"Deutsche, wühlt in der Geschichte!" (Erich Ludendorff)

Donnerstag, 7. August 2025

Erich Ludendorff in Kärnten im Februar 1923

Er spricht sich gegen die Pläne des Nuntius Pacelli zur Teilung des Deutschen Reiches aus
- Und er wird schärfstens in Bayern angegriffen

Am 20. Oktober 1920 fand gemäß des "Friedensvertrages von Saint Germain" in Kärnten eine Volksabstimmung statt, und zwar darüber, ob das heutige Bundesland Kärnten bei Österreich bleiben sollte oder an Jugoslawien angeschlossen werden sollte (Wiki). 

Abb. 1: Die Kärntner Heimatwehr auf dem Festumzug am 24. Oktober 1920 in Klagenfurt nach der Bekanntgabe des Ergebnisses der Volksabstimmung

59 % der Stimmen wurden für Österreich abgegeben. Kärnten verblieb damit bei Österreich. Am 24. Oktober 1920 hielten die  Mitkämpfer des vorausgegangenen "Kärntner Abwehrkampfes" (Wiki) aus diesem Anlaß einen Festumzug ab in Klagenfurt (Abb. 1). So wirklich unbeschwerte Stimmung zeigte sich auf diesem aber nicht. Und zwar mit Recht, denn wir lesen über die Reaktion Jugoslawiens (Wiki):

Das Ergebnis der Volksabstimmung stellte eine bittere Überraschung für das SHS-Königreich dar. In der „Zone I“ hatten immerhin zwei Drittel der Einwohner als Umgangssprache Slowenisch angegeben. Daß nun nur knapp 41 % der Stimmen auf einen Anschluß an den südslawischen Staat entfielen, war nicht erwartet worden. Bereits am 14. Oktober, einen Tag nach der Verkündung der Ergebnisse, rückte das SHS-Militär mit zwei Bataillonen in die „Zone I“ ein und stationierte diese in Rosegg und Bleiburg. 

Da die Westalliierten aber auf Einhaltung des Ergebnisses der Volksabstimmung bestanden, konnten die Kärntner schließlich Mitte November 1920 etwas mehr aufatmen (Wiki):

Die Republik Österreich übernahm in den folgenden Wochen wieder schrittweise die Verwaltung der Zone I. Dies war am 18. November 1920 abgeschlossen.

Erst zu diesem Zeitpunkt konnte auch der Kärntner Abwehrkampf wirklich für abgeschlossen erklärt werden. 

Abb. 2: Ludwig Hülgerth, Leiter des Kärntner Abwehrkampfes 1918 bis 1919

Seine Hauptereignisse hatten sich zwischen dem 5. Dezember 1918 und dem 6. Juni 1919 abgespielt. Der Kärntner Abwehrkampf war geleitet worden von dem "Landesbefehlshaber" Ludwig Hülgerth (1875-1939) (Wiki).

Die Volksabstimmung war dann von deutscher Seite aus durch Vinzenz Schumy (1878-1962) (Wiki) vorbereitet worden (Kab), dem damaligen Leiter des Kärntner Bauernbundes (Wiki), der im Laufe des Jahres 1923 auch Landeshauptmann von Kärnten werden sollte.

Auf Einladung des nachmaligen Landeshauptmannes von Kärnten

Schumy berichtet in seinen Lebenserinnerungen über seine "Kontakte mit Ludendorff" (UniWiena). Aufgrund dieser Kontakte erhielt Erich Ludendorff, der damals in München lebte, für Anfang Februar 1923 eine Einladung nach Klagenfurt. Ludendorff nahm diese Einladung an. Er verband die Reise nach Klagenfurt mit einer Reise nach Wien, wohin er schon zuvor von seinem vormaligen Mitarbeiter, dem Obersten Bauer, eingeladen worden war.

