"Deutsche, wühlt in der Geschichte!" (Erich Ludendorff)

Sonntag, 1. Mai 2016

"Aus weiter Ferne komm ich her ..."

Aus weiter Ferne komm ich her ...
Aus weiter Ferne komm ich her,
ich bring euch gute, neue Mär,
der guten Mär bring ich so viel,
davon ich singen und sagen will. 


Abb. 1: Deutsche Weihnacht - Grafik von Erwin Klein (Osnabrück) (ohne Jahr)
Der Dissener Kinderchor singt Lieder zur Wintersonnenwende - Langspielplatte


Ich weiß im Walde einen Baum, 
man sieht die höchsten Zweige kaum. 
Am Fuße spinnen Nornen still 
Und jede etwas sagen will.
Die erste Norne nennt sich Skuld, 
sie sitzt am Brunnen, der voll Schuld, 
denn Schlagen wimmeln ohne Zahl 
in diesem Bronnen überall.
Werdandi heißt die zweite Norn, 
sie hütet fein den reinen Born 
der Wissen schenkt und weise macht, 
trinkt man aus ihm in stiller Nacht.
Die dritte Norn Frau Urda heißt, 
mit goldnem Seil den Weg sie weist 
zum heiligsten der  Bronnen hin, 
auf dem zwei Schwäne Kreise ziehn.
Drei Wurzeln tragen stolz den Baum, 
sie ragen in den Weltenraum. 
Die eine führt nach Nebelheim 
Und trägt in sich den Todeskeim.
Denn hört, der Neidwurm Niedertracht 
Benaget sie bei Tag und Nacht, 
gefährdet so durch Zeit und Raum 
den allerschönsten, hohen Baum.
Die zweite Wurzel führet weit 
Ins Riesenheim für alle Zeit. 
Sie stützt den Baum mit starker Kraft, 
ein Bronnen ihr Erquickung schafft.
Die dritte Wurzel führt dorthin 
Wo Götter nach Walhalla ziehn. 
Sie führt hinweg von Raum und Zeit 
Und endet in der Ewigkeit.
Zu Ende ist nun meine Mär,
ich weiß vom Baum nichts Neues mehr,
... 
                                    Herta Fritzsche 

Die Autorin der Ludendorff-Bewegung Herta Fritzsche und ihre Familie

Der Wortlaut dieses Gedichtes wird gesungen nach der Melodie "Vom Himmel hoch, da komm ich her". Dies ist ein Weihnachtslied, das Martin Luther 1535 gedichtet hat. Es wird vermutet, daß er es für seine Kinder dichtete (Wiki). Die angeführte Neudichtung dieses alten Liedes stammt von Herta Fritzsche (1904-1962). Von ihr und ihrer Familie soll der folgende Blogartikel handeln.

Das zitierte Lied ist auch enthalten auf einer Langspielplatte (1) aus den 1980er Jahren, in der es von einem Kinderchor gesungen wird. Mit vielen anderen nichtchristlichen Weihnachtsliedern. Der Text des Liedes ist abgedruckt auf der inneren Umschlagseite  des Albums dieser Schallplatte. Und wer diese Schallplatte von Kindheit an kannte und sie jeweils in der Weihnachtszeit auf dem Wohnzimmertisch liegen sah, für den haben sich ihr Umschlagbild und der angeführte Liedtext eng zu einer gefühlsmäßigen Einheit miteinander verflochten. Beide sprechen das Gemüt an, insbesondere von Kindern. Das Umschlagbild stellt jenen Weltenbaum dar, der im Lied besungen wird, das Bild wird also durch das Lied gut erläutert. Es stellt dar seine drei Wurzeln, an denen drei Brunnen entspringen, an denen drei Nornen sitzen (Abb. 1)*)**).

Unter vielen Nichtchristen ist es schon seit langem üblich geworden, unter dem Weihnachtsbaum einen solchen Brunnen zu gestalten. Etwa, indem man einen runden Spiegel außen mit Rinde und Moos umgibt und auf diesen zwei Schwäne setzt. Das Lied bringt den in der vorchristlichen, skandinavischen Edda-Dichtung enthaltenen heidnisch-germanischen Mythos von der Weltenesche in ein eindrucksvolles, fassliches Gedicht. Noch heute wird ein Auszug desselben auf entsprechenden Internetseiten angeführt (s. z.B. Baldur).

Das Gotterleben der Menschenseele

Die Nachdichtung im Gedicht ist deutlich geleitet von der Deutung, die diesem "Welteneschen-Mythos" von Mathilde Ludendorff gegeben wird in der Einleitung ihres Buches "Des Menschen Seele" (14). Hier wird auf wenigen Seiten eine umfassende mythologische Deutung dieses vorchristlichen Mythos gegeben aus der Sicht ihrer Psychologie und Philosophie. Nach dieser Deutung ist die Weltenesche ein Sinnbild für Gotterleben der Menschenseele. Dieses Gotterleben wird von drei starken Wurzeln getragen. Es wird von drei Quellen, bzw. Brunnen befruchtet. Und zwar - in der Sprache der Philosophie von Mathilde Ludendorff: zum ersten von dem unvollkommenen Selbsterhaltungswillen, der aufgrund seiner Unvollkommenheit auch so menschliche Eigenschaften wie Neid und Niedertracht mit sich bringt, Eigenschaften, die das Gotterleben des Menschen auf das Schwerste gefährden, die das Überleben dieses ansonsten starken Baumes bis zum Äußersten erschüttern können.

Zum zweiten von dem Erkenntnis- und Wahrheitsstreben der menschlichen Vernunft, also der "reine Born, der Wissen schenkt und weise macht". Und zum dritten vom Gotterleben des gottahnenden Ichs der Menschenlebens selbst, dem "heiligsten der Bronnen", "auf dem zwei Schwäne Kreise ziehen". Nämlich ein weißer und ein schwarzer, Zeichen für Leben und Sterblichkeit der Menschenseele. (Vorbehaltlich sei festgehalten, dass nach dieser philosophischen Deutung natürlich der Walhalla-Jenseits-Glaube der Germanen als ein Irrtum bezeichnet wird.)

Wer nun war diese Herta Fritzsche?

"An Herta Fritzsche kann ich mich noch gut erinnern: eine vornehme, edle Erscheinung. Ihren Vorträgen mit ihren Märchenbetrachtungen wurde mit Spannung zugehört."

So die Erinnerungen einer Zeitzeugin, die wir zu ihr befragt haben. Schon vor Jahren hat diese Frau Herta Fritzsche durch einen Zufallsfund die Aufmerksamkeit der Historiker auf sich gezogen. Und zwar jener Historiker, die sich mit der Geschichte der Ludendorff-Bewegung beschäftigen (2, 3). Nachdem uns die Gedenkrede auf den Tod ihres Ehemannes Curt Fritzsche (1888-1965) in die Hände gefallen ist (4, 5), soll im folgenden versucht werden, ein umfassenderes Bild vom Leben des Ehepaares Fritzsche zu geben. Wie immer sind künftig auch Ergänzungen vorgesehen und erwünscht.

Beide Eheleute stammten aus Leipzig und haben sich dort kennengelernt. Als sie im Jahr 1925 heirateten, war Carl Fritzsche 37 Jahre alt, Herta Fritysche, geborene Cyriacus, 21 Jahre alt. Der Mann war während des Ersten Weltkrieges Aufklärungsflieger gewesen und hatte als solcher viele Orden erhalten. Ihm waren, wie wir noch hören werden, die Erinnerungen an diese Kriegserlebnisse wichtig. Im Zivilberuf war er Jurist (4):

Dieser überaus glücklichen Ehe entsprangen drei Töchter: Gertrude, Waltraud und Adelheid.

Gertrude wurde 1927 geboren, Waltraud 1930 und Adelheid nach 1935. 1931 stieß das Ehepaar zur Ludendorff-Bewegung. Und etwa 1933 ist es aus der Kirche ausgetreten (4). Herta Fritzsche wurde "ständige Mitarbeiterin" der Zeitschrift der Ludendorff-Bewegung, sicherlich des "Quell" (2).

März 1935 - "Es ist herrlich, mit all den gleichgesinnten Menschen zusammen arbeiten zu können"

Einen Eindruck von den Gefühlslagen, mit der die 31-jährige Mutter Herta Fritzsche im März 1935 in der Ludendorff-Bewegung mitgearbeitet hat, gibt ein Brief, den sie in diesem Monat an ihre ehemalige Klassenlehrerin, eine Dr. Johanna Winkler (1877-1964), geschrieben hat, und dem - nach seinem Wortlaut - schon Briefe vorausgegangen waren. Dieser Brief wurde 1991 sondererbarerweise "zufällig" in einem Container der Leipziger Müllabfuhr gefunden (2, 3). Und er gab Anlass zu einer Veröffentlichung in einem "Jahrbuch für deutsche Kirchengeschichte" im Jahr 1997 (2, 3). Über diesen Brief wurde dann 2013 in einer Doktorarbeit berichtet (3, S. 307):

Das Credo der Anhängerinnen und Anhänger der Deutschen Gotterkenntnis fasste die spätere Kinder- und Jugendbuchautorin Herta Fritzsche 1935 in einem Brief an ihre ehemalige Klassenlehrerin folgendermaßen zusammen, in dem sie sich als "Neuheidin" und "Anhängerin der Ludendorffbewegung" präsentierte: "(...), wir sind innerlich alle miteinander fest verbunden, ohne Eide, ohne Kirche, ohne Zeremonie, allein durch die Allgewalt der Idee und des Glaubens, der uns im Blute liegt und der mit uns geboren wird."

Im weitgehend vollständigen Wortlaut handelt es sich um folgenden Brief (2):

Leipzig, am 18. Lenzing 1935
Sehr geehrtes, liebes Fräulein Doktor Winkler!
Ich habe mich so sehr über Ihren Brief gefreut, weil Sie schrieben, dass meine Zeilen Ihnen in einer mutlosen Stunde trostreich waren. Ich kann Ihnen nur immer wieder versichern, dass Ihre Stunden für mich außerordentlich wertvoll waren. Ich erlebte förmlich all die herrlichen deutschen Sagen, die Sie uns nahe brachten; wenn Sie von Runen sprachen gleich raunen, dann war ich z. B. nicht mehr in der Klasse 1b oder 2a, sondern im deutschen Wald, und damals schon brannte in mir der Wunsch, mich mit Edda, Runen und Sagen näher beschäftigen zu können. All die heldischen Gestalten der alten Mären begeisterten mich wild, ich wurde von mancher Klassenkameradin mitleidig angesehen: das Kind liest noch Märchen, hieß es dann und doch war das "Kind" damals innerlich schon viel reifer als die Spötter. Meine Vorliebe für altdeutsche Literatur war keine Jungmädchenschwärmerei. Als ich heiratete, hatte ich genügend Zeit, mich mit meiner Liebhaberei zu beschäftigen. Zunächst kam die Edda an die Reihe. Zunächst die Simrocksche Ausgabe, dann die von Gorsleben, zum Schluss teilweise die Übersetzung von Genzmer. Die letzte sagte mir in ihren Versen aber nicht so zu. Dann erwischte ich Bücher über Runenkunde, das war zum Teil ein entsetzlich okkulter Blödsinn, ein Körnchen Wahrheit steckt ja aber .... (...) ... mich mit der Bedeutung einzelner Runen beschäftigte, kamen mir die Kenntnisse von der deutschen und der germanischen Lautverschiebung sehr zu gute, die wir von Ihnen in der 1. Klasse erhielten!
- Am Umbruch der Zeit nahm ich natürlich ebenfalls regen Anteil, die brennenden Religionsfragen veranlassten mich, mich einmal eingehend mit der Christenlehre zu beschäftigen, was ich bis dahin noch nicht getan hatte. Der Erfolg war, dass ich mich von der Christenlehre innerlich und äußerlich lossagte, denn ich konnte nicht glauben, was ich da glauben sollte und meine Auffassungen von Moral und Sitte waren ganz andere als die, die das Christentum lehrt.
Ich weiß nicht, wie Sie über mein Antichristentum denken werden, denn ich erinnere mich, dass Sie anlässlich einer Klassenweihnachtsfeier die ganze Weihnachtsgeschichte auswendig hersagten, und Sie erstaunt waren, dass keine von uns das konnte. Jetzt bin ich Neuheidin und Anhängerin der Ludendorffbewegung, seit vier Jahren. Im Anfang gab es ja manche düstere Stunde, denn Heide sein war gleichbedeutend mit gottlos sein. Nur schwer konnte man die Schmäher überzeugen, dass gerade das Gegenteil der Fall war: dass das christliche Gottempfinden unser Gottempfinden nicht befriedigte. Heute ist unsere einst kleine Schar schon mächtig angeschwollen. Das Heft, das ich Ihnen schickte, wird von unserer Geistesrichtung herausgegeben, ich bin ständige Mitarbeiterin. Es ist herrlich, mit all den gleichgesinnten Menschen zusammen arbeiten zu können, wir sind innerlich alle miteinander fest verbunden, ohne Eide, ohne Kirche, ohne Zeremonie, allein durch die Allgewalt der Idee und des Glaubens, der uns im Blute liegt und der mit uns geboren wird.
Über all dem habe ich noch garnicht von meinen beiden süßen Mädelchen erzählt. Meine Große ist acht Jahre alt, die Kleine fünf. Beide haben die Vorliebe für Märchen von ihrer Mutter geerbt, ich kann ihnen garnicht oft genug erzählen, alle hören sie gern, die alten lieben Volksmärchen und auch die selbst erdachten. Die Große heult immer an den tragischen ....

Abb. 2: Kinderbuch von H. Fritzsche

Herta Fritzsche veröffentlichte in den 1940er und 1950er Jahren mehrere Kinder- und Jugendbücher, über die hier noch einmal genauer referiert werden sollte. Sie erschienen zumeist im Verlag Bischof & Klein in Lengerich/Westfalen (s. Karlsruher Virtueller Katalog), dessen Verlagsleiter Hans Klein ebenfalls Anhänger der Philosophie von Mathilde Ludendorff war (9).

Ein Familienschicksal in Kriegs- und Nachkriegszeit

Der Ehemann wurde 1939 wieder zum Kriegsdienst eingezogen, wieder zu Luftwaffe, versah aber aufgrund seines Alters vornehmlich Stabsdienste. In der Grabrede auf ihn heißt es (3):

Ende des 2. Weltkrieges geriet er in englische Gefangenschaft, aus der er sich dann nach Westdeutschland entlassen ließ. In Lengerich fand er eine neue Heimat, wohin dann auch später seine Familie nachkam. Viele von Ihnen wissen, dass das Ehepaar Fritzsche nach einem wechselvollen und besonders nach dem Kriege sehr entbehrungsreichen Leben mit all seinen Höhen und Tiefen sich wieder neu finden musste und dass es in den Nachkriegsjahren für sie sehr schwer und opferreich war, wieder festen Fuß zu fassen und bestehen zu können. In diesen ersten Nachkriegsjahren, ohne einen festen und dauerhaften Beruf, ohne festes Einkommen und einen leeren Tisch für die Familie, - damals reifte auch in den Töchtern der Entschluss, statt steter Arbeitslosigkeit und Unsicherheit (...) lieber ins Ausland zu gehen.

Es war das für die Eltern sicher ein schweres Geschehen, ihre Kinder nach Amerika gehen zu sehen. Der Großvater des Autors dieser Zeilen - ebenfalls Flüchtling aus der Sowjetzone - erlebte dasselbe auch mit zwei seiner Töchter. Er freute sich aber in den ärmlichen 1950er Jahren, dass es seine Töchter dort besser hatten, als wenn sie in Deutschland geblieben wären. So vielleicht auch das Ehepaar Fritzsche.

Abb. 3: Vortrag von H. Fritzsche (1958)

Aufmerksamkeit erregt auch die Formulierung, dass sich das Ehepaar nach dem Krieg "neu finden musste". Auf die Thematik der über viele Kriegs- und Nachkriegsjahre getrennten Familien ist die Zeitgeschichtsforschung ja erst in den letzten Jahren aufmerksam geworden. Es trat aber noch ein weiterer Schicksalsschlag dazu. Über die zweite, damals 22-jährige Tochter wird berichtet (4):

Einem tragischen Tod fiel Waltraud im Jahre 1952 zum Opfer.

Ihre Urne wurde 1953 auf der Ahnenstätte Seelenfeld bestattet. Die Ludendorff-Bewegung hatte mehrere "Ahnenstätten" begründet, da es in jenen Jahren nicht immer gewährleistet war, dass man als Nichtchrist auf christlichen Friedhöfen begraben werden konnte. Einige dieser Ahnenstätten existieren noch heute, so auch die in Seelenfeld. In der Grabrede auf Carl Fritzsche heißt es (4):

Wir werden nie die innigen Worten vergessen, die beide Eltern für ihre so hart im Leben getroffene Tochter fanden und die uns damals in tiefstem Mitgefühl zu Herzen gingen.

1955 wanderte - wie es schon anklang - die erste der beiden anderen Töchter nach Kanada aus (mehr zu ihr siehe unten). 

"Die Kinderseele - ein Kleinod der Schöpfung"

Herta Fritzsche war nach 1945 soweit übersehbar ähnlich innerhalb der Ludendorff-Bewegung tätig wie davor. Dabei lebte und wirkte sie - soweit übersehbar - vor allem aus dem Umgang mit Kindern heraus und für diesen. All dies sollte noch einmal gründlicher aufgearbeitet werden. Im folgenden nur einige erste Zufallsfunde. Die Zeitschrift der Ludendorff-Bewegung "Der Quell" berichtete 1955 wohl über die Jugendzeitschrift "Das Füllhorn" (S. 671):

Für die Kleinen bringt Herta Fritzsche das Märchen von Goldruns Spindel.

1958 berichtet dieselbe Zeitschrift (S. 460):

Der Verlag "Hohe Warte" hat durch Frau Hermi Heitmanns Märchenbuch "Deutsche Volksmärchen, ihr Widerhall in der Kinderseele, ihre Sinnbilder und eine Deutung" eine nachhaltige Anregung gegeben. Das wurde erkennbar, als Frau Herta Fritzsche/Lengerich auf der Grundlage von Frau Heitmanns Buch im Holstenlande in diesem Jahre ihren Märchenvor....

(Nur als Google-Bücher-Ausschnitt zitiert, sollte noch vervollständig werden.) (Hermi Heitmann könnte Hermi Kettler sein, von der gleich noch mehr die Rede ist.) Im gleichen Jahrgang wird angekündigt der Vortrag (S. 960):

Frau Herta Fritzsche "Ahnenweisheit in unseren Volksmärchen und ihre Bedeutung für die heutige Zeit".

Am 18. Januar 1959 hat Herta Fritzsche im Rahmen der Ludendorff-Bewegung auch einen Vortrag gehalten über "Die Kindesseele - ein Kleinod der Schöpfung" (lt. Zeitschrift "Der Quell", 1959, S. 48).

Um 1960 - "Gottahnen und Gotterkennen in unserem Volke"

Innerhalb des "Bundes für Gotterkenntnis (Ludendorff)" gab es damals mehrere "Arbeitsgemeinschaften", so eine für "Wirtschaftsfragen", eine für "Wehrfragen" und auch eine für "Lebenskunde". Letztere förderte den Lebenskunde-Unterricht der Kinder in vielen Städten nach Feierabend oder an den Wochenenden, bzw. auf zweiwöchigen Ferienlagern im Sommer. Auch in der letzteren Arbeitsgemeinschaft arbeitete Herta Fritzsche mit.

Vom 31.3. bis 3.4.1959 veranstaltete diese Arbeitsgemeinschaft in Tutzing eine Erziehertagung. Auf dieser hielt Herta Fritzsche (laut Mitteilungsblatt dieser Arbeitsgemeinschaft von April 1959) einen Vortrag über die sogenannte "Ura-Linda-Chronik". Diese Ura-Linda-Chronik liest sich zwar für manche sehr eingängig. Sie wird von der Forschung aber bis heute - und wohl auch mit viel Recht - als eine Fälschung angesehen. Was bis heute einige wenige Ludendorff-Anhänger nicht davon abhält, sie als eine historische Original-Urkunde zur vorchristlichen germanischen Religionsgeschichte zu erachten. (Zuletzt der Inhaber des Lühe-Verlages Harm Menkens in einer Veröffentlichung.) In ihrer Schrift "Gottahnen und Gotterkennen in unserem Volke", die vermutlich zu ähnlicher Zeit erschienen ist, spielt die Ura-Linda-Chronik auf den ersten Seiten ebenfalls eine große Rolle. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass diese Schrift nicht im Verlag Hohe Warte, sondern im Selbstverlag erschienen ist. (Darüber, welche Meinung Mathilde Ludendorff zur Ura-Linda-Chronik hatte, ist dem Autor dieser Zeilen einstweilen nichts bekannt.) In dieser Schrift schreibt Herta Fritzsche (S. 4):

Der Ober-Bibliothekar Dr. Douma in Leeuwarden, Holland, in dessen sich alles Schrifttum über die Chronik befindet, teilte mir persönlich mit, dass bisher wohl noch nicht der lückenlose Beweis der Echtheit der alten Chronik erbracht werden konnte, aber auch ebenso wenig der lückenlose Beweis einer Fälschung! Und darum nehme ich für mich das Recht in Anspruch, die in der Chronik mitgeteilten Mythen als ältestes schriftliches Zeugnis der Menschen unseres Blutes ohne Bedenken heranzuziehen.

Nun, dies "ohne Bedenken" zu tun, verbieten ja schon die Ausführungen, die sie zuvor getätigt hatte. Wie dem auch sei. In ihrer Schrift vergleicht sie den Schöpfungsmythos der Ura-Linda-Chronik mit dem Schöpfungsmythos und dem Mythos von der Weltenesche Yggdrasil in der Edda. Sie kommt auch auf den Kaiser Ludwig den Frommen zu sprechen. Über diesen heißt es auf Wikipedia (Wiki):

Ludwig dem Frommen wurde in der Neuzeit manchmal vorgeworfen, für den Untergang germanischer Überlieferungen verantwortlich zu sein.
Abb. 4: Herta Fritzsche - Ins Märchenland

Diesen Vorwurf hat auch Mathilde Ludendorff wiederholt in ihren Schriften gegen ihn erhoben. Ebenso tat dies Herta Fritzsche. Auf Wikipedia wird dazu als heutiger Forschungsstand mitgeteilt:

Solche Behauptungen entbehren aber jeder Quellengrundlage. Es gibt lediglich einen einzigen Satz bei dem Ludwig-Biografen Thegan, Gesta Hludowici, Kap. 19, wo es heißt: „Die heidnischen Lieder [oder: Gedichte], die er [Ludwig] in seiner Jugend gelernt hatte, verachtete er und wollte sie weder lesen noch hören noch lehren.“ Dabei ist nicht einmal sicher, ob Thegan germanische Heldenlieder gemeint hat, wie sie Karl der Große laut Einhards Vita Karoli Magni, Kap. 29, hatte sammeln lassen – die „heidnischen Gedichte“ könnten sich genauso gut auf antike lateinische Gedichte beziehen wie z. B. Vergils römisches Nationalepos Aeneis, das mit Sicherheit in Ludwigs Jugend in seinem Unterricht behandelt worden war (...). Vor allem aber spricht Thegan in der zitierten Stelle nur von Ludwigs persönlicher Geringschätzung dieser carmina („Lieder“ bzw. „Gedichte“, worum auch immer es sich dabei handelte); nirgends jedoch, auch nicht in anderen Quellen, ist die Rede von irgendwelchen Anweisungen Ludwigs zu deren Vernichtung. Ebenso wenig verbürgt ist freilich eine durch Ludwig durchgeführte Sammlung und Sicherung germanischer Überlieferungen (wie bei seinem Vater Karl), da Ludwig der Fromme unbestritten in der „Verchristlichung“ des Frankenreiches eine seiner wichtigsten Aufgaben sah.

Also wird man weiterhin fragen dürfen, warum die von Karl dem Großen gesammelten germanischen Heldenlieder dann nicht bis auf unsere Zeit überliefert worden sind. Herta Fritzsche jedenfalls schrieb um 1960 in ihrer Schrift:

Als ich in Frankfurt a. M. im Januar 1959 im Kaisersaal das Bild Ludwigs des Frommen an der Wand hängen sah, betrachtete ich es lange Zeit und sagte dann: "So sah er also aus, der all das wertvolle Schriftgut unserer Ahnen verbrennen ließ!"

Einem besonders langen Betrachten eines solchen Gemäldes hätte man allerdings keineswegs so viel Bedeutung zusprechen müssen wie sie es hier tut, handelt es sich doch um keine historische Abbildung, sondern um ein Phantasie-Gemälde, das um 1840 herum von dem Maler Jakob Jung geschaffen wurde (s. Bildindex). Von Ludwig dem Frommen gibt es höchstens eine "idealisierte" zeitgenössische Darstellung (s. Wiki). Man kann sich bei diesen Dingen dem Eindruck einer gewissen gar zu großen Naivität und Gutgläubigkeit auf Seiten von Herta Fritzsche nicht ganz entziehen. Sei dem aber nun wie ihm wolle. Weiter berichtet sie:

Der junge Student, der im Saale die Bilder der Kaiser und Könige erklärte, erwiderte lächelnd: "Manche Germanisten sind Ludwig dem Frommen sehr dankbar, dass er es tat, denn nun brauchen sie nicht soviel davon zu lernen." Ich konnte darauf nur antworten: "Es gibt aber auch viele Deutsche, die ihm sehr gram sind um diese Tat!"

In ihrer Schrift kommt Herta Fritzsche abschließend auf die Philosophie von Mathilde Ludendorff zu sprechen und sagt:

Noch niemals wurden die Fragen um Gott und seine Schöpfung so überzeugend beantwortet wie es in der gewaltigen Schau der Philosophin geschehen ist.

1959 - Als Lagerleiterin

Abb. 5: Tochter Gertrude heiratet

Im Sommer 1959 war Herta Fritzsche auch als Lagerleiterin eines Lagers in Mönchröden bei Coburg tätig. Da sie an der anschließenden Erziehertagung Anfang Oktober in Syke bei Bremen nicht teilnehmen konnte, wurde dort ihr "Lagerbericht" verlesen. Und die Organisatorin der Ferienlager, Frau Hermi Kettler, sagte dann in der allgemeinen Aussprache über die Lager (10):

Die Lager müssen von einer Zentrale (Frau Kettler) aus belegt werden. Der einzelne Lagerleiter kann nur vorverhandeln. Der Fall "Mönchröden" zeigt, welche Schwierigkeit entsteht, wenn ein Leiter ohne Frau Kettlers Einverständnis handelt.

Hier hatte es also offenbar eine "Eigenmächtigkeit" gegeben. Im Zusammenhang mit der Planung für die Lager im Folgejahr heißt es (10):

Das Lager "Mönchröden" steht nur im September zur Verfügung. Diese Zeit ist für uns ungünstig. Frau Kettler will durch Herrn Kopp anfragen lassen, ob wir dort im Juli belegen können. Bei Absage verzichten wir für 1960 bedauernd auf Mönchröden. Für Juli 1961 könnte vielleicht belegt werden, um nicht die Beziehungen zu diesem Heim ganz abzubrechen.

(Der bayerische Lehrer Hans Kopp wurde zu jener Zeit Leiter der "Arbeitsgemeinschaft für Lebenskunde", nachdem der holsteinische Lehrer Dr. Werner Preisinger aus dieser Leitung ausgeschieden war.)

"Hunderte von Freunden" bei der Urnenbeisetzung

Drei Jahre später schon starb Herta Fritzsche sehr plötzlich mit 57 Jahren an einem Gehirntumor. In der Grabrede auf ihren Mann heißt es (4):

Ihre Urne haben wir unter großer Beteiligung von hunderten von Freunden aus dem ganzen Bundesgebiet beigesetzt (...), wobei noch ihr Gatte selbst die Gedenkrede hielt.

Einiges über den Ehemann Curt Fritzsche

Abschließend noch einiges zum Leben ihres Ehemannes Curt Fritzsche. Er wurde 1888 in Leipzig geboren. Er hatte drei Brüder und hat Jura in Leipzig und Dresden studiert. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, war er 26 Jahre alt. Anlässlich seiner Beisetzung wurde 1965 gesagt (5):

Er meldete sich freiwillig zur Luftwaffe, wo er als Oberleutnant an mehreren Kriegsschauplätzen tapfer und sehr erfolgreich gekämpft hat und schon 1915 als einer der ersten Flugzeug-Aufklärer galt. (...) Oft hat er uns von diesen Zeiten und von seinen vielen Erlebnissen erzählt und leuchtenden Auges auch von seinen Erfolgen, vor allem im 1. Weltkriege. Er war noch die alte Generation, deren vorbildliche Eigenschaften in Liebe zu Volk und Heimat, in Treue, Zuverlässigkeit und Pflichterfüllung bis zum letzten gipfelten. (...)
Er gehörte zu den wenigen und seltenen Offizieren, die ihrem Feldherrn des 1. Weltkrieges, Erich Ludendorff (...), auf seinen neuen und revolutionären Erkenntniswegen treue Gefolgschaft leisteten und mit einer Unbedingtheit, die nichts gemein hat mit blindem Gehorsam, sondern einer wohlerzogenen, zum Erkennen gereiften heiligen Überzeugung entspringt. (...) Diesem völkischen Freiheitskampf für Recht und Wahrheit (...) blieb unser Freund mit jugendlicher Begeisterung treu bis zum letzten Atemzuge. (...)
Wenn er uns von seinen Taten und Erfolgen erzählte, war immer eine gewisse Bescheidenheit dabei. Er übertrieb nie und ließ auch die Leistungen anderer gelten, konnte aber seine Begeisterung für Mut und Tapferkeit nicht verhehlen. Mit besonderem Stolz erwähnte er dann wohl auch einmal seine Orden, die ihm für bewiesene Treue und Tapferkeit verliehen wurden und die auch heute hier nicht fehlen sollen, wie es sein ausdrücklicher Wunsch war.

Weiter heißt es über Curt Fritzsche (4):

Unübertrefflich war sein Familiensinn. Seine Liebe galt immer seiner Sippe, den Kindern und seinem deutschen Vaterlande.

Und (4): 

Im 2. Weltkrieg meldete er sich wieder zur Luftwaffe, war als Beobachter bei den Aufklärern zunächst in Rußland stationiert, kam aber dann später zur Nachtjagdfliegerei und befand sich lange Zeit bei der Feldfliegerabteilung 300 in Holland, wo er seines Alters wegen zwar nicht mehr fliegen durfte, dafür aber als Major beim Stabe seinen Dienst versah.

Nach dem Tod seiner Frau konnte er seine beiden Töchter 1963 noch einmal in Amerika besuchen. In der Grabrede auf ihn heißt es (4):

Es waren für ihn die schönsten Tage seines Alters, so hat er uns oft berichtet, wenn er zu uns kam, seine vielen Photos zeigte und von seinen Erlebnissen sprach. Er gedachte dabei immer seiner dankbaren Kinder und Schwiegersöhne, die ihm dieses schöne Alterserlebnis noch hatten möglich gemacht.

Ein Jahr nach seiner Amerikareise starb auch Curt Fritzsche (4). Die Trauerfeier wurde von dem "Freundeskreis Minden", also den örtlichen Anhängern der Philosophie Mathilde Ludendorffs, im April 1965 in dem Dorf Seelenfeld in der Diele eines Bauern gehalten (4).

Die Kinder in Amerika

Über die beiden Töchter wurde in der Gedenkrede gesagt (4):

Gertrude Mensch, die älteste Tochter, lebt heute mit ihrem Mann und Tochter Ursula in Kanada; die jüngste Adelheid, gen. Heidi Botzke mit ihrem Mann in USA.

Gertrude Mensch wurde eine "renommierte Vertreterin ihrer Berufsgruppe", nämlich der Physiotherapeuten für Behinderte nach Aussage des Springer-Verlages (Springer), in dem noch 2013 eine Neuauflage eines ihrer diesbezüglichen Bücher erschien (13). Sie war mit ihrem Ehemann, dem Leipziger Gunter Mensch (1926-2011), 1955 nach Kanada ausgewandert (11). Aus ihrer Ehe ging die Tochter Ursula hervor. Gunter Mensch ging mit 35 Jahren noch einmal an die Universität und wurde Zahnarzt. Später schrieb er den monatlichen Rundbrief des örtlichen Rotary-Clubs, dem er angehörte (11). Er starb 2011. (2013 wurde als Adresse angegeben: "Gertrude Mensch 94 Aldercrest Ave. Hamilton, Ontario L9B1L4 Canada".) (Von ihrer Schwester findet sich im Internet die Adressangabe: Adelheid E Botzke age: ~79 Related to: Heidi Botzke, 80. Lothar Botzke. Has lived in: Batavia, OH Maineville, OH Morrow, OH.)

Ob sich wohl bei einer dieser Töchter ein Nachlass ihrer Eltern erhalten hat? Und ob sich in diesem dann auch Briefwechsel mit anderen Ludendorff-Anhängern, bzw. mit Mathilde Ludendorff finden?


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Abb. 6: Deutsche Weihnacht - Langspielplatte
*) Diese Schallplatte (1) ist zwar bei einem der größten und traditionsreichsten deutschen Schallplattenhersteller, Teldec, hergestellt worden, scheint aber dennoch sehr selten zu sein, denn lange konnte dieses Stück aus Kindertagen nicht wieder gefunden werden, bis wir - dankenswerter Weise - (im August 2016) durch einen freundlichen, 81-jährigen Leser eine Abbildung derselben zugeschickt erhalten haben (Abb. 1 und 6).
**) Ergänzung am 3.10.16: Nachdem gestern in einem Artikel in "Die Welt" etwas mißdeutend auf diesen Abschnitt des vorliegenden Blogartikels Bezug genommen wurde (s. Claudia Becker: Gerwald Claus-Brunner † - Eine Kindheit zwischen Schlägen und Verschwörungswahn. In: Die Welt, 02.10.2016, https://www.welt.de/vermischtes/article158505653/Eine-Kindheit-zwischen-Schlaegen-und-Verschwoerungswahn.html), sei zum Welteneschen-Mythos insgesamt noch auf den diesbezüglichen Wikipedia-Artikel verwiesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Yggdrasil. Dort heißt es, was auch Mathilde Ludendorff in ihrer philosophischen Deutung (14) wichtig ist: "Nach der Edda ist Yggdrasil der Thingplatz der Götter." 
- - - Exkurs: Übrigens heißt es auf diesem Wikipedia-Artikel auch: "In den schamanischen Kulturen des eurasischen Nordens finden sich ähnliche Vorstellungen des Weltenbaums, wie sie von Yggdrasil berichtet werden. Das Selbstopfer Odins an Yggdrasil, sein enger Bezug zur Ekstase und sein achtbeiniges Pferd Sleipnir sind Merkmale, die dem klassisch sibirischen Schamanismus sehr nahestehen." (Somit wird die Götterfigur Odin auch selbst aus diesem kulturellen Bereich stammen. Und damit wäre eine Frage geklärt, die einstmals vor allem von dem Religionshistoriker Bernhard Kummer aufgeworfen worden war, der der Ludendorff-Bewegung und Mathilde Ludendorff nahe gestanden hatte, und der die Ansicht vertreten hat, der Völkerwanderungsgott Wotan-Odin, sei ursprünglich kein typischer germanischer Gott gewesen. Siehe dazu seine Schrift von 1967: "Gott Odin, sein Chronist und sein Gefolge - Ein missionsgeschichtliches Problem und eine politische Gefahr". Diese wissenschaftlichen Ansichten wandten sich schon vor 1945 gegen die Odin-, bzw. Wotans-Verehrung innerhalb der SS und die damit verknüpfte Behauptung, schon die heidnischen Germanen hätten Männerbünde gekannt. Aber all das ist ein Thema, das in einen ganz anderen Fragenkreis gehört als in den hier im Blogartikel behandelten.)


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  1. Deutsche Weihnacht. Der Dissener Kinderchor unter Leitung von Gisela Kühl singt Lieder zur Wintersonnenwende. Langspielplatte. Zusammenstellung und Leitung: Gertrud Claus. Grafik von Erwin Klein (Osnabrück). Herausgegeben vom Verlag Walter Claus, Rothenfelde-Strang. Aufnahme und Herstellung: Teldec Schallplatten GmbH, ohne Jahr
  2. Graf, Gerhard (Hrsg.): Das Bekenntnis einer Neuheidin. Ein Brief aus der Ludendorffbewegung im Jahre 1935. In Herbergen der Christenheit. Jahrbuch für deutsche Kirchengeschichte 21/22 (1997/98), S. 267-269 (GB)
  3. Spilker, Annika: Geschlecht, Religion und völkischer Nationalismus. Die Ärztin und Antisemitin Mathilde von Kemnitz-Ludendorff (1877-1966). Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2013
  4. Tiemann, F. W.: Gedenkrede für den verstorbenen Syndikus a.D. Dr. jur. Curt Fritzsche am 25.4.1965 in Seelenfeld.
  5. Tiemann, F. W.: Trauerfeier und Urnenbeisetzung am 25.4.1965 in Seelenfeld für Dr. jur. Curt Fritzsche. (Bericht an die Kinder in den USA, 3 Seiten)
  6. Fritzsche, Herta: Ahnenweisheit in unseren Volksmärchen. Selbstverlag, Lengerich o.J. (24 S.)
  7. Fritzsche, Herta: Gottahnen und Gotterkennen in unserem Volke. im Selbstverlag der Verfasserin, Lengerich/Westf., Druck Hans Mihm, Kassel o.J. [zw. 1959 und 1962] (16 S.)
  8. Ins Märchenland - ein kleines Märchen für die Kleinen erzählt von Herta Fritzsche nach Bildern von Dorothea Müller. Verlag Bischof & Klein, Lengerich/Westfalen o.J. [nach 1945]
  9. Bading, Ingo: Hans Klein (1892-1962) - Ein Verleger in Lengerich/Westfalen.Studiengruppe Naturalismus, 2. Januar 2016, http://studiengruppe.blogspot.de/2016/01/eine-zeitgemaere-form-der-religiositat.html
  10. Paulitz, Frau: Niederschrift über die Tagung der Arbeitsgemeinschaft für Lebenskunde in Syke vom 9. bis 14. Oktober 1959 (27 Seiten)
  11. In Memory of Dr. Gunter Mensch April 20, 1926 - June 3, 2011. Orbituary (Dignitymemorial)
  12. Mensch, Gertrude; Ellis, Patricia M.: Physical Therapy Management of Lower Extremity Amputations. Lippincott Williams and Wilkins, 1986, 1987 (365 S.)
  13. Mensch, Gertrude; Kaphingst, Wieland: Physiotherapie und Prothetik nach Amputation der unteren Extremität. Springer-Verlag, 1997, 2013
  14. Ludendorff, Mathilde: Des Menschen Seele. (EA 1923) Verlag Hohe Warte, Pähl 2006 (Archive), S. 59-69

Sonntag, 24. April 2016

"Der leidenschaftliche Schwung ihrer Rede"

Erich und Mathilde Ludendorff als Redner und auf Vortragsreisen

In einem anderen Beitrag wurden inzwischen schon die Vortragsreisen Erich Ludendorffs nur allein im Jahr 1926 dokumentiert (7). Und in einem weiteren eine Vortragsreise beider im Januar 1928 in Württemberg (8). In dem vorliegenden Beitrag sollen alle erreichbaren Zeugnisse zusammen gestellt werden von Vortragsreisen von Erich und Mathilde Ludendorff in ganz Deutschland, also sowohl Fotografien wie Berichte.

Abb. 1: Mathilde Ludendorff, etwa 1927 (aus der Bild- und Spruch-Postkarte "Froh sei die Heimkehr zum Deutschen Glauben ...")

Welche Wirkung konnte Mathilde Ludendorff als Rednerin haben?

Schon am 3. Februar 1929 wurde in der Verbandszeitung des Tannenbergbundes, der "Deutschen Wochenschau" in dem Bericht "Ludendorff und Frau Ludendorff in Heilbronn und Ulm" festgehalten (zit. n. 8):

Lange vor Beginn der Versammlung war der Gartensaal der Harmonie in Heilbronn gedrückt voll. (...) Die Versammlungsteilnehmer kamen aus allen politischen Parteien und Verbänden und ganz besonders fiel die große Anzahl der Jungbauern auf. Es mögen 400 gewesen sein. (...) Die Versammlung verlief ruhig und würdig. Nach dem Vortrag konnten dem Schirmherrn und seiner Gemahlin die Führer der Jungbauern vorgestellt werden. (...) Die Vortragsreise in Württemberg endete am 16. 1. in Ulm. (...) Die Polizei verhinderte "aus Sicherheitsgründen" die Ausgabe von mehr als 1500 Karten (Fassungsvermögen 2000). (...) Jeder fühlte, da oben steht der Mann, in dessen Kopf die gewaltigen Schlachtenpläne des Weltkrieges reiften. (...) Der anschließende Vortrag seiner Gemahlin (...) begeisterte Männer und Frauen in gleichem Maße und man bedauerte, daß man ihren Worten nicht noch länger lauschen durfte.

Man hört hier insbesondere heraus die starke Wirkung von Mathilde Ludendorff als Rednerin. Von solchen Eindrücken über Erich und Mathilde Ludendorff als Redner gibt es von Zeitgenossen noch viele. Und sie sollen hier nach und nach gesammelt werden. Der eben geschilderte Eindruck wird noch bekräftigt von einem Eindruck nicht aus der Anhängerschaft selbst heraus, sondern wie er 1932 in einer Schrift über den Tannenbergbund (5) von Seiten des Pfarrers Dr. Kurt Hutten (1901-1979) (Wiki) über Mathilde Ludendorff als Rednerin festgehalten wurde (zit. n. 6, S. 31):

... Sie war außerdem eine glänzende Rednerin - in einer Versammlung 1932 in Stuttgart konnte ich den General Ludendorff und seine Frau hören; sie stellte ihn weit in den Schatten und faszinierte die Versammlung mit der Klarheit und dem leidenschaftlichen Schwung ihrer Rede.

Der Lebenslauf von Kurt Hutten ist im übrigen ein nicht ganz uninteressanter Lebenslauf in der protestantischen Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts. Hutten hat in den 1930er Jahren und danach viel über Fragen rund um den religiösen Aufbruch der damaligen Zeit zwischen Neuheidentum, Deutschen Christen und Bekennender Kirche publiziert. 1928 hatte er in Tübingen auffallender Weise bei dem Religionswissenschaftler Jakob Wilhelm Hauer promoviert. Er hat dann viele Jahre mit den völkischen "Deutschen Christen" sympathisiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er dann ... - nun: nichts weniger als der langjährige Leiter der "Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen", jene Zentralstelle, die heute zum Thema Ludendorff und völkische Religiosität wohl zumeist weniger wohlwollende Töne von sich hören läßt als ihr erster Leiter.

Herbst 1929 - Berlin-Charlottenburg

Christliche Gemeinden fühlten sich durch die Vorträge von Mathilde Ludendorff oft scharf angegriffen und versuchten sich zu wehren. Einen Eindruck davon erhält man auf der Internetseite der Evangelisch-Lutherischen Dreikönigsgemeinde Frankfurt am Main-Sachsenhausen in einer dort wiedergegebenen Predigt von Pfarrer Thomas Sinning (geb. 1957 in Frankfurt am Main) (DreiKö) aus dem Jahr 2008 (9):

Ein katholischer Christ namens August Biermann berichtete folgende Begebenheit. „Im Herbst 1929 ließ eine gewisse Mathilde Ludendorff Flugblätter verteilen und hielt Versammlungen, um das katholische Volk zum Austritt aus der Kirche zu bewegen. Diese Flugblätter wurden auch in unserer Pfarrei verteilt und riefen zu einer Versammlung in den Hohenzollernfestsälen. Tagesordnung: Austritt aus der Kirche.
An einem Sonntag war ich zum Hochamt in der Charlottenburger Herz-Jesu-Kirche. Pfarrer Lichtenberg bemerkte zum Schluß seiner Predigt: "Mathilde Ludendorff hat zu morgen, Montag Abend, 20 Uhr, eine Versammlung in den Hohenzollernfestsälen anberaumt mit dem Motto: ,Austritt aus der Kirche'. Wir gehen alle hin." Montag Abend war der Saal schon eine Viertelstunde vor Beginn der Versammlung beinahe überfüllt. Es waren etwa tausend Menschen anwesend. Ein Beauftragter von Mathilde Ludendorff eröffnete die Versammlung und hielt eine Rede, die mit Schmach und Hetze über den Papst und die Kirche erfüllt war. Der zweite Redner sprach ebenso und forderte zum Austritt aus der Kirche auf.
Da meldete sich Pfarrer Lichtenberg zur Diskussion. Er erhielt fünf Minuten Redezeit. Ruhig und souverän bestieg er die Bühne und begann: "Ich habe bloß fünf Minuten Redefreiheit, ich will mich kurz fassen." Er korrigierte dann sachlich, was an den Beiträgen der Vorredner falsch und verleumderisch war. Er forderte sie auf, wenn sie wieder in der Öffentlichkeit sprechen würden, sich zuerst die katholische Glaubenslehre anzusehen, damit sie nicht wieder Lug und Trug in die Welt posaunten. Dann schaute er auf seine Uhr und sagte: "Nun haben wir noch zwei Minuten Zeit, jetzt singen wir das Te Deum". Wie aus einem Mund erscholl das Lied: "Großer Gott, wir loben dich". Wenn ich an diesen Abend zurückdenke, dann muß ich sagen, nirgendwo, auch in keiner Kirche, habe ich das Te Deum so herzlich, so stürmisch und bekenntnisfroh gehört wie hier. Mathilde Ludendorff verließ über den hinteren Bühnenausgang eilig den Saal."
Der Pfarrer schließt daran die Lehre an:
Dieser Pfarrer und seine Gemeinde haben nicht unweise, sondern weise gehandelt. Denn hier haben die Christen mit ihren Lobgesängen und geistlichen Liedern mehr bewirkt als durch verbales Argumentieren möglich gewesen wäre.

Der hier handelnde katholische Pfarrer Bernhard Lichtenberg (1875-1943) (DHM) war Pfarrer der Herz-Jesu-Gemeinde in Berlin-Charlottenburg von 1913 bis 1930. Er war auch Mitglied der Zentrumspartei. Über ihn findet sich auf der Internetseite des Berliner "Deutschen Historischen Museums" folgende Angabe (DHM):

1929 In einem Schreiben an Reichspräsident Paul von Hindenburg protestiert er gegen die antikirchliche Agitation des "Tannenbergbunds" unter Erich von Ludendorff.

Er forderte also - offenbar - den Staat zum Einschreiten auf. Das hat Pfarrer Thomas Sinning nicht erwähnt. 1932 bis 1941 ist Lichtenberg Dompfarrer, bzw. -propst an der Berliner St. Hedwigskirche gewesen und hat dann sehr vorbildlich öffentlich und unauffällig gegen den nationalsozialistischen Terror und die nationalsozialistische Mordmoral gearbeitet. Im Jahr 2011 hat auch ein katholischer Pfarrer, Professor Dr. Georg May aus Bingen diese Vorgänge im Jahr 1929 aufgegriffen (10):

Vor allem aber kämpfte er für seine Kir­che. Es gab damals in Deutsch­land einen Mann namens Erich Luden­dorff. Gene­ral Luden­dorff war der Gene­ral­stabs­chef von Hin­den­burg im Ers­ten Welt­krieg gewe­sen. Nach dem Kriege betä­tigte er sich als welt­an­schau­li­cher Agi­ta­tor gegen die katho­li­sche Kir­che, die er mit Schmä­hun­gen über­häufte. Was tat Lich­ten­berg? Er schrieb dem Reichs­prä­si­den­ten Hin­den­burg einen Brief, in dem er ihn um Schutz vor den Tira­den von Luden­dorff bat.

Es sollte noch einmal heraus gesucht werden, wie sich dieselben Geschehnisse aus der Sicht des Ehepaares Erich und Mathilde Ludendorff und ihrer Anhänger ausnahmen.

Mai 1930 - In Schleswig-Holstein

Im weiteren vorwiegend eine Zusammenstellung von Fotografien, die in jener Zeit entstanden vor oder nach den eigentlichen Vorträgen.

Abb. 2: Tannenbergbund-Tagung auf dem Aschberg in Schleswig-Holstein am 31.5./1.6.1930 (aus: 1, S. 45)

Über die Veranstaltung auf dem Aschberg in Schleswig-Holstein Mai/Juni 1930 ist hier auf dem Blog ebenfalls schon ein eigener Aufsatz erschienen (Stud. Nat. 6/2015).

Juni 1930 - In Niedersachsen

Die Vortragsreise wurde am Folgetag, dem 2. Juni 1930 fortsetzt mit einer Vortragsveranstaltung in Seelenfeld in Westfalen. 

Abb. 3: Tannenbergbund-Tagung in Seelenfeld, 2.6.1930 (aus: 1, S. 46)

Links abgebildet ist der Lehrer Ludwig Peithmann (1887-1960), einer der Organisatoren dieser Tagung. Rechts von Erich Ludendorff geht wie auf Abb. 1 Major a. D. Hans Georg von Waldow. In der "Geschichte der Ludendorff-Bewegung" (von Hans Kopp, Bd. 1, S. 99) heißt es:

In Seelenfeld gründeten damals der Bauer Büsching und der Lehrer Peithmann die erste Ahnenstätte für Deutschgottgläubige. (...) "Mit einer Bauernmassenversammlung in Seelenfeld", berichtet Mathilde Ludendorff, "schloß diese Reise ab."

An der Tagung in Seelenfeld nahmen 2.000 Menschen teil.

Mai 1931 - In Mittweida, Thüringen

Am 12. Mai 1931 (zu Himmelfahrt) fand eine "Bundesführertagung" des Tannenbergbundes in Mittweida in Thüringen statt (Kopp 1975, S. 102f):

Das bleibende Ergebnis dieser Tagung war die Einrichtung einer Ludendorff-Buchhandlung in Berlin, der ersten Ludendorff-Buchhandlung.

Hiervon hat sich eine Fotografie erhalten.

Abb. 4: Bundesführertagung des Tannenbergbundes in Mittweida in Thüringen

Diese ist zunächst nur kleinformatig.

Dezember 1932 - In Berlin

Abbildung 5 zeigt Teilnehmer an einer Landesverbandstagung des Tannenbergbundes am 3. und 4. Dezember 1932 (1, S. 50). 

Abb. 5: Landesverbandstagung des Tannenbergbundes am 3. und 4. 12. 1932 (1, S. 50)

Rechts von Erich Ludendorff steht Robert Holtzmann (Landesführer Nordostdeutschland), der sitzende Mann ist ein Herr Swoboda (Landesführer Groß-Berlin). Links von diesem steht Major Wilhelm von Wedelstaedt (gest. 1950) (Gauführer Niederlausitz).

In Bispingen bei Soltau (undatiert)

Das Foto aus Abbildung 6 ist auf der Rückseite handschriftlich beschriftet mit den Worten:

General Ludendorff und Frau in Bispingen vor einer uralten kleinen Kirche.

Womöglich verwechselt diese Beschriftung die hier abgebildete neugotische Backsteinkirche von Bispingen mit der urtümlichen, mittelalterlichen Feldsteinkirche ebendaselbst. 

Abb. 6: Mathilde Ludendorff und Erich Ludendorff vor der Kirche in Bispingen bei Soltau, undatiert (Herkunft: Ebay, Herbst 2014)

Auf Wikipedia heißt es über Bispingen im Süden der Lüneburger Heide:

Zahlreiche Hügelgräber, Urnenfelder und prähistorische Funde beweisen, dass sich in diesem Raum bereits in vor- und frühgeschichtlicher Zeit Menschen ansiedelten. (…) Ein Gräberfeld in Volkwardingen enthält bronzezeitliche Hügelgräber.

Eine weitere Aufnahme von "einem Besuch in der Lüneburger Heide" ist ebenfalls undatiert und auch ohne konkretere Ortsangabe. 

Abb. 7: "General Ludendorff und Frau Dr. M. Ludendorff bei einem Besuch in der Lüneburger Heide"
[Privataufnahme]" (in: Das Wikingerschiff, 2/1938, S. 44)

Zu sehen sind drei Männer in Jäger- oder Försteruniform. Das Foto ist enthalten in der Ausgabe vom Februar 1938 von "Das Wikingerschiff - Monatsschrift für unsere Deutsche Jugend", die "dem Andenken des Feldherrn Ludendorff gewidmet" ist.

In Pommern (undatiert)

Das Foto in Abbildung 8 ist entstanden in Ückerhof (Wiki), einem Dorf in Hinterpommern, gelegen etwa 40 km südöstlich von Stettin und etwa 15 km östlich von Pyritz, 1 km nördlich des Plönesees.

Abb. 8: Mathilde und Erich Ludendorff "zu Besuch beim Siedelbauern Anton Bücheler am Ulenhof in Ückerhof (Pommern)" (3)

1910 zählte das Dorf knapp 100 Einwohner.

Februar 1933 in Hamburg

Das Foto in Abbildung 9 ist ebenfalls enthalten in "Das Wikingerschiff - Monatsschrift für unsere Deutsche Jugend" von 1938. 

Abb. 9: "General Ludendorff und Frau Dr. M. Ludendorff in Hamburg am 19. 2. 1933
[E. Ziese, Wandsbek]" (in: Das Wikingerschiff, 2/1938, S. 39)

Es ist offenbar angefertigt worden von der Verfasserin des parallelen Aufsatzes Elly Ziese aus Wandsbek bei Hamburg.

1948 - Lübeck - "Die bestbesuchte Veranstaltung seit Monaten"

In der Zeitung "Die Welt" vom 21. Oktober 1948 wird berichtet (12):

Vor ausverkauftem Haus sprach Frau Dr. Mathilde Ludendorff am Montagabend über den "Segen der Gotterkenntnis". Sie wolle ihre Lehre keinem Andersgläubigen aufzwingen und niemand bedrängen, da sich ihre "Gotterkenntnis" nur an die Suchenden wende, die nicht mehr an die herrschende Gotteslehre glauben könnten. Der Vortrag Mathilde Ludendorffs war die am besten besuchte Veranstaltung Lübecks seit der Währungsreform.

Die Währungsreform war im Juni 1948 durchgeführt worden. Am 24. Oktober 1948 wurde in der "Welt am Sonntag" sogar noch viel ausführlicher über diesen Vortrag berichtet. Es sei zitiert möglichst unter Weglassung polemischer Anteile (12):

In Lübeck hielt sie in einem der größten Säle der Stadt ihren feierlichen Einzug. (…) Sie durchscheritt den ganzen langen Saal, und nun kam das Verblüffende: das Publikum, etwa 1000 Personen, erhob sich spontan von den Sitzen. (…) Auch solche Sätze konnten registriert werden: "Als ich zwanzig Jahre nach Erscheinen meiner Werke dann zur Astrophysik und zur Atomphysik hinüberschaute …." In reichem Maße verwendete sie die schmückenden Beiworte "hehr", "edel" und "heilig". Sie sprach stehend mit einer Gestik der Hände, die einer erfahreneren Vortragskünstlerin alle Ehre machen würde. (…) Im Lübecker Kolosseum finden Meisterkonzerte mit berühmten Künstlern statt, die den Saal vielleicht halb füllen. (…) Mathilde Ludendorff aber schaffte es, daß am Montag um 14 Uhr der Saal (…) in seiner ganzen Größe gefüllt war. So etwas hat Lübeck seit der Währungsreform noch nicht erlebt. Und dabei wurde noch nicht einmal eine größere Reklame gemacht. Für die Zusammensetzung des Publikums war typisch, daß das älteste Element überwog. Aber auch ganz junge Menschen waren da.

Da gebeten worden war

von Beifallsbezeugungen abzusehen,

hätte man nicht das Ausmaß der Zustimmung des Publikums erfahren können. Der Artikel liest sich als ob der Verfasser vor 1945 ähnliche Berichte für den SD (Sicherheitsdienst) verfaßt hätte, die dann in allgemeine Lageberichte über die Stimmungslage der Bevölkerung eingeflossen sind. Vielleicht hat er nach 1945 einfach weiter gearbeitet wie das ja eher der Regel- als der Ausnahmefall gewesen ist bei Regimewechseln des 20. Jahrhunderts. In der Ausgabe vom 7. November wurden dazu noch drei Leserbriefe veröffentlicht, in denen es der damals üblichen persönlichen Herabsetzungen gegenüber Mathilde Ludendorff recht wild hagelte (12). Fast wirkt das so als seien da Menschen doch sehr besorgt gewesen ob der Wirkung, die von solchen Vorträgen ausgehen könnte und als ob man diese Wirkung nur durch solche hagelnden persönlichen Herabsetzungen abmildern könne.

1948/49 - Weitere Vorträge beunruhigen "das System"

Am 18. Dezember wird in der "Welt" berichtet, daß die nichtliberalen Parteien der Bremer Bürgerschaft sich gegen das öffentliche Auftreten von Mathilde Ludendorff in Bremen ausgesprochen hätten. Zwei liberale Parteien der Bürgerschaft hätten sich allerdings für die Versammlungs- und Pressefreiheit von Mathilde Ludendorff ausgesprochen (12), ein Standpunkt, den der Bremer Senat dann auch einige Monate später nach rechtlicher Prüfung bestätigte (siehe unten). Von ähnlichen Stellungnahmen berichtet aber dann am 25. Mai 1949 die "Hamburger Freie Presse" auch in Bezug auf Frankfurt am Main (12). Vom 27. Mai 1949 gibt es einen längeren Artikel des "Hamburgischen Weltwirtschafts-Archivs", in dem es - unter Weglassung arg polemischer Passagen - heißt (12):

Die Vortragstätigkeit Dr. Mathilde Ludendorffs fordert immer heftigere Proteste heraus. (…) Wenn das so weitergeht, wird die Witwe des Generalquartiermeisters (…) der Zahl ihrer Anhänger nach Aussicht auf einen Sitz im deutschen Bundesparlament haben. Parteien und Länderparlamente fordern ein Auftrittsverbot für Frau Dr. Ludendorff. (…) Es hat wie die überfüllten Säle (…) von Lübeck bis Stuttgart zeigen, nichts genützt.
In einem Dossier-Anhang zu diesem Artikel heißt es über Mathilde Ludendorff (12):
Hielt die Gedächtnisansprache bei einer "Tannenberg-Feier" im August 1947. (…) Tritt seit Herbst 1948 in den Westzonen Deutschlands als bei ihren Anhängern sehr erfolgreiche Vortragsrednerin auf, verursachte damit heftige Proteste von Länderparlamenten und Parteien.

Am 17. Juni 1949 wurde dann - man fühlt richtig das "Endlich" der herrschenden Klasse - von der baldigen Klageerhebung gegen Mathilde Ludendorff durch die Spruchkammer München berichtet (12). Von der erfolgten Klageerhebung ist dann in der "Welt" vom 3. September 1949 die Rede. Vom Spruchkammerverfahren erwartete man also die Einstellung der Redner-Tätigkeit Mathilde Ludendorffs, die ja dann auch wirklich für vier Jahre erfolgt ist. Am 13. August 1949 wird berichtet, daß der Bremer Senat geprüft habe, ob Mathilde Ludendorff der öffentliche Auftritt verboten werden könne, daß solches aber nicht im Einklang mit der Verfassung stünde (Niederdeutsche Zeitung, 13.8.49), denn (12):

Es habe sich auch kein Beweis dafür ergeben, daß die religionsphilosophischen Lehren von Frau Mathilde Ludendorff noch in einem Zusammenhang mit den Bestrebungen des früheren Tannenbergbundes stehen.

Die Badische Zeitung vom 3. September 1949 hielt in einem längeren Artikel über das "Haus Ludendorff" fest (12):

Bereits 1947 ließ man sie in der Stuttgarter Liederhalle öffentlich sprechen, und schon vorher war es ihr durch die Behauptung, sie habe gegen Hitlers Rassetheorien gekämpft, geglückt, von der Property Control der amerikanischen Militärregierung die Aufhebung der Beschlagnahme ihres Verlagsgrundstückes in der Romanstraße in München zu erlangen. 

_______________________________________________
  1. Duda, Gunther: Ein Kampf für Freiheit und Frieden. Ludendorffs Tannenbergbund 1925 – 1933. Verlag Hohe Warte GmbH, Pähl 1997
  2. Kopp, Hans: Geschichte der Ludendorff-Bewegung. Erster Band: 1925 - 1939. Verlag Hohe Warte, Pähl 1975
  3. Lichtbild von Else Scheidt. Beilage zur Monatsschrift "Deutschjugend" und "Heiho", Folge 4/1934, herausgegeben von Fritz Hugo Hoffmann, Frankfurt (Oder), gedruckt bei Karl Pfeiffer jun., Landsberg (Warthe)
  4. Das Wikingerschiff - Monatsschrift für unsere Deutsche Jugend. Druck und Verlag: "Das Wikingerschiff" (Lengerich i. Westf.) (Schriftleitung Frau Luise Raab-Goltz, Berlin-Pankow, Maximilianstraße 16), 5. Jahrgang 1938 (388 S.), Nr. 2, dem Andenken Erich Ludendorffs gewidmet
  5. Hutten, Kurt: Um Blut und Glauben - Evangelium oder völkische Religion? Steinkopf , Stuttgart 1932 (126 S.)
  6. Schnoor, Frank: Mathilde Ludendorff und das Christentum. Eine radikale völkische Position in der Zeit der Weimarer Republik und des NS-Staates. Dr. Hänsel-Hohenhausen, Egelsbach u.a. 2001
  7. Bading, Ingo: 1926 - Ein Jahr des Umbruchs im Leben Erich Ludendorffs Eine Art Chronologie zu einem wenig behandelten - aber vielleicht bedeutungsschwersten - Jahr im Leben Erich Ludendorffs. Stud. gr. Naturalism., 25. März 2016, http://studiengruppe.blogspot.de/2016/03/1926-ein-jahr-des-umbruchs-im-leben.html
  8. Bading, Ingo: "Wir verlebten schöne Stunden in diesem Hause" - Das Ehepaar Ludendorff in Wildberg im Schwarzwald im Jahr 1929. Stud.gr. Nat., 11. Juli 2017, http://studiengruppe.blogspot.de/2017/07/wir-verlebten-schone-stunden-in-diesem.html 
  9. Sinning, Pfarrer Thomas: Predigt: 18. Sonntag nach Trinitatis - Eph. 5, 15-21. Gehalten am 21.09.2008 im Kantatengottesdienst mit der Kantate „Nach dir Herr, verlanget mich“ BWV 150 in der Bergkirche, Frankfurt am Main
  10. May, Georg: Bernhard Lichtenberg – ein Kämpfer für Gott. Predigt, 17.7.2011, Bingen
  11. Kock, Erich: Er widerstand: Bernhard Lichtenberg, Domprobst bei St. Hedwig, Berlin. Morus-Verlag GmbH, 1996 (238 S.) (GBücher) 
  12. Zeitungsartikel über Mathilde Ludendorff. In: Pressemappe 20. Jahrhundert der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW). http://webopac.hwwa.de/PresseMappe20E/Digiview_MID.cfm?mid=P011697

Samstag, 23. April 2016

Erich Ludendorffs militärwissenschaftliche Schriften über einen neuen Krieg (1930 bis 1937)

Ende der 1920er und in den 1930er Jahren machten sich viele Menschen auf der Nordhalbkugel Gedanken über einen neuen Weltkrieg. In vielen europäischen Staaten bündelten sich diese Gedanken zunächst in Hinblick auf das Jahr 1932, später auf das Jahr 1941. Einer der frühesten Hintergrundpolitik-Kritiker weltweit - und bis heute sicher der namhafteste - Erich Ludendorff, zugleich der bedeutendste Militär seiner Epoche, hat sehr frühzeitig in diese nur zum Teil öffentliche, zum größten Teil hinter verschlossenen Türen stattfindende Debatte eingegriffen. Und zwar  mit mehreren Veröffentlichungen. Zunächst mit seinem Buch "Kriegshetze und Völkermorden in den letzten 150 Jahren",  das zuerst 1928 erschien und bis 1939 zahlreiche Folgeauflagen erlebte (1).

Sodann mit seinem Buch "Weltkrieg droht auf Deutschem Boden" aus den Jahren 1930 und 1931 (2).

Und schließlich mit seinem Buch "Der totale Krieg" aus dem Jahr 1935.

Abb. 1: Buch-Werbeblatt für Ludendorffs Schrift "Weltkrieg droht auf deutschem Boden", etwa 1930

In den Jahren 2008 und 2010 behandelte der polnische Historiker Bogdan Musial Präventivkriegspläne der Sowjetunion für das Jahr 1932 oder später (2, 3) und bestätigte dabei sehr deutlich die Sorgen, die Erich Ludendorff schon 1929/30 in seinen Aufsätzen und in seinem Buch sehr konkret geäußert hatte.

Der vorliegende Beitrag soll dazu dienen, nach und nach ein rundes Bild rund um diese Debatten nach heutigem Wissens- und Forschungsstand zu erarbeiten und dabei die Beiträge Erich Ludendorffs in diese sachgemäß einzuordnen.

Abb. 2: Werbeplakat von Hermann Rehwaldt, um 1930

So bietet es sich zum Beispiel an, einmal die Prognosen aus Ludendorffs Buch aus dem Jahr 1930 über den Verlauf eines künftigen Weltkrieges zu vergleichen mit dem tatsächlichen Verlauf zwischen 1939 und 1945. In groben Zügen hatte Erich Ludendorff diesen Verlauf schon im Jahr 1930 richtig vorausgesagt.

Er hatte nämlich unter anderem ausgeführt, daß der Krieg enden würde mit einer Eroberung Osteuropas durch die Sowjetunion bis zu einer Linie, die sich von der Ostsee bis zur Adria ziehen würde. Sodann daß er die Verwüstung ganzer Städte und Landstriche mit sich bringen würde, sowie die Umvolkung ganzer Provinzen und Landesteile. Eben: "Weltkrieg auf deutschem Boden".

Abb. 3: Werbeplakat von Lina Richter, um 1930

Franz von Papen - Kriegshetzer seit 1927

Der Katholik, das Herrenclub-Mitglied, der Reichskanzler, der jungkonservative, antibolschewistische Kreuzritter, Monarchist und Steigbügelhalter Adolf Hitlers Franz von Papen (Wikip.) - er ist im Nürnberger Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher 1946 in allen Punkten freigesprochen worden. Es geschah dies unter anderem auf Fürsprache des sich in seinen Erinnerungsbüchern Satanismus-nah äußernden Hans Bernd Gisevius.

Und doch war von Papen einer derjenigen, die zwischen 1927 und 1932 den Interventionskrieg gegen Rußland forderten und zu diesem Zweck Adolf Hitler an die Macht verhalfen (Wikip.):

Papen war ein enger Freund des für seine antisowjetischen Pläne bekannten Industriellen Arnold Rechberg. Am 31. Juli 1927 schrieb Papen an den Zentrumspolitiker und Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Bank Hans Graf von Praschma:
„[Es] scheint mir eins das Vordringlichste der europäischen Politik: Die Beseitigung des bolschewistischen Brandherdes“.
In einem Antwortbrief vom 12. August 1927 stimmte Praschma dem ausdrücklich zu. Am 10. Juni 1932, zehn Tage nachdem Papen Reichskanzler geworden war, hielt er im Deutschen Herrenklub, dem unter anderem 100 führende Industrielle und Bankiers, 62 Großgrundbesitzer und 94 ehemalige Minister angehörten, im Beisein der Naziführer Göring, Röhm und Goebbels, eine Rede, in der er sein Projekt einer gegen die Sowjetunion gerichteten deutsch-französischen Koalition vorstellte und er rief dazu auf, daß sich alle Staaten unter der Parole „Tod dem Bolschewismus“ zusammentun sollten. In mehreren Gesprächen mit französischen Politikern unterbreitete Papen sein antisowjetisches Bündnisangebot. Seine Pläne scheiterten jedoch und die sowjetische Regierung wurde von französischer Seite über von Papens Aktivitäten informiert.

Diese Vorgänge sind selbsterklärend. Wichtig ist, daß von Papen über diese Pläne auch mit französischen Politikern zumindest hatte sprechen können.

Abb. 4: Ludendorffs Volkswarte, 10. Januar 1932

Starb Josef Pilsudski 1935 eines natürlichen Todes?

Mit diesen französischen Politikern sprachen in jener Zeit auch polnische Politiker über den bevorstehenden Ausbruch eines mitteleuropäischen Krieges (4, 5).

Der polnische Staatschef Josef Pilsudski (1867-12.5.1935) (Wiki) forderte ihnen gegenüber 1933 wiederholt einen Präventivkrieg gegen Deutschland (Wikip.). Zu diesem Zweck wurde 1932 ein polnisch-sowjetischer Nichtangriffspakt abgeschlossen.

Nachdem die Westmächte einen Präventivkrieg schlußendlich doch ablehnten, schloß Polen mit Deutschland 1934 einen Nichtangriffspakt ab. Dieser half dann dabei mit, daß sich Naziregime in Deutschland festigen konnte.

Abb. 5: "Der totale Krieg" von E. Ludendorff, 1936 (OA. 1935)

Als Pilsudski im Mai 1935 starb, wurden über die Todesursachen die unterschiedlichsten Angaben in den Zeitungen gebracht. Ein Ludendorff-Anhänger, der Amtsrichter Dr. Rudolf Sand aus Bonn-Bad Godesberg, hat diese damals gesammelt und an Ludendorff gesandt. Als Antwort schrieb Ludendorff am 26. Mai 1935 (7):

Auch über diesen Tod herrscht Dunkel - es ist ein eigenartiger "Zufall"- wir können nur immer wieder in unseren Kreisen aufklären. Das neue Buch meiner Frau ist für alle Deutschen, namentlich auf für unsere Rechtsgestaltung wichtig - es lebe die Freiheit
Ludendorff

Dieses neue Buch war wohl "Der ungesühnte Frevel an Luther, Lessing, Mozart und Schiller", dessen Neuauflage - das 40. bis 43. Tausend - am 20. Mai 1935 in der Halbmonatszeitschrift der Ludendorff-Bewegung ("Quell") angekündigt worden war. Ein halbes Jahr nach Erhalt dieser Berichte von Rudolf Sand hat Ludendorff dann seine Zweifel an den offiziell genannten Todesursachen von Josef Pilsudski öffentlich geäußert. Er schrieb in der Ausgabe vom 20. Februar 1936 seiner Halbmonatsschrift "Quell" (zit. n. 7):

Schon vorher waren in Polen Morde vorgekommen, die den Belangen (...) freimaurerischer Politik entsprachen, da "Deutschfreunde" die Opfer waren. Der auch für die "hohe" Politik "zur rechten Zeit" eintretende Tod Pilsudskis hat mich eigenartig berührt, nicht minder die getrennte Beisetzung von Herz, Kopf und Gebeinen Pilsudskis. Verbreitet wurde zwar, solche unerhörte Zerstückelung seines Leichnams entspräche - für mich überraschenderweise - seinen Wünschen, aber sie erinnert auch an die Schändung des Leichnams Schillers durch seine freimaurerischen Gegner. Außerdem erscheint es mir nicht ausgeschlossen - doch habe ich noch keine feststehenden Beweise dafür -, daß Pilsudski selbst Freimaurer war, der indes in seiner Politik mit Deutschland freimaurerischen Wünschen nicht mehr folgte.
Der Abbau der auf ein Zusammengehen mit Deutschland hinzielenden Politik Pilsudskis in Polen ist typisch freimaurerisch. (...) Das Kabinett wurde durch Polen ersetzt, deren Haltung gegen Deutschland eine ganz andere war, als sie Pilsudski tatsächlich (...) vertrat.

In den Folgemonaten beobachtete Ludendorff in seiner Zeitschrift immer wieder sehr genau das  Ringen deutschfreundlicher mit deutschfeindlichen Kräften in der Regierungsspitze Polens (ausführlich behandelt und dokumentiert in: 7). So schreibt er am 20. November 1936 (zit. n. 7; Hervorh. n. i. Orig.):

Marschall Rydz-Smigly, der als Deutschenfreund nicht anzusprechen ist, erhielt den Marschallstab und erhielt damit ganz ausgesprochen die Stellung, die Marschall Pilsudski innehatte, der indessen größten Wert auf gute Beziehungen zu Deutschland legte. Mein Werk "Weltkrieg droht auf deutschem Boden" hatte günstig auf ihn eingewirkt.

Bekannt ist ja heute, daß Pilsudski just in den Jahren 1932 und 1933 im Zusammenwirken mit dem französischen Generalstab sehr konkrete Präventivkriegsabsichten gegenüber Deutschland hegte. Womöglich wußte oder ahnte er aber auch von den gleichzeitigen Kriegsplänen Stalins (2). Da könnte es durchaus Anlaß gegeben haben, daß ihn das Buch des vormaligen bedeutendsten Generals des Ersten Weltkrieges, der bei einem kommenden Krieg nicht nur eine Vernichtung Deutschlands, sondern auch Polens durch die Sowjettruppen voraussagte, nachdenklich gemacht hat. Interessant ist jedenfalls auch folgende Angabe über Pilsudski auf Wikipedia (Wiki):

Verheiratet war er in erster Ehe mit Maria Juszkiewiczówna. Da diese geschieden war, trat er vor der Eheschließung (...) zur evangelisch-lutherischen Kirche über. Während des Ersten Weltkrieges kehrte er zur römisch-katholischen Kirche zurück. Mit seiner späteren Gefährtin Aleksandra Szczerbińska hatte er zwei Töchter, Wanda und Jadwiga. Er heiratete Aleksandra erst nach dem Tod der ersten Ehefrau.

Darin könnte sich ja doch zumindest eine gewisse kritische Distanz oder doch nur geringe Gebundenheit gegenüber der römisch-katholischen Kirche und ihren (politischen) Interessen widerspiegeln.

Auf welche sonstigen Morde an "Deutschenfreunden" in Polen sich Ludendorff in seinem Artikel bezogen hat, müßte noch einmal gesondert herausgesucht werden. 

Gut bekannt ist ja heute jedenfalls die Ermordung des polnischen Generals Sikorski (Wiki) durch die Churchill-Regierung im Jahr 1943. Welche Churchill danach dann in einer typischen zynischen Gaunersprache mit Roosevelt besprechen sollte. Und zwar weil sich Sikorski den Nachkriegsplänen der "demokratischen" Westmächte, nämlich der Sowjetisierung Europas bis an die Elbe, in den Weg gestellt hatte, unter anderem, indem er beharrlich auf die Täterschaft der Sowjetregierung an den Morden von Katyn hinwies. (Welche Verruchtheit der Westmächte übrigens aus diesen Vorgängen zu schließen ist, ist im Grunde gar nicht mit Worten zu kennzeichnen.) 

Auch hinsichtlich des Flugzeugabsturzes in Smolensk (Wiki) im Jahr 2010, bei dem der polnische Staatspräsident Lech Kaczyński und zahlreiche andere ums Leben gekommen sind, wird ja von vielen Seiten ein politisches Attentat angenommen.

Abb. 6: "Der totale Krieg" von Erich Ludendorff, 1937 (OA. 1935)

Wie sehr auch die sowjetische Regierung und der Marschall Tuchatschewski in jenen Jahren mit dem Ausbruch eines großen europäischen Krieges rechneten, geht aus den Veröffentlichungen des Historikers Bogdan Musial hervor (4, 5). 

Der ukrainische Hungerholocaust der Jahre 1931/32 wurde vor allem deshalb ausgelöst, weil die Sowjetunion fieberhaft aufrüstete und zu diesem Zweck Devisen brauchte, die sie sich durch Getreideverkäufe im Ausland besorgte.

Abb. 7: "Kriegshetze und Völkermorden in den letzten 150 Jahren" von E. Ludendorff, 1937 (OA. 1928)

Ludendorff durchschaute die Kungeleien der politischen Gruppierungen um Franz von Papen und Adolf Hitler sehr früh. Er warnte deshalb seit 1929 vor dem Ausbruch eines neuen großen europäischen Krieges (2). Er schrieb (2, S. 7):

Die Machtsysteme lassen das Gewitter eines neuen Weltkrieges sich über der Erde zusammenballen. Die erzählende Kriegsliteratur über den letzten Weltkrieg und über den kommenden Weltkrieg nimmt bereits seit einigen Jahren an Umfang zu. "Sybillen" treten, wie vor 1914, auf, um ihn zu "prophezeien". Überall, an den Börsen sowohl wie in den ärmsten Hütten, wird mit erschreckender Wahrscheinlichkeit von dem kommenden Weltkrieg gesprochen. Die Militärmächte treffen ihre Vorbereitungen. Regierungen und Volksvertretungen erhalten die passende Zusammensetzung.
Nach den Reichstagswahlen vom September 1930 setzte er an dieser Stelle als Anmerkung hinzu (2, S. 7):
Vor dem Weltkriege erhielt der Deutsche Reichstag durch die Wahl von 110 Sozialdemokraten die Zusammensetzung, die für die Sabotierung des Sieges des Deutschen Heeres besonders günstig war. Heute senden die überstaatlichen Mächte in Ausnutzung des Deutschen Freiheitsdranges Nationalsozialisten in großer Zahl in den Reichstag, um das Hereinführen Deutschlands in den Krieg zu ermöglichen.
Wahrlich eine seherische Aussage. Und weiter im Haupttext (2, S. 7):
Die Deutsche Presse aller Richtungen bringt fortgesetzt Nachrichten über Kriegsvorbereitungen und Kriegshetze. Sie ergänzen mir die Mitteilungen, die ich hierüber unmittelbar erhalte.
Abb. 8: "Der totale Krieg" von E. Ludendorff auf Griechisch, 1938

Daß zu diesen überstaatlichen Mächten, die die NSDAP vom Ausland aus finanzierten, unter anderem die großen Bankhäuser der Wallstreet gehörten, ist schon früh vermutet worden (8-11).

Frankreich sollte durch den Aufstieg der Hitler-Bewegung in Deutschland veranlaßt werden, sich den Plänen der Wallstreet gefügiger zu zeigen, wie schon in einem Buch im Jahr 1933 geschrieben wurde, das vom Verlag bald zurückgezogen wurde und nur in wenigen Exemplaren zur Auslieferung gekommen war (10):

Im Tausch dafür sollte dann Frankreich für den Fall eines deutschen Angriffs amerikanischen und englische Unterstützung zugesagt werden.

Bis heute jedoch sind jene, die Deutschland schon seit 1930 mit Hilfe der Hitler-Bewegung in einen neuen Weltkrieg stürzen wollten, darunter die Kreise rund um den jungkonservativen Franz von Papen, nicht als die eigentlich Schuldigen am Zweiten Weltkrieg in den Vordergrund gestellt worden. Vielmehr wurde ein Franz von Papen in Nürnberg freigesprochen.

Vielmehr wurde die gesamte Schuld am Zweiten Weltkrieg "dem deutschen Volk" aufgelastet  - ein Vorgehen, das der heute gängigen Definition von "Rassismus" entspricht. Und es wurden nur nationalsozialistische "Vordergrund-Politiker", Symbol-Figuren in Nürnberg verurteilt. Ein so wichtiger Hintergrundpolitiker wie Werner Best konnte lebenslang in Deutschland leben, ohne verurteilt zu werden.

Abb. 9: "Kriegshetze und Völkermorden in den letzten 150 Jahren" von E. Ludendorff, 1939 (OA 1928)

Diese Helfer Hitlers, die wenig oder nie verurteilt worden sind bis heute, ja, die den Blicken der Öffentlichkeit sogar bis heute zumeist sorgsam entzogen geblieben sind, weil sie nach 1945 ebenso fröhlich weiter politisch aktiv gewesen sind wie bis 1945, müssen von einer alternativen Öffentlichkeit und Geschichtsschreibung noch viel deutlicher herausgehoben werden, als das bis heute geschehen ist.

Als gutes Beispiel kann auch Ernst Achenbach dienen, der 1933 bei den deutschen Industriellen Spenden für die NSDAP sammelte, in den 1950er Jahren bei den deutschen Industriellen Spenden für die FDP sammelte, und der den Bundespräsidenten Walter Scheel begleitete zum Abschluß von was ....? Zum Abschluß der Ostverträge 1970. Was für ein Lebensgang. Solche Biographien waren über die Epochenjahre 1933 und 1945 und 1970 hinweg möglich.

"Der totale Krieg" (1935)

In diesen ganzen Zusammenhang ist dann auch das das Buch Erich Ludendorffs "Der totale Krieg" einzuordnen. Von der Geschichtswissenschaft wird dieses Buch heute zumeist noch ganz isoliert gesehen und nicht in das Gesamtwirken Erich Ludendorffs eingeordnet. Von daher werden heute in der Geschichtswissenschaft ganz lächerliche Thesen über Erich Ludendorff vertreten. In einer Ebay-Anzeige vom April 2016 wird über dieses Buch ausgeführt (von Anbieter "shrimp-box", eBay-Mitglied seit 24. Sep. 2000):

Verkaufe antiken Klassiker: 1. Auflage von "Der totale Krieg" von General Ludendorff von 1936 Theorie und Praxis 1943-1945. General Ludendorff ist als Held von Lüttich und als maßgeblicher Kopf der erfolgreichen Tannenberg- und Masurenschlacht im Jahre 1914 unzertrennlich mit der deutschen Militärgeschichte verbunden. Dem Nachdruck dieser Ludendorffschen Schrift aus dem Jahre 1935 sind im Anhang Dokumente aus den Jahren 1943 bis 1945 beigegeben, welche die tatsächliche, vom Verfasser prophezeite Metamorphose des Krieges illustrieren: Sie verdeutlichen, wie in der entscheidenden Phase des Zweiten Weltkrieges auf deutscher Seite Ludendorffs Diktum vom Totalen Krieg als dem kürzesten Krieg beschworen wurde. Nach der angelsächsischen Doktrin, den bewaffneten Kampf nicht nur gegen die feindliche Streitmacht, sondern auch gegen den feindlichen Staatsbürger zu führen, blieb es allerdings in der Folge der sich überstürzenden Ereignisse den US-Amerikanern überlassen, diese These in bis heute gültiger Art zu belegen: Mit den singulären US-Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 wurde der Krieg auf eine Stufe der Totalität gehoben, die selbst heute, nach fast 70 Jahren, unübertroffen ist.

Wenn man davon absieht, daß man dieses Zitat auch als eine Rechtfertigung von Goebbels'schem Maulheldentum lesen könnte, lesen sich diese Worte ansonsten sehr informiert. Es wäre sicherlich nicht uninteressant, den Anhang des hier erwähnten Nachdrucks einmal durchzusehen. 

Natürlich wäre das Buch "Der totale Krieg" im vorliegenden Beitrag noch viel umfangreicher zu erörtern und einzuordnen, als es allein durch dieses Zitat hier zunächst in einem ersten Zugriff geschehen soll.

________________

  1. Ludendorff, Erich: Kriegshetze und Völkermorden in den letzten 150 Jahren im Dienste des "allmächtigen Baumeisters aller Welten". Vernichtung der Freimaurerei durch Enthüllung ihrer Geheimnisse, Teil II. Selbstverlag (Fortschrittliche Buchhandlung) München 1928 (174 S.); Ludendorffs Volkswarte Verlag, München 1930 (51. - 60. Tsd., 160 S.); Ludendorffs Verlag, München 1931 (61. - 70. Tsd., 172 S.); 1934; Erg. u. neu bearb. 1935 (76.-80. Tsd., 188 S.); Ergänzt u. neu bearb.. 1936 (81.-85 Tsd., 191 S.); Erg. u. neubearb. vom Verf. 1939 (91. - 93. Tsd., 228 S.); 1940 (94. - 96 Tsd., 228 S.); Faksimile der im 76. - 80. Tsd. erschienenen Ausgabe. Archiv-Edition, Viöl/Nordfriesland 1999
  2. Ludendorff, Erich: Weltkrieg droht auf Deutschem Boden. Ludendorffs Volkswarte Verlag München 1930 (93 S.) (51.-80. Tsd., 101.-150. Tsd.); 1931 (151.-200. Tsd., 201.-250. Tsd.); Faksimile-Verlag, Bremen 1985 (93 S.) (Unveränderter Nachdruck der Ausgabe München, Ludendorffs Volkswarte-Verlag, 1931); Archiv Edition, Verl. für Ganzheitliche Forschung, Viöl 2004 (Faksimile der 1930 im 51. bis 80. Tausend im L. Volkswarte-V. erschienenen Aus. 93 S.)
  3. Ludendorff, Erich: Der totale Krieg. Ludendorffs Verlag, München 1935 (130 S.)
  4. Musial, Bogdan: Kampfplatz Deutschland. Stalins Kriegspläne gegen den Westen. Propyläen, Berlin 2008
  5. Musial, Bogdan: Stalins Beutezug. Die Plünderung Deutschlands und der Aufstieg der Sowjetunion zur Weltmacht. Berlin 2010
  6. Neue Archivfunde belegen: Polen plante 1932 Krieg gegen Deutschland. In: Junge Freiheit, 04/2007, zit. n.: Politik.de, 26.1.2007
  7. Werner, Walther (Pseudonym?): Erich Ludendorff über die polnisch-deutschen Beziehungen 1936/37. In: MuM, 9.4.1979, S. 289-294 [zitiert einen Brief Ludendorffs an Rudolf Sand aus dem Jahr 1935]
  8. Carmin, E.R.: Das schwarze Reich. Geheimgesellschaften. Templerorden, Thule-Gesellschaft, Das Dritte Reich, CIA. Nikol Verlagsgesellschaft, Hamburg 2002 (zuerst 1997)
  9. Bading, Ingo: Die Wallstreet kaufte Hitler - Allen Dulles, der CIA und seine Verbindungsleute in Deutschland erledigten alles weitere. GA-j!, 25.12.2010
  10. Warburg, Sidney: De geldbronnen van het National-Socialisme. Drie gesprekken met Hitler. Vertaald door J.G. Schoup. Amsterdam 1933; zit. nach Carmin (siehe 6.), S. 223f
  11. Deschner, Karlheinz: Der Moloch. „Sprecht sanft und tragt immer einen Knüppel bei euch!“ Zur Amerikanisierung der Welt. Weitbrecht, Stuttgart 1992

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