung des Amtes Wissenschaft auf Schloß Buderose. In: Nationalsozialistische Monatshefte. Heft 110, Mai 1939, 10.Jahrgang, https://www.zvab.com/servlet/BookDetailsPL?bi=16519318635&searchurl=hl%3Don%26sortby%3D20%26tn%3Dnationalsozialistische% 2Bmonatshefte%2Bzentrale
  28. Meurer, Bärbel: Marianne Weber - Leben und Werk. 2010 (GB
  29. Begegnungen mit Hans Albert - Eine Hommage. Hrsg. von Giuseppe Franco, Springer, Oktober 2018, 2019 (GB), https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-22690-9.
  30. Siegwart Lindenberg: Die drei Orte des Lernens von und mit Hans Albert. In: siehe 29., https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-22690-9_45
  31. Interview mit Prof. Dr. Hans Albert, Humanistisches Magazin vom 20. Februar 2011, https://www.humanistische-vereinigung.de/dateien/Audio/Humanistisches_Magazin_Februar_2011.mp3
  32. Hans-Joachim Dahms: Pragmatism in the Third Reich Heidegger and the Baumgarten Case. In: European Journal of Pragmatism and American Philosophy, XI-1, 2019 (European Pragmatism Symposia), https://doi.org/10.4000/ejpap.1524, https://journals.openedition.org/ejpap/1524.  
  33. Baumgarten, Eduard: Deutsche Führungsmodelle. Offizier, Gelehrter, Handwerker. Vieweg, Braunschweig [1945] (Schriften der Akademie für Jugendführung, Band 3). (Vortrag vor der Braunschweiger Akademie für Jugendführung, September 1943)
  34. Strunz, Gisela: American Studies oder Amerikanistik? Die deutsche Amerikawissenschaft und die Hoffnung auf Erneuerung der Hochschulen und der politischen Kultur nach 1945. [Diss. Uni. Bayreuth 1998] Springer, Wiesbaden 1999 (G-Bücher)
  35. Baumgarten, Eduard: Mitteilungen und Bemerkungen über den Einfluß Emersons auf Nietzsche. In: Jahrbuch für Amerikastudien, Bd. 1, 1956, S. 93-152 (63 Seiten), https://www.jstor.org/stable/41155256.
  36. Baumgarten, Eduard: Das Vorbild Emersons im Werk und Leben Nietzsches, Band 1. C. Winter, 1957 (G-Bücher)
  37. Emerson, Ralph Waldo: Versuche (Essays). Aus dem Englischen von G. Fabricius. Meyer, Hannover 1858. https://haab-digital.klassik-stiftung.de/viewer/image/118058662X/10/LOG_0002/
  38. Freregger, Sandra Yvonne: Nietzsches Handexemplar von Emersons "Versuchen" - Annotationen, Exzerpte, Philologie. In: Nietzsche als Leser. Hrsg. von H-P. Anschütz, u.a. Gruyter, Berlin, Boston 2021 (G-Bücher)

Eduard Baumgarten: Eine große philosophische Synthese auf pragmatischer Grundlage? (I)

Bislang weniger beachtete geistige Traditionslinien im Umfeld von Hans Albert und K. R. Popper

Zusammenfassung: Eine Traditionslinie exisistiert vom humanistischen Kritischen Rationalismus von Karl Raimund Popper (1902-1994) (Wiki) über den "Popper Deutschlands", den Humanisten und das Mitglied der Giordano-Bruno-Stiftung Hans Albert (geb. 1921) (Wiki) zu dessen Lehrstuhl-Vorgänger Eduard Baumgarten (1898-1982) (Wiki) und dessen Freund Konrad Lorenz (1903-1989) (Wiki). Alle vier Genannten waren miteinander befreundet und haben sich gegenseitig besucht. Und damit gibt es eine Traditionslinie zu dem gemeinsamen Versuch von Baumgarten und Lorenz um 1940 herum, auf der Linie von Alfred Rosenberg (1893-1946) (Wiki) und Alfred Baeumler (1887-1968) (Wiki) eine philosophische Grundlegung des Nationalsozialismus zu formulieren, die Elemente des ("gottgläubigen"?) philosophischen Deutschen Idealismus mit dem amerikanischen Pragmatismus und mit der Konrad Lorenz'schen Evolutionären Erkenntnistheorie zu verbinden suchte. Wer die Geschichte des naturalistischen, also an der Naturwissenschaft orientierten Denkens in Deutschland während des 20. Jahrhunderts schreiben will und damit eines Evolutionären Humanismus, darf diese heute wenig bekannten Bestrebungen nicht unter den Teppich kehren. Sie gehören zu einem vollständigen Bild dazu. Welche Schlußfolgerung aus der Kenntnis dieser Zusammenhänge zu ziehen sind, soll an dieser Stelle zunächst nicht erörtert werden. Im folgenden geht es zunächst nur um die Aufklärung wenig bekannter Sachverhalte.

Abb. 1: Eduard Baumgarten, 1960er Jahre

An den in England lebenden Philosophen Karl R. Popper wurde am 6. Mai 1961 ein längerer Brief geschrieben. Er stammte von dem deutschen Soziologen Hans Albert (geb. 1921), der nachmalig als "der Stellvertreter K. R. Poppers in Deutschland" in die Philosophiegeschichte eingehen sollte (siehe Abb. 1). In diesem Brief gibt Albert einen ausführlichen Bericht über die Situation der deutschen Soziologie. Er ergänzte, nachdem er von der jüngeren Generation der deutschen Soziologen gesprochen hatte und dabei natürlich insbesondere von der "Frankfurter Schule" und ihren Gegnern (1, S. 49):

Eine Gruppe habe ich übrigens noch nicht erwähnt: und zwar die älteren deutschen Soziologen, die zwar nicht emigriert sind in der Nazi-Zeit, aber das System deutlich abgelehnt haben. (...) Vielleicht sollte ich noch Prof. Baumgarten aus Mannheim erwähnen -, vor einiger Zeit aus den USA zurückgekehrt -, dessen Institut gerade eine umfangreiche Untersuchung über die deutsche Universität herausgebracht hat. Diese Untersuchung enthält, wie ich hörte, sehr viel Kritik an den gegenwärtigen Zuständen bei uns.

Hans Albert sollte zwei Jahre später Lehrstuhl-Nachfolger dieses hier erwähnten Eduard Baumgarten in Mannheim werden. Und von diesem heute nur noch wenig bekannten Eduard Baumgarten vor allem soll der vorliegenden Beitrag handeln. Die zitierten Worte waren im Zusammenhang mit dem sogenannten "Positivismusstreit" geschrieben worden. Dieser war kurze Zeit später, im Herbst 1961 auf der Tagung der "Deutschen Gesellschaft für Soziologie" in Tübingen ausgebrochen. Karl Raimund Popper hatte dort recht weitgehend im Sinne von Hans Albert, sowie ihrer beiden späteren philosophischen Freunde Eduard Baumgarten und Konrad Lorenz, in einem Referat die "Einheit der Methode von Natur- und Sozialwissenschaften" postuliert (Wikip.).

"Einheit der Methode von Natur- und Sozialwissenschaften"

Dieses Postulat wurde damals von solchen dezidierten Ideologen wie Theodor W. Adorno und nachmals insbesondere von Jürgen Habermas scharf angegriffen. Bis heute wohl tragen die damaligen Fronten dazu bei, das interdisziplinäre Gespräch und Forschen im Übergangsfeld von Geistes- und Naturwissenschaft zu verzögern und den Wissenschaftsgraben zu vertiefen. Erst in den letzten Jahren hat Jürgen Habermas einige Positionen zurückgenommen. Insbesondere im Zusammenhang mit der Diskussion über die Willensfreiheit, in der die naturalistischen Argumente immer stärker vorherrschend werden, war dies wohl unumgänglich geworden.

Abb. 2: Hans Albert

Die noch heute in vielen Bereichen bestehende tiefgehende Sprachlosigkeit zwischen Geistes- und Naturwissenschaft hatte später auch der Biologe Edward O. Wilson nicht aufbrechen können, als er das Postulat von der "Einheit des Wissens" in aktualisierter Form formulierte. Lehrstuhl-Nachfolger von Hans Albert in Mannheim ist inzwischen übrigens Hartmut Esser. Dieser fällt heute jedoch eher durch Lippenbekenntnisse zu der genannten Einheit auf, als daß konkrete Schlußfolgerungen aus solchen Bekenntnissen gezogen würden (Stud. gen.).

Im Hauptstrom der geistigen Entwicklungen seit Hans Albert steht natürlich heute vor allem die Giordano-Bruno-Stiftung. Dementsprechend hat diese auch Hans Albert als Mitglied ihres wissenschaftlichen Beirates gewählt. Niemals aber ist im Bereich des naturalistischen Philosophierens, das hier vorherrscht, eine solche Breite der gedanklichen Ansätze vertreten und verfolgt worden, wie sie - ganz "pragmatisch" - Eduard Baumgarten seit den frühen 1940er Jahren vertrat.

"Deutsche Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik und im Dritten Reich"

Auf diesen Umstand ist aufmerksam gemacht worden durch die im Jahr 2002 erschienene zweibändige Überblicksdarstellung "Deutsche Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik und im Dritten Reich" (2). Für die Thematik der Geschichte des naturalistischen Denkens im 20. Jahrhunderts macht sie mit einigen Themen und Entwicklungen  im Umfeld von Hans Albert und Eduard Baumgarten bekannt, die bislang - zumindest in der hier deutlich werdenden Brisanz - der Forschung und Öffentlichkeit noch nicht bekannt gewesen waren.

Auch die heutigen Vertreter dieser Denkrichtung scheinen bislang ganz zufrieden damit zu sein, daß darüber noch so wenig gesprochen und nachgedacht worden ist. Ob das aber die angemessene und auch ausreichend selbstkritische Vorgehensweise ist, die auch im Sinne des verstorbenen Eduard Baumgarten wäre, bleibe dahingestellt.

In Anknüpfung an philosophische Anliegen von Alfred Rosenberg und Alfred Bäumler, zwei der führenden Vordenker, bzw. Philosophen des Dritten Reiches, wollten nämlich die nachmaligen deutschen philosophischen Freunde von Karl Raimund Popper und Hans Albert, nämlich Eduard Baumgarten und Konrad Lorenz, um 1940 an der Universität Königsberg eine auf breit angelegte interdisziplinäre Auseinandersetzung zwischen der Evolutionsforschung und der Philosophie angelegte "Dependance von Buderose" gründen. In dem vielhundertseitigen, enzyklopädischen Werk "Das Dritte Reich und seine Denker" aus dem Jahr 1959 (14) sind weder Konrad Lorenz noch Eduard Baumgarten erwähnt. Das liegt wohl daran, daß damals das naturalistische Denken für sich in der Wahrnehmung der Zeitgenossen noch eine so geringe Rolle spielte.

Die Auseinandersetzung mit einem solchen Philosophen wie Martin Heidegger wurde breit geführt. Darüber blieben viele andere, vielleicht langfristig viel bedeutendere philosophische Entwicklungen während des 20. Jahrhunderts wahrscheinlich über Gebühr unbeachtet.

Naturwissenschaftsnahe, nationalsozialistische Ideenschmiede 1940 in Königsberg?

"Buderose", das wird im zweiten Teil genauer erläutert, stand in diesem Zusammenhang für einen um Alfred Rosenberg und Alfred Baeumler gegründeten philosophischen Arbeitskreis von damals jungen deutschen Nachwuchsphilosophen, von denen sich Baeumler und Rosenberg eine philosophisch stringentere Durchformulierung der Staats- und Gesellschaftsidee des Dritten Reiches erwarteten, als eine solche bis dahin durch philosophisch so uninformierte Bücher wie "Mein Kampf" oder "Der Mythos des 20. Jahrhunderts" gegeben worden waren.

Schon die Tatsache, daß man sich dazu an "liberale" Nichtnationalsozialisten wenden mußte (was anfangs auch für Alfred Baeumler und Eduard Baumgarten galt), ist bezeichnend. Aber welche Antriebe bewegten damals umgekehrt diese Nichtnationalsozialisten dazu, sich für eine solche Arbeit zur Verfügung zu stellen? Ist die These zumindest für Eduard Baumgarten zu verfolgen, daß er an einer "Humanisierung des Nationalsozialismus" von innen heraus arbeitete?

Die Brisanz der Thematik liegt auf der Hand: Ein naturalistisches Philosophieren, wie es später von Karl Raimund Popper und Hans Albert fortgesetzt wurde, stellte sich 1940 einigermaßen bewußt in den Dienst des Dritten Reiches. So erscheint es zumindest auf den ersten Augenschein. Und man wäre schon sehr interessiert daran, die genaueren Umstände und Motivlagen für diese Geschehnisse zu rekonstruieren, um sich besser mit ihnen auseinandersetzen zu können, um auch vergleichen zu können, und um Lehren für die Gegenwart und Zukunft ziehen zu können.

Ein Vergleich könnte sich etwa anbieten mit dem zeitgleichen naturalistischen Denken innerhalb der Ludendorff-Bewegung und der Positionierung desselben gegenüber dem Nationalsozialismus. Womöglich unter einem Rahmenthema mit dem Titel "Spielräume unter Hitlers Herrschaft". So lautet ein bis heute unveröffentlichtes Buchmanuskript von Eduard Baumgarten.

"Spielräumen unter Hitlers Herrschaft"

Eduard Baumgarten hat nämlich von fachphilosophischer Seite einigermaßen im Zentrum der damaligen Entwicklungen in der Geschichte des naturalistischen Denkens in Deutschland gestanden und dabei sogar seine eigene Sicht auf die damaligen Geschehnisse und insbesondere auch auf Adolf Hitler selbst schriftlich niedergelegt, wie wir weiter unten erfahren werden. Allerdings ist die Herausgabe dieser Eigendarstellung durch seinen Nachlaßverwalter und Schüler, Michael Sukale in Münster (geb. 1940), seit Jahrzehnten nicht erfolgt. Zwischenzeitlich glaubte sich Sukale wohl mit seinen zum Teil berechtigterweise aufsehenerregenden Studien über Max Weber (3), jenes Denkers, in dessen geistiger Tradition sich vor allem auch Webers Neffe Eduard Baumgarten sah, allerhand "Vorarbeiten" zu leisten, um vielleicht auch zu einem tieferen Verständnis seines akademischen Lehrers Baumgarten und zu dessen Verhältnis zum Nationalsozialismus beitragen zu können.

Abb. 3: M. Sukale
Der Soziologe Sukale betrachtet jedenfalls Baumgarten als seinen "sozialethischen" und Hans Albert als seinen "wissenschaftstheoretischen" Lehrer. Damit wird natürlich zugleich die Frage aufgeworfen, in welcher Weise Baumgarten während des Dritten Reiches seinen "sozialethischen" Standpunkt vertreten hat.

Im folgenden soll der wissenschaftsgeschichtliche Kenntnisstand zu Baumgartens philosophischem Wirken im Dritten Reich zusammengetragen werden. Während die wesentlichen wisenschaftsgeschichtlichen Ereignisse im Umfeld der Person Konrad Lorenz hier als bekannt vorausgesetzt werden, da sie breite, auch populärwissenschaftliche Darstellung gefunden haben (etwa 4-6), ist es wichtig, die dort erarbeiteten Kenntnisse durch Kenntnisse zu den geistigen, wissenschaftlichen Biographien von Alfred Baeumler, Eduard Baumgarten und Hans Albert zu ergänzen.

Naturalistisches Denken und Philosophieren, das sich bewusster als ein solches verstand und sich von anderen Arten des Philosophierens und Denkens bewusster absetzte, spielte in der Philosophiegeschichte des 20. Jahrhunderts eine vergleichsweise randständige Rolle (G-Bücher). Den Naturwissenschaftlern selbst war jedoch die zentrale Rolle der Naturwissenschaft auch für die philosophische Geistesgeschichte der Menschheit zumeist wesentlich deutlicher bewusst, als den Philosophen. Das beginnt sich erst in den letzten Jahren zu ändern.

1968 - Konrad Lorenz zum 70. Geburtstag Baumgartens

Aus Anlass des siebzigsten Geburtstages von Eduard Baumgarten im Jahr 1968 erschien - um drei Jahre verspätet - und in aufregenden Zeiten 1971 eine Festschrift (7) und eine Auswahl der Abhandlungen und Vorlesungen Baumgartens, ausgewählt und eingeleitet von seinem Schüler Michael Sukale (8).

Der berühmteste Beitrag der Festschrift war nun der von Konrad Lorenz, vor dessen Veröffentlichung ihn zunächst nahe stehende Freunde (5) dringend abgeraten hatten: "Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit" (9, 10). Viele Ereignisse auf geistigem Gebiet, die sich zwischen 1968 und 1973 ereignete haben, verdienen sicherlich, früher oder später vergessen zu werden. Bestimmt aber nicht das Erscheinen dieses berühmten Aufsatzes von Konrad Lorenz, der noch das Denken einer Jugendgeneration später tiefgreifend beeinflussen konnte. Und der noch heute grundlegend ist.

Als dieser Aufsatz 1973 in einer separaten Schrift erschien, die bis 1989 20 Auflagen erlebte (10), schrieb Konrad Lorenz im Vorwort zu ihr:

Die vorliegende Abhandlung ist für die Festschrift geschrieben worden, die zum 70. Geburtstag meines Freundes Eduard Baumgarten erschien. Ihrem Wesen nach paßt sie eigentlich weder zu einer so freudigen Gelegenheit noch zu der fröhlichen Natur des Jubilars, denn sie ist eingestandenermaßen eine Jeremiade ...
1968 - Hans Albert zum 70. Geburtstag Baumgartens

Im Gegensatz zu Konrad Lorenz war es dann vor allem Hans Albert, der eher im Rahmen einer üblichen Festschrift blieb und im Vorwort zu derselben versuchte, zunächst einmal die Nähe des Jubilars zu naturwissenschaftlichen Ansätzen herauszuarbeiten. Eine Nähe, die Konrad Lorenz natürlich von vornherein selbstverständlich war und die er nicht erst noch betonen musste. Hans Albert schrieb (11):

Eduard Baumgarten (...) hat stets den Zusammenhang der Philosophie mit den Realwissenschaften (...) betont. (...) In seinen theoretischen Untersuchungen findet man philosophische Gesichtspunkte verbunden mit soziologischer und sogar biologischer Analyse. Forschungsergebnisse der Realwissenschaften werden von ihm aufgenommen, verarbeitet und zur Durchleuchtung und Kritik philosophischer Thesen - etwa aus dem Bereich der Erkenntnistheorie oder Moralphilosophie - verwendet. Die Dichotomie von Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften, die im deutschen Sprachbereich immer noch eine so große Rolle spielt, und den mit ihr meist verbundenen methodologischen Separatismus des geisteswissenschaftlichen Denkens hat Baumgarten stets zurückgewiesen.
Hans Albert schrieb außerdem:
Eduard Baumgarten hat es nicht notwendig gehabt, sich von Verfechtern sozialer Erlösungslehren darüber unterrichten zu lassen, dass die Erkenntnis selbst eine soziale Praxis ist, eingebettet in den sozialen Zusammenhang und der Regulierung durch soziale Normen unterworfen.
Und er führte aus:
Gleichzeitig mit dieser Festschrift erscheint eine Sammlung von Arbeiten aus der Feder Eduard Baumgartens mit einer kommentierenden Einleitung von Michael Sukale, dessen Beitrag hier an erster Stelle abgedruckt ist, weil er sich intensiv mit zentralen Themen und Ideen Baumgartens auseinandersetzt. In dieser Einleitung (gemeint: zur Sammlung) geht Sukale in einer Weise auf die geistige Entwicklung und auf das Werk Baumgartens ein, wie es besser kaum möglich ist und wie es vor allem der Herausgeber dieses Bandes nicht könnte.

Damit sprach Albert sich selbst an.

1968 - Michael Sukale zum 70. Geburtstag Baumgartens

Und Sukale selbst schreibt nun ebenfalls schon im Vorwort der Aufsatz-Sammlung (8):

Die Geschichte dieses Buches begann, als ich im Frühjahr 1964 sechs Wochen lang im Hause Eduard Baumgartens lebte, um ihm bei der Fertigstellung eines Buches über Max Weber beizustehen. In den wenigen Mußestunden, die mir verblieben, stöberte ich in Kästen, in denen unveröffentlichte Manuskripte Baumgartens lagerten. Die Heidelberger Dissertation (Frühjahr 1924) und die Königsberger Vorlesungen (Winter 1941/42) fesselten mich am stärksten und wanderten mit mir zu näherem Studium aus dem Hause; sie haben in der Tat den Weg gewiesen zu der Publikation, die ich hier vorlege.
Sukale betont jedoch, dass er sich in diesem Band nur mit der wissenschaftlichen Lebensleistung Baumgartens auseinandersetzt:
... Andererseits ist sich der Herausgeber wohl bewußt, daß die rein wissenschaftliche Arbeit nicht immer im Zentrum von Baumgartens Leben gestanden hat: immer wieder haben praktisch-politische Bedürfnisse und Ziele seine Aufmerksamkeit gefesselt. Allerdings haben sich diese Bemühungen während des ersten in diesem Buch repräsentierten Zeitraums (1933-1945) vornehmlich nur in Tagebüchern, Briefen und Prozeßakten niedergeschlagen, während Baumgartens Veröffentlichungen dieser Jahre nur selten - in Vorworten, Fußnoten und Nebenbemerkungen - auf das politische Tagesgeschehen Bezug nehmen. (...)
Zur Zeit arbeitet der Verfasser (also Eduard Baumgarten) an zwei Büchern, die hoffentlich in Bälde erscheinen werden: "Hitlers Macht"; "Spielräume unter Hitlers Herrschaft". Das zweitgenannte Buch wird über Baumgartens eigene praktische Anteilnahme an dieser Epoche Auskunft geben.

Diese beiden schon 1971 angekündigten Bücher sind, soweit übersehbar, in den letzten vierzig Jahren nicht erschienen. Es kann aber inzwischen schon anhand zahlreicher anderer wissenschaftsgeschichtlicher Studien "rekonstruiert" werden, was in diesen beiden Büchern wenigstens ungefähr enthalten sein könnte. (Wir haben per Email bei Michael Sukale um weitere Auskünfte gebeten, aber bislang keine Antwort erhalten.)

Doch bevor auf diese Thematik eingegangen werden soll, soll noch auf die persönlichen Konstellationen der Beteiligten um das Jahr 1968 herum genaueres Licht geworfen werden.

"Meinen Vorgänger Baumgarten habe ich dann näher kennengelernt" - Hans Albert

Anläßlich seiner Emeritierung an der Universität Mannheim im Jahr 1963 hatte Eduard Baumgarten den Soziologen und Philosophen Hans Albert als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Hans Albert berichtet selbst (12, S. 100):

Um mich zu einer Annahme des Rufes zu bewegen, hatte Baumgarten mich übrigens eindringlich auf meine Pflichten meiner Familie gegenüber hingewiesen.
Abb. 4: Sigwart Lindenberg

Albert nahm schließlich an. Und er berichtet weiter (12, S. 101-103):

Meinen Vorgänger Baumgarten habe ich dann näher kennengelernt und hatte mit ihm viele interessante Gespräche. (...) Baumgarten hatte sich nach dem zweiten Weltkrieg intensiv mit dem Werk seines Onkels Max Weber befaßt. Ein Resultat seiner Bemühungen war ein umfangreicher Band mit kommentierten Texten aus dem Nachlaß Webers, den er im Jahr 1964 veröffentlichte. An diesem Band hatten einige seiner Mitarbeiter mitgewirkt, mit denen Lepsius und ich dann näher bekannt wurden: Hermann Vetter (...) und Sybille Wolf, Sigwart Lindenberg und Michael Sukale, die in Mannheim studierten und zu den ersten Studenten gehörten, die dann das neu eingeführte Soziologie-Diplom in Mannheim erwarben.

Albert, Lindenberg und Sukale verbindet bis heute eine Freundschaft miteinander (12, S. 179). Albert machte Sukale mit Karl Raimund Popper auch persönlich bekannt, wie er seinerseits 1982 zusammen mit Karl Raimund Popper und dessen Ehefrau sich mit Konrad Lorenz traf, den engen philosophischen Freund seines Lehrstuhl-Vorgängers Baumgarten (12, S. 159).

Als Schüler Eduard Baumgartens in Freiburg nennt auch Sukale (3) Sigwart Lindenberg (siehe Abb. 4)  und Sybille Wolf (heute: Sybille Anbar, in der Festschrift von 1968/71 Sybille Sukale-Wolf). Und Sukale schreibt (3):

Ohne diese vier Personen wäre mir mein drittes Jahrzehnt gar nicht denkbar.

Er schreibt über die offenbar sehr prägenden "Tage und Nächte der Zusammenarbeit" mit Eduard Baumgarten, als sie Baumgartens Buch über Max Weber herausbrachten (13). Eduard Baumgarten wußte über seinen Onkel Max Weber manches, was schließlich erst Michael Sukale in seiner Weber-Biographie öffentlich machte. Möglicherweise war das sogar einer der wesentlicheren Ausgangspunkte seines neuen Buches (3, S. 196, Vorwort).

Ergänzung 2020

Im Jahr 2018 sind schöne Erinnerungen an diese gemeinsame Studienzeit bei und mit Hans Albert erschienen (29, 30). Eduard Baumgarten hatte seine eigenen Freiburger Studenten sprichwörtlich zu Hans Albert nach Mannheim "getrieben", da dort das wertvolle "Gegenwärtige" und "Zukünftige" im geistigen Raum geschehe. Sukkale berichtet da (Begegn., 2018):

Wir hatten von Eduard Baumgarten gehört, daß Hans Albert Max Webers Methodologie wie kaum ein anderer kannte und weiter entwickeln würde.
Und Sigwart Lindenberg erzählt (30):
Hans  Albert kam im Dezember 1963 und ein paar Monate später  fing  alles  an.  Seine  Vorlesungen, die wir dann gleich besuchten, waren: Formale Logik II (sic!), Wissenschaftslehre I, und Wert- und Ideologieproblematik; in späteren Semestern folgten dann "mathematische Grundlagen (Graphentheorie)" I und II, Wissenschaftslehre der Sozialwissenschaften (II), und ein Seminar "Logik, Soziologie, und Philosophie des Rechts". Und dann natürlich das Soziologische Colloquium zusammen mit den Kollegen Irle und Lepsius. Auf den ersten Blick ist das vor allem viel formaler Kram. (...) Wie war es dann möglich, so an seinen Lippen zu hängen? (...)
Wir hatten den Eindruck, daß wir förmlich mit ihm, gerade da, wo er stand und wir saßen, zu den Einsichten kamen, die er uns vortrug. Er war zu dieser Zeit selbst noch suchend  und  pausenlos  findend,  und  er  schrieb  das  damals  in  vielen  Aufsätzen auf. (...) Wir (...) waren  vollauf  damit  beschäftigt, die gezielte Neugier zu erlernen, und wie man sie befriedigen könnte. Was ist Wissen und was ist eigentlich Theorie? Warum nicht mit Begriffen begreifen?  Wozu  eigentlich  Logik  und  was  sind  "gute  Argumente"?  Warum  sind Modelle nicht genug, und wofür genau brauchen wir (welche) Empirie? Warum  am  besten  integrierte  Sozialwissenschaft,  und  wie  dann  Ökonomie,  Soziologie und Psychologie integrieren?
Diese  Erfahrung  mit  geistigem  Hunger  und  Hungerstillen  ging  dann  auf  ganz andere Weise weiter in unseren häufigen Besuchen bei Hans Albert zuhause. Das war in Heidelberg, gemütlich klein, mit Gretl Albert und den Kindern,  erst  mit  Max  und  dann  mit  Gert  und  Kurt.  Im  Wohnzimmer  an  den  Wänden standen imposante und bestens geordnete Bücherregale mit den tollsten  Neuerscheinungen,  aber  auf  dem  Boden  wuselte  es  herum,  und  in  einer  Ecke  war  Hans  Albert  an  einem  kleinen  Tisch  mit  Schreibmaschine  dabei,  über allen Kinderlärm hinweg, konzentriert und in aller Ruhe seine Aufsätze zu schreiben. In solche, an Jan Steens Bilder erinnernde, familiäre Gemütlichkeit kamen wir dann, zum Essen, zum Diskutieren, oft bis nach Mitternacht, und fuhren dann manchmal mit einem ausgeliehenen Buch unter dem Arm zurück  nach  Mannheim.  Diese  hautnahe  Gegenwart  im  geordneten  Chaos  war  noch  eine  ganz  andere  Lernerfahrung  als  in  der  Uni.  Hier  wurde  vorgelebt,  wie  die  wissenschaftliche  Neugier,  die  hohen  Ansprüche  an  Qualität  der Argumente, und das Hinhören und Antworten einher gehen kann mit der offenen, familiären und auch herzlichen Menschlichkeit.
Indem der hier schon erwähnte Hartmut Esser in demselben Band ein wenig schildert, wie er zur Wahl eines Soziologie-Studiums kam, macht er zugleich auch ein wenig das Selbstverständnis unter diesen Soziologen sichtbar (Beg. 2018):
S wie „Soziologie“. Was war das denn? Und da stand tatsächlich: Die Soziologie sei die Wissenschaft von der Gesellschaft, die, anders als die Sozialphilosophien, die uns sonst so dargeboten wurden, nach den Regeln der Naturwissenschaften betrieben werde. Elektrisiert las ich sogar den Begriff "Physique Sociale" dafür. DAS ist es doch!
Als wissenschaftshistorisch durchaus interessierter Evolutionärer Anthropologe, der sich viel in der Literatur umgetan hat, fragt sich der Autor dieser Zeilen gerade, wo ihm so etwas einmal begegnet sein könnte, eine Soziologie, die "nach den Regeln der Naturwissenschaft betrieben werde". Nanu!? Warum beziehen sich dann heute immer noch so auffallend wenige Soziologen auf die Soziobiologen, die ja eine "Soziologie" ist, die "nach der Regeln der Naturwissenschaft betrieben" wird!? Fragen aber auch. Fragen über Fragen. In dem Band "Begegnungen mit Hans Albert" scheinen auch keine Soziobiologen aufzutauchen. Nun gut, Hartmut Esser benutzt den Begriff Soziobiologie als einziger in dem Band an einer Stelle (29, S. 106)(GB):
Wäre es nicht ein wirklich erstrebenswertes Ziel, beides zu vereinen: Eine analytisch strenge und klare soziologische Theorie, die empirisch alles aufnimmt, was für ihre Erklärungen wichtig ist? Und müßte man dabei nicht eigentlich gut zuhören, was die verschiedenen anderen Ansätze, die der Soziologie, der (Sozial-)Psychologie, der Ethnologie, der Anthropologie, der Soziobiologie, gar auch der Neurowissenschaften zu sagen haben?

Es wäre doch einmal zu prüfen, in wieweit die hier referierten gedachten Gedanken der 1980er Jahre zwischenzeitlich umgesetzt worden sind.  - - - Soweit jedenfalls zu einigen aktuelleren persönlichen und wissenschaftsgeschichtlichen Konstellationen, die im Zusammenhang mit der vorliegenden Thematik weiterhin von großer Bedeutung sind.

Soweit ein Einblick in die Lebenswirklichkeit von Studenten Eduard Baumgartens um 1960 herum. 

Ein Seminar Eduard Baumgartens über Macchiavelli (1950)

Der deutsche Philosoph und Psychologe Detlev von Uslar (geb. 1926) (Wiki), der von 1967 bis 1987 sehr erfolgreich als Professor an der Universität Zürich wirkte, berichtet in seinen Erinnerungen ein wenig von dem Studentenleben im Umfeld von Eduard Baumgarten um 1950 in Freiburg (15).

von Uslar war Sohn eines Weltkrieg I-Offiziers und Stahlhelm-Führers (15, S. 25), der nach Auflösung des Stahlhelms im Jahr 1934 aufgrund einer jüdischen Großmutter in seinen bürgerlichen Beruf als Versicherungsvertreter zurückgekehrt ist (15, S. 32). Detlev von Uslar war in seiner Jugend begeisterter Leser von Ernst Jünger (Mamorklippen, Das abenteuerliche Herz).*) von Uslar studierte von 1946 bis 1950 in Göttingen Philosophie bei Nicolai Hartmann. In dieser Zeit schickte er an den von ihm verehrten Ernst Jünger ein Manuskript mit dem Titel "Der Webetanz", in dem Briefe zusammengestellt waren, die er mit seiner Freundin Gisela Wilhelmi gewechselt hatte, die aus Königsberg stammte. Jünger antwortete freundlich. Das Manuskript ist 2014 schließlich veröffentlicht worden. Im Klappentext heißt es über dieses (16):

In den sehr lebendigen Briefen dieses Paars aus den Jahren 1949/50 spiegelt sich eine Aufbruchszeit, ein Neuanfang nach dem Ende des zweiten Weltkriegs: Die Leuchtkraft von Werken der Kunst, Musik und Dichtung, die zu dieser Zeit aktuell waren. Gedanken und Erlebnisse des Tages und Träume der Nacht. - Die Zeit, in der auch die Bundesrepublik und die DDR gegründet wurden, verbindet sich mit der Aktualität der heutigen Gegenwart. Der "Webetanz" ist ein barocker Volkstanz, in dem die tanzenden Paare sich trennen und einzeln so weiter tanzen, daß sich die ausgestreckten Hände aller Tänzerinnen nacheinander mit denen aller ihnen entgegenkommenden Tänzer berühren: Ein Symbol für die Einheit und Vielheit der Beziehungen. Es geht in diesem Buch um die Frage, wie sich verschiedene gleichzeitige Liebesbeziehungen (ein sich Verschenken nach allen Seiten) mit dem Anspruch jeder einzelnen Beziehung auf Absolutheit und Einmaligkeit vereinigen lassen. Es geht um den Konflikt zwischen "Treue" und "Schenkender Tugend" (Nietzsche).

Nachdem Nicolai Hartmann, bei dem von Uslar eine Doktorarbeit über dieses Thema der wechselnden menschlichen Begegnungen angefangen hatte, im Jahr 1950 gestorben war und er überlegte, ob er sie bei C. F. von Weizsäcker fortsetzen sollte, schrieb ihm seine Freundin Gisela, die inzwischen Musik in Freiburg studierte, daß Heidegger in Freiburg wieder anfangen würde zu lehren. Detlef von Uslar entschied sich, nach Freiburg zu wechseln. Er berichtet (15, S. 143f):

Es war eine absolut neue Welt, die ich hier erlebte und in die ich so im November 1950 geraten war. (...) In der Universität besuchte ich neben den Seminaren Heideggers, die der absolute Mittelpunkt waren, auch die Seminare von Eduard Baumgarten, den ich durch Gisela kennen gelernt hatte, weil er wie sie aus Königsberg stammte. Die Beziehungen zu Königsberg waren in ihrem Leben noch ganz gegenwärtig. So wohnte sie später auch in einer Gartenveranda des Zoologen Otto Köhler, der zusammen mit Baumgarten und Konrad Lorenz in Königsberg gewesen war. Lorenz hat später das Buch "Die Rückseite des Spiegels" "den Königsberger Freunden Eduard Baumgarten und Otto Köhler" gewidmet. Baumgarten erzählte, daß er die obere Etage seines philosophischen Seminars für Konrad Lorenz und seine Tiere freigemacht habe, der dort seine Forschungen weiterführen konnte. Während Otto Köhler vor allem die Orientierung der Bienen erforscht hatte, war Baumgarten, wie er sagte, "der letzte Inhaber des Kantischen Lehrstuhls". Und Giselas Eltern waren in Königsberg dem geistigen Leben der Stadt eng verbunden. So war also für mich hier gleichsam ein Stück des alten Lebens der inzwischen russich gewordenen Stadt Königsberg lebendig. 
Baumgartens Hauptthema war das Problem der Macht, das auch das Thema seines Seminars wurde. Es handelte vor allem von Machiavellis "Principe" und war belebt und durchzogen vom Zauber und der Faszination dieses phantastisch rücksichtslosen Buchs, das uns alle fesselte, so auch meinen Freund Reimar Hahndorf, den ich dort kennenlernte, und den Philosophen von Friedeburg. (...) Als ich Baumgarten erzählte, daß mein Studentenzimmer, möbliert mit alten eisernen Gartenmöbeln, ziemlich unbefriedigend sei, sagte er: "Ach ich glaube, da ist doch noch der Käfig frei." Das war eine kleine Mansarde im Haus seiner Schwester, bei der ich nun einzog.

Mehr zur Biographie von Uslar's noch in einer Anmerkung.**) 

Ein zweiter Teil dieses Aufsatzes folgt ---> hier.


 / Neuberbeitung einer schon im 
Oktober 2010 veröffentlichten Fassung;
Ergänzung zu [15, 16] 4.12.2021 /

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*) 1944 ist er in Gnesen militärisch ausgebildet worden, hat 1945 an den Abwehrkämpfen in Ungarn und in der Tschechoslowakei teilgenommen und dann das Glück, noch 1945 wegen Dystrophie aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft im Lager Makejevka am Donez entlassen zu werden (15, S. 111).
**) Diese war Malerin und Jugendfreundin der Großherzogin Feodora von Sachsen-Weimar (1890-1972) (Wiki), die auf der gegenüberliegenden Seite der Straße aufgewachsen war und gelegentlich zu Besuch kam. von Uslar berichtet im weiteren von einem Ineinander-Verwobensein von Privatleben und wissenschaftlichen Anliegen, von dem man sonst wohl nur sehr selten etwas zu hören bekommen wird und das - unabhängig von dem Thema des vorliegenden Blobbeitrages - ein eigenes Interesse auf sich ziehen kann, aber durch sein Studium der Schelling'schen Philosophie wiederum auch Bezüge zu diesem aufweist (15, S. 147): 
"Ich traf mich nun immer wieder mit Gisela, abwechselnd mit Besuchen bei ihr in ihrer Glaveranda am Garten des Hauses von Otto Köhler, in der man nachts das Rauschen eines Bachs hörte, der durch diesen Garten floß. (...) Es war eine glückliche und erfüllte Beziehung. Gisela hatte zuletzt in Göttingen sich mit einem andern Mann verlobt, aber das war nun vergessen. - Dieses Abwechseln von Nähe und Ferne hat sich auch später noch fortgesetzt, als sie einen faszinierenden Cellisten traf, nach einiger Zeit aber wieder zu mir zurückkam."
Er berichtet über das Studium von Schellings "System des transzendentalen Idealismus" und bemerkt (S. 158f):
"Neben diesen Studien ging natürlich das Zusammenleben, die Kette der Beziehungen und Begegnungen weiter. Beide verbinden sich. Denken und Liebe und Erlebnisse gehören in ihrem Hintergrund stets zusammen. Vor allem Gisela war immer gegenwärtig. Sie wurde von ihren musizierenden Freundinnen und Freunden am Eingangstor zum Garten Otto Köhlers, das man durchschreiten mußte, um zu ihrer Gartenveranda zu kommen, mit dem Pfeifsignal des Motivs aus einem Violinkonzert Johann Sebastian Bachs und von mir durch den Pfiff des Webetanzes gerufen."
Er lernte eine blonde Marion kennen (S. 159f):
"Was mich in meiner Doktorarbeit gedanklich beschäftigte, daß alle unsere eigentlichen Beziehungen und Begegnungen irgendwie im Absoluten miteinander verschmelzen, erlebte ich hier nun wiederum existentiell im eigenen Leben. (...) Was mich in den Begegnungen mit Marion beschäftigte, war gerade die Vereinbarkeit verschiedener Begegnungen miteinander, obwohl jede mit einem Absolutheitsanpsruch auftritt, denn sie sind im wirklichen Absoluten nicht nur miteinander vereinbar, sondern speisen sich alle gegenseitig."
Im Gespräch mit Viktor von Weizsäcker sagt letzterer (S. 160):
"In jeder eigentlichen Begegnung sehen wir im Partner den Gott."
Detlev von Uslar hat zeitweise übrigens auch bei dem Freiburger Parapsychologen Hans Bender (1907-1991) (Wiki) studiert und gearbeitet.
_____________________
  1. Albert, Hans; Popper, Karl R.: Briefwechsel 1958 - 1994. Fischer Taschenbuch 2005
  2. Tilitzki, Christian: Die deutsche Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Teil 1 & 2. Akademie-Verlag, Berlin 2002 (Google Bücher)
  3. Sukale, Michael: Max Weber - Leidenschaft und Disziplin. Leben, Werk, Zeitgenossen. Mohr Siebeck, 2002
  4. Festetics, Antal: Konrad Lorenz. Aus der Welt des großen Naturforschers. Piper Verlag, München 1983
  5. Bischof, Norbert: "Gescheiter als alle die Laffen". Ein Psychogramm von Konrad Lorenz. Rasch u. Röhring, 1991, Piper TB 1993
  6. Föger, Benedikt; Taschwer, Klaus: Die andere Seite des Spiegels. Konrad Lorenz und der Nationalsozialismus. 2001
  7. Albert, Hans (Hg.): Sozialtheorie und soziale Praxis. Eduard Baumgarten zum 70. Geburtstag. Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1971
  8. Baumgarten, Eduard: Gewissen und Macht. Abhandlungen und Vorlesungen 1933 - 1963. Ausgewählt und eingeleitet von Michael Sukale. Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1971
  9. Lorenz, Konrad: Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit. In: Albert, Hans (Hg.): Sozialtheorie und soziale Praxis. Eduard Baumgarten zum 70. Geburtstag. Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1971, S. 281 - 345
  10. Lorenz, Konrad: Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit. Piper Verlag, München 1973 (bis 1989 20 Auflagen)
  11. Albert, Hans: Vorwort. In: ders. (Hg.): Sozialtheorie und soziale Praxis. Eduard Baumgarten zum 70. Geburtstag. Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1971
  12. Albert, Hans: In Kontroversen verstrickt. Vom Kulturpessimismus zum kritischen Rationalismus. Wien 2007
  13. Baumgarten, Eduard: Max Weber - Werk und Person. Tübingen 1964
  14. Poliakov, Leon; Wulf, Joseph: Das Dritte Reich und seine Denker. arain Verlag, Berlin-Grunewald 1959
  15. von Uslar, Detlev: Momentaufnahmen - Lebensmomente, Zeitereignisse, Zeitgenossen. Koenigshausen & Neumann, Würzburg 2012 (G-Bücher
  16. von Uslar, Detlev; Wilhelmi, Gisela: Der Webetanz. Träume und Tage. Ein Briefwechsel. Koenigshausen & Neumann, Würzburg 2014 

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