Aus allerhand unterschiedlichen Quellen kann man sich ein Bild machen von der Reise Ludendorffs. Wir lesen über das 1923 (1, S. 65):

Als im gleichen Jahr General Ludendorff Klagenfurt besuchte, wurde er von den Heimwehren feierlich empfangen. Auf jedem Bahnhof, den der Zug passierte, gab es eine feierliche Begrüßung, und in Klagenfurt standen die Heimwehreinheiten Spalier. Die Kärntner Regierung behauptete, "daß das Erscheinen Ludendorffs in Kärnten in keiner Weise mit der nationalsozialistischen Bewegung in Bayern" zusammen hinge: der General sei Mitglied des bayerischen Bauernbundes (!) und sei daher vom Kärntner Landbund zu seiner Vollversammlung eingeladen worden. "Ludendorff kam ... als bayrischer Großgrundbesitzer und ...

(Dieses und weitere Zitate sind soweit möglich nach "Google Bücher" zitiert. Sie müssen künftig noch vervollständigt werden.) Die Reise Ludendorffs nach Kärnten erregte die politische Öffentlichkeit, insbesondere die Linksparteien in Österreich sehr. In einer Veröffentlichung des Jahres 1935 heißt es über die damaligen Marxisten in Klagenfurt (2, S. 141):

Vollends außer sich gerieten sie anläßlich der im Februar 1923 erfolgten Anwesenheit des deutschen Heerführers Exzellenz General der Infanterie Ludendorff in Kärnten. Die ärgsten Drohungen verlauteten. Der Heimatschutz hatte aber ausreichende Schutzmaßnahmen getroffen. Der an Stelle des Oberstleutnants Schneditz zum Geschäftsführer vorgerückte Oberst Wanggo führte den Oberbefehl über das aus der Umgebung Klagenfurts in die Stadt beorderte Heimatschutzaufgebot. Während Exzellenz Ludendorff einer Heimatschutzführertagung in den Musiksälen beiwohnte, kam es zwischen Heimatschutz und dem Pöbel zu ... .

In der Zeitschrift "Current History and Forum" wurde berichtet (GB, 1923, S. 1052):

Die Ankunft des deutschen Generals Ludendorff in Klagenfurt am 4. Februar führte zu schweren Kämpfen zwischen sozialistischen Arbeitern und alldeutschen Freischärlern. Ludendorff wollte vor dem Nationalen Bauernkongreß zu sprechen, wurde jedoch auf der Fahrt vom Bahnhof angegriffen und ...
The arrival of the German General Ludendorff at Klagenfurt on Feb. 4 was the cause of serious fighting between Socialist workmen and Pan-German irregulars. Ludendorff had intended to adress the National Peasants' Congress, but was attacked when driving from the station and ...

Erich Ludendorff selbst berichtet über gewaltsame Auseinandersetzungen in Klagenfurt in seinen Lebenserinnerungen gar nichts (siehe unten).

Abb. 3: Vinzenz Schumy, Leiter des Kärntner Bauernbundes in Klagenfurt - Offenbar im Jahr 1921

Am 6. Februar 1923 fuhr er mit dem Zug von Klagenfurt weiter nach Wien. Aus der britischen Botschaft in Wien wurde am 8. Februar 1923 an den britischen Außenminister Curzon in London berichtet (3):

Wien, 8. Februar 1923.
Euer Lordschaft, ich beehre mich, Ihnen mitzuteilen, daß General Ludendorff am 6. Februar aus Kärnten in Wien eingetroffen ist und gestern Abend mit dem Zug nach Salzburg abgereist ist. Sein Besuch hat in der Presse viel Aufsehen erregt, und er war Gegenstand heftiger Angriffe der Sozialistischen Partei sowohl in ihren Presseorganen als auch in der Nationalversammlung. Die Berichte über seine Aktivitäten sind widersprüchlich, doch das Folgende gibt meines Erachtens eine authentische Zusammenfassung. Ludendorff wurde vom Deutschen Bauernbund zu einem Besuch nach Klagenfurt in Kärnten eingeladen, wo er mit größter Begeisterung empfangen wurde. Er hielt dort eine Rede, in der er - angesichts der Lage im Ruhrgebiet - für nationale Einheit plädierte, ohne Rücksicht auf Klasse, Beruf oder politische Anschauungen. Sozialisten, die versuchten, ihn zu behindern, wurden mißhandelt. Er wurde jedoch von diesen beobachtet und man telegrafierte Einzelheiten über den Zug, mit dem er abreisen würde, nach Wien. Dr. Deutsch, der sozialdemokratische Führer, mobilisierte daraufhin einen Teil der Ordnerwehr entlang der Eisenbahnlinie, aber es wurden Anweisungen ausgegeben, nicht anzugreifen, es sei denn, die Nationalsozialisten und reaktionären Parteien machten sich bereit, den Angriff zu stoppen ... Der höchst ehrenwerte Marquess Curzon
Visit of General Ludendorff to Klagenfurt and Vienna
Vienna, No. 26. February 8th My Lord, I have the honour to report that General Ludendorff arrived in Vienna on February 6th from Carinthia, and left yesterday evening by the Salzburg train. His visit has caused much comment in the Press, and he has been the object of bitter attack by the Socialist Party both in their Press organs and in the National assembly. Accounts of his activities have been conflicting, but the following gives, I believe, an authentic summary. Ludendorff was invited by the "Deutscher Bauernbund to pay a visit to Klagenfurt, in Carinthia. where he was received with the greatest enthusiasm. He there made a speech in which he pleaded, in face of the situation in the Ruhr. for national unity, irrespective of class, profession, or political opinions. Socialists who tried to intefere with him were maltreated. He was watched, however. by the latter, who telegraphed to Vienna details of the train by which he was leaving. Dr. Deutsch. the Social Democratic leader, then mobilised along the railway line part of the "Ordnerwehr", but instructions were issued not to attack unless the National Socialists and reactionary parties made .... The Most Honourable a/ The Marquess Curzon

Der hier erwähnte Dr. Julius Deutsch (1884-1968) (Wiki) war Abgeordneter der Sozialdemokratischen Partei Österreichs und gründete 1923/24 den "Republikanischen Schutzbund". Die Worte "es wurden Anweisungen ausgegeben, nicht anzugreifen, es sei denn, die Nationalsozialisten und reaktionären Parteien machten sich bereit, den Angriff zu stoppen", hören sich so an, als wäre es darum gegangen, sehr bewußt einen "Zwischenfall" zu provozieren, bzw. die allgemeine "Unruhe" rund um Ludendorff zu vergrößern, so daß man leichter Gründe, Vorwände hatte, ihn ausweisen zu können. Die stenographischen Berichte der Nationalversammlung in Wien zeigen ebenfalls, daß dort von Ludendorff's Besuch die Rede war (GB).

Klerikale Kräfte arbeiten auf eine Teilung des Deutschen Reiches hin

Für Erich Ludendorff selbst hatte der Besuch in Kärnten aber eine ganz andere Bedeutung als man aus jenen Dingen ablesen könnte, die damals in der Öffentlichkeit rund um seine Reise behandelt wurden. Er berichtet in seinen Lebenserinnerungen über diese Reise nach Klagenfurt und nach Wien (4, S. 124f):

Noch bevor ich von Herrn Stinnes nach Berlin gebeten war, war ich einige wenige Tage in Kärnten und in Wien gewesen. Ich war nach Klagenfurt, der Hauptstadt Kärntens vom dortigen Landbund eingeladen worden, um an Veranstaltungen teilzunehmen, die Deutsches Denken und die Verbundenheit der Deutschen Kärntens mit den Deutschen des Reiches dort stärken sollten. Auch hatte mich Oberst Bauer schon häufiger gebeten, ihn doch einmal in Wien zu besuchen. Ich entschloß mich, den Einladungen zu folgen, um an Ort und Stelle persönliche Eindrücke zu sammeln. Ich hatte keinen Zweifel mehr, daß französisch-römische Umtriebe in Süddeutschland und in Österreich weiter im Gange waren, in Sonderheit gingen sie jetzt dahin, daß bayerisch-wittelsbachische Kreise in Österreich den Anschluß der österreichischen Ländern nicht etwa an das Reich, sondern an Bayern zu betreiben hätten, um so die Macht des Hauses Wittelsbach in einem Rom ergebenen und von Frankreich abhängigen Bayern zu stärken. (...) Diese Bestrebungen waren für mich durch und durch deutschfeindlich. Sie wurden in München aber ganz offen, wie als etwas Selbstverständliches, betätigt. Ich hatte nur gehofft, daß sie in den österreichischen Ländern nicht Widerhall finden würden. In Klagenfurt wurden meine Erwartungen in gewisser Weise bestätigt. Die Veranstaltungen trugen rein Deutsches Gepräge. Meine Autofahrt durch das Land, bei der ich auch von sozialdemokratischen Bürgermeistern begrüßt wurde, hinterließ tiefe Eindrücke.
Ich lernte auch dort das Kampfgebiet der Jahreswende 1918/19 und des April und Mai 1919 kennen, auf dem Deutsche für den Verbleib von Gebietsteilen Kärntens bei Österreich mit Waffen in der Hand zunächst gegen slowenische Horden, dann aber auch gegen jugoslawische Truppen gekämpft hatten, wie später Deutsche in Oberschlesien gegen Polen. Herr Ludwig Hülgerth, der damalige Landesbefehlshaber, gab mir die Erklärung. Mir wurde auch von der Notzeit gesprochen, die Kärnten durchlebte, besonders als dieses Gebiet vom Feinde besetzt wurde, bis endlich am 10. Oktober 1920 die befreiende Abstimmung erfolgte.

Ludendorf schreibt dann weiter (4, S. 125):

Den schönen Deutschen Freiheitdrang, der die Deutschen Kärntens beseelte, hatten römisch-wittelsbachische Kreise geschickt benutzt, sich an die Spitze dieser Freiheitsbewegung zu stellen. Und so erfuhr ich denn aus den Gesprächen mit Führern der Veranstaltung von der Arbeit dieser Kreise, die schon 1919 eingesetzt, sich aber stetig gesteigert hätte. Die Herren sprachen mit einer Offenheit, daß ich annehmen mußte, sie hielten mich für einen Gesinnungsgenossen. Aus diesem Glauben riß ich sie und zeigte ihnen, wie wenig ich mit ihren Absichten einverstanden sei. Die Folgen sollte ich bald nach meiner Rückkehr nach München zu spüren bekommen.

Der Leiter des Landbundes Vinzenz Schumy sollte 1929/30 Vizekanzler von Österreich und 1933, schon im austrofaschistischen Ständestaat, Innenminister werden. Es wäre noch einmal von größerem Interesse zu erfahren, was er in seinen Erinnerungen über den Ludendorff-Besuch in Kärnten berichtet hat (UniWiena).

Ludendorff macht nicht mit

Ludendorff berichtet weiter (4, S. 125-127): 

Die Eisenbahnfahrt von Klagenfurt nach Wien - ich reiste in Begleitung eines mir bekannten Deutschen - wurde durch einen Zwischenfalls bei Löben im steiermärkischen Industriegebiet unterbrochen. Hier wollten mich Schüler der Bergakademie begrüßen. Dadurch muß wohl meine Durchfahrt in weiteren Kreisen bekannt geworden sein, jedenfalls hielt der Zug vor Löben auf freier Strecke. Verwahrloste kommunistische Jugend drang dann in meinen Wagen, sah vom Gange aus in mein Abteil und blieb vor ihm stehen; sie muß aber wohl geglaubt haben, ich fahre in Uniform und mit sonstigem Gepränge und verließ wieder den Wagen. Mein Begleiter war zufrieden, daß der Zwischenfall so abgegangen war. Auf dem Bahnhof in Löben selbst war die Jugend in Deutscher Begeisterung. (...)
In Wien (...) fand ich gastliche Aufnahme bei einer dem Obersten Bauer bekannten Familie. (...) Eine aufrechte Freude sollte es mir sein, General Konrad v. Hötzendorff, den von mir hochgeschätzten Chef des Generalstabes des österreichisch-ungarischen Heeres in den ersten Jahren des Weltkrieges, in seiner Wohnung zu sehen. Er war in großer Frische und abgeklärt wie früher. (...) Ich schätzte in ihm einen großen Feldherrn.

Das sind Worte bedeutender Anerkennung im Munde Ludendorffs.

Abb. 4: Der österreichische Generalstabschef Conrad von Hötzendorf - Wohl im Jahr 1914

In seiner 1937 veröffentlichten Schrift "Auf dem Weg zur Feldherrnhalle" schrieb Erich Ludendorff über seinen Besuch in Klagenfurt (zit. n. 5, S. 22):

Der Aufenthalt daselbst sollte nun deshalb für mich so wichtig werden, weil ich während desselben einen tiefen Einblick in das Wollen wittelsbachisch-bayerischer Kreise bekam. Führende Männer Klagenfurts vertraten es. Sie glaubten wohl, in mir einen Vertrauensmann der entsprechenden Kreise Münchens vor sich zu sehen. Sie erzählten mir von ihrem Streben, die österreichischen Länder mit Ausnahme Niederösterreichs mit Wien (...) an Bayern anzuschließen. (...) Offen lagen die Pläne jener wittelsbachisch-bayerischen Kreise vor mir, wie sie ja schließlich im Anfange schon 1918 in Erscheinung getreten waren. Ich ließ den mir solches Mitteilenden keinen Zweifel, daß sie sich gründlich in mir getäuscht hätten. (...) Nach meiner Rückkehr nach München erhob sich ein Sturm gegen mich in der schwarzen Presse Bayerns. 

In einem weiteren britischen Diplomaten-Bericht aus Wien nach London heißt es am selben Tag über den Besuch Ludendorffs in Wien (1):

Herr Akers-Douglas (Wien) Nr. 26 Vertraulich. Jedoch machte in Wien und Umgebung die sozialistische Feindseligkeit Polizeischutz erforderlich, und am 7. Februar wurde er von der Polizei aufgefordert, das Land sofort zu verlassen, da seine Anwesenheit in Österreich nicht erwünscht war.
Verständlicherweise stand der Besuch im Zusammenhang mit den Verhandlungen über ein deutsch-türkisch-ungarisch-bulgarisches Bündnis, um die Kleine Entente in Schach zu halten und Beschlüsse der Friedenskonferenz rückgängig zu machen.
Mr. Akers-Douglas (Vienna) No. 26 Confidential. In Vienna and neighbourhood, however, socialist hostility necessitated police protection being given to him and on the 7th February he was asked by the police to leave immediately as his presence in Austria was not desired.
Understands visit was really in connection with negotiation of German-Turkish-Hungarian-Bulgarian allicance to hold Little Entente in check and reverse decisions of Peace Conference.

Dieses Schreiben kam am 14. Februar 1923 in London an. Daß das hier genannte "deutsch-türkisch-ungarisch-bulgarische Bündnis" in die gleichen Zusammenhänge gehört, von denen Erich Ludendorff sprach, wird deutlich durch die handschriftliche Hinzufügung auf dem Dokument in London nach ergänzenden Geheimdienst-Berichten (1):

Wir haben ... Informationen aus geheimen Quellen über ... unter den reaktionären Parteien in den vormaligen Feindstaaten: Wir haben sogar den Entwurf eines ungarisch-bayerischen Militärvertrags. Jede Verbindung der vormaligen Feindmächte zu offensive Aktionen ist benachteiligt ... hinsichtlich der Ausrüstung und der Mittel dazu ... .
We have had ... information from secret sources as to ... among the reactionary parties in the exenemy states: we have even had a draft Hungarian-Bavarian military treaty. Any ex-enemy combination for offensive action is ... handicapped in equipment and the means of ... it. 

