Dienstag, 20. März 2018

Neue Quellen zur Geschichte der völkischen und Ludendorff-Bewegung in Ostpreußen (1925 bis 1945)

Ein Herr Vonberg in Bartenstein in Ostpreußen (gest. 1926) 
- Ein "Veteran" der völkischen Bewegung im Umfeld der "Deutschvölkischen Freiheitspartei"

Im März 2018 wurden vier Briefdokumente bekannt, die Erich Ludendorff in den Jahren 1925 und 1926 an Käthe Vonberg in Bartenstein in Ostpreußen, bzw. an ihren Ehemann gerichtet hat. Bei diesem Vonberg könnte es sich - nach Ort, Name und weiteren personellen Verbindungen - um einen Bruder des im letzten Blogartikel behandelten Friedrich von Berg handeln (1). Deshalb wurde in erster Auswertung hier auf dem Blog eine Darstellung der politischen Biographie von Friedrich von Berg zusammen gestellt (1).

Dieser Bruder wird in den Briefen von Erich Ludendorff als "Veteran der Bewegung", sicherlich der völkischen Bewegung in Ostpreußen, angesprochen. Als solcher könnte er sich noch in deutlich anderen politischen und soziokulturellen Verhältnissen bewegt haben als sein viel bekannterer Bruder Friedrich von Berg. Deshalb werden in diesem vorliegenden Blogartikel die Ausführungen aus dem vor einer Woche veröffentlichten Artikel (1) ausgegliedert.

Die neu bekannt gewordenen Schreiben dürften nicht ganz unwesentlich das Wissen um die Geschichte der völkische Bewegung in Ostpreußen der Jahre 1925 und 1926, sowie auch der Biographie Erich Ludendorffs jener Jahre ergänzen. Sie bringen natürlich - wie fast immer - viele Fragen der historischen Ein- und Zuordnung mit sich. Fragen in Richtung auf die Geschichte der Familie von Berg auf Gut Markienen bei Bartenstein in Ostpreußen, sowie Fragen, in welche Art von Berührung der Hausminister der Hohenzollern Friedrich von Berg und der ihm gut bekannte deutsche Kronprinz Wilhelm (1882-1951) (Wiki), sowie dessen Sohn Wilhelm (1906-1940) (Wiki) der Freimaurer-kritischen, völkischen Bewegung ihrer Zeit in Ostpreußen und in Königsberg gekommen sind. Es handelt sich dabei um Fragen, die schon in einem früheren Beitrag hier auf dem Blog angerissen worden waren (2).

Mai 1924 - Wahlerfolg der "Deutsch-Völkischen Freiheitspartei" in Ostpreußen


Über die Geschichte der antisemitischen und völkischen Bewegung in Ostpreußen wird berichtet (3):
Wie überall im Reich nahmen auch in Ostpreußen antisemitische Ausschreitungen und Attacken zu. Bereits im Oktober 1919 entstand als Zusammenschluß mehrerer rechtsextremer Organisationen der "Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund", dessen einziges Ziel der Kampf gegen die "Judenrepublik" war.
Es ist über sie zu erfahren (4, S. 168):
Vor dem Ersten Weltkrieg haben antisemitische Parteien in Ostpreußen keine Wahlerfolge erzielt; die Hochburgen dieser Parteien liegen in protestantisch-pietistischen Gebieten in Norddeutschland, im Königreich Sachsen und im Großherzogtum Hessen. Bereits 1921 ist es in Ostpreußen in den großen Städten wie Allenstein, Elbing und Königsberg zu ersten Zusammenschlüssen von Nationalsozialisten gekommen, noch vor 1923 gibt es in der Provinz auch erste Formationen der "Sturmabteilung" SA. (...) Wie überall im Reich schließen sich die Nationalsozialisten in Ostpreußen jetzt paramilitärischen Verbänden wie dem Stahlhelm sowie deutschvölkischen Gruppierungen an, so etwa dem "Preußenbund", dem "Bund Oberland" und dem "Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund". Vor allem die Zusammenarbeit mit der Deutsch-Völkischen Freiheitspartei (DVFP) ermöglicht es den Nationalsozialisten, in Ostpreußen in organisierter Form weiterhin politisch tätig zu sein. In der Provinz erzielte das "Vereinigte Liste der Deutsch-Völkischen Freiheitspartei und der NSDAP" genannte Wahlbündnis bei den Reichstagswahlen vom 5. Mai 1924 mit 8,6 % ein gutes Ergebnis. Innerhalb weniger Jahre hat sich die Provinz zu einer Hochburg antisemitischer Parteien entwickelt.
Am 1. April 1924 wurde Adolf Hitler im Hochverrats-Prozeß in München wegen des Hitler-Ludendorff-Putsches am 9. November 1923 zu Festungshaft verurteilt. Erich Ludendorff wurde freigesprochen. Erich Ludendorff versuchte in der Folge, die völkische Bewegung reichsweit weiter zu führen und zu einigen. Man entschied sich, an der Reichstagswahl vom 5. Mai 1924 teilzunehmen- Und man erzielte dabei Erfolge, wie sie völkische Parteien bis 1930 nicht mehr erreichen sollten im Deutschen Reich. Doch schon im Juni 1924 kam es innerhalb der völkischen Bewegung - insbesondere aus der bayerischen NSDAP heraus - zu schweren persönlichen Angriffen gegen Erich Ludendorff. Zu den schärfsten Gegnern Erich Ludendorffs innerhalb der NSDAP gehörte der damals erst 24-jährige Hermann Esser (1900-1981) (Wiki). Auf Wikipedia heißt es über ihn:
Gegen die Konkurrenz (...), die Nationalsozialistische Freiheitsbewegung, polemisierte Esser 1924, deren Vorsitzender Erich Ludendorff habe sowohl im Weltkrieg als auch beim Putsch versagt. Die Vorwürfe, die in der als "alljüdisch" geltenden Frankfurter Zeitung veröffentlicht worden waren, sorgten für erhebliche Empörung im völkischen Lager.
Dieser Aufsatz von Hermann Esser war schon im Juni 1924 veröffentlicht worden. Aber die Auseinandersetzungen mit Esser blieb noch bis weit in das Frühjahr 1925 hin lebendig. Denn Esser erhielt die ganze Zeit über - zwar nicht offen, aber unterschwellig - Zuspruch und Unterstützung von Adolf Hitler selbst aus der Haftanstalt heraus (5, S. 62-64).

Im August 1924 besuchten Hindenburg und Ludendorff zunächst einmal wieder Ostpreußen zur Feier des zehnten Jahrestages der Schlacht von Tannenberg. Ludendorff selbst war vor den geplanten Feierlichkeiten in Königsberg und auf dem Schlachtfeld bei Osterode zu einem "Ostpreußentag" nach Tilsit im Memelland gefahren, und zwar am 24. und 25. August 1924. In seinen Lebenserinnerungen berichtet er weiter (6, S. 355):
Am 26. ging es dann weiter durch das Samland nach Königsberg. (...) In Königsberg wohnte ich bei der Familie Döring. Herr und Frau Döring standen an der Spitze der Deutschvölkischen Freiheitpartei in Königsberg und nahmen mich gastlich auf.*)
Dieser Besuch wird hier deshalb erwähnt, weil dieses Ehepaar Döring für die im folgenden zu schildernden Zusammenhänge von Bedeutung ist, aber sonst von Erich Ludendorff in seinen Lebenserinnerungen nicht erwähnt wird.

April 1925 - "Ehrgeizlinge und ihr "talmudisches Denken"


Im Februar 1925 wurde die NSDAP neu gegründet. Am 9. April 1925 hatte Erich Ludendorff - wie jedes Jahr - zu seinem Geburtstag viel Geburtstags-Post erhalten, diesmal vermutlich auch von einem Herrn Vonberg aus Bartenstein in Ostpreußen. Dieser hatte sich in seinem Brief - vermutlich - als einen "Veteranen" der völkischen Bewegung in Ostpreußen vorgestellt oder bezeichnet. 

Abb. 1: Schreiben Erich Ludendorffs an Herrn Vonberg in Bartenstein, ohne Jahr, vermutlich 14. April 1925
(Herkunft: Ebay, März 2018)

Jedenfalls lautete das Antwortschreiben Erich Ludendorffs vom 14. April, dessen Jahreszahl zwar nicht bekannt ist, dessen Inhalt aber am besten zum Jahr 1925 paßt:
14/4.
Geehrter Herr Vonberg!
Die Wünsche eines Veteranen der Bewegung sind für mich wertvoll. Sie werden mit mir fühlen, wie schlecht es mit ihr bestellt ist, seitdem Ehrgeizlinge, ihr Wesen und ihr Treiben u. talmudisches Denken zu herrschen beginnt.
Mit Deutschem Gruß
Ludendorff.
Es scheint unwahrscheinlich, daß dieser Brief schon im April 1924 geschrieben wurde. Denn zu dieser Zeit führte man noch Wahlkampf und es bestand Einigkeit innerhalb der völkischen Bewegung in Deutschland. In diesem Brief wird sich vielmehr die Stimmung wiederspiegeln während des Zerfalls der von Ludendorff geführten "Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung" dadurch, daß Hitler nach seiner Freilassung mit anderen, die hier Ludendorff als "Ehrgeizlinge" bezeichnen könnte, in München die NSDAP neu gründete. Worauf sich dabei genauer Ludendorffs Vorwurf vom "talmudischen Denken" bezieht, muß an dieser Stelle aber zunächst offen bleiben.

Die Tatsache, daß Ludendorff Vonberg als "Veteranen der Bewegung" anspricht, könnte darauf hindeuten, daß Vonberg schon vor 1914 in der völkischen Bewegung in Ostpreußen tätig gewesen ist. Vielleicht hat er schon damals - als Folge seines völkischen Denkens, das eine Bevorrechtigung des Adels ablehnte - seinen Namen von "von Berg" zu "Vonberg" umgeändert. Ähnliches ist ja auch bei vielen anderen Familiennamen zu beobachten.*)

Mai 1925 (?) - "Nehmen Sie meinen Dank"


Herr Vonberg könnte noch im gleichen Monat April 1925 ein weiteres mal an Erich Ludendorff geschrieben haben. Jedenfalls liegt aus demselben familiären Nachlaß noch ein weiterer Brief Ludendorffs an Vonberg vor, dessen Jahreszahl ebenfalls schwer zu entziffern ist (Abb. 2).

Abb. 2: Erich Ludendorff an Vonberg, 6.5.1925 (?)
(Herkunft: Ebay, März 2018)

Der Wortlaut dieses Briefes zumindest soweit entzifferbar:
München, den 6.5.25. (?)

Geehrter Herr Vonberg.
Nehmen Sie meinen Dank für Ihren Brief. Die Kluft (?) ... besteht (?) jetzt (?) bereits. Wir schlafen (?) weiter.
Mit Dank u. Gruß
                                  Ludendorff.
Da die hier vorgeschlagene Lesart bis auf weiteres sehr unsicher erscheint, ist diesem Brief zunächst nicht viel an Aussage zu entnehmen. Vielleicht bezieht er sich aber ebenfalls auf den Zerfall der Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung im Jahr 1925.

Das nächste zu behandelnde Dokument in diesem Zusammenhang wurde dann vermutlich ein knappes Jahr später versendet. 

April 1926 -  Eine Dankeskarte Erich Ludendorffs


Aus demselben familiären Briefnachlaß wie die beiden eben zitierten Briefe stammt - nach Angaben der Ebay-Verkäuferin - nämlich auch eine signierte, ansonsten gedruckte Dankeskarte, die Erich Ludendorff im April - sicherlich als Dank für Geburtstagswünsche - versandte (Abb. 3).

Abb. 3: Gedruckte Dankeskarte, München, April 1926 (oder 1924?)
(Herkunft: Ebay, Februar 2018)

Da hier die Jahreszahl ähnlich wie im letzten hier zu behandelnden Brief (siehe Abb. 4) geschrieben ist, könnte angenommen werden, daß auch diese Dankeskarte aus dem Jahr 1926 stammt. (Ansonsten könnte auch die Jahreszahl "1924" in Erwägung gezogen werden.)


Dezember 1926 - Ein Beileidsschreiben Erich Ludendorffs


Der letzte Brief aus dem Dezember 1926 ist es eigentlich erst, der die historische Zuordnung des gesamten hier behandelten Konvoluts erlaubt. Es ist nämlich der einzige Brief, für den noch ein Briefumschlag erhalten ist. Und auf diesem ist er interessanterweise adressiert an eine "Frau Käthe Vonberg, Bartenstein". Von der Anbieterin wird der Brief aufgrund des Datums im Poststempel auf der Briefmarke ("27 DEZ 26.") auf das Jahr 1926 datiert.***) (Da ausgerechnet hinter der 26 ein Punkt ist, könnte das Datum theoretisch natürlich auch gelesen werden als "26. Dezember 1927". Da müßte uns ein Briefmarken-Kenner einmal aufklären.)

Abb. 4: Beileidsschreiben Ludendorffs an Frau Vonberg in Bartenstein, Dezember 1926
(Herkunft: Ebay, März 2018)

Die handgeschriebene Jahreszahl im Brief selbst ist von Erich Ludendorff sehr undeutlich geschrieben, aber vielleicht soll es sich ja bei ihr auch um eine "26" handeln. Der Brieftext (soweit erkennbar):
München, den 27. 12. 1926 (?)
Sehr geehrte Frau Vonberg!
Hauptmann Döring sandte mir Ihre Anzeige über das plötzliche Ableben Ihres Herrn Gemahls. Auch ich möchte da nicht unter den wärmstens Anteilnehmenden fehlen und Ihnen mein herzlichstes Beileid zu dem schweren Verlust aussprechen, den aber nicht nur Sie und die Kinder, sondern wir Völkische in unserer Gesamtheit erlitten haben.
Ihr Ludendorff
Da als Adresse "Bartenstein" angegeben ist, ist es immerhin mehr als nahe liegend zu vermuten, daß es sich um einen Bruder des schon eingangs erwähnten Friedrich von Berg (1) handelt, bzw. bei Käthe Vonberg um dessen Schwägerin.

Es kann ja immerhin sogar weiter gemutmaßt werden, daß dieser Bruder in einem gewissen politischen Spannungsverhältnis zu Friedrich von Berg gestanden hat. Mehrmals deutet sich in der Biiographie von Friedrich von Berg an, daß dieser als konservativer Monarchist, sowie Seeckt- und Hindenburg-Freund in Gegnerschaft zu den damaligen "Völkischen" geriet, etwa 1932 innerhalb der Adelsgenossenschaft.

Auch nach dem Wortlaut dieses Briefes muß man nicht annehmen, daß Erich Ludendorff diesem Herrn Vonberg jemals persönlich begegnet ist, sondern vor allem den hier dokumentierten brieflichen Kontakt mit ihm hatte. Die Tatsache, daß er erwähnt, daß die Völkischen in ihrer Gesamtheit den Verlust erlitten haben, zeigt wohl auf, daß Vonberg nicht nur ein gewöhnliches Mitglied der völkischen Bewegung in Ostpreußen war und als solches galt.

Und um es erwähnt zu haben: Ludendorff konnte ja zum Ableben des Friedrich von Berg im Jahr 1939 keinen Beileidsbrief mehr senden, da er selbst schon 1937 gestorben war. Auch scheint ja doch Friedrich von Berg eben nicht jene dezidiert völkische Einstellung vertreten zu haben, die in dem Beileidsschreiben von Ludendorff bei dem Gestorbenen voraus gesetzt wird, und mit der er sich als "Veteran der Bewegung" Ludendorff gegenüber hätte bezeichnen können.

1931 - Der Hohenzollern-Prinz Wilhelm über Ludendorffs Freimaurer-Kampf


Abb. 5: Der vormalige Kaiser Wilhelm II. (Mitte) mit seinem ältesten Sohn Kronprinz Wilhelm (links) und dessen Sohn Prinz Wilhelm (rechts) - Doorn in den Niederlanden, 1927

1957 erhielt Mathilde Ludendorff ausgerechnet von einer Frau L. Döring (nun wohnhaft in Hann. Münden) Mitteilungen über das Verhältnis Kaiser Wilhelms II. zur Freimaurerei (2, 7). Sie berichtete darüber in ihrer Zeitschrift "Quell" (7) (Hervorhebung nicht im Original):
Ende Juni erhielt ich eine Nachricht, die mir sehr lieb ist. Herr Walter Kahlewey, der in der Schlacht bei Tannenberg das Augenlicht verloren hat und später mit dem Feldherrn in Freimaurerangelegenheiten eng zusammengearbeitet hat, sandte einen Brief, den Frau L. Döring, Hann. Münden geschrieben hat. In ihm berichtet sie über die Wirkung, die das Werk des Feldherrn "Vernichtung der Freimaurerei" auf Kaiser Wilhelm in Doorn gemacht hat. Ich möchte diese Worte im Wortlaut unseren Lesern bekannt geben:
"Prinz Wilhelm, der älteste Sohn des Kronprinzen, sagte mir 1931 in Königsberg, daß dieses Werk des General Ludendorff den Kaiser in Doorn tief erschüttert habe. Mit diesem Werk habe sich Ludendorff wieder unsterblich gemacht."

Prinz Wilhelm fiel im Frankreich-Feldzug 1940.
Das heißt also, die genannte Frau L. Döring sprach 1931 in Königsberg mit dem Prinzen Wilhelm. Und es ist naheliegend anzunehmen, daß das Gespräch deshalb auf Ludendorffs Freimaurerkampf kam, weil das Ehepaar Döring eben schon 1924 zum Führungspersonal der Deutschvölkischen Freiheitspartei in Ostpreußen gehörte. Und aus diesen Worten dürfte weiterhin hervorgehen, daß nicht nur der letzte Kaiser und sein ältester Sohn, sondern auch der älteste Enkelsohn des letzten Kaisers, der Prinz Wilhelm viel Anteil genommen hat an dem Kampf Erich Ludendorffs gegen die Freimaurerei. Mathilde Ludendorff schrieb 1957 weiter über den Dezember 1937, als Erich Ludendorff starb, sowie über den Besuch des Kronprinzen am 9. April 1935 in Tutzing (7):
Wenn ich bedenke, wie sehr des Kaisers Brief an den sterbenden Feldherrn ihm damals eine Freude war, so erfahre ich jetzt in tiefer Freude, daß das Werk "Vernichtung der Freimaurerei" dem Kaiser offenbar die Augen über die Urheber des Zusammenbruchs trotz aller Siege des Feldherrn geöffnet hat. Hiermit ist es auch geklärt, weshalb der Kronprinz bei seinem Besuche in unserem Hause anläßlich des 70. Geburtstages des Feldherrn so voll überzeugt war von der Gefahr der überstaatlichen Mächte und deshalb auch - nach dem Hohenzollern-Rechte hierzu befugt - seinen Söhnen verboten hatte, in die Loge einzutreten.
In den gleichen Zeitraum wird fallen, worüber Mathilde Ludendorff ein Jahr später in derselben Zeitschrift berichtete (2):
Prinz Wilhelm, der älteste Sohn des Kronprinzen, der in Frankreich im 2. Weltkrieg an der Front gefallen ist, antwortete im kleinen Kreise, als gesagt wurde, daß die ganze Öffentlichkeit General Ludendorff nun totschwiege, seit er den Kampf gegen die Freimaurerei aufgenommen habe: "Die Welt habe von Ludendorffs Buch 'Vernichtung der Freimaurerei' usw. mit Entsetzen Kenntnis genommen. Ludendorff habe das große Verdienst, daß er diese Veröffentlichungen mit seinem unsterblichen historischen Namen gemacht habe."
Auffallend könnte erscheinen, daß Mathilde Ludendorff die Mitteilungen der Frau L. Döring nur über einen dritten erhielt. Man könnte mutmaßen, daß das Ehepaar Döring in Königsberg den Weg hinweg vom Christentum, den Erich Ludendorff nach 1926 eingeschlagen hat, nicht mehr mit gemacht hat, daß das Ehepaar sich aber im Umfeld der Familien Vonberg und von Berg bewegte, in der es auch auf den Prinzen Wilhelm 1931 gestoßen sein kann.

Jedenfalls wird man durch das neu bekannt gewordene Beileidsschreiben Erich Ludendorffs aus dem Dezember 1926 auf eine ganze Menge von neuen möglichen, bzw. sich andeutenden Zusammenhängen verwiesen, deren sich selbst Fachleute bislang nicht bewußt gewesen sein dürften, und die den Eindruck machen als ob es lohnend sein könnte, ihnen weiter nachzugehen.

Das Leben und Wirken des Friedrichs von Berg - sowie gegebenenfalls das seines uns namentlich noch nicht bekannt gewordenen Bruders - macht verständlicher, in welchem Rahmen politischen Denkens und Handelns sich auch dasjenige Erich Ludendorffs bewegte zwischen 1917 und 1933. Auch Erich Ludendorff hielt ja bis an sein Lebensende engen Kontakt zum deutschen Kronprinzen und verfolgte auch das Schicksal von dessen Sohn mit großer Aufmerksamkeit weiter (2). Durch das neu bekannt gewordene Beileidsschreiben Erich Ludendorffs aus dem Jahr 1926 fällt also viel Licht auf Zusammenhänge, deren man sich ohne diese neue Quelle nicht leicht hätte bewußt werden können.

Alles in allem wird man jedenfalls annehmen können, daß Friedrich von Berg noch einen Bruder hatte, der mit der genannten Frau Käthe Vonberg verheiratet war, daß sie beide Kinder hatten, und daß Herr Vonberg aus politischer Anhänglichkeit Erich Ludendorff in den Jahren 1925 und 1926 Briefe schrieb und sich in diesen als "Veteran der Bewegung" kennzeichnete, also damals - wie das Ehepaar Döring in Königsberg - zu den leitenden Persönlichkeiten der Deutschvölkischen Freiheitspartei in Ostpreußen gehörte. Entweder wohnte dieser Bruder mit Frau und Kindern ebenfalls auf dem Gut seines Vaters Markienen bei Bartenstein oder in der nahe gelegenen Stadt Bartenstein, wo ja auch sein Bruder Friedrich von Berg in jüngeren Jahren Gerichtsassessor war.

Wolfgang Jacobeit, DDR-Volkskundler, als Sohn eines Ludendorff-Anhängers - Jahrgang 1921

Der Professor für Volkskunde an der Humboldt-Universität in Berlin von 1961 bis 1986, Wolfgang Jacobeit (geb. 1921) (WerwarwerinderDDR), hat im Jahr 2000 Erinnerungen veröffentlicht (8). Diese wurden breiter rezensiert (9, 10). Aus diesen geht hervor, daß er in Lyck in Ostpreußen aufgewachsen ist als Sohn eines dortigen Gymnasiallehrers und einer Konzertsängerin. Sein Vater, Herbert Jacobeit, war ein überzeugter Ludendorff-Anhänger. Wolfgang Jacobeit wurde 1941 zum Wehrdienst eingezogen, kam aber bis 1945 nie zum Kriegseinsatz. 1943 heiratete er in Elbing. Nach 1945 entschied er sich bewußt zu der der Weltanschauung seines Vaters gegenteiligen. Wie das so viele seiner Generation taten. 1956 ist er sogar von Westdeutschland in die DDR übersiedelt. Dort lebt er lange Jahre in Birkenwerder. Als seine Frau zur Leiterin der Gedenkstätte des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück ernannt wurde, wechselte er seinen Wohnort nach Fürstenberg an der Havel, wo er wohl noch heute ansässig ist. Seine erste Frau und die Kinder wandten sich - offenbar noch in der DDR-Zeit - der anthroposophischen Bewegung zu, die Jacobeit ebenso heftig ablehnte wie zuvor die "Ludendorfferei" seines Vaters (10). In einer Rezension wird über seine Jugenderinnerungen berichtet (9):
Der Vater, Gymnasiallehrer, war zeit seines Lebens ein fanatischer Anhänger Ludendorffs und des besonders auch durch dessen Frau Mathilde verbreiteten völkischen Mystizismus - wütend zerriß er 1931, als Hitler sich mit Ludendorff überwarf, das Mitgliedsbuch der NSDAP, der er sich schon zu Beginn der zwanziger Jahre angeschlossen hatte. Der musisch interessierten ...
In seinen Lebenserinnerungen berichtet Jacobeit, daß sein Vater zwei Brüder hatte, Edmund Jacobeit und Horst Jacobeit, die ähnlich wie sein eigener Vater gesinnt gewesen waren (8, S. 15):
Herbert und Edmund studierten in Jena weiter, waren aber völkisch-nazistischen Kreisen verbunden und beide brüsteten sich noch später, vom Jenaer Rathaus einmal die schwarz-rot-goldene Fahne herunter ....
In seinen Erinnerungen heißt es wörtlich weiter über das schon erwähnte Mitgliedsbuch der NSDAP seines Vaters, soweit das bislang auf Google Bücher eingesehen werden kann (8, S. 16):
.... NSDAP, zerriß sie in kleine Stücke und warf sie in den Papierkorb. Was war der Grund? Hitler und Ludendorff, die beiden Rädelsführer des Novemberputschs von 1923, hatten sich irgendwie entzweit, und dies später mit gewissen Folgen für die Anhänger der Weltanschauung von Mathilde und Erich Ludendorff. Das war nicht nur für meinen Vater Anlaß, der Nazipartei den Rücken zu kehren und sich ausschließlich einer fast abgöttisch-unterwürfigen Verehrung der Ludendorffs und ihrer "Deutschen Gotterkenntnis" sowie der Propagierung ihrer zahlreichen Schriften vor allem gegen die Juden, die Freimaurer, Jesuiten und deren vermeintliche Verbrechen an deutschen Geistesgrößen der Vergangenheit, zu widmen. Es ...
Und (8, S. 16):
... Sack und Pack in die masurische Stadt Marggrabowa, wo Vater tatsächlich als Studienrat für Mathematik und Physik, man kann sagen, endlich nach Herzenslust so agieren konnte, wie er es sich wohl immer gewünscht hatte. Er kannte keinen Feierabend, experimentierte in einem neu eingerichteten Physiklabor und bereitete dort den Unterricht für den nächsten Tag ... 
Und (8, S. 17):
.... diskutierten lautstark und waren sich darüber einig, daß die Nazis bald abgewirtschaftet haben würden. Mit dem Tod Ludendorffs 1937 und dem angeordneten Staatsbegräbnis vor der Münchner Feldherrnhalle - mein Vater nahm voller Erschütterung daran teil - kam es zur Versöhnung zwischen Hitler und Mathilde Ludendorff.
Der letzte Teilsatz ist nicht richtig. Schon vor dem Tod Ludendorffs war es im März 1937 zu einer - rein äußerlichen - "Versöhnung" Erich Ludendorffs mit Hitler gekommen. Nach dem Tod Erich Ludendorffs hatte Mathilde Ludendorff vielmehr große Schwierigkeiten, die Selbständigkeit ihrer Bewegung gegenüber den Vereinnahmungs- und Überschluckungsversuchen staatlicher Stellen und der NSDAP usw. zu bewahren. Dementsprechend wurde ihrem Verlag auch gleich bei Kriegsbeginn 1939 das Papier entzogen, so daß ihre Zeitschrift nicht weiter erscheinen konnte, während Regime-treue Zeitschriften weiterhin fröhlich erscheinen konnten. Jacobeit also diesbezüglich wenig kenntnisreich weiter (8, S. 17):
Warum auch nicht? Denn ich vermag auch heute noch kaum gravierende Unterschiede zwischen beiden Ideologien zu erkennen. Der Antisemitismus der Ludendorffer gebärdete sich nicht anders als der des "Stürmer". Die Irrationalität in "Glaubensfragen" war bei beiden im Prinzip nicht zu unterscheiden usw., was Herbert Jacobeit und andere zu extremen Ludendorff-Anhängern und zu Verfechtern der Deutschen Gotterkenntnis (Ludendorff)" werden ... 
Und (8, S. 18):
Herbert Jacobeit verhielt sich ausgesprochen extrem, wenn ich nur daran denke, daß meine Mutter und ich viele Abende damit zubrachten, seinen Lesungen aus dem neuesten Heft des "Heiligen Quell" nicht nur zuzuhören, sondern sogar den Inhalt einzelner Abschnitte mit eigenen Worten ...
Und (8, S. 18):
Handgewebtes trugen die Frauen und hatten immer Sprüche oder Sentenzen von Mathilde Ludendorff parat. Mein Vater trieb einen regelrechten Personenkult um den "Feldherrn" und seine Frau, der sich kaum von dem der Nazis unterschied und deren zumindest ideologischer Beitrag zum Holocaust nicht von der Hand zu weisen ... 
Das ist natürlich heftiger Toback und zeigt, daß sich der Sohn Wolfgang Jacobeit mit der Moral der Philosophie von Mathilde Ludendorff nie beschäftigt haben kann. Man fragt sich, wie es um das Verhältnis des Sohnes zu seinen Eltern und zu seinen Onkeln nach 1945 bestellt gewesen ist. Über die Jugendlektüre, die Jacobeit vermutlich über sein Elternhaus erhielt, wird berichtet (8, S. 23):
... oder Gustav Freitags "Germanentreue", die mit "Ingo und Ingraban" begann, rechnen würde. (...) Von der Ludendorffschen "Aufklärungsliteratur" etwa zur Marneschlacht 1914 habe ich kaum Notiz genommen. Der Kult um "den Feldherrn" hat mich zu sehr ....
Interessanterweise berichtet er (8, S. 32):
In Lyck gab es auch einen anderen, eher akademischen Kreis von Ludendorff-Anhängern, die sich regelmäßig trafen, dann aus den weltanschaulichen Schriften namentlich von Mathilde Ludendorff lasen, die sich in ihrer völkischen Haltung einig waren und die dennoch mit Nazis nichts zu tun haben wollten; sie hatten alle etwas Sektiererhaftes ...
Aus diesen Auszügen geht hervor, daß es durchaus lohnend sein dürfte, diese Erinnerungen noch einmal vollständig und im Gesamtzusammenhang für das hier behandelte Thema auszuwerten.

Überhaupt dürfte es allmählich Sinn machen, die Erinnerungen zahlreicher Kinder von Eltern, die insbesondere vor 1945 Ludendorff-Anhänger waren, und deren Kinder sich nach 1945 von dieser Weltanschauung abgewendet haben, im Überblick auszuwerten. Dazu wurden hier auf dem Blog auch schon die Erinnerungen des Westpreußen Einar Schlereth ausgewertet, der Ludendorff-Anhänger als Eltern hatte. Er ist Jahrgang 1937 (Stud. Natur 2016).

Zu diesem Thema ist hier auf dem Blog inzwischen ein eigener Blogartikel erschienen.

/Ergänzt um die Abschnitte mit den 
Literaturangaben 8-10 am 24.6.2018./
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*) Er schreibt weiter:
In der Veranstaltung in der Stadthalle sprachen außer mir der Forstmeister Gieseler aus Taberbrück nördlich Osterode, der die Deutschvölkische Freiheitpartei der Provinz leitete, und Hauptmann Röhm, der sich in meiner Begleitung befand. Auch diese Feier war von hohem Schwunge getragen.
Abb. 6: Datum des Poststempels
**) Beispielhaft sei etwa erinnert an den deutschen Anthropologen Andreas Vonderach (geb. 1964) (Wiki), dessen Familienname ursprünglich "von der Ach" lautete. Im übrigen hat es schon während der Revolution von 1848 in Meßkirch in Oberschwaben einen "M. Vonberg" gegeben, der dort einen Aufruf verfaßte (GB). Auch die Namensform "Vonberg" war also schon seit langem keine ungewöhnliche.
***) Der Poststempel auf der Briefmarke des Briefumschlags: Abb. 6.
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  1. Bading, Ingo: Friedrich von Berg, der Hausminister des deutschen Kaiserhauses (1917 bis 1933) - Ein Angehöriger der politischen Elite rund um Hindenburg und Seeckt, ein Sachwalter der Interessen der Hohenzollern-Monarchie zwischen 1917 und 1933, ein Funktionär streng konservativer politischer Verbände. Auf: Studiengruppe Naturalismus, 14. März 2018, http://studiengruppe.blogspot.de/2018/03/die-familie-friedrich-von-berg-in.html
  2. Bading, Ingo: Der deutsche Kronprinz - Begeistert von der Philosophie Mathilde Ludendorffs ... Und mit Vater und Sohn nicht nur ein Verehrer Erich Ludendorffs, sondern begeistert von dessen Freimaurer-Kampf. Studiengruppe Naturalismus, 4. April 2015, http://studiengruppe.blogspot.de/2015/04/der-deutsche-kronprinz-war-begeistert.html
  3. Kossert, Andreas: Damals in Ostpreußen. Der Untergang einer deutschen Provinz. 2010
  4. Pölking, Hermann: Ostpreußen - Biographie einer Provinz. bebra-Verlag, Berlin-Brandenburg 2012 (GB)
  5. Plöckinger, Othmar: Geschichte eines Buches - Adolf Hitlers "Mein Kampf". 1922-1945. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2011 (GB)
  6. Ludendorff, Erich: Vom Feldherrn zum Weltrevolutionär und Wegbereiter Deutscher Volksschöpfung. Meine Lebenserinnerungen 1919 bis 1925. Ludendorffs Verlag, München 1940 (Gb)
  7. Ludendorff, Mathilde: Eine beachtliche Äußerung. In: Der Quell, Folge 19, 9.10.1957, S. 911 (Gb)
  8. Wolfgang Jacobeit: Von West nach Ost und zurück. Autobiographisches eines Grenzgängers zwischen Tradition und Novation. Westfälisches Dampfboot 2000 (298 S.) (GB)
  9. Rezension von 8. in: Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (IWK), Band 37 (Friedrich-Ebert-Stiftung, Forschungsinstitut, Historische Kommission zu Berlin), Verlag Historische Kommission, 2001 (GB), S. 510
  10. Thomas Scholze: Rezension zu: Jacobeit, Wolfgang: Von West nach Ost - und zurück. Autobiographisches eines Grenzgaengers zwischen Tradition und Novation. Münster 2000 , in: H-Soz-Kult, 17.04.2001, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-1094>.

Mittwoch, 14. März 2018

Friedrich von Berg, der Hausminister des deutschen Kaiserhauses (1917 bis 1933)

Ein Angehöriger der politischen Elite rund um Hindenburg und Seeckt, ein Sachwalter der Interessen der Hohenzollern-Monarchie zwischen 1917 und 1933, ein Funktionär streng konservativer politischer Verbände

"Gebot über allen Geboten:
Deutschland, wahre die Ehre!"

(Exzellenz Friedrich von Berg, 
vormaliger Oberpräsident von Ostpreußen 
- im Jahr 1923)

Nur Fachleuten sagt heute noch etwas der Name Friedrich von Berg (1866-1939) (WikiBundesarchiv) (1, 2). Fachleuten für die Geschichte Ostpreußens, Fachleuten für die politische Geschichte der Endjahre des Ersten Weltkrieges, Fachleuten für die Geschichte der Weimarer Republik, Fachleuten für die Geschichte streng konservativer Verbände dieser Zeit. Bis vor wenigen Tagen war auch dem Autor dieser Zeilen der Name Friedrich von Berg nicht geläufig. Jedoch hatte Friedrich von Berg zu seinen Lebzeiten in Ostpreußen und darüber hinaus einen bekannten Namen, schon weil er aufgrund seiner Verwaltungslaufbahn bis an die Spitze der Provinzverwaltung Ostpreußens aufgestiegen war.

Der viel schreibende und dabei immer stark Stimmung machende Kommunist Kurt Tucholsky kannte die damaligen deutschen Bollwerke gegen den Kommunismus genauer als viele andere. Und er rannte gegen diese unentwegt an in seinen Zeitungsartikeln. In diesen fand dementsprechend auch der ostpreußische "Erzreaktionär" Friedrich von Berg wiederholt Erwähnung (21). In Ostpreußen selbst galt Friedrich von Berg nur als "Exzellenz von Berg". 1926 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Königsberg verliehen. Er war Oberpräsident Ostpreußens während des Ersten Weltkrieges gewesen, Freund und lebenslanger Berater Kaiser Wilhelms II. (1859-1941) (Wiki), Hausminister des deutschen Kaiserhauses und Angehöriger der konservativen Elite rund um Paul von Hindenburg und Hans von Seeckt. Er war Vorsitzender des reaktionären "Adelsverbandes" und einflußreiches Mitglied zahlreicher anderer völkischer Verbände der frühen 1920er Jahre. Aufgrund dieser vielfältigen Tätigkeiten war sein Gut Markienen bei Bartenstein in Ostpreußen Anlaufpunkt bekannter Persönlichkeiten (Ostpreußen):
In der Kaiserzeit und während der Weimarer Republik war Markienen wegen des hochangesehenen Besitzers Friedrich von Berg Besuchsziel vieler Prominenter. Das Kronprinzenpaar war öfter hier, auch Reichspräsident v. Hindenburg und die Generale v. Mackensen, v. Seekt und v. Fritsch.
Eine Beschäftigung mit dem Leben dieses Friedrich von Berg erweitert das Bild der deutschen Geschichte und der Geschichte Ostpreußens zwischen 1914 und 1933 um eine bedeutende Komponente. Sie kann helfen, geschichtliche Vorgänge und Entwicklungen dieser Jahre deutlich besser zu verstehen, nicht zuletzt überhaupt das Ringen Deutschlands und Ostpreußens um ihr politisches und kulturelles Überleben.

Abb. 1: Friedrich von Berg (1866-1939), Hausminister des Hohenzollern-Hauses, enger Freund des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, Förderer der deutschnationalen und völkischen Kräfte in Ostpreußen

Im März 2018 wurden drei handgeschriebene Briefe Erich Ludendorffs und eine Postkarte aus den Jahren 1925 und 1926 bekannt, die geschrieben sein könnten an einen Bruder von Friedrich von Berg, bzw. an dessen Gattin Käthe Vonberg. Dieser Bruder wird in diesen Briefen von Ludendorff als "Veteran der Bewegung", sicherlich der völkischen Bewegung in Ostpreußen, angesprochen. Diese Briefe und Fragen nach ihrer historischen Einbettung lenkten die Aufmerksamkeit des Autors dieser Zeilen auf die Person Friedrichs von Berg. Diese Briefe und ihr Empfänger werden in einem weiteren Blogbeitrag gesondert behandelt (38), da scheinbar dieser Herr Vonberg sich in einem anderen politischen und damit vielleicht auch soziokulturellen Bezugsrahmen bewegt hat als jenem, von dem die Biographie Friedrich von Berg's geprägt ist.

August 1914 - Russen-Einfall in Ostpreußen


Die hier zu erzählende Geschichte des Friedrich von Berg beginnt - wie so vieles - im Jahr 1914. Tief hat das Schicksal Deutschlands während des Ersten Weltkrieges die Menschen aufgewühlt. Es gibt wohl keine deutsche Provinz, die so viele leidvolle Erfahrungen in dieser Zeit gesammelt hat wie Ostpreußen. Sowohl während des Krieges wie auch in der Zeit der Abstimmungskämpfe danach, sowie in der Zeit des Lebens mit dem sogenannten "Korridor", als Ostpreußen vom übrigen Reich durch polnisch gewordenes Staatsgebiet abgetrennt worden war. Beim letzteren handelt es sich um einen Umstand, der auch von dem Ministerpräsidenten Preußens, dem Sozialdemokraten Otto Braun, niemals anerkannt worden ist.

Zu diesen Schicksalen gehört, daß beispielsweise auch das Gutshaus des Landeshauptmanns von Ostpreußen, des eingangs genannten Friedrich von Berg, 1914 von den Russen geplündert worden ist (Ostpreußen). Friedrich von Berg selbst wurde in diesem Jahr zum "Staatskommissar für das Flüchtlingswesen" ernannt. Einen solchen gab es also schon im Jahr 1914 (1). Welch ein Aufatmen ging zunächst durch Ostpreußen, als Ende August 1914 die Schlacht von Tannenberg geschlagen war. Sicherlich spätestens seit dieser Schlacht war der Landeshauptmann von Ostpreußen, Friedrich von Berg, zu einem bedingungslosen Anhänger des Feldherrn-Gespanns Hindenburg und Ludendorff geworden so wie er zuvor schon als ein entschiedener, das heißt "streng konservativer", bzw. "reaktionärer" Vertreter des monarchischen Gedankens galt.

Abb. 2: Das Gutshaus Markienen bei Bartenstein in Ostpreußen (vor 1945)
Hier weilten das Kronprinzenpaar, Hindenburg, sowie die Generäle Mackensen, Seeckt und Fritsch oft zu Besuch


Friedrich von Berg, fast gleichen Jahrgangs wie Erich Ludendorff, war ein Studienfreund und Korpsbruder des deutschen Kaisers Wilhelms II.. 1903 war Friedrich von Berg Landrat des Kreises Goldap in Ostpreußen geworden und als solcher wieder häufiger in persönliche Berührung mit dem Kaiser und dessen Familie gekommen. Dies geschah immer dann, wenn diese in Rominten zur Elchjagd weilten. 1906 war Friedrich von Berg in das Zivilkabinett des Kaisers gekommen, 1909 war er dann Landeshauptmann von Ostpreußen geworden, also Chef der Provinzialverwaltung von Ostpreußen.

Als dieser Landeshauptmann erlebte er dann 1914 die Invasion Ostpreußens durch die Russen. 1935 wurde ein Hindenburg-Gedenkbuch veröffentlicht, in dem man auch Friedrich von Berg erzählen ließ (25, S. 162):
Exzellenz von Berg schilderte hier seine erste Begegnung mit dem Feldmarschall in Insterburg, wo er sich im Hauptquartier gemeldet hatte, um sich dort als Landeshauptmann und Flüchtlingskommissar nach dem Schicksal einer Familie zu erkundigen.
Seit dieser Zeit entstand zwischen Friedrich von Berg und Hindenburg ein Vertrauensverhältnis (4, S. 270). Weiter wird berichtet (17, S. 38):
Als von Batocki zum Aufbau des Kriegsernährungsamtes 1916 nach Berlin ging, übernahm von Berg das ostpreußische Oberpräsidium bis zur Rückkehr seines Vorgängers im Jahre 1918. von Berg erwarb sich die Achtung der Bevölkerung durch sein umsichtiges Verhalten während der Flucht anläßlich der ... [zitiert nur als Google-Bücher-Ausschnitt]

Juni 1917 - Friedrich von Berg und der Sturz Bethmann-Hollwegs


Im Jahr 1917 war der deutschen Reichskanzler von Bethmann-Hollweg von immer mehr Menschen als untragbar für die deutsche Politik erachtet worden, insbesondere auch von Hindenburg und Ludendorff. Sie wußten von der Einstellung Friedrichs von Berg in diesen Fragen und luden ihn deshalb im Juni 1917 ins Hauptquartier nach Bad Kreuznach (4, S. 270):
Am 24. Juni versuchte er den Kaiser fast anderthalb geschlagene Stunden lang auf der Terrasse des Schloßhofs zu Bad Homburg, wo der Kaiser residierte, von der Notwendigkeit eines Kanzlerwechsels zu überzeugen. Bis dahin hatte noch kein Kanzlergegner ein derartig offenes Gespräch mit Wilhelm II. in der Causa Bethmann Hollweg führen können.
Friedrich von Berg führte aus, daß Bethmann-Hollwegs Abgang von allen Patrioten gefordert würde (5, S. 322). Hindenburg berichtete brieflich an seine Frau, was Friedrich von Berg ausgeführt hatte (zit. n. 2, S. 271):
Nicht die Konservativen allein wären gegen den Kanzler, sondern der größte Teil der Mitglieder aller Parteien, denen seine Schwäche und Unfähigkeit Sorgen für die Zukunft bereitet.
Ludendorff hat spätestens seit 1927 intensiv über die Rolle der Freimaurerei in der Politik publiziert, wobei er auch voraussetzte, daß Bethmann-Hollweg Freimaurer-Bruder gewesen wäre. Über diesen schrieb Ludendorff 1928 (7, S. 142):
Sein "Defaitismus" (...) zwang Br. von Bethmann, endlich den Posten als Reichskanzler zu verlassen, nachdem er schnell noch einen neuen Erlaß des Kaisers über die Änderung des Wahlrechts in Preußen herbeigeführt hatte. Ich hatte erklärt, nicht länger mit dem Reichskanzler zusammenarbeiten zu können. Leider hielt ich ihn damals auch nur für "defaitistisch", noch nicht für einen ausgesprochenen, bewußten Verderber der Deutschen.

Januar 1918 - Friedrich von Berg wird Nachfolger Valentini's


Zu den "Hinterlassenschaften" Bethmann-Hollwegs in der deutschen Politik gehörte der Chef des Zivilkabinetts des Kaisers, Rudolf von Valentini (1855-1925) (Wiki) (2, S. 310-313). Dieser hat unglaublich viel Einfluß auf die wesentlichsten Personalentscheidungen des Kaiserreiches ausgeübt, schon im Jahr 1914. Er war gleichgestellt dem Chef des Militärkabinetts Moriz von Lyncker (1853-1932) (Wiki) und dem Chef des Marinekabinetts Georg von Müller (1854-1940) (Wiki). Friedrich von Berg schreibt in seinen 1920 handschriftlich niedergelegten, 1971 veröffentlichten Erinnerungen über das (2, S. 55):
merkwürdige Phänomen, daß nicht, wie man angesichts der Rolle des Militärs im Kriege hätte erwarten können, das Militärkabinett eine dominierende Stellung gegenüber dem Zivilkabinett einnahm, sondern daß der Chef des Zivilkabinetts, gestützt auf seine Vertrauensstellung beim Kaiser und seine engen Kontakte zu Hindenburg und Ludendorff, in Bereiche eingriff, die eigentlich in das Militärressort fielen.
Schon sehr früh hat der deutsche Kronprinz sich bei seinem Vater für die Entlassung auch von Valentini's eingesetzt - im Einklang mit Ludendorff. Der Kronprinz wurde dabei von der Kaiserin unterstützt. Der Vater setzte einer Entlassung Valentini's, mit dem er Jahre lang vertrauensvoll zusammen gearbeitet hatte, Widerstand entgegen (2, S. 48):
Als seinen Nachfolger hatten Hindenburg und Ludendorff, wie auch der Kronprinz, von vornherein den Oberpräsidenten von Ostpreußen, v. Berg, ins Auge gefaßt. Nachdem ein zweitätiger Besuch des Kaisers in Ostpreußen, bei dem er er sich unter Führung des Oberpräsidenten über die Wiederaufbauarbeiten unterrichtete, eine neue und wie sich herausstellte, geglückte Chance geboten hatte, die Gunst des Kaisers für Berg zu gewinnen,
verlangte Hindenburg am 14. Januar 1918 im persönlichen Gespräch mit dem Kaiser die Entlassung Valentini's. Denn dieser stünd für den "Linkskurs der Regierung". Der Kaiser fügte sich, begrüßte von Berg aber am 16. Januar 1918 mit den unwirschen und mürrischen Worten (zit. n. 2, S. 313):
Man hat mir befohlen, Dich zum Chef des Zivilkabinetts zu machen.
Es ist zu erfahren (2, S. 38):
Für den Monarchen selber war Friedrich v. Berg nicht einfach nur ein treuer Untergebener, auch wenn er etwas großsprecherisch behauptete, er "wird tun, was ich ihm sage", sondern sein persönlicher Vertrauter, den er mit dem vertraulichen Du und "Monzi" anredete. Einer ähnlichen Wertschätzung erfreute sich der Kabinettschef auch bei den beiden Feldherren an der Spitze der 3. OHL, von denen insbesondere Hindenburg große Stücke auf ihn hielt.
von Berg schreibt über die Folgezeit in seinen Erinnerungen (2, S. 104):
Das Leben gestaltete sich im allgemeinen in Homburg ganz harmonisch. Durch den Fortgang von Valentini war eine gewisse Koalition gesprengt. Müller fühlte sich vereinsamt und lebte eigentlich ganz für sich. Unterstützung fand er nur in dem Geh. Legationsrat v. Grünau, Vertreter des Auswärtigen Amts.
Dieser Georg von Müller hat in seinen Erinnerungen womöglich nicht ganz unwichtige Eindrücke über Friedrich von Berg und dessen Einfluß auf den Kaiser festgehalten (30, S. 148f):
... Den eigentlichen Urheber dieser Beeinflussung sah Müller in Friedrich von Berg, dem Nachfolger Valentinis im Geheimen Zivilkabinett. "Seit Berg da ist", notierte Müller in sein Tagebuch, "beherrscht jedenfalls der alte verderbliche Dünckel wieder S.M. u. seine Umgebung. ..." (...) "Die Randbemerkungen S.M. sind fortgesetztes Rasseln mit dem Schwert, Verachtung gegenüber den Diplomaten u. Antisemitismus." Erste antisemitische Äußerungen des Kaisers notierte Müller am 13. Februar 1918 in sein Tagebuch, als Wilhelm II. den amerikanischen Präsidenten Wilson beschuldigte, zusammen mit der "ganzen, internationalen Juden-..." (...) ... eine antisemitische Note hineingebracht habe. Die von Müller geäußerten kritischen Bemerkungen über Wilhelm II. dürfen allerdings nicht zu der Schlußfolgerung führen, daß Müller vom Grundsatz her ein Gegner der Monarchie war. Nicht am monarchischen System zweifelte der Admiral, sondern an der Person des Kaisers. [Nur als Google-Bücher-Ausschnitt zitiert.]
Kaiser Wilhelm scheint gerade in den beiden letzten Kriegsjahren besonders geschwankt zu haben, ob er sich "mit der Sozialdemokratie ein neues Reich aufbauen" solle (wie er sich Ludendorff gegenüber anläßlich von dessen Entlassung äußerte) oder ob er mit den konservativ-monarchischen Kräften gehen sollte wie sie von Hindenburg, Ludendorff und auch Friedrich von Berg verkörpert wurden. Er scheint sich auffallend früh auch schon mit dem ersteren Gedanken beschäftigt zu haben. Und nur der Sturz Bethmann-Hollwegs und Valentini's scheint dafür gesorgt zu haben, daß der Kaiser eine Zeit lang von diesem Gedanken wieder abging.

Es folgte nun jedenfalls die große deutsche Frühjahrsoffensive im Westen unter Ludendorffs Führung. Nach größten Anstrengungen brachte sie aber dann doch nicht den erhofften Durchbruch. Ludendorff hatte alle Genialität aufgebracht, um diesen Durchbruch doch noch zu erreichen. Aber Mitte Juli waren nun die letzten militärischen Kräfte deutscherseits für Angriffshandlungen aufgebraucht, ohne daß der entscheidende Durchbruch hatte erreicht werden können. Gleichzeitig verstärkten sich die Kriegsgegner ständig weiter mit frischen US-amerikanischen Truppen.

Juli, August 1918 - Militärischer Sieg nicht mehr möglich


Als Chef des Zivilkabinetts nahm Friedrich von Berg an der Lagebesprechung vom 22. Juli 1918 teil. Er hielt über diese in seinem Tagebuch fest (5, S. 440):
Es war klar, daß wir einen entscheidenden Sieg nicht mehr erringen konnten. Es kam jetzt nur darauf an, die heftigen Angriffe der Feinde abzuwehren.
Schon am 22. Juli 1918 hatte Ludendorff diesen Sachverhalt also so klar dargestellt. Der 8. August 1918 brachte dann den auch von Ludendorff so gekennzeichneten "schwarzen Tag des deutschen Heeres". Es ging nun auch Ludendorff darum, ein Waffenstillstands-Angebot zu machen, wobei von vornherein klar war, daß man dem Kriegsgegner Zugeständnisse machen müßte, die man unter besserer militärischer Lage nicht gemacht hätte. Zur Bewertung von Ludendorffs Handeln in dieser Zeit ringt sich - mit dem Historiker Gerd Krumeich - die deutsche Geschichtswissenschaft gerade zu differenzierteren und sachlicheren Urteilen durch als diese Jahrzehnte lang vertreten worden sind (7).

Friedrich von Berg war auch bei der Besprechung im Großen Hauptquartier in Spa am 13. August 1918 anwesend (5, S. 446).

September 1918 - Friedrich von Berg rät Ludendorff, das Kanzleramt zu übernehmen

Der Ludendorff-Biograph Manfred Nebelin hält - unter anderem anhand der Aufzeichnungen Friedrichs von Berg - fest wie der Kaisers auf Ludendorffs Rückzugsbefehle vom 2. September 1918 reagierte (5, S. 452f):
Die Nachricht versetzte ihm einen derartigen Schock, daß er sich "in völliger Apathie" sogleich zu Bett begeben mußte. Nur mit viel Überredungskunst und dem Argument: "Wir können zwar den Sieg im Felde nicht mehr erringen, aber wir brauchen deshalb den Krieg nicht zu verlieren," gelang es der Kaiserin und Major Niemann zwei Tage später, Wilhelm II. neuen Mut einzuflößen und ihn zu bewegen, am Nachmittag des 4. September die Dienstgeschäfte wieder aufzunehmen, wenn auch - wie der Chef des Zivilkabinetts vermerkte - nur "leidlich teilnehmend". Berg dürfte sich dadurch veranlaßt gesehen haben, an Besucher, die - wie etwa der mit Wilhelm II. befreundete Reeder Albert Ballin - den Monarchen zu einer raschen Beendigung des Krieges drängen wollten, die Mahnung zu richten, "man dürfe den Kaiser nicht zu pessimistisch machen".
Ähnliches berichtet auch Bernhard von Bülow (11, S. 274). Auch den Rücktritt des Reichskanzlers Graf Hertling erlebte Friedrich von Berg am 29. September 1918 mit (5, S. 464). Es war klar, daß man innenpolitisch Zugeständnisse machen mußte, für die der Graf Hertling nicht einstehen wollte. von Berg machte daraufhin Ludendorff den Vorschlag, selbst die Reichskanzlerschaft zu übernehmen. es war dies ein Vorschlag, der Ludendorff schon ein Jahr zuvor von anderer Seite gemacht worden war. Ludendorff lehnte ab. Seine Begründung war, die Berufung eines Soldaten zum Reichskanzler
sei in einem Moment, wo das Heer zurückgehen müsse, für das Volk eine zu große Zumutung.
So halten es die Aufzeichnungen von Bergs fest (5, S. 464). Es drängt sich hier fast ein wenig der Gedanke auf, ob nicht Friedrich von Berg selbst Reichskanzler hätte werden können, und ob er das nicht auch selbst im Hinterkopf hätte haben können. Auch auf Bernhard von Bülow kam noch einmal das Gespräch mit Parlamentariern. Aber Friedrich von Berg mußte mitteilen, daß der Kaiser ihn auf keinen Fall wählen würde (11, S. 284).

Oktober 1918 - Friedrich von Berg tritt von seinem Amt zurück


Am 3. Oktober 1918 wurde der liberale Prinz Max von Baden Reichskanzler. Anlässlich der Publikation der Friedensnote des Reichskanzlers an den amerikanischen Präsident Wilson vom 6. Oktober 1918 berichtete der Nuntius Pacelli von München aus an den Vatikan über die Entstehung dieses Dokuments. Der Inhalt dieses Schreibens wird folgendermaßen wiedergegeben (33):
Der Plan der neuen Reichsregierung wurde durch ein Telegramm General Ludendorffs vom 1. Oktober vorangetrieben, in dem dieser erklärte, zwar noch einmal den feindlichen Angriff abgewehrt zu haben, der Durchbruch der Front lasse sich aber höchstens noch 48 Stunden vermeiden, weshalb er die augenblickliche Absendung der Friedensnote verlangte. Am 3. Oktober war der Entwurf des Gesuchs fertig gestellt. Nach der Formulierung des Vizekanzlers Payer sollten die 14 Punkte Wilsons nur der Ausgangspunkt für die Verhandlungen darstellen, was von Erzberger, der, trotz Widerständen aus der Umgebung des Kaisers, besonders des Chefs des Zivilkabinetts von Berg, zum Staatssekretär ohne Geschäftsbereich ernannt worden ist, als nicht ausreichend bezeichnet wurde. Am Ende setzte sich Erzbergers Forderung der Annahme der 14 Punkte auch gegen den Kompromißvorschlag durch, von einem Verhandlungsprogramm zu sprechen. Pacelli bedauert, daß sich Deutschland direkt an den Präsidenten der Vereinigten Staaten gewandt und nicht den Papst als Vermittler angerufen hat, obwohl Erzberger und andere Politiker dessen Vermittlung gern gesehen hätten. Wegen Artikel 15 des Londoner Vertrags wäre aber eine solche Vermittlung bei den Ententestaaten ohne Aussicht auf Erfolg gewesen.
Friedrich von Berg verurteilte Max von Baden als "linksgerichtet" und als "Wegbereiter des Bolschewismus" (1) und legte deshalb sein Amt nieder. In seinen Erinnerungen schreibt Friedrich von Berg (2):
Ich habe noch die Herrenhaussitzung am 31. Oktober mitgemacht, habe mich im Palais August Wilhelm am 31. gegen Abend sehr bewegt von der Kaiserin verabschiedet und bin am Abend nach Ostpreußen abgefahren, war am 1. November in Markienen, war zu Hause.
Richard von Kühlmann (1873-1948) (Wiki), der als ausgesprochene Gegner Erich Ludendorffs im Auswärtigen Amt im Jahr 1918 schon im Juni hatte zurücktreten müssen, bezeichnete Friedrich von Berg als "Totengräber der Monarchie" (s. Wiki). Wer allerdings so scharf von einem Richard von Kühlmann verurteilt wurde, an dem war vielleicht gerade deshalb etwas dran. Auf Wikipedia ist über Friedrich von Berg festgehalten (Wiki):
Bei seiner extrem konservativen Weltanschauung unterschied sich Berg in allen wesentlichen Fragen von seinem Corpsbruder Adolf Tortilowicz von Batocki-Friebe. So nahe er dem Kaiser über seinen Vater, das Corps und die Jagd in Rominten stand, so klar sah er die Schwächen Wilhelms II. "Wenn v. Berg den Kaiser trotzdem in seinem Sinne, dem starren Festhalten an der monarchischen Prärogative, am unbedingten Durchhalten gegen die feindliche Übermacht und die revolutionären Kräfte im Lande, zu steuern versuchte, so offenbar in der Vorstellung, daß er, Berg, berufen sei, den Monarchen vom Wege der ‚Ehre und Würde‘ der Monarchie, wie er sie sah, nicht abweichen zu lassen." (Potthoff, v. d. Groeben, 1993, S. 165 ff.).
Der Theologe Ernst Troeltsch, der zunächst ein Verfechter der Ideen von 1914 war, 1917 aber maßgeblich an der Gründung des "Volksbundes für Freiheit und Vaterland" beteiligt war, der ein Gegengewicht zu der "Deutschen Vaterlandspartei" bilden sollte, war von 1919 bis 1921 preußischer Abgeordneter für die DDP und hielt in dieser Zeit in seinen "Spectator-Briefen" fest, daß Friedrich von Berg den Kaiser von der Außenwelt abgeschnitten habe (12, S. 202).

Juli 1919 - Auslieferung des Kaisers, merkwürdige Gedanken Seeckt's 


Friedrich von Berg hält in seinen Aufzeichnungen fest, daß gelegentlich Hans von Seeckt (1866-1936) (Wiki) als Nachfolger Ludendorffs in Erwägung gezogen worden war (13, S. 192). Mit diesem Hans von Seeckt stand Friedrich von Berg jedenfalls schon im Jahr nach dem Krieg in guter Verbindung. Seeckt scheint wahrlich ein echter und rechter "Erfüllungspolitiker" gewesen zu sein, denn er hatte so seine eigenen Gedanken, wenn er an die Folgen einer Auslieferung des Kaisers an die Feindmächte dachte als "Kriegsverbrecher", wie es von diesen gefordert worden war. Seeckt sah - sicherlich mit Recht - die Gefahr, daß sich Offiziere der Reichswehr empören würden über diese Auslieferung. Am 8. Juli 1919 schrieb er dieserhalben an Friedrich von Berg (GB):
Seeckt sah nur einen Weg, um dieser Gefahr vorzubeugen: Der Kaiser sollte sich Friedrich den Großen zum Vorbild nehmen, der 1757 angeordnet hatte, daß sein Tod oder seine Gefangennahme auf die Fortführung des Krieges keinen Einfluß ... BI.2 f., Schreiben Gen.Maj. v. Seeckt vom 8.7.1919 an v. Berg-Markienen. [Zitiert hier vorläufig nur als Google-Bücher-Ausschnitt]
Wörtlich hatte er geschrieben (13, S. 235):
Wenn es zur Auslieferung Seiner Majestät kommt, so muß er sich abschiednehmend an seine Offiziere wenden und ihnen untersagen, irgendwelche Schritte für ihn zu tun, sondern sie verpflichten, schweigend weiter ihre Pflicht gegen das Vaterland zu erfüllen ... [Zitiert nur als Google-Bücher-Ausschnitt]
Das klingt ein wenig ähnlich wie das, was zu gleicher Zeit Max Weber im persönlichen Gespräch gegenüber Erich Ludendorff in Vorschlag brachte, nämlich, sich "selbstlos" "für Deutschland aufzuopfern" und sich von sich aus den Feindmächte zu stellen, das heißt auszuliefern. Ludendorff antwortete darauf, daß er eine etwas andere Vorstellung von der Ehre eines Staates zu haben scheine als Max Weber.

Seit dem Frühjahr 1919 war die Provinz Ostpreußen abgetrennt vom übrigen Deutschen Reich. Und die Ostpreußen erlebten, wie der neue polnische Staat in Front gebracht wurde gegen Deutschland und wie einflußreiche polnische Politiker nicht nur Danzig, die Provinzen Posen, Westpreußen und Oberschlesien, sondern auch Ostpreußen und Pommern für den neuen Staat Polen forderten. Über Friedrich von Berg ist in dieser Zeit zu erfahren (Wiki):
Nach seinem Abschied aus Berlin ging Berg zurück nach Ostpreußen. (...) 1920 (...) wurde er Erster Vorsitzender (Adelsmarschall) der Deutschen Adelsgenossenschaft, ein Amt, das er bis 1932 ausübte.
Andernorts ist festgehalten (32, S. 499):
Seit 1919 Bewirtschaftung des Gutes Markienen, etwa gleichzeitig rege politisch in der Provinz engagiert, Vorsitzender des monarchischen "Bunds der Aufrechten", 1919 Vorsitzender Provinziallandtag, 1920 Präsident Provinzialsynode (...), 1926 Dr. theol. h.c. Albertus-Universität Königsberg.
Der unmittelbar am 9. November 1918 gegründete "Bund der Aufrechten" wuchs deutschlandweit rasch auf 25.000 Mitglieder an (Wiki). Der Bund fand nach 1945 seine Fortsetzung in dem monarchistischen Verein "Tradition und Leben" (Wiki), der sich auch heute noch für die Wiederherstellung der Hohenzollern-Monarchie einsetzt unter dem Wahlspruch: "Der Demokratie die Krone aufsetzen".

Februar 1920 - Hindenburg soll sich gegen einen katholischen Kandidaten für die Wahl zum Reichspräsidenten aufstellen


Schon im Sommer 1919 war von vielen Seiten der Gedanke aufgekommen, daß Hindenburg als Kandidat für die Reichspräsidenten-Wahl aufgestellt werden sollte (4, S. 443ff). Um 1919/20 bekam Hindenburg über einen Briefwechsel mit Friedrich von Berg ein zustimmendes Signal von Seiten des vormaligen Kaisers in Doorn zu diesen Plänen (4, S. 448). Am 2. Februar 1920 wurde Hindenburg von Friedrich von Berg außerdem vor der katholischen Lobby-Arbeit im Reich gewarnt:
Rom ist in Bewegung,
so schrieb Friedrich von Berg an Hindenburg (2, S. 448, Anm. 25). Und zwar sei Rom in Bewegung, um einen katholischen Reichspräsidenten wählen zu lassen, was als Vorläufer aufgefaßt werden könnte, um die Wittelsbacher auf den deutschen Kaiserthron zu bringen. Dem müsse sich Hindenburg mit seiner Kandidatur entgegen stellen. Damit warnte also Friedrich von Berg schon 1919 vor denselben Entwicklungen, vor denen Erich Ludendorff ab 1923/24 auch in Bayern warnen sollte, und worüber er dortselbst mit dem katholischen Thronfolger Kronprinz Rupprecht 1924 in eine scharfe Auseinandersetzung kommen sollte. Für das Verhältnis zwischen Hindenburg und von Berg gilt (2):
Ihr Briefwechsel, Gespräche anläßlich der Tagung des Johanniterordens-Kapitels, Bergs Aufenthalte in Hannover und später in Neudeck, sowie Gegenbesuche Hindenburgs in Markienen sind ein Zeugnis ihres regen Kontakts.

1920 - Die Adelsgenossenschaft


Im Frühjahr 1920 legte Friedrich von Berg in handschriftlichen Aufzeichnungen seine Erinnerungen an seine Tätigkeit als Chef des Zivilkabinetts nieder (2, S. 77). 1971 sind sie veröffentlicht worden (2). Außerdem wurde er auf dem deutschen "Adelstag" zum Vorsitzenden der "Deutschen Adelsgenossenschaft" (DAG) (Wiki) gewählt. Diese ist 1874 von 30 preußischen Adeligen gegründet worden. Über die Tätigkeit von Friedrich von Berg als Vorsitzender dieser DAG ist zu erfahren (31, S. 298f):
... dem Adelstag von 1920 beschlossenen "Arierparagraphen", den die DAG in ihre Satzung aufnahm, war das "Deutsche Adelsblatt" stark antisemitisch-völkisch geprägt, Artikel über die Notwendigkeit der "Aufnordung" des deutschen Volkes im allgemeinen und des deutschen Adels im besonderen bildeten einen wesentlichen Bestandteil der im "Adelsblatt" vertretenen Ideologie. Der polemische Stil des "Adelsblatts" im Kampf gegen das parlamentarische "System" und seine Vertreter führte 1929 gar zu einer besonders grotesken Situation: Nachdem der Außenminister Stresemann in einer Ministerbesprechung am 3. September 1929 im Zusammenhang mit einem nun zu beginnenden "Abwehrkampf gegen die Hetzpropaganda der Opposition" die Aufmerksamkeit auf den "vergiftenden Kampf" des Organs der DAG "gegen den bestehenden Staat" gelenkt hatte, wurde den Offizieren und Beamten der Reichswehr sowie den Beamten mehrerer Reichsministerien die Mitgliedschaft in derjenigen Organisation verboten, der der Reichspräsident Hindenburg als Ehrenvorsitzender vorstand.
Die "Deutsche Adelsgenossenschaft" trug nicht nur dazu bei, weite Teile des Adels im Zeichen einer schroff antidemokratischen und oft vulgär-antisemitisch akzentuiert-.... Aufgabe der DAG sei, "jeden einzelnen und vor allen Dingen unsere Jugend" erziehen zu müssen. Wie sehr die im Grunde unpolitischen Werte, die Berg-Markienen als Leitgehalte dieser Erziehung nannte - "Oberster Grundsatz ist: Erziehung zur Pflicht, die mit Unterordnung, Disziplin, Selbstverleugnung beginnt." - von ihm als Leitgehalte eines politischen Programms verstanden wurden, deutet sich im Nachsatz an: "Wird dieser allererste Grundsatz befolgt, dann folgt alles andere, das sich die deutsche Adelsgenossenschaft zur Aufgabe gestellt hat, von ..." ... Denn schon die Aufgabe des in der DAG zusammengeschlossenen Adels, durch seine "Selbsterziehung" zur "Erziehung unseres deutschen Volkes" beizutragen, kennzeichnet das von Berg-Markienen dem Adel aufgegebene politische Ziel: die Gesellschaft ... [nur als Google-Bücher-Ausschnitt zitiert]
Friedrich von Berg wurde auch Mitglied des völkischen "Heimatbund Ostpreußen" (19, S. 268). 2001 ist über diesen eine bislang unveröffentlichte Magisterarbeit erschienen unter dem Titel "Der Heimatbund - Konservative Opposition und völkischer Nationalismus in Ostpreußen 1919-1922" (20). Dieser Heimatbund entstand im Zusammenhang mit der völkischen "Heimatbewegung" der unmittelbaren Nachkriegszeit. Diese gab es damals überall in Deutschland (Wiki). 1933 ging der "Heimatbund Ostpreußen" in dem "Bund deutscher Osten" (Wiki) auf.

1923 - Kurt Tucholsky blickt auf die ostpreußischen Konservativen


Kurt Tucholsky schrieb Anfang der 1920er Jahre (21, S. 71):
Die Landräte tun, was sie wollen: das ist die Reaktion. Auf das kräftigste werden sie dabei unterstützt von zwei Vereinen, die, mit dem ganzen schweren Gelde der Deutsch-Nationalen ausgestattet, unsägliches Unheil anrichten: von der Staatsbürgerlichen Arbeitsgemeinschaft und vom Heimatbund. Von Gayl und von Hassel sind die Väter dieser edlen Zwillingsbrüder. Nirgends liegen so viel Waffen versteckt wie in Ostpreußen. Der Zusammenhang zwischen Verwaltungsbehörden, den Staatsanwaltschaften, der Reichswehr, den nationalen Vereinen, den Selbstschutz- Organisationen und diesen Waffenschiebungen wird gerichtlich niemals zu erbringen sein. Es gibt in Ostpreußen keine Organe, die, vom Gerichtsdiener bis herunter zum Generalstaatsanwalt, wirklich eingriffen. ... [zitiert nur als Google-Bücher-Ausschnitt]
Und (21, S. 157):
Was der Herr von Berg-Markienen und der sehr beachtliche Herr Hundertmarck eigentlich treiben, weiß kein Mensch. Aber sie wissen es. Sie stehlen dem lieben Herrgott die Zeit mit überflüssigen Organisationen. Die Agrarier und die ... Mit Müh und Not hat man jetzt eine besondere Berliner Geschäftsstelle des Herrn von Gayl abgewehrt, die den Oberpräsidenten Siehr ausschalten wollte. Sei es, daß auch in den Berliner Stellen zu viel gute Freunde der Ostpreußen sitzen, sei es, daß man sich - immer mal ... [zitiert nur als Google-Bücher-Ausschnitt]
Und (21, S. 194):
Die Republik tut nichts. Was nützen denn die Erlasse, die sich Unter den Linden sehr schön ausnehmen, wenn sich im Dorf und in der Stadt keiner darum kümmert. Der Oberpräsident Siehr in Ostpreußen ist ein ordentlicher Mann, der mit dem Kappisten Winnig nicht in einem Atem genannt werden darf - aber regiert wird das Land von dem Heimatbund des Erzreaktionärs von Gayl. Da entsteht jene Atmosphäre, in der die Helden gedeihen, die Erzberger ermordet und die erst jetzt ... [zitiert nur als Google-Bücher-Ausschnitt]
Der hier genannte Wilhelm von Gayl (1879-1945) (Wiki) war ein ostpreußischer, deutschnationaler Staatsbeamter und Politiker, der dann vom 1. Juni bis zum 3. Dezember 1932 Reichsinnenminister in der Regierung von Papen werden sollte. Danach zog er sich aus der Politik zurück.

1921 bis 1926 - Vermögensverwalter des Hohenzollern-Hauses


Von 1921 bis 1926 war Friedrich von Berg Leiter der Generalverwaltung des vormals regierenden preußischen Königshauses und vertrat als Generalbevollmächtigter der Hohenzollern zusammen mit dem Kaisersohn August Wilhelm von Preußen das ehemalige Königshaus in den Auseinandersetzungen mit dem Reich um das Hausvermögen. Er stand also weiterhin in engster Verbindung zu sicherlich allen Angehörigen der Kinder von Kaiser Wilhelm II. und seiner Enkel. Spätestens seit dieser Zeit stand er auch in Verbindung mit Sigurd von Ilsemann (1884-1952) (Wiki), dem langjährigen letzten Flügeladjutanten Kaiser Wilhelms II. in Holland (14).

Nach Ludendorffs Entlassung hatte Hindenburg selbst nicht seine Entlassung gefordert, wie Ludendorff das wie selbstverständlich erwartet hatte, sondern war geblieben. Und am 9. November 1918 hatte er dem Kaiser zur Flucht nach Holland geraten, da die deutschen Truppen für seine Sicherheit nicht mehr bürgen könnten. All diese Umstände ließen nicht nur in den Augen von Ludendorff ein schlechtes Licht auf Hindenburg fallen. Aber da er für eine künftige Reichspräsdentenschaft vorgesehen war, sollte er in der Öffentlichkeit auch nicht in zu schlechtem Licht stehen.

1922 erschien die Schrift "Der Kaiser am 9. November! Eine Klarstellung nach noch nicht veröffentlichtem Material" (4, S. 425). Der Kaiser hatte bald nach seiner Flucht nach Holland eine Niederschrift über die Ereignisse rund um seine Abdankung und seine Flucht nach Holland angefertigt. Diese Niederschrift war auch in den Besitz von Friedrich von Berg gelangt. Und er gab sie zur Veröffentlichung weiter. Entgegen den Wünschen des Kaisers wurde in dieser Veröffentlichung jedoch die Rolle Hindenburgs nicht klar herausgearbeitet, weil das Ansehen Hindenburgs nicht beschädigt werden sollte. Welche Rolle Friedrich von Berg dabei im einzelnen spielte, wäre noch zu klären. Aber von Berg wird wohl sehr früh auch zur engeren "Kamarilla" um Hindenburg gezählt und wird es ebenso befürwortet haben, daß Hindenburgs Ansehen nicht beschädigt wird. Im Sommer 1922 kam denn Hindenburg auch bei Friedrich von Berg auf Gut Markienen zu Besuch (23, S. 229):
Hindenburgs erste Ostpreußenreise hat 1922 stattgefunden und wurde von Gayl organisiert. Als Gastgeber fungierten Vertreter des adligen Großgrundbesitzes: Graf Lehndorff-Preyl, von Berg-Markienen, von Tettau-Kraphausen, Freiherr von Knyphausen-Kalittken, Frau von Hindenburg-Neudeck, von Oldenburg-Januschau. Graf zu Eulenburg-Prassen, Graf Lehndorff-Steinort, von Alvensleben-Rodehlen, Graf Dönhoff-Friedrichstein und abschließend Landeshauptmann von ...
Als Wilhelm II. am 5. November 1922 in Arnheim in Holland ein zweites mal heiratete, gehörte auch Friedrich von Berg zu den engeren Hochzeitsgästen (14, S. 358).

Juni 1923 - "Deutschland, wahre die Ehre!"


Im Antiquariatshandel ist gegenwärtig ein "Albumblatt" von Friedrich von Berg angeboten (Abbildung 3). Es ist vom Anbieter offensichtlich falsch auf das Jahr 1913 datiert, obwohl als Jahreszahl deutlich genug 1923 zu lesen ist, worauf auch viel besser der kurze und knappe Inhalt des Albumblattes paßt.


Abb. 3: "Deutschland, wahre die Ehre!"
Albumblatt "v. Berg Markienen"
(Herkunft: Zvab, März 2018)
Sein Wortlaut:
Gebot über allen Geboten:
Deutschland, wahre die Ehre!
8. Juni 23        v. Berg-Markienen

September bis November 1923 - "Ist es nicht ein Jammer? ..."


Schon im September 1923 gärt es in ganz Deutschland. Es bestehen Pläne, die vollziehende Gewalt an den General von Seeckt zu übergeben. am 11. September 1923 fährt Seeckt nach Sachsen (34):
Seeckt beruhigt in Ansprache an 3. Div. über die innere Lage. Er weist auf unser wirkliches Können hin, das in nationalen Kreisen oft unterschätzt wird, namentlich von alten Generalen, die unsere Zurückhaltung als Schlappheit und Furcht auslegen.
Seeckt reiste auch nach Bayern, um dort die Lage zu beruhigen. Am 19. September hatte er am Manöver der 7. Division in Amberg teilgenommen. Noch am gleichen Tag schrieb er an seine Frau (34) (s.a. GB, GB):
Nach Rheinbaben verließ mich eben Berg. Morgen u. a. Vorm. Roesicke und Hergt, Nachm. Spengler. Freitag Finanzen und Wirtschaft. […] schon auf dem Bahnhof empfing mich die Nachricht, daß man meine Abwesenheit von drei Tagen benutzt hatte, drei Dummheiten zu machen.
Seeckt berichtete seiner Frau, er habe Berg dessen politische Sorgen "zum Teil nehmen" können (34). Aber am Folgetag begegnet Seeckt ähnlichen Forderungen wie denen von Bergs (27, S. 454):
Am 19. September sprach Friedrich von Berg-Markienen bei Seeckt vor, und am 20. September folgten Roesicke, Graf Schwerin-Löwitz, von Goldacker und Arno Kriegsheim. Die Vertreter der Landwirtschaft drängten Seeckt, die Macht zu übernehmen. Vor allem erwarteten sie von Seeckt, daß er jeden sozialdemokratischen Einfluß auf die Regierung ausschalten würde, während sie als Gegenleistung zusagten, Lebensmittel in großem Umfange zur Verfügung zu stellen.
(ähnlich: 13, S. 374) Seeckt läßt im Truppenamt Vorbereitungen für den reichsweiten Ausnahmezustand treffen (34). Die Reichskrise, die hier gärte, entlud sich dann am 9. November 1923 im Hitler-Ludendorff-Putsch in München, der also keineswegs als ein isoliertes Ereignis und als ein Handeln allein der völkischen Gruppierungen angesehen werden kann. Überall im Reich gärte es ähnlich und wurden ähnliche Forderungen laut. von Selchow, der Adjutant von Seeckts, hielt in seinem Tagebuch fest (34):
Es gärt überall, die Stimme nach einem Diktator wird immer lauter! Seeckts Name wird immer öfters genannt und bald wird der Augenblick kommen müssen, an dem er aus seiner klugen Reserve heraus zur Aktivität schreiten muß, zwangsläufig. Wann ist der Moment? Noch nicht, denn erst im Moment der höchsten Gefahr muß der Diktator erstehen. - Besprechungen über Besprechungen mit den Rechtskreisen finden statt. Seeckt wird stark getrieben, er behält aber seinen kühlen Kopf. - Was geschieht, wenn die Rechtsorganisationen in Bayern jetzt losschlagen? Kampf der Reichswehr gegen die Rechtskreise? Unmöglich. Soll, wie es immer wieder von vielen Kreisen gefordert wird, soll Seeckt sich an die Spitze des Staates setzen, um dem vorzubeugen?
Über das Schicksal Ludendorffs im Hitler-Ludendorff-Putsch ist Seeckt (34)
"auf das tiefste bekümmert".
Sein Adjutant schreibt in sein Tagebuch:
Es ist scharf geschossen worden. Es hat Tote und Verwundete gegeben. Hitler und Ludendorff sind festgesetzt. Ist das nicht Tragik, daß ein General Ludendorff von Feldgrauen festgesetzt werden muß? Ist es nicht ein Jammer um soviel verpuffte nationale Kraft? 
Ein wenig möchte man als Nachgeborener da nachtreten und ausrufen: Und ist es nicht ein Jammer, daß der Tagebuchschreiber hier so jammert? Und sein Vorgesetzter nicht anders? Schon am Tonfall in diesen damals "alten, konservativen" Kreisen wird spürbar, daß eine ehrlich dreinschlagende Faust - wie jene der damaligen völkischen Bewegung in Bayern - geradezu eine geschichtliche "Notwendigkeit" für sich hatte. Erst von solchen "jammernden" Tagebucheinträgen her versteht man diese Notwendigkeit auch - sozusagen - "emotional". Wie hätten sich solche "Jammergestalten" zu irgendeiner Tat aufraffen können? Oder wollen? Man spürt schon allein aus diesen Worten heraus das revolutionäre Drängen und Wollen der - - - "Gegenseite" dieses von Seeckt, nämlich der "Rechtsorganisationen in Bayern". Das nämlich war der Kampf vom 9. November 1923: Ludendorff gegen Seeckt. Und Seeckt siegte. Jammernd und "auf das tiefste bekümmert".

September 1925 - Kronprinzenpaar und Söhne treffen sich mit Mackensen auf Gut Markienen


1925 gründeten Angehörige der Familie von Berg einen Familienverband und hielten alljährlich einen Familientag ab. Darüber heißt es 1934 im berühmten "Gotha" (18, S. 20):
Ein Familienverband der Grafen und Herren von Berg, eingetragen 17. Februar 1925 in das Vereinsregister Amtsgericht Berlin-Mitte, hält alljährlich Familientag ab, Vorsitzender: Wirklicher Geheimer Rat Fritz v. Berg, auf Markienen bei Bartenstein, Ostpreußen; Schriftführer: Regierungs-Rat a. D. F.-C. v. Berg, Dubkevitz bei Gingst, Rügen; Schatzmeister: W.-G. v. Berg, Bankdirektor, Berlin. - Vgl. auch den gleichnamigen Artikel im Taschenbuch der Adeligen Häuser, Teil 4, und den Artikel Berg-Schönfeld im Taschenbuch der Gräflichen Häuser.
Bei dem hier genannten Fritz von Berg handelt es sich vermutlich um Friedrich von Berg. Bekannt gewordene Pläne zu einem Sicherheitsabkommen des Deutschen Reiches mit Frankreich ließen Friedrich von Berg am 20. Mai 1925 aus Sorge um Ostpreußen beim Reichskanzler Luther vorsprechen und zwar in seiner Funktion als Vorsitzender des Provinziallandtages. Man wollte sich (vermutlich) im Westen auf den Status quo in der Grenzziehung zwischen Frankreich und Deutschland einigen und nun fürchtete man in Ostpreußen, daß es solchen Pläne auch in Bezug auf die Ostgrenzen geben könne, die die Abtrennung Ostpreußens vom Reich zementieren würden (35):
Ostpreußische Besorgnisse, daß die Reichsregierung sich bei der Weiterbehandlung der Probleme des Sicherheitspaktes und des Völkerbundes auch zu Konzessionen nach Osten drängen lassen könnte, waren dem Reichskanzler schon durch Exzellenz von Berg-Markienen und Graf Eulenburg bei einem Empfang in der Reichskanzlei am 20. Mai vorgetragen worden.
Luther hatte die Sorgen beschwichtigt (35):
Aus den deutschen Vorschlägen gehe eindeutig hervor, "daß der Inhalt des Vertrages sich auf die Westgrenze Deutschlands beschränken müsse. Ein Überspringen auf die Ostgrenze würde den Grundgedanken des Pakts völlig umwerfen."
1925 war der älteste Kronprinzen-Sohn Wilhelm (1906-1940) (Wiki) 19 Jahre alt. Von Jugend auf war er begeisterter Soldat gewesen. Die Presse brachte schon 1913, da war Wilhelm neun Jahre alt, eine Fotografie, wie der Prinz zu Pferd (aber in Zivil) Mackensen in Paradeuniform grüßt (Alamy). Untertitel war das Foto (Die Woche, 1913, S. 1486):
Prinz Wilhelm von Preußen, der älteste Sohn des Kronprinzenpaares, und General von Mackensen beim Regimentsexerzieren in Langfuhr.
Langfuhr liegt bei Danzig. Als der Kaiser das Langfuhrer Husarenregiment 1911 an seinen Sohn, den Kronprinzen übergab, wurden auch Filmaufnahmen von dem dortigen Regiment in seinen prachtvollen Husarenuniformen gemacht, die sich erhalten haben (39). Zwölf Jahre und einen Weltkrieg später nun, am 9. September 1925, traf Prinz Wilhelm zusammen mit seinen Eltern Mackensen wieder auf Gut Markienen. Und ein Jahr später erinnerte man sich an dieses Zusammentreffen, weil es jene Geschehnisse anbahnte, die am 1. Oktober 1926 zur Entlassung des Reichswehr-Chefs Seeckt führten. Seeckt hatte nämlich dem Kronprinzen-Sohn Wilhelm in der Folge die Teilnahme an einem Reichswehr-Manöver in Uniform erlaubt. Welch ein Frevel. Die ganze Weimarer Schickeria war empört. Das "böse" monarchische Unrechtssystem erhob wieder sein drohend und unheilvoll sein Haupt. Diese Empörung mußte ... (28, S. 214)
... Reichswehrchef von Seeckt erfahren, als er 1926 dem ältesten Sohn des Kronprinzen die Teilnahme an einem Manöver erlaubte. Mackensen kannte das militärische Faible jenes Prinzen Wilhelm noch vom Danziger Paradefeld, wo der halbwüchsige Reiter begeistert vor ihm salutiert hatte. Für Mackensen und seine Gattin hatte es im Vorjahr bei einer Ostpreußenreise auf dem Gut von Friedrich von Berg-Markienen, dem Generalbevollmächtigter des preußischen Königshauses und Vorsitzenden der Deutschen Adelsgesellschaft, ein "sehr herzliches" Wiedersehen mit dem Kronprinzenpaar und dessen Söhnen Wilhelm und Louis Ferdinand gegeben. Nach einem vierstündigen Zusammensein charakterisierte Mackensen die beiden Prinzen, von denen der Jüngere von 1951 bis 1994 der Chef der Hohenzollernfamilie wurde: "Sichere Ruhe und verständige Redeweise des Älteren. Der zweite mag elastischeren Geistes sein; er ist zweifellos ein sehr begabter Kopf und eigener Wille. Wilhelm ist ganz Preuße und Soldat im Denken und Auftreten, Louis Ferdinand international im besten Sinne des Wortes und vielleicht ein zukünftiger 'königlicher Kaufmann' im Bismarckschen Sinne." In diesem Fall verwarf Mackensen einmal ... ... [nur als Google-Bücher-Ausschnitt zitiert]
Im gleichen Jahr 1926 setzten sich die öffentlichen Erörterungen rund um die "Fürstenenteignung", bzw. "Fürstenabfindung" (Wiki) weiter fort. Bezüglich dieses Themas spielte Friedrich von Berg ja eine zentrale Rolle. Am 9. April 1926 schrieb Friedrich von Berg für die Generalverwaltung des Preußischen Königshauses an den Reichskanzler in Betreff der Fürstenabfindung (Akten Reichskanzlei). Weiter ist zu erfahren (36):
Anfang Juli 1926 ersuchte der Bevollmächtigte des vormaligen Preußischen Königshauses v. Berg das Preußische Staatsministerium um die Wiederaufnahme von Vergleichsverhandlungen. In seiner Antwort vom 21.7.26 erklärte sich der Preußische Ministerpräsident Braun hierzu unter der Bedingung bereit, daß die Verhandlungen an das Ergebnis der Beratungen des Reichstages über den Entwurf des Fürstenabfindungsgesetzes anknüpften (...). Am 3.9.26 vermerkte Oberregierungsrat v. Stockhausen: "Die Verhandlungen zwischen dem Preußischen Staat und dem Vertreter des Kaiserlichen Hauses sind kürzlich wieder aufgenommen worden. […] Preußen soll in seinem Vorgehen und in seinen Forderungen gegenwärtig gemäßigt sein. Es hat den Anschein, als ob die Verhandlungen sich ganz gut anließen. Eine Veranlassung zum Eingreifen ist gegenwärtig daher seitens des Reichs nicht gegeben; vielmehr wird man mit angespanntester Aufmerksamkeit den Gang der Verhandlungen verfolgen müssen, um gegebenenfalls, insbesondere nach der Fürstenseite hin, einen Druck auszuüben, da unter allen Umständen vermieden werden soll, daß der Reichstag sich in seiner nächsten Session erneut mit der Frage der Fürstenabfindung beschäftigt." (R 43 I/2207, Bl. 167).
Am 8. September 1926 wird in einem Vermerk des Staatssekretärs Pünder festgehalten (36):
Anläßlich seines Aufenthaltes beim Herrn Reichspräsidenten in Dietramszell hat Herr Staatssekretär Meissner gestern mit dem Herrn Reichspräsidenten auch über den Stand der Fürstenentschädigung gesprochen. Der Herr Reichspräsident hat von sich aus auf Exzellenz von Berg eingewirkt in Richtung auf eine mäßigende Haltung der Fürstenvertreter. 

September 1927 - Reichspräsident Hindenburg auf Gut Markienen


Über den Reichspräsidenten Hindenburg wird berichtet (15, S. 48):
Zur Einweihung (des Tannenberg-Denkmals) am 18. 9. 1927 reiste der Reichspräsident von Swinemünde aus zur Umgehung des polnischen Korridors auf dem Kreuzer "Berlin" und begab sich nach feierlichem Empfang in der Deutschordensstadt Königsberg auf das Gut des befreundeten Geheimrats von Berg auf Markienen, "Adelsmarschalls", ehemaligen Chefs des kaiserlichen Zivilkabinetts und langjährigen Bevollmächtigten des Hauses Hohenzollern in Deutschland. Nach der Teilnahme an den ostpreußischen Reichswehrmanövern folgte der feierliche Tag der Denkmalseinweihung. Hindenburg, in der Uniform des kaiserlichen Generalfeldmarschalls, ... [nur als Google-Bücher-Ausschnitt zitiert]
Die Reise (19, S. 268):
... wurde von Wilhelm von Gayl organisiert. Die Behörden wurden nicht konsultiert und erfuhren von dem Vorhaben erst aus der Presse. Das Programm des fast vierwöchigen Aufenthalts in der Provinz sah vor, daß Hindenburg stets bei adligen Republikgegnern übernachtete wie Elard von Oldenburg-Januschau, Graf Dönhoff-Friedrichstein sowie Mitgliedern des völkischen Heimatbundes wie Friedrich von Berg-Markienen, Graf zu Eulenburg-Prassen und Landeshauptmann Manfred von Brünneck. Die preußischen Behörden waren in der Zwickmühle: Weder wollten sie sich mit Statistenrollen in dem Schauspiel um ... [nur als Google-Bücher-Ausschnitt zitiert]
In dem Hindenburg-Gedenkbuch von 1935 läßt man Friedrich von Berg auch folgendes erzählen (25, S. 162, 164):
.... "Das letztemal war der Reichspräsident bei mir", fährt Exzellenz von Berg weiter fort, "am Vorabend der Einweihung des Nationaldenkmals in Tannenberg. Der Tag ist uns allen unvergeßlich, wie er sich auch hier die Herzen in Markienen eroberte. Wie fuhren gemeinsam nach Tannenberg zu der denkwürdigen Feier, bei der sich dann allerlei ereignen sollte." Als ich am Abend Markienen verließ und die Schwarzbraunen vor einer altmodischen Chaise, die aber den Charme und die ... [nur als Google-Bücher-Ausschnitt zitiert]
1930 besuchte Friedrich von Berg umgekehrt Hindenburg auf Gut Neudeck in Ostpreußen (4, S. 603). von Berg wurde als Angehöriger der "Kamarilla" um Hindenburg empfunden (15, S. 70):
Ist der Einfluß seiner "Freunde und Nachbarn" auf Hindenburg, obwohl deutlich erkennbar, doch im einzelnen sehr schwer nachzuweisen, so läßt sich die militärische Camarilla um den Reichspräsidenten in wesentlich konkreterer Form aufzeigen. Ragte aus den Kreisen der preußischen Großgrundbesitzer noch über den Geheimrat von Berg auf Markienen, den Frh. von Gayl und einige andere die kräftige Gestalt des Herrn von Oldenburg-Januschau deutlich heraus, so ist es hier vor allem der gewandte und intrigante General Kurt von Schleicher, dessen Einfluß und Einflüsterungen Hindenburg sich mehr und mehr hingab. Von des Generalfeldmarschalls späterem Generalquartiermeister Groener, der in seiner ersten Ehe .... [nur als Google-Bücher-Ausschnitt zitiert]
Nun, das wurde 1959 geschrieben. Damals hatte Niall Ferguson (37) es noch nicht "hoffähig" gemacht, daß man als seriöser Historiker freimaurerische Seilschaften und Netzwerke als Antriebskräfte der Politik unterstellte. Diese werden aber wohl doch die eigentlichen Kräfte gewesen sein rund um den Feldherrn-Darsteller Paul von Hindenburg, diese ausgesprochene Unheilsgestalt der deutschen Geschichte (dazu wurde in anderen Blogbeiträge schon viel Material zusammen getragen).

Frühjahr 1932 - Einsatz für die erneute Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten


1931 weilte der Prinz Wilhelm, ältester Sohn des deutschen Kronprinzen, in Königsberg und äußerte sich in einem Gespräch über Ludendorffs Kampf gegen die Freimaurerei sehr positiv (38). Seit der Reichstagswahl von 1930 und dem dabei erfolgten plötzlichen großen Wahlerfolg der NSDAP veränderte sich sehr schnell sehr viel in Deutschland. Von Monat zu Monat war es auch für bislang traditionell konservativ gesonnene Menschen nicht mehr "unmöglich", sich mit dem Gedankengut der völkischen Bewegung und dem "Gefreiten" Hitler auseinanderzusetzen.

Friedrich von Berg allerdings blieb als treuer Gefolgsmann Hindenburgs auf alten Bahnen des Denkens und Handelns. Am 6. Februar 1932 veröffentlichte er als erster Vorsitzender der deutschen Adelsgenossenschaft eine Kundgebung, in der Hindenburg zur erneuten Kandidatur für das Reichspräsidentenamt aufgefordert wurde (Wiki). Weiter wird berichtet (4, S. 664):
Nach der Annahme der Kandidatur stellte sich jedoch heraus, daß Friedrich von Berg diesen Vorstoß auf eigene Faust unternommen hatte, weshalb er unter schweren innerverbandlichen Beschuß geriet. Am 17. Februar mußte er den Vorsitz der Adelsgenossenschaft niederlegen, was zum Ausdruck brachte, wie sehr gerade jüngere Adlige sich von dem klassischen Adelsverständnis abgewandt hatten und mit einer völkischen Definition von Adel liebäugelten.
Es ist dazu zu erfahren (2, S. 71):
Am 17. Februar 1932 legte er wegen dieser Differenzen schließlich den Vorsitz in der Adelsgenossenschaft nieder, ein Entschluß, der wie Hindenburg meinte, aus einer "verständlichen Verärgerung etwas übereilt gefaßt" sei. Bergs Rücktritt war nach dem Urteil seines Adoptivsohnes Hans-Hubert v. Berg ... [nur als Google-Bücher-Ausschnitt zitiert]
Womöglich handelte es sich um solche Adlige, die - wie der Bruder von Bergs - ihren Namen von von Berg auf Vonberg umbenannten. Auf Wikipedia heißt es dazu (Wiki):
Seine monarchische Fraktion konnte sich nicht gegen die völkische durchsetzen.
Zur Reichspräsidentenwahl am 13. März und 10. April 1932 (Wiki) haben sowohl die Sozialdemokraten wie das katholische Zentrum öffentlich dazu aufgefordert, Hindenburg zu wählen, um einen Reichspräsidenten Hitler zu verhindern. Außerdem wird über Hindenburg berichtet (22, S. 514):
Vor allen Dingen die von ihm beileibe nicht in einer solchen Intensität erwartete deutliche Kritik des gesamten rechten Flügels an seiner Wiederkandidatur hatte ihn innerlich tiefer getroffen, als dies aus seinem offenen Brief an Friedrich von Berg-Markienen hervorgeht.
Darüber beklagte sich Hindenburg nach der Wahl bitterlich (16, S. 219):
Walter Zechlin, Reichspressechef, der bei täglichem Vortrag ein Kenner der Psyche Hindenburgs über Jahre geworden war, gibt eine plausible Erklärung. Er beschreibt, wie er am Tage nach der Wahl den Reichspräsidenten beglückwünschte und die Antwort erhielt: "Herr Zechlin, den Glückwunsch nehme ich nicht an. Wer hat mich denn gewählt? Mich haben die Sozis gewählt, mich haben die Katholiken gewählt. Meine Leute haben mich nicht gewählt." Wenn es zutreffen sollte, daß alle Ostpreußen, Westpreußen den Sohn der Heimat, alle Mitglieder der Adelsgesellschaft, alle Kriegskameraden der oberen Rangstufen wie Seeckt, der sich öffentlich neben Ludendorff für Hitler entschieden hatte, ihn nicht gewählt hatten, war es die Schuld Brünings, der SPD, der Katholiken? Hatte er vergessen, daß sich sehr viel mehr Protestanten als Katholiken nach den Ergebnissen der Wahl zu seinen Wählern zählten? Daß weder die Konservativen um Westarp und Berg-Markienen noch alle Stahlhelmer und Deutschnationale  gegen ihn gestanden hatten? Der Alte Herr war nicht im unklaren gelassen worden, daß zu den Kreisen des Sahm- ... ... [nur als Google-Bücher-Ausschnitt zitiert]
Soweit es die in diesem Zitat erwähnte Person Erich Ludendorff betrifft, ist die getroffene Aussage allerdings ganz falsch. Erich Ludendorff bekämpfte 1932 die sich ankündigende Diktatur Hitlers ebenso wie die bestehende Präsidialdiktatur Hindenburgs, und zwar gleichermaßen entschieden und kraftvoll (siehe dazu andere Beiträge hier auf dem Blog).

Mai 1933 - Hitler wird um Wiederherstellung der Hohenzollern-Monarchie gebeten


Auch in die politischen Verhandlungen, die der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler unmittelbar vorangingen, war Friedrich von Berg involviert. So heißt es in einer taggenauen Chronologie zu dieser Zeit (26, S. 234):
... Hindenburg bei Ribbentrop zum Tee; signalisiert, daß das Projekt "nationale Front" beim alten Hindenburg Aussichten habe. zeitgleich: Die Großagrarier von der Osten-Warnitz, Oldenburg-Januschau und Berg-Markienen beim Reichspräsdenten. ca. 25.1. Gemeinsamer Brief der Industriellen Hamm und Kastl an Hindenburg mit der Forderung (auch im Namen von Krupp) nach alsbaldiger Berufung Hitlers zum Reichskanzler. Donnerstag, 26. 1. Papen verhandelt mit Hugenberg ... [nur als Google-Bücher-Ausschnitt zitiert]
Der Historiker Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen (1939-2015) (Wiki) berichtet (24, S. 118):
Der Ungewißheit hinsichtlich der Frage einer Wiedererrichtung der Monarchie suchte Hindenburg zu begegnen. Auf seinen Wunsch und durch seine Vermittlung kam es am 9. Mai 1933 zu einer Unterredung zwischen Hausminister Friedrich von Berg-Markienen und Reichskanzler Adolf Hitler. Reichswehrminister Werner von Blomberg war bei dieser Aussprache, die über eine Stunde gedauert hat, anwesend. Eine Niederschrift wurde am 15. Mai 1933 von Wilhelm von Dommes ... [nur als Google-Bücher-Ausschnitt zitiert]
Hitler erklärte, daß es für die Wiedererrichtung der Monarchie noch zu früh sei. Er arbeite auf diese jedoch als Abschluß seines politischen Wirkens hin (4, S. 840). Wie ehrlich es Hitler damit meinte, steht natürlich dahin. Vermutlich handelte es sich hierbei nur um eine taktische, hinhaltende Äußerung. Für die Wiederherstellung der Hohenzollern-Monarchie wäre jedenfalls der deutsche Kronprinz bereit gestanden, ebenso sein Sohn, der erst ein Jahr zuvor in Königsberg gesprächsweise die Erschütterung seines Großvaters über Ludendorffs Freimaurer-Kampf erwähnt hatte (3).

Insofern hätte damals die Wiederaufrichtung der Hohenzollern-Monarchie - als Alternative zum "Dritten Reich" - ein Segen für Deutschland sein können. Gerade auch der junge Prinz Wilhelm wurde von vielen Menschen als politisch hoch befähigt erachtet. Noch im Mai 1935 kam Friedrich von Berg gegenüber Sigurd von Ilsemann auf sein Gespräch mit Hitler zurück (14, S. 382). Am 9. März 1939 verstarb Friedrich von Berg mit 73 Jahren auf seinem Gut in Markienen. 1942 wird vom "Gotha" als Besitzer des Gutes Markienen genannt (GB):
Karl Ludwig Hans-Hubert, geb. Hannover 11. Sept. 1908 (adopt. 13. April 1927 von Friedrich (Fritz) von Berg, s. Tschb. der Adel. Häuser, Teil A), Bes. von Markienen (500 hea), Kr. Bartenstein, Ostpr., Ldwirt, Referendar a. D., Lt. in einem Inf.-Rgt. ERr des Joh.-O..

Erste zusammenfassende Beurteilung


Während man die politische Biographie des Friedrich von Berg auf sich wirken läßt, stößt einem hierbei insbesondere das Wirken des Hans von Seeckt - und insbesondere im Jahr 1923 - noch als "unverstanden" auf. Man erhält auch bei Hans von Seeckt den Eindruck, den wir in anderen Blogartikeln schon hinsichtlich von Paul von Hindenburg in vielerlei Hinsicht erhärteten, nämlich daß sich auch Hans von Seeckt im Umfeld von Männer-Seilschaften bewegte, die viel freimaurerischen Charakter gehabt zu haben scheinen (siehe neuerdings: 37), ja, man glaubt auch im Hintergrund sogar recht deutlich den Admiral Canaris hindurch zu spüren.

Das muß nicht heißen, daß Friedrich von Berg selbst Freimaurer war, aber sein Jahre langes politisches Umfeld "färbt" doch irgendwie zunächst einmal auf ihn "ab". Es sind das jene Seilschaften, die den dezidierten Freimaurerkritiker Erich Ludendorff von den übrigen konservativen und völkischen Eliten seiner Zeit isolierten, um dann zunächst die konservativen und schließlich neue völkische Eliten an die Macht zu bringen, wobei die Zielsetzung jeweils war, ein kulturelles und politisches Selbstmordprogramm unter den deutschen Konservativen und Völkischen zu installieren und durchzuführen.

Soweit es die Provinz Ostpreußen betrifft, ist dieses Selbstmordprogramm schon 1945 zu großem Erfolg geführt worden.

/Seit Veröffentlichung fortlaufend
erweitert und überarbeitet, 
zuletzt am: 21.3.2018/

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  1. Friedrich von Berg-Markienen, geb. in Markienen/Ostpreußen 20.11.1866, † ebenda 9.3.1939. Auf: http://eisenbahn-gumbinnen-goldap.de/gumbinnen/planung-und-bau/3/ (nach: Nils Köhler und Rüdiger Möller: „Die Nordmark helfe der Ostmark” Ostpreußische Kriegsflüchtlinge in Norderdithmarschen während des Ersten Weltkrieges Demokratische Geschichte, Band 14, S. 111-138)
  2. Heinrich Potthoff (Bearb.): Friedrich von Berg als Chef des Geheimen Zivilkabinetts 1918. Erinnerungen aus seinem Nachlaß. Droste Verlag, Düsseldorf 1971 (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien Erste Reihe Bd. 7) (Gb)
  3. Bading, Ingo: Der deutsche Kronprinz - Begeistert von der Philosophie Mathilde Ludendorffs ... Und mit Vater und Sohn nicht nur ein Verehrer Erich Ludendorffs, sondern begeistert von dessen Freimaurer-Kampf. Studiengruppe Naturalismus, 4. April 2015, http://studiengruppe.blogspot.de/2015/04/der-deutsche-kronprinz-war-begeistert.html
  4. Pyta, Wolfram: