Donnerstag, 13. Dezember 2012

Frühe Lichtbilder von Mathilde von Kemnitz


Abb. 1: Gustav Adolf von Kemnitz bei der Gipfelrast - Aufnahme von Mathilde von Kemnitz (ca. 1910) (aus: 4)

Ende 2007, Anfang 2008 waren auf dem Parallelblog "Studium generale" zwei Beiträge veröffentlicht über frühe fotografische Versuche Mathilde Ludendorffs (1, 2).

Ludendorff-Gedenkstätte in Tutzing

Deren politische Bedeutung konnte hier auf dem Blog vor einem Jahr aufgrund neuer Dokumente sehr eindrucksvoll herausgestellt werden (3). Eine Neuerscheinung zu dieser Thematik (4) regt nun dazu an, die beiden Beiträge von 2007/08 hier auf dem Blog in aktualisierter und neu bearbeiteter Form einzustellen.

Vor zwei Jahren nämlich ist das Haus Ludendorff in Tutzing am Starnberger See mitsamt seinem "Ludendorff-Archiv" unter Denkmalschutz gestellt worden (GAj2010). Der zuständige Verein nennt sich seither:

Ludendorff-Gedenkstätte e.V. - Gemeinnütziger Verein zur Förderung des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege der denkmalgeschützten Ludendorff-Gedenkstätten in Tutzing am Starnberger See.

Dieser Verein hat jüngst eine kulturgeschichtlich nicht uninteressante Ausstellung angeboten: "Frühe Lichtbilder von Mathilde von Kemnitz" (7):

Fotoausstellung mit Fotografien von Mathilde von Kemnitz aus frühen Jahren: Familie und Wohnungen - Bergtouren - Reisebilder aus Tirol, Südtirol und Italien - Künstlerische Landschaftsfotografie mit Bildbearbeitungen, darunter preisgekrönte Aufnahmen.

Aus dem Zusammenhang dieser Ausstellung wird auch die gleichzeitig erschienene Veröffentlichung (4) hervorgegangen sein.

Abb. 2: Mathilde und Gustav Adolf von Kemnitz: Die alte Holzbrücke über die Wörnitz in Harburg (Fotografie, ca. 1910) (aus: 4)

Der vormalige Ausgangspunkt unserer Ausführungen zu der Thematik der "Frühen Lichtbilder von Mathilde von Kemnitz" war ein Beitrag über die Freikörperkultur-Zeitschriften im 20. Jahrhundert (St. gen.). An ihn anknüpfend wurde auf fotographische Amateur-Versuche aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg durch Mathilde von Kemnitz und ihren damaligen Ehemann Gustav Adolf von Kemnitz hingewiesen. 

Mathilde Ludendorff schreibt selbst in ihren Lebenserinnerungen, daß sie in ihrer jungen Ehe zusammen mit ihrem ersten Ehemann mit der damals noch neuen Technik der Fotographie experimentierte. Und sie schreibt auch davon, daß Ergebnisse aus diesen Experimenten später in die Hände ihrer politischen Gegner geraten seien (sprich in die Hände Adolf Hitlers persönlich).

Liebhaber-Fotografie

Gustav Adolf von Kemnitz wird 1908 auch in der Zeitschrift für Amateur-Fotografie "Photographische Rundschau und photographisches Centralblatt" (Wiki), Band 22, 1908 auf Seite 88 erwähnt, nämlich daß er zum zweiten Vorsitzenden eines entsprechenden Vereines gewählt worden war (GB). Auch im Jahrgang 1910 finden sich beide erwähnt (S. 408) (GB):

... Sehr beachtenswert ist die Gruppe "Wallfahrer" von Gustav und Sanna von Kemnitz ...
In dieser Zeitschrift wurde im Jahrgang 1917, Band 54 auf Seite 349 neben dem Gefallenentod eines anderen Mitglieds dieses Vereins auch der Tod von Gustav Adolf von Kemnitz mitgeteilt (GB):

Mit Sicherheit müssen wir leider auch mit dem Tode unseres früheren II. Vorsitzenden Herrn Privatdozenten Dr. Gustav v. Kemnitz rechnen, der einem winterlichen Unfall in den Bergen zum Opfer gefallen ist. Auch er hat seine vollen Kräfte unseren Bestrebungen gewidmet. In unserer Gesellschaft wird den teuren Toten ...
Im Rahmen dieser Liebhaberei des Ehepaares von Kemnitz waren Arbeiten entstanden (Beispiele: Abb. 1 und 2), von denen sie einige auch zur Weltausstellung in Brüssel im Jahr 1910 (Wiki) einreichten. Im Ausstellungskatalog sind sie unter 28 weiteren Ausstellern verzeichnet im "Raum 11: Liebhaberphotographie" (8, S. 117):

Veranstaltet vom Ausschuß für die Abteilung Photographie auf der Weltausstellung Brüssel 1910. Geschäftliche Leitung: Deutscher Buchgewerbeverein, Leipzig. (...)
GUSTAV VON KEMNITZ, Neu-Pasing II bei München, Lützowstr. 3.
SANNA VON KEMNITZ, Neu-Pasing II bei München, Lützowstr. 3.

(Wie es in diesem Zusammenhang zu dem Vornamen "Sanna" anstelle von Mathilde gekommen ist, ist uns vorderhand nicht bekannt.) Auch im Jahrgang 1910 der Zeitschrift "Archiv für Buchgewerbe" wird offenbar über die Weltausstellung berichtet (GB) (zit. ebenso in: 9, S. 179):

Im einzelnen seien genannt: (...) mit Landschaften und Interieurs, ferner Sanna von Kemnitz-München-Pasing, Schneider-Leipzig und May-Hamburg, zweifarbige Gummidrucke von Hofmeister-Hamburg in der bekannten Virtuosität.

In einem Brief an ihre Mutter vom 10. Oktober 1910 schrieb die damalige Mathilde von Kemnitz jedenfalls im Zusammenhang mit der Feier ihres Geburtstages (zit. nach 6, S. 196):

Außer den Geschenken kam gerade am Abend die Nachricht, daß Gustav die silberne, ich die bronzene Medaille auf der Brüssler Weltausstellung bekommen haben. Doch ganz nett, gelt?
Mindestens zwei weitere im Rahmen dieser Liebhaberei entstandenene Lichtbilder (hier Abb. 6 und 7), die nie zu Ausstellungen eingereicht worden waren, haben später in den scharfen politischen Auseinandersetzungen zwischen der Ludendorff-Bewegung und der NSDAP - sowohl vor wie nach 1933 - eine Rolle gespielt (3). 

Auch in Gerichtsverhandlungen, bzw. Verleumdungsklagen. Diese letzteren beiden hier eingestellten Lichtbilder stammen aus den erhaltenen, damaligen Münchner Gerichtsunterlagen. 

Druckmittel gegen politische Gegner

Es ist von den nationalsozialistischen Gegnern der Ludendorff-Bewegung versucht worden, diese Fotografien als politisches Mittel zur Diskreditierung Mathilde Ludendorffs zu benutzen. Adolf Hitler selbst erwähnt diese Fotos noch in den 1940er Jahren in seinen protokollierten Tischgesprächen (3, 5).

Abb. 3: Mathilde Ludendorff, geb. Spieß an der Universität Freiburg, Sommer 1902 (aus: 6)

Man fragt sich aus heutiger Sicht erstaunt, wie solche vergleichsweise harmlosen, zugleich auch künstlerisch ansprechenden Fotos als politische Druckmittel benutzt werden konnten. Zumal wenn man Filme und Fotografien der von den Nationalsozialisten geschätzten Leni Riefenstahl kennt oder vieles andere aus dem Kulturleben der damaligen Zeit.

Aber natürlich können derartige Privatfotos von öffentlich bekannten Menschen zu ihren Lebzeiten immer allerhand Skandal und Aufsehen erregen. Das wäre heute nicht anders als damals. Erst durch den zeitlichen Abstand erscheinen uns heute die damaligen Lichtbilder als vergleichsweise "harmlos". Und aus Zuschriften, die wir auf die früheren Blogbeiträge (1, 2) von älteren Menschen erhielten, die Mathilde Ludendorff noch persönlich kennengelernt haben, geht hervor, daß es noch heute Menschen gibt, die es als unpassend empfinden, wenn solche Lichtbilder der von ihnen verehrten Mathilde Ludendorff weiter verbreitet werden. Sie berufen sich darauf, daß Mathilde Ludendorff dies ja ausdrücklich selbst nicht wollte.

Inzwischen sind diese Fotografien jedoch längst Dokumente der Zeitgeschichte geworden, die öffentlich zugänglich geworden sind, und von denen es - unserer Meinung nach - nur noch wenig Sinn macht, sie möglichst "unsichtbar" zu machen. Die heutige Zeit ist ja längst ganz anderes "gewohnt".

Abb. 4: Mathilde von Kemnitz in München-Planegg, Sommer 1905 (aus: 6)

Um sich die politische Brisanz solcher "Druckmittel" klar zu machen - bzw. wie sie eingeschätzt wurde, bzw. eingeschätzt werden mußte - muß man sich zum Beispiel die "Blomberg-Fritsch-Krise" von 1938 anschauen (Wiki) und die Art, mit der Adolf Hitler kriegsunwillige, führende Wehrmacht-Generäle aus ihren Amtsstellungen entfernte. 

Dem einen wurde der Vorwurf gemacht, daß er eine frühere Prostituierte geheiratet hätte, dem anderen wurden homosexuelle Neigungen unterstellt. Das genügte. Auch für die Niederschlagung des angeblichen "Röhm-Putsches" von 1934 wurden Vorwürfe auf sexuellem Gebiet als Vorwand benutzt. Dabei war allen Kenntnisreicheren klar, daß Adolf Hitler von den homosexuellen Neigungen Röhms nicht erst 1934 erfahren hatte, sondern sie Jahre lang stillschweigend duldete.

Abb. 5: Mathilde von Kemnitz als Ärztin an der Klinik, Winter 1912/13 (aus: 6)

Hitler bewahrte sich also all die Jahre zwei - aus heutiger Sicht harmlose - Fotografien von Mathilde Ludendorff in seinem Tresor auf als die in der Politik ach so beliebten "Kompromate", um sie gegebenenfalls gegen Erich Ludendorff oder Mathilde Ludendorff verwenden zu können (3, 5). 

Von beiden wußte oder ahnte er, daß sie sich mit den anderen Wehrmacht-Generälen einig waren, wenn es darum ging, den Ausbruch eines neuen Weltkrieges zu verhindern und dazu die Hitler-Regierung zu stürzen.

Abb. 6: Gustav Adolf von Kemnitz: Mathilde von Kemnitz (aus: 5)

Solchen Perspektiven gegenüber treten so manche eher abseitigen Vermutungen und Eröterungen des genannten Aufsatzes, wie sie sich schon in seinem Titel (5) andeuten, sehr stark in den Hintergrund.

Der Aufsatz von Florian Mildenberg aus dem Jahr 2006 (5) hat nun merkwürdigerweise sehr viele Quellen und Literatur zur geschichtswissenschaftlichen Analyse und Einordnung der Fotos in Abb. 6 und 7 ausführlicher herangezogen. Am wenigsten jedoch die naheliegendste Literatur, nämlich die Lebenserinnerungen von Mathilde Ludendorff selbst (6). Im zweiten Band derselben, der 1936 erschienen ist (6), also auch ein paralleles Zeitzeugnis zu diesen Fotos und den politischen Machenschaften mit ihnen darstellt, zugleich wohl auch eine Abwehr des etwaigen Einsatzes dieser Druckmittel darstellt, nimmt Mathilde Ludendorff sehr ausführlich zu der Entstehung dieser Fotos Stellung.

Abb. 7: Gustav Adolf von Kemnitz: Mathilde von Kemnitz (aus 5)

Diese Ausführungen sind für den vorliegenden Beitrag noch einmal herausgesucht worden und sollen im folgenden weitgehend vollständig zitiert werden zusammen mit einigen in demselben Band enthaltenen Fotos der Verfasserin aus jenen Jahren und zusammen mit Kunstwerken, die im Text erwähnt werden.

Abb. 8: Stephan Sindig (1846-1922) (Wiki) -  "Zwei Menschen" (1889) - Museum Chemnitz

Noch eine Bemerkung: Man liest in diesen Lebenserinnerungen von Mathilde Ludendorff sehr gerne, weil sie von einem sehr reichen und sehr erfüllten Menschenleben Kunde geben, und weil man sich allein aufgrund dieser Lebenserinnerungen sehr angezogen fühlen kann von der Menschlichkeit und Warmherzigkeit, von der das Leben jener Frau, die diese Erinnerungen geschrieben hat, erfüllt gewesen sein muß.

Abb. 9: Lovis Corinth - Susanna beim Bade

Auch ihr Enkelsohn, der deutsche Nachkriegs-Schriftsteller Walter E. Richartz-von Bebenburg (1927-1980) (Wiki), der in der Nähe dieser Frau seine Kindheits- und Jugendjahre verbracht hat, hat niemals verleugnet, daß er seine Großmutter als eine sehr warmherzige Frau erlebt hat (siehe St. gen. 1, 2).

"Susanna beim Bade"

Man wird diesen Lebenserinnerungen auf vielen Gebieten also wohl auch dann noch Sympathie entgegenbringen können, wenn es einem nur schwer gelingt, der von dieser Frau gelehrten Philosophie und Psychologie - im Gesamten oder auch nur in Teilen - etwas abzugewinnen. (Aber siehe dazu auch noch zwei andere Beiträge: a, b

Natürlich ist bei allem, was eine solche Frau schreibt, immer der für heutige Ohren auch eigentümliche Duktus einer völkischen Lebensreformerin jener Zeit in Rechnung zu stellen.

Abb. 10: Rembrandt - Susanna beim Bade

In ihren Lebenserinnerungen berichtet Mathilde Ludendorff jedenfalls über ihr erstes Ehejahr im Jahr 1904 auf sehr vielen Seiten und mit vielen schönen Erinnerungen. Und dabei kommt sie dann auch auf die Entstehungsgeschichte jener Fotos zu sprechen (6, S. 141-143):

Unsere ziemlich leeren Wände waren erster Antrieb, unsere eben erst begonnene Lichtbildkunst gründlich zu fördern. Zunächst lernten wir das Vergrößern von Kunstwerken, die uns besonders eindrucksvoll waren. Dann aber genügte uns das nicht mehr. Wir feuerten unseren Schaffenseifer an den großen Künstlern Henneberg, Kühn und Watzek, die in jenen Jahren das Lichtbild zur Kunst erhoben hatten, an. Wir kauften technische und künstlerische Lehrbücher, um aus den Stufen des häufigen Versagens zu jenen des häufigen Gelingens allmählich emporsteigen zu können. Ganz umgekehrt wie bei der Malerei erweist die Landschaft an sich die größten Schwierigkeiten zu einer künstlerischen Aufnahme durch die Kamera. Der Mensch in der Landschaft, der dem Maler erst auf höchster Stufe gelingt, ist von der Kamera leichter festzuhalten. So ergab es sich ganz von selbst, daß dieses Kunstgebiet uns anfänglich am meisten Erfolg brachte. Die tiefe Einsamkeit der herrlichen Wälder unserer Umgebung erleichterte unsere Ziele. Wie sehr uns der Mensch als Kunstwerk der Schöpfung begeisterte, davon gab ja auch unser Heim von Anbeginn an Zeugnis. Hätten nicht die wirtschaftliche Schwierigkeit unseren Wünschen die engsten Grenzen gesetzt, so wäre es wahrlich nicht bei jenen Abgüssen griechischer Kunstwerke aus der Werkstatt Martinellis geblieben, die wir so eifrig von der harten Weiße des Gips befreit hatten. Wir hätten uns vor allen Dingen ein vollwertiges Abbild des Bildwerks Sindings "Zwei Menschen" ersehnt, das nordischer Minne so hehren Ausdruck verleiht, und mußten wegen der uns unerschwinglich hohen Preise dann mit einem kleinen Lichtbild dieses Bildwerks vorlieb nehmen. So kam es, daß auch unser eigener Schaffenseifer vor allem dem gleichen Gebiete galt. Die Natur hatte uns selbst genügend mit Ebenmaß gesegnet, sodaß wir unser Kunstziel nicht störten. (...) Eine tiefe Freude wurde uns das gemeinsame Kunstschaffen.

Viele Fotografien wurden auch, wie sie berichtet, auf nationale und internationale Kunstausstellungen eingesandt und erhielten Preise. Und von diesen sind erst kürzlich zwei weitere Arbeiten öffentlich bekannt geworden (4) (s. Abb. 1 und 2). Erläutert sei zu diesen, daß Harburg 130 Kilometer nordwestlich von München zwischen Schwäbischer und Fränkischer Alp liegt. 

Mathilde Ludendorff schreibt weiter und gibt mit ihren Worten den Lichtbildern, die im Jahr 2006 erstmals veröffentlicht wurden, eine ganz andere, neue Bedeutung als man dies zunächst hätte erwarten können. Auch könnte der Verfasser des Aufsatzes von 2006 Florian Mildenberger (4) manche dieser Worte zum Anlaß nehmen, sich bezüglich allzu billig und oberflächlich von ihm aufgestellter Thesen und Vermutungen eines anderen zu besinnen. Diese Worte verlieren nichts an ihrer Bedeutung und an ihrem Inhalt, wenn man sich den damals bei völkischen Lebensreformern üblichen antisemitischen Beiklang wegdenkt: 

Jene Bilder von uns in den einsamen Wäldern wählten wir nicht für diese Ausstellungen. Denn es fehlt der Lichtbildkunst das Umdichtenkönnen, das Loslösen von dem Vorwurf, das der Maler in seiner Hand hat. Das Bild wird von dem Einzelpersönlichen daher nicht genug in das Allgemeine erhoben, und so kann es auch niemals für die Allgemeinheit gedacht sein. Es muß denn ganz seltsam zugegangen sein, daß Jahrzehnte später politische Gegner, vor allem auch Pfaffen (nicht Geistliche) beider Konfessionen einige dieser Kunstbilder neben zynischen Bildern ohne jeden Kunstwert als von uns hergestellt unter verkommenen Menschen herumreichten, um damit jene Frau zu verlästern, die dem Volke eine Gotterkenntnis geschenkt hat, vor der ihre Bibellehren nicht mehr bestehen können. Das ahnten wir damals nicht, denn für so verkommen hielten wir unser Volk nicht. Es war verhüllte Zukunft. Aber hätten wir es geahnt, ja, gewußt, nun so hätten wir nicht ein einziges der Bilder ungeschaffen gelassen, nicht ein einziges vernichtet, statt für uns verwahrt, nicht ein einziges mit geringerer Kunstfreude Erscheinung werden lassen. Wohl aber hätte ich in späteren Jahren die Schlüssel zu der Sammlung der Platten besser verwahrt, um das seltsame Verschwinden zu verhindern. Alles, auch das widerlichste Wirken der Verkommenheit kann sinnvoll werden für die Rettung. Es scheiden sich die Völker. Die Reinheit der Germanen trennt sich von jüdisch-orientalischem Geist. Auf der einen Seite die Kunst der Griechen, des Tacitus Schilderung von der hehren Reinheit unserer Ahnen und herrliche Kunstwerke deutscher Meister trotz christlicher Lehren - auf der anderen Seite Juden und Christen mit ihren biblischen Erzählungen, mit ihren Lehren von der Sündhaftigkeit der Menschengestalt, mit oft so unreinem Blick, der nur unreine Begehrlichkeit kennt, und dem Bildwerk, das solcher Einstellung entspricht: "Die Belauschung der Susanne im Bade". Zur Kennzeichnung dieser tiefen Kluft zwischen Deutschsein und Christsein, die gar nicht oft genug dem Volke gezeigt werden kann, hat das hier erwähnte verkommene Verhalten politischer Gegner und Pfaffen und das Ertragen solchen Tuns von Seiten vieler Christen sehr beigetragen. -

So sang dieser Sommer sein jubelndes Lied einer glücklichen deutschen Minne, deutscher Kunst- und Naturfreude, und er hatte noch nicht seine Krönung erfahren, denn die geplante Alpenreise im Herbste stand noch bevor. ...

Es sind diesem Beitrag auch noch zwei Gemälde begegeben worden zur Illustrierung des Themas "Susanna beim Bade". Das erste von Lovis Corinth, das zweite von Rembrandt. Man kann den Vergleich des unterschiedlichen Geistes, den die Lebensreformer am Anfang des 20. Jahrhunderts geleitet hat mit jenem Geist, der aus solchen Gemälden spricht, recht treffend finden. Und das adjektiv christlich reicht zur Benennung des Gegensatzes völlig aus.

/ Ergänzt um Ausführungen 
zu [8]: 22.10.2022 /
______________________
  1. Bading, Ingo: Fotos als politische Druckmittel. Studium generale, 9.10.2007, http://studgendeutsch.blogspot.de/2007/10/fotos-als-politische-druckmittel.html
  2. Bading, Ingo: Fotos als politische Druckmittel. Studium generale, 2.1.2008, http://studgendeutsch.blogspot.de/2008/01/fotos-als-politische-druckmittel-ii.html
  3. Bading, Ingo: Um seiner Verdienste um die Bewegung willen. Studiengruppe Naturalismus, 17.12.2011, http://studiengruppe.blogspot.de/2011/12/um-seiner-verdienste-um-die-bewegung.html
  4. Frühe Lichtbilder von Mathilde von Kemnitz. In: Mensch & Maß, 10/2012, S. 518
  5. Mildenberger, Florian: Erotik, Polygamie, Muttertum. Die Wandlungen der Mathilde Ludendorff. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Heft 7/8, 2006, S. 621 - 643
  6. Ludendorff, Mathilde: Durch Forschen und Schicksal zum Sinn des Lebens. II. Teil von: Statt Heiligenschein oder Hexenzeichen mein Leben. Mit 12 Abbildungen. Ludendorffs Verlag, München 1937
  7. Fotoausstellung mit Fotografien von Mathilde von Kemnitz aus frühen Jahren: Familie und Wohnungen - Bergtouren - Reisebilder aus Tirol, Südtirol und Italien - Künstlerische Landschaftsfotografie mit Bildbearbeitungen, darunter preisgekrönte Aufnahmen
  8. Weltausstellung Brüssel 1910. Deutsches Reich - Amtlicher Katalog. Hrsg. vom Reichskommissar, Stilke, Berlin 1910 (375 S.), https://digital.ub.uni-paderborn.de/urn/urn:nbn:de:hbz:466:1-55564
  9. Christine Kühn: Kunstfotografie um 1900. Die Sammlung Fritz Matthies-Masuren, 1873-1938, 2003 

1 Kommentar:

Ingo Bading hat gesagt…

Der Beitrag wurde gerade durch folgenden Abschnitt ergänzt:

Amateur-Fotografie als Liebhaberei

Gustav Adolf von Kemnitz wird 1908 auch in der Zeitschrift für Amateur-Fotografie "Photographische Rundschau und photographisches Centralblatt" (Wiki), Band 22, 1908 auf Seite 88 erwähnt, nämlich daß er zum zweiten Vorsitzenden eines entsprechenden Vereines gewählt worden war (GB). Auch im Jahrgang 1910 finden sich beide erwähnt (S. 408) (GB):

"... Sehr beachtenswert ist die Gruppe "Wallfahrer" von Gustav und Sanna von Kemnitz ..."

In dieser Zeitschrift wurde im Jahrgang 1917, Band 54 auf Seite 349 neben dem Gefallenentod eines anderen Mitglieds dieses Vereins auch sein Tod mitgeteilt (GB):

"Mit Sicherheit müsen wir leider auch mit dem Tode unseres früheren II. Vorsitzenden Herrn Privatdozenten Dr. Gustav v. Kemnitz rechnen, der einem winterlichen Unfall in den Bergen zum Opfer gefallen ist. Auch er hat seine vollen Kräfte unseren Bestrebungen gewidmet. In unserer Gesellschaft wird den teuren Toten ..."

Im Rahmen dieser Liebhaberei des Ehepaares von Kemnitz waren Arbeiten entstanden (Beispiele: Abb. 1 und 2), von denen sie einige auch zur Weltausstellung in Brüssel im Jahr 1910 (Wiki) einreichten. Im Ausstellungskatalog sind sie unter 28 weiteren Ausstellern verzeichnet im "Raum 11: Liebhaberphotographie" (8, S. 117):

Veranstaltet vom Ausschuß für die Abteilung Photographie auf der Weltausstellung Brüssel 1910. Geschäftliche Leitung: Deutscher Buchgewerbeverein, Leipzig. (...)
GUSTAV VON KEMNITZ, Neu-Pasing II bei München, Lützowstr. 3.
SANNA VON KEMNITZ, Neu-Pasing II bei München, Lützowstr. 3.

Wie es in diesem Zusammenhang zu dem Vornamen "Sanna" anstelle von Mathilde gekommen ist, ist uns vorderhand nicht bekannt. Auch im "Archiv für Buchgewerbe" von 1910 wird offenbar über die Weltausstellung berichtet (GB) (ebenso in: 9, S. 179):

Im einzelnen seien genannt: (...) mit Landschaften und Interieurs, ferner Sanna von Kemnitz-München-Pasing, Schneider-Leipzig und May-Hamburg, zweifarbige Gummidrucke von Hofmeister-Hamburg in der bekannten Virtuosität.

Um welche Fotografien es sich hier im einzelnen gehandelt hat, ist uns vorderhand nicht bekannt. In einem Brief an ihre Mutter vom 10. Oktober 1910 schrieb die damalige Mathilde von Kemnitz jedenfalls im Zusammenhang mit der Feier ihres Geburtstages (zit. nach 6, S. 196):

"Außer den Geschenken kam gerade am Abend die Nachricht, daß Gustav die silberne, ich die bronzene Medaille auf der Brüssler Weltausstellung bekommen haben. Doch ganz nett, gelt?"

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