Unterschrieben von zwei Diplomaten am 16. Februar 1923 namens Button (?) und Cadogan. Der britische Geheimdienst wußte also offenbar Konkreteres als Erich Ludendorff selbst über Pläne in der bayerischen Politik. Man gewinnt fast den Eindruck, als habe die Einladung Ludendorffs dem Zweck gedient, ihn als militärischen Führer dieses österreichisch-ungarisch-bayerischen Bündnisses zu gewinnen. Diese Pläne scheinen auch dem britischen Geheimdienst bekannt gewesen zu sein. 

Abb. 5: Erich Ludendorff neben dem Prinzen Ludwig von Bayern auf dem "Deutschen Tag" in Halle am 2. September 1923 - weiter rechts zwei Weltkriegs-Admirale, ganz rechts wohl Ludwig von Schröder

Erich Ludendorff selbst ist dann nach seinem Wien-Besuch von Vertretern der deutschen Reichsregierung nach Berlin gerufen worden, um zu klären, wie der gerade erst vollzogenen militärischen Besetzung des Rheinlandes durch Frankreich begegnet werden könnte.

Angriffe auf Ludendorff in der klerikalen Presse Bayerns

Ludendorff berichtet dann aber insbesondere weiter, welcher Haß ihm plötzlich nach seiner Rückkehr aus Kärnten aus der bayerischen, klerikalen Presse entgegen schlug (4, S 127f):

Bald nach meiner Rückkehr nach München setzte nun der Kampf Roms durch die Bayerische Volkspartei und das Haus Wittelsbach wider mich in größter Schärfe ein. Der "Regensburger Anzeiger", das Blatt des Herrn Held, des späteren, langjährigen bayerischen Ministerpräsidenten, beschuldigte mich, obschon Held nicht Bayer, sondern Hesse war, mein "Gastrecht" in Bayerrn dadurch mißbraucht zu haben, daß ich gegen Bayern und das Haus Wittelsbach wirkte.

Erich Ludendorff zitiert im weiteren vollständig eine Stellungnahme, die er damals in Entgegnung auf die Angriffe des Regensburger Anzeigers seinerseits veröffentlichte. Diese Stellungnahme sei aber allgemein ignoriert worden. 

Ludendorff berichtet dann von dem Haß katholischer Fürsten wie Kronprinz Rupprecht von Bayern und Prinz Albrecht von Württemberg und zweier hoher katholischer Kirchenbeamter gegen ihn. Von letzterem hatte ihm der Maler Hermann Eißfeldt berichtet, der damals nicht nur für die Königsfamilie der Wittelsbacher arbeitete, sondern der auch ein Porträt Erich Ludendorffs anfertigte. Ludendorff schreibt weiter (4, S. 232f):

Mich ehrte dieser Haß römischer Kirchenbeamter und der von ihnen abhängigen römischgläubigen Fürsten. Aber ich bedauerte das Volk, das von solchen Fürsten Rettung erwartete. Ich muß hier ausdrücklich betonen, daß Generalfeldmarschall Prinz Ludwig von Bayern auch weiter in seiner Haltung gegen mich eine Ausnahme bildete. Im April 1923 beging er irgendein Jubiläum.

Es handelte sich um das 60. Militärjubiläum (Jubiläum des Eintritts in das Heer).

Abb. 6: Papst Pius XII. im Jahr 1955 beim Empfang von Vertretern der "Union of Cinema"

Ludendorff schreibt weiter (4, S. 232f): 

Ich erhielt zu diesem von ihm eine Einladung, und da ich meine Wünsche persönlich aussprechen wollte, ging ich hin. Das fürstliche Paar war entgegenkommend, aber im übrigen wehte mir in dieser "Hofgesellschaft" eisige Kälte entgegen. Für mich war es nicht erfreulich zu sehen, wie in dieser Gesellschaft von Fürsten, hohem Adel und ehemaligen Offizieren die schlanke Gestalt des Nuntius Pacelli die Hauptfigur bildete und wie Deutsche Frauen glücklich waren, die behandschuhte Hand des Italieners mit ihrem großen Siegelring küssen zu dürfen. Ich lernte hier auch Graf Berchtold, den Minister des Auswärtigen Österreich-Ungarns vor dem Weltkriege kennen, der durch sein Ultimatum an Serbien die Absicht der überstaatlichen Mächte, uns zu bekriegen, so erleichtert hat. Er galt für einen typischen Vertreter des leichtgesinnten österreichischen hohen Adels. Diesen Eindruck gewann ich auch von ihm. (...) Auch mit der Kaiserin Zita sprach ich einige Worte. Sie war wenigstens gesellschaftlich völlig korrekt und verbarg das, war mir aus den Augen der Kaiserin Zita entgegen geleuchtet hatte: "Ablehnung, tiefste Ablehnung". Nicht allzu lange weilte ich unter dieser "Hofgesellschaft".

Und in der Schrift "Auf dem Weg zur Feldherrnhalle" schrieb er darüber (zit. n. 5, S. 10f):

Bald wirkte auch Nuntius Pacelli, der glatte, schlanke, hochgewachsene Italiener im gleichen Sinne bei der Reichsregierung. Ich hatte Gelegenheit, den Nuntius Pacelli gelegentlich eines Empfanges zur Feier eines Militärjubiläums des Generalfeldmarschalls Prinzen Leopold von Bayern zu beobachten, wie z. B. die Prinzessinnen des Wittelbachischen Hauses ihm die Hand küßten. Er machte eine gute Figur dabei und nahm alle Ehrungen, die ihm zuteil wurden, als Selbstverständlichkeit hin. Ich erschrak vor der Demut der Deutschen gegenüber diesem italienisch-blütigen Priester. In diesen Deutschen schwieg das Rasseerbgut.

Soweit zunächst Erich Ludendorff über seine Reise nach Kärnten und die anschließenden Erfahrungen, die er in Bayern machte.

Abb. 7: Kardinal Pacelli am 1. November 1936, nachdem ihm von Seiten des vor ihm knieenden Jesuiten Robert I. Gannon SJ die Ehrendoktorwürde der Rechtswissenschaften verliehen worden war (Alm) - Gannon schrieb später die Biographie des Kardinal Spellman (Cath)

Seit 2019 sind die Nuntiatur-Berichte des hier erwähnten Kardinals Pacelli zugänglich (EdiPac). Sie ermöglichen eine Überprüfung der Unterstellung Ludendorffs, Pacelli habe im Jahr 1923 auf eine Teilung Deutschlands hingearbeitet.

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  1. Francis Ludwig Carsten: Faschismus in Österreich - von Schönerer zu Hitler. W. Fink, 1978 (GB)
  2. Heimatschutz in Österreich. Sein Werden und die Juli-Ereignisse. Zoller, 1935 (GB)
  3. Britische Botschaft in Wien an den Außenminister Curzon in London am 8. Februar 1923 über den Besuch Ludendorffs in Klagenfurt und Wien. In: Foreign Office: Political Departments: General Correspondence from 1906-1966. German Domestic Politics and International Relations (HistoryCommons)
  4. Ludendorff, Erich: Vom Feldherrn zum Weltrevolutionär und Wegbereiter Deutscher Volksschöpfung. Ludendorffs Verlag, München 1941 (Archiv)
  5. Ludendorff, Mathilde (Hg.): General und Kardinal. Ludendorff über die Politik des neuen Papstes Pius XII. (Pacelli) 1917 - 1937. Zusammengestellt und herausgegeben von Mathilde Ludendorff. Ludendorffs Verlag, München 1939 (Heft 1 des "Laufenden Schriftbezuges 8") (Archiv)

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