Tagebuch-Einträge von Alfred Rosenberg zwischen den Jahren 1936 bis 1938
Im Jahr 2004 ist eine Dokumentation der halbmonatlich erschienenen Stellungnahmen Erich und Mathilde Ludendorffs zum Kirchenkampf während des Dritten Reiches erschienen (1). Zu dieser Dokumentation ist auf dem Blog im Januar 2013 etwa folgendes gesagt worden, was hier zunächst wiederholt werden soll:
Eine 2004 erschienene Dokumentation stellt auf etwa 200 Seiten jeweils fast tagesaktuelle Stellungnahmen Erich und Mathilde Ludendorffs zum Kirchenkampf, bzw. allgemeiner zu allen Fragen rund um die "Glaubenskrise im Dritten Reich" zusammen und zur damit verbundenen ersten großen Kirchenaustrittswelle in Deutschland (ab 1935). Darin enthalten sind vor allem auch alle bislang nicht in Buchform veröffentlichte Aufsätze zu Themen im Zusammenhang von Kirchen- und Christentumskritik.
Allerdings lag der Fokus dieser Dokumentation nicht auf der Dokumentation zur Auseinandersetzung mit der katholische Kirche. Im Anhang dieses Bandes (S. 317 - 320) wurden unter "Nachweise zu in diesem Band nicht ausführlich behandelten Themen" außerdem fünf Aufsätze zum Themenbereich "Aufklärung über den christlichen Hexenglauben", 20 Aufsätze zum Themenbereich "Kampf gegen den Gotteslästerungs- bzw. Ketzer-Paragraph 166", acht Aufsätze zu "Kirchensteuer-Fragen", 14 Aufsätze zum Themenbereich "Kampf gegen die Teilnahme-Pflicht der Kinder am christlichen Religionsunterricht", vier Aufsätze zum Themenbereich "Skandal-Prozesse gegen die katholische Kirche: Devisenvergehen und § 175" und elf Aufsätze zum Themenbereich "Auseinandersetzung um die (bibelkritische Schrift) 'Das große Entsetzen - Die Bibel nicht Gottes Wort!" angeführt.
Dieser Band aus dem Jahr 2004 ist schon seit mehreren Jahren beispielsweise auf dem Wikipedia-Artikel zu Mathilde Ludendorff verzeichnet. Im "Karlsruher Virtuellen Katalog" ist er mindestens neun mal für den deutschsprachigen Raum katalogisiert. (Nämlich als Bestand der Nationalbibliotheken von Leipzig und Frankfurt am Main, der Universitätsbibliothek Gießen, der Erzbischöflichen Dombibliothek Köln, der Bibliothek der Evangelischen theologischen Fakultät Tübingen, der Fachbereichsbibliothek Geschichte der Universität München, der Landesbibliothek Kiel, der Universitätsbibliothek Greifswald und der Bibliothek des Konservatismus Berlin. Hinzu gekommen sind inzwischen auch die Bibliothek der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin.)
Im Jahr 2004 ist eine Dokumentation der halbmonatlich erschienenen Stellungnahmen Erich und Mathilde Ludendorffs zum Kirchenkampf während des Dritten Reiches erschienen (1). Zu dieser Dokumentation ist auf dem Blog im Januar 2013 etwa folgendes gesagt worden, was hier zunächst wiederholt werden soll:
Eine 2004 erschienene Dokumentation stellt auf etwa 200 Seiten jeweils fast tagesaktuelle Stellungnahmen Erich und Mathilde Ludendorffs zum Kirchenkampf, bzw. allgemeiner zu allen Fragen rund um die "Glaubenskrise im Dritten Reich" zusammen und zur damit verbundenen ersten großen Kirchenaustrittswelle in Deutschland (ab 1935). Darin enthalten sind vor allem auch alle bislang nicht in Buchform veröffentlichte Aufsätze zu Themen im Zusammenhang von Kirchen- und Christentumskritik.
Abb.: Protestantische Rompilger (1937) |
Dieser Band aus dem Jahr 2004 ist schon seit mehreren Jahren beispielsweise auf dem Wikipedia-Artikel zu Mathilde Ludendorff verzeichnet. Im "Karlsruher Virtuellen Katalog" ist er mindestens neun mal für den deutschsprachigen Raum katalogisiert. (Nämlich als Bestand der Nationalbibliotheken von Leipzig und Frankfurt am Main, der Universitätsbibliothek Gießen, der Erzbischöflichen Dombibliothek Köln, der Bibliothek der Evangelischen theologischen Fakultät Tübingen, der Fachbereichsbibliothek Geschichte der Universität München, der Landesbibliothek Kiel, der Universitätsbibliothek Greifswald und der Bibliothek des Konservatismus Berlin. Hinzu gekommen sind inzwischen auch die Bibliothek der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin.)
Diese Dokumentation aus dem Jahr 2004 enthält - und das soll Thema des vorliegenden Blogbeitrages sein - Lücken. Diese werden anhand einer neuen Veröffentlichung (2) erkennbar. Im vorliegenden Blogbeitrag soll deshalb nach und nach ergänzt werden, was man an Zeitzeugnissen entdeckt, die inhaltlichen in diesen Band gehören, dort aber noch nicht veröffentlicht worden sind. Also Ergänzungen, die sinnvollerweise in etwaige Neuauflagen einzuarbeiten wären.
Das lange Verschlossenhalten von Rosenbergs Tagebuch (1945 bis 2015)
Und zu diesen gehört zunächst ein Tagebuch-Eintrag von Alfred Rosenberg vom 19. August 1936. Die Überlieferungsgeschichte der Tagebücher von Alfred Rosenberg ist eine auffällige (2, S. 29ff). Auszüge derselben wurden während der Nürnberger Prozesse zugänglich gemacht (4). Der Hauptteil der Rosenberg'schen Tagebücher kam aber dann - unzulässigerweise - für lange Jahrzehnte in den Privatbesitz (!) des Anklägers Robert Kempner und blieb deshalb bis zum Jahr 2015 unveröffentlicht. Nur gut belesenen Fachleuten war bekannt, dass Kempner schon 1948 Auszüge aus diesen Tagebücher veröffentlicht hatte (3). Diese zum Verständnis der geistigen Entwicklungen im Dritten Reich sicher nicht unwichtige Veröffentlichung aus dem Jahr 1948 ist noch heute - zum Beispiel - nicht auf dem Wikipedia-Artikel zu Alfred Rosenberg verzeichnet.
Und selbst in der Veröffentlichung der Rosenberg-Tagebücher aus dem Frühjahr dieses Jahres fehlen nach Einschätzung der Herausgeber immer noch wichtige Bestandteile derselben. Nämlich Einträge zwischen Herbst 1941 und erster Hälfte 1942. Und auffallender Weise ist dies genau jener Zeitraum, in dem nach der heutigen - strafrechtlich geschützten - wissenschaftlichen Meinung innerhalb der deutschen Führungsspitze der Plan zur Ausrottung der europäischen Juden konkrete Gestalt angenommen hat. Welche Stellungnahmen und Hinweise es gibt in Bezug auf Alfred Rosenbergs Sichtweise auf die Judenmorde wird in der Einleitung sehr detailliert erörtert (2, S. 40-116), allerdings kann sich auch diese Darstellung an den entscheidenen Stellen nicht auf Tagebuch-Einträge stützen. Doch all das ist nicht das Thema des vorliegenden Blogartikels.
Es kann aber noch hinzugefügt werden, dass diese Tagebucheinträge von Alfred Rosenberg insgesamt einen weitaus weniger lamentierenden Eindruck machen, als seine schon lange bekannten Aufzeichnungen aus dem Nürnberger Gefängnis (1, S. 295-301; nach: 5). Die sicher nicht ganz unbedeutsame Kritik Rosenbergs an der Politik seines kulturpolitischen Rivalen und erklärten Gegners Josef Goebbels oder auch an der Politik des Gauleiters Erich Koch in der Ukraine ist schon in diesen Tagebuch-Blättern durchgängig enthalten. In ihnen wird Goebbels auch als verantwortlich erklärt für die Reichskristallnacht des Jahres 1938. Das Stichwort "Reichskristallnacht" fällt in der Rosenberg-Biographie von Ernst Pieper vier mal. Nirgendwo aber wird erörtert, dass Rosenberg die Reichskristallnacht laut eines schon 1956 veröffentlichten Tagebucheintrages abgelehnt hat! Da ein Zitat dieses Tagebuch-Eintrages derzeit offenbar auch sonst nirgendwo im Internet oder auf "Google Bücher" zu finden ist, soll es hier einmal ebenfalls gebracht werden. Rosenberg gibt ein Gespräch mit Heinrich Himmler über Josef Goebbels wieder, das wahrscheinlich im Dezember 1938 stattgefunden hat, und über das Rosenberg anfangs schreibt (2, S. 266f; 4):
Ab 1935 - "Ein Nachlassen der rein kirchlichen Kräfte"
Laut der eingangs genannten Dokumentation kennzeichnete Erich Ludendorff die Jahre 1933 und 1934 als "Jahre schwärzester pfäffischer Reaktion" (1, S. 3). Die Kirchenbeamten beider großer christlicher Kirchen sprühten vor Begeisterung für den nationalsozialistischen Staat und fühlten in diesem Aufwind für ihre eigenen Anliegen. Das Ermächtigungsgesetz für Adolf Hitler war ja auch mit Hilfe des katholischen Zentrums und vieler liberaler Protestanten beschlossen worden. Ihm folgte das Reichskonkordat mit der katholischen Kirche. In diesen Jahren traten denn auch weitaus mehr Deutsche wieder erneut in die christlichen Kirchen ein, als gleichzeitig aus diesen austraten.
Doch die dabei aufgekommenen scharfen Auseinandersetzungen zwischen den "Deutschen Christen" innerhalb der evangelischen Kirche einerseits und der "Bekennenden Kirche" andererseits, der heftige Streit zwischen ihnen führte - gemeinsam mit dem Antisemitismus, der auch auf das jüdische Christentum selbst ausgeweitet wurde und mit dem damals üblichen sonstigen Betonenen eines "heldischen", heidnisch-"germanischen Menschentums - in Deutschland dazu, dass sich immer mehr Nationalsozialisten geradezu angewidert von den christlichen Kirchen abwandten. Für die meisten von diesen wurde Alfred Rosenberg der Stichwortgeber, dessen Buch der "Mythos des 20. Jahrhunderts" dadurch plötzlich in den Mittelpunkt der weltanschaulichen Auseinandersetzungen innerhalb des Dritten Reiches geriet und dementsprechend von beiden christlichen Kirchen in jenen Jahren außerordentlich scharf bekämpft worden ist.
Aufgrund all dieser viele Zeitgenossen auch überraschenden Entwicklungen stellte Erich Ludendorff für das Jahr 1935 "ein Nachlassen der rein kirchlichen Kräfte" (1, S. 3) fest. Und die Jahre zwischen 1936 und 1938, in denen es zur bis dahin größten Kirchenaustrittsbewegung in der deutschen Geschichte gekommen ist (erst ab 1968 wurden wieder Zahlen ähnlichen Umfangs erreicht), kennzeichnete Erich Ludendorff sogar dahingehend, dass in ihnen der Nationalsozialismus das "Erwachen der deutschen Volksseele" insbesondere in Hinsicht auf weltanschaulich-religiöse Fragen "fördern" würde (1, S. 3).
Erich und Mathilde Ludendorff und die damalige Ludendorff-Bewegung waren diejenigen, die von vielen Zeitgenossen als jene angesehen wurden, die die beschriebenen Entwicklungen durch ihre Veröffentlichungen und ihre Mund-zu-Mund-Propaganda am rührigsten voran trieben.
Rosenberg meint, das Ehepaar Ludendorff hätte eine gute Schrift herausgebracht (August 1936)
Am 5. August 1936 veröffentlichte das Ehepaar Ludendorff - "entsprechend der heutigen Kampflage im Freiheitsringen" wie Erich Ludendorff schrieb - in ihrer Zeitschrift "Am Heiligen Quell Deutscher Kraft" jene Aufsätze, die dann auch als Sonderdruck unter dem Titel "Das große Entsetzen - die Bibel nicht Gottes Wort" veröffentlicht worden sind (1, S. 219). Der Bischof Otto Dibelius nahm zu dieser Schrift Stellung, ebenso gab es zahlreiche andere gegnerische Stellungnahmen. Erich Ludendorff antwortete auf diese in der gleichen Zeitschrift in der Ausgabe vom 20. Oktober 1936.
Zuvor allerdings, noch im August, schrieb er einen Brief an Alfred Rosenberg. Dessen abfällige Urteile in den "Nationalsozialistischen Monatsheften" des Jahres 1931 über Erich und Mathilde Ludendorff waren keineswegs vergessen. Eben so wenig die abfälligen Urteile Mathilde Ludendorffs über Rosenbergs Buch "Mythos" aus dem Jahr 1931 (1, S. 29-33). Ob der Wortlaut des Briefes von Erich Ludendorff an Alfred Rosenberg erhalten ist, ist einstweilen nicht bekannt. Alfred Rosenberg scheint aber durch diesen Brief insbesondere auch dazu angeregt worden zu sein, nun seine Schrift "Protestantische Rompilger" herauszugeben, die aus einem dem Haus Ludendorff sehr ähnlichen, außerordentlich polemischen, kämpferischen, antikatholischen und antichristlichen Geist heraus geschrieben worden war, und die ähnlich auflagenstark werden sollte wie sein Buch "Mythos des 20. Jahrhunderts" und seine Schrift "Dunkelmänner", und die einen ähnlichen Aufschrei in der protestantischen Welt auslösen sollte wie die beiden Vorgängerschriften. Jedenfalls spiegelt sich dieser Brief Erich Ludendorffs folgendermaßen in Rosenbergs Tagebuch-Eintrag vom 19. August 1936 wieder (zit. n. 2, S. 193f; auch in: 3):
Das lange Verschlossenhalten von Rosenbergs Tagebuch (1945 bis 2015)
Und zu diesen gehört zunächst ein Tagebuch-Eintrag von Alfred Rosenberg vom 19. August 1936. Die Überlieferungsgeschichte der Tagebücher von Alfred Rosenberg ist eine auffällige (2, S. 29ff). Auszüge derselben wurden während der Nürnberger Prozesse zugänglich gemacht (4). Der Hauptteil der Rosenberg'schen Tagebücher kam aber dann - unzulässigerweise - für lange Jahrzehnte in den Privatbesitz (!) des Anklägers Robert Kempner und blieb deshalb bis zum Jahr 2015 unveröffentlicht. Nur gut belesenen Fachleuten war bekannt, dass Kempner schon 1948 Auszüge aus diesen Tagebücher veröffentlicht hatte (3). Diese zum Verständnis der geistigen Entwicklungen im Dritten Reich sicher nicht unwichtige Veröffentlichung aus dem Jahr 1948 ist noch heute - zum Beispiel - nicht auf dem Wikipedia-Artikel zu Alfred Rosenberg verzeichnet.
Und selbst in der Veröffentlichung der Rosenberg-Tagebücher aus dem Frühjahr dieses Jahres fehlen nach Einschätzung der Herausgeber immer noch wichtige Bestandteile derselben. Nämlich Einträge zwischen Herbst 1941 und erster Hälfte 1942. Und auffallender Weise ist dies genau jener Zeitraum, in dem nach der heutigen - strafrechtlich geschützten - wissenschaftlichen Meinung innerhalb der deutschen Führungsspitze der Plan zur Ausrottung der europäischen Juden konkrete Gestalt angenommen hat. Welche Stellungnahmen und Hinweise es gibt in Bezug auf Alfred Rosenbergs Sichtweise auf die Judenmorde wird in der Einleitung sehr detailliert erörtert (2, S. 40-116), allerdings kann sich auch diese Darstellung an den entscheidenen Stellen nicht auf Tagebuch-Einträge stützen. Doch all das ist nicht das Thema des vorliegenden Blogartikels.
Es kann aber noch hinzugefügt werden, dass diese Tagebucheinträge von Alfred Rosenberg insgesamt einen weitaus weniger lamentierenden Eindruck machen, als seine schon lange bekannten Aufzeichnungen aus dem Nürnberger Gefängnis (1, S. 295-301; nach: 5). Die sicher nicht ganz unbedeutsame Kritik Rosenbergs an der Politik seines kulturpolitischen Rivalen und erklärten Gegners Josef Goebbels oder auch an der Politik des Gauleiters Erich Koch in der Ukraine ist schon in diesen Tagebuch-Blättern durchgängig enthalten. In ihnen wird Goebbels auch als verantwortlich erklärt für die Reichskristallnacht des Jahres 1938. Das Stichwort "Reichskristallnacht" fällt in der Rosenberg-Biographie von Ernst Pieper vier mal. Nirgendwo aber wird erörtert, dass Rosenberg die Reichskristallnacht laut eines schon 1956 veröffentlichten Tagebucheintrages abgelehnt hat! Da ein Zitat dieses Tagebuch-Eintrages derzeit offenbar auch sonst nirgendwo im Internet oder auf "Google Bücher" zu finden ist, soll es hier einmal ebenfalls gebracht werden. Rosenberg gibt ein Gespräch mit Heinrich Himmler über Josef Goebbels wieder, das wahrscheinlich im Dezember 1938 stattgefunden hat, und über das Rosenberg anfangs schreibt (2, S. 266f; 4):
Zunächst erzählte er (Himmler) die ganze Angelegenheit von Fritsch und von Blomberg und machte sein persönliches Unbeteiligtsein klar.Nun, über das "Unbeteiligtsein" von Himmlers Gestapo denken wir allerdings - im Gegensatz zu hochgerühmten Spiegel- und Ifz-Historikern - ein wenig anders (siehe unsere Ausführungen über das Gestapo-Weisswaschbuch "Der Sturz der Generäle" auf dem Parallelblog). So "unbeteiligt" waren Heinrich Himmler und seine Gestapo ganz bestimmt nicht. Weiter gibt Rosenberg dann das Gespräch unter anderem folgendermaßen wieder:
Ich: Die Sache mit dem Judenprogrom war doch ebenso staatsschädigend. Dr. Goebbels hat nur auf Grund einer allgemeinen Anordnung des Führers gleichsam in seinem Namen die Aktion geboten. Görings Gegenbefehl kam zu spät. Schaden an Volksgut: fast 2 Winterhilfswerke: 600 Millionen!Es würde wirklich zu weit führen, hier den Versuch einer weitergehenden Bewertung und Einordnung dieses Zitates zu unternehmen. Es soll nur als einer von vielen Hinweisen aufzeigen, dass zahlreiche Einzelheiten im Leben von Alfred Rosenberg, womöglich eine ganze, ihn eher entlastende Seite seiner Persönlichkeit, von der wissenschaftlichen Literatur bislang offenbar gar nicht zur Kenntnis genommen worden ist und deshalb gar nicht scheint aufgearbeitet zu sein. - Es stellt sich allerdings die Frage: Sollte das lange Verschlossenhalten der Gesamtheit der Tagebücher von Alfred Rosenberg genau diesem Zweck dienen?
Himmler: Ja; alles wird jetzt auf andere geschoben.
Ich: Für alles das, was Goebbels macht, müssen wir bezahlen. Es ist furchtbar.
Ab 1935 - "Ein Nachlassen der rein kirchlichen Kräfte"
Laut der eingangs genannten Dokumentation kennzeichnete Erich Ludendorff die Jahre 1933 und 1934 als "Jahre schwärzester pfäffischer Reaktion" (1, S. 3). Die Kirchenbeamten beider großer christlicher Kirchen sprühten vor Begeisterung für den nationalsozialistischen Staat und fühlten in diesem Aufwind für ihre eigenen Anliegen. Das Ermächtigungsgesetz für Adolf Hitler war ja auch mit Hilfe des katholischen Zentrums und vieler liberaler Protestanten beschlossen worden. Ihm folgte das Reichskonkordat mit der katholischen Kirche. In diesen Jahren traten denn auch weitaus mehr Deutsche wieder erneut in die christlichen Kirchen ein, als gleichzeitig aus diesen austraten.
Doch die dabei aufgekommenen scharfen Auseinandersetzungen zwischen den "Deutschen Christen" innerhalb der evangelischen Kirche einerseits und der "Bekennenden Kirche" andererseits, der heftige Streit zwischen ihnen führte - gemeinsam mit dem Antisemitismus, der auch auf das jüdische Christentum selbst ausgeweitet wurde und mit dem damals üblichen sonstigen Betonenen eines "heldischen", heidnisch-"germanischen Menschentums - in Deutschland dazu, dass sich immer mehr Nationalsozialisten geradezu angewidert von den christlichen Kirchen abwandten. Für die meisten von diesen wurde Alfred Rosenberg der Stichwortgeber, dessen Buch der "Mythos des 20. Jahrhunderts" dadurch plötzlich in den Mittelpunkt der weltanschaulichen Auseinandersetzungen innerhalb des Dritten Reiches geriet und dementsprechend von beiden christlichen Kirchen in jenen Jahren außerordentlich scharf bekämpft worden ist.
Aufgrund all dieser viele Zeitgenossen auch überraschenden Entwicklungen stellte Erich Ludendorff für das Jahr 1935 "ein Nachlassen der rein kirchlichen Kräfte" (1, S. 3) fest. Und die Jahre zwischen 1936 und 1938, in denen es zur bis dahin größten Kirchenaustrittsbewegung in der deutschen Geschichte gekommen ist (erst ab 1968 wurden wieder Zahlen ähnlichen Umfangs erreicht), kennzeichnete Erich Ludendorff sogar dahingehend, dass in ihnen der Nationalsozialismus das "Erwachen der deutschen Volksseele" insbesondere in Hinsicht auf weltanschaulich-religiöse Fragen "fördern" würde (1, S. 3).
Erich und Mathilde Ludendorff und die damalige Ludendorff-Bewegung waren diejenigen, die von vielen Zeitgenossen als jene angesehen wurden, die die beschriebenen Entwicklungen durch ihre Veröffentlichungen und ihre Mund-zu-Mund-Propaganda am rührigsten voran trieben.
Rosenberg meint, das Ehepaar Ludendorff hätte eine gute Schrift herausgebracht (August 1936)
Am 5. August 1936 veröffentlichte das Ehepaar Ludendorff - "entsprechend der heutigen Kampflage im Freiheitsringen" wie Erich Ludendorff schrieb - in ihrer Zeitschrift "Am Heiligen Quell Deutscher Kraft" jene Aufsätze, die dann auch als Sonderdruck unter dem Titel "Das große Entsetzen - die Bibel nicht Gottes Wort" veröffentlicht worden sind (1, S. 219). Der Bischof Otto Dibelius nahm zu dieser Schrift Stellung, ebenso gab es zahlreiche andere gegnerische Stellungnahmen. Erich Ludendorff antwortete auf diese in der gleichen Zeitschrift in der Ausgabe vom 20. Oktober 1936.
Zuvor allerdings, noch im August, schrieb er einen Brief an Alfred Rosenberg. Dessen abfällige Urteile in den "Nationalsozialistischen Monatsheften" des Jahres 1931 über Erich und Mathilde Ludendorff waren keineswegs vergessen. Eben so wenig die abfälligen Urteile Mathilde Ludendorffs über Rosenbergs Buch "Mythos" aus dem Jahr 1931 (1, S. 29-33). Ob der Wortlaut des Briefes von Erich Ludendorff an Alfred Rosenberg erhalten ist, ist einstweilen nicht bekannt. Alfred Rosenberg scheint aber durch diesen Brief insbesondere auch dazu angeregt worden zu sein, nun seine Schrift "Protestantische Rompilger" herauszugeben, die aus einem dem Haus Ludendorff sehr ähnlichen, außerordentlich polemischen, kämpferischen, antikatholischen und antichristlichen Geist heraus geschrieben worden war, und die ähnlich auflagenstark werden sollte wie sein Buch "Mythos des 20. Jahrhunderts" und seine Schrift "Dunkelmänner", und die einen ähnlichen Aufschrei in der protestantischen Welt auslösen sollte wie die beiden Vorgängerschriften. Jedenfalls spiegelt sich dieser Brief Erich Ludendorffs folgendermaßen in Rosenbergs Tagebuch-Eintrag vom 19. August 1936 wieder (zit. n. 2, S. 193f; auch in: 3):
Ich war erstaunt, heute einen Brief von Ludendorff zu erhalten. Unter Hintanstellung "persönlicher Bedenken" übersendet er mir das gemeinsam mit seiner Frau gemachte neue Erzeugnis "Die Bibel nicht Gottes Wort". Ich habe die Schrift gelesen, sie ist bedeutend besser als Mathildens sonstige Elaborate, die an Schwulst und Geschmacklosigkeit schwer zu übertreffen sind.
Er hält diese Schrift also - soweit man sieht - für gelungen. Es folgen dann noch einige Mathilde Ludendorff herabsetzende Ausführungen über sie als "Jugendstil-Philosophin" und über den von ihr "erhobenen philosophischen Regenschirm", der nicht zu Erich Ludendorff passen würde.
Zur Neufassung des Gotteslästerungsparagraphen § 166
Rosenberg schreibt dann weiter: Er - Ludendorff -
Zur Neufassung des Gotteslästerungsparagraphen § 166
Rosenberg schreibt dann weiter: Er - Ludendorff -
ficht jetzt als Sektierer für "die größte Philosophin des deutschen Volkes". Ludendorff hat - nicht unberechtigte - Furcht, dass der § 166 für Konfessionsschutz in beabsichtigter Form durchgebracht würde. Als ich damals diese schlau ausgeklügelte Fassung zu Gesicht bekam, die uns den Schutz unserer geschworenen Gegner aufbürden und uns selbst den Mund stopfen sollte, da habe ich sofort bei Heß geharnischten und begründeten Einspruch eingelegt. Die Frage wurde dann bearbeitet und in ausführlicher Begründung der Ablehnung an die Kirchenparagraphen-Kommission geschickt. Eine Zeitlang darauf fand dann bei Heß noch eine Sitzung statt, um den Standpunkt der Partei festzulegen. Ich schickte Ziegler mit unserem Vorschlag hin und dieser wurde dann auch einmütig angenommen. Es kann demnach nur einen Schutz der religiösen Überzeugung des Volkes geben, nicht Ausnahmen zugunsten einiger Konfessionen, die ihrerseits frech genug sind, alles zu beschimpfen, was ihren abgestandenen Kram nicht mehr als der Weisheit letzter Schluss gelten lassen kann.
Hier gebärden sich die protestantischen Priester beinahe noch herausfordernder als die römischen. In meinem Schreibtisch liegt seit fast einem Jahr ein Manuskript über sie unterm schmerzhaften Titel "Protestantische Rompilger". Möglich, dass ich es jetzt noch fertigschreiben und herausgeben werden, um den schnatternden Pfuhl noch weiter aufzuregen.
Die Auseinandersetzungen rund um die Neufassung des Gotteslästerungsparagraphen 166, die Erich Ludendorff bis zu seinem Lebensende im Dezember 1937 ein wesentliches Anliegen gewesen ist und um derentwillen er unter anderem auch an Hermann Göring schrieb, müssten noch einmal in einem eigenen Artikel zusammenfassend dokumentiert werden (siehe auch: Wiki).
Rosenberg erhält den "deutschen Nobelpreis" (September 1937)
Auf dem Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg wird am 7. September 1937 bekannt gegeben, dass Alfred Rosenberg - mit vier weiteren Nominierten - den in diesem Jahr gestifteten "deutschen Nobelpreis" verliehen bekommt, den "Deutschen Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft". Die Entscheidung über die Nominierten hatte Hitler - zunächst nur vorläufig - am 3. September getroffen, sie sich aber bis zum 7. September vorbehalten (Wiki). Diese Verleihung an Rosenberg war eine der vielen Gesten Hitlers gegenüber dem Papst in Rom und gehört in die Abfolge der schwankenden Entscheidungen Hitlers während des Jahres 1937 in seiner Haltung gegenüber der katholischen Kirche hinein. Hierbei spielte sich auch vieles eher im politischen Hintergrund ab, von dem die große Öffentlichkeit damals kaum Kenntnis erhielt (siehe "Mordpläne Hitlers gegen Ludendorff"). Alfred Rosenberg, der - zumindest laut seines Tagebuches - von diesem Hintergrundgeschehen nur wenig scheint mitbekommen zu haben, zeigte sich über die Verleihung des Nationalpreises in seinem Tagebuch emotional außerordentlich bewegt. Er schrieb nach dem Parteitag in sein Tagebuch (2, S. 242-244):
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Rosenberg erhält den "deutschen Nobelpreis" (September 1937)
Auf dem Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg wird am 7. September 1937 bekannt gegeben, dass Alfred Rosenberg - mit vier weiteren Nominierten - den in diesem Jahr gestifteten "deutschen Nobelpreis" verliehen bekommt, den "Deutschen Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft". Die Entscheidung über die Nominierten hatte Hitler - zunächst nur vorläufig - am 3. September getroffen, sie sich aber bis zum 7. September vorbehalten (Wiki). Diese Verleihung an Rosenberg war eine der vielen Gesten Hitlers gegenüber dem Papst in Rom und gehört in die Abfolge der schwankenden Entscheidungen Hitlers während des Jahres 1937 in seiner Haltung gegenüber der katholischen Kirche hinein. Hierbei spielte sich auch vieles eher im politischen Hintergrund ab, von dem die große Öffentlichkeit damals kaum Kenntnis erhielt (siehe "Mordpläne Hitlers gegen Ludendorff"). Alfred Rosenberg, der - zumindest laut seines Tagebuches - von diesem Hintergrundgeschehen nur wenig scheint mitbekommen zu haben, zeigte sich über die Verleihung des Nationalpreises in seinem Tagebuch emotional außerordentlich bewegt. Er schrieb nach dem Parteitag in sein Tagebuch (2, S. 242-244):
Als entscheidendes Zeichen dieser Tage wurde von Partei und Ausland die Auszeichnung für mich durch Verleihung (als erstem unter den Lebenden) des Nationalpreises empfunden. Mit Recht. (...) Mit mir verknüpft sich nun einmal der Begriff des erbittertsten Kampfes gegen Rom. (...) Wenn der Führer auch amtlich sich zurückhalten musste, so hat er mich doch den Kampf führen lassen. Die Herausstellung meiner Person war somit Reichs-Programm geworden; die "privaten Ansichten" zur Grundlage der ganzen Revolution des Führers erklärt worden. (...) Ein päpstliches Organ hat die Preisverleihung an mich als Schlag ins Gesicht des Hl. Vaters erklärt. Dieser H. Vater hat dann auch vor deutschen Pilgern "mit Kummer" erklärt, es sei schrecklich, dass einer, der alles Katholische angreife, "zum Propheten des Reiches" erklärt worden sei.Hitler hätten Tränen in den Augen gestanden als er Rosenberg die Verleihung des Nationalpreises an ihn - wohl Anfang September - mitgeteilt hätte. Weiter schreibt Rosenberg unter anderem:
Die Gauleiter haben zum Teil geheult. (...) Der gute Röver sagte dem Führer: "Das ist der schönste Tag meines Lebens." (...) Zur gleichen Zeit erschienen die "Protestantischen Rompilger". Ich hatte sie früher dem Führer zugeschickt: ob sie schon tragbar wären. Der Führer: Es ist ja sowieso jetzt schon alles gleich. - Und so laufen sie jetzt - zu Hunderttausenden und haben die ganze Pastorenbande in heftigste Unruhe versetzt. Viele allerdings schreiben mir mit freudigster Zustimmung.Auch die Wirkungsgeschichte dieser sehr scharfen Schrift soll an dieser Stelle nicht erörtert werden (aber siehe: Wikipedia).
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- Ludendorff, Erich und Mathilde: Die machtvolle Religiosität des deutschen Volkes vor 1945. Dokumente zur deutschen Religions- und Geistesgeschichte 1933 - 1945. Der Kampf um die geistige Führung zwischen dem Haus Ludendorff, dem Nationalsozialismus und den Kirchen. Zusammengestellt und erläutert von Erich Meinecke. Freiland-Verlag, Viöl 2004
- Matthäus, Jürgen; Bajohr, Frank (Hg.): Alfred Rosenberg - Die Tagebücher von 1934 bis 1944. S. Fischer-Verlag, Frankfurt am Main 2015
- Kempner, Robert M. W.: Der Kampf gegen die Kirche. aus unveröffentlichten Tagebüchern Alfred Rosenbergs. In: Der Monat, Jg. 1, 1948, Nr. 10, S. 26-38
- Das politische Tagebuch Alfred Rosenbergs 1934/35 und 1939/40. Hrsg. und erläutert von Hans-Günther Seraphim nach der photographischen Wiedergabe der Handschrift aus den Akten des Nürnberger Prozesses. Musterschmidt, Göttingen 1956
- Großdeutschland, Traum und Tragödie. Rosenbergs Kritik am Hitlerismus. Selbstverlag H. Härtle, München 1970 [enthält die letzten Aufzeichnungen Rosenbergs aus dem Nürnberger Gefängnis 1946]
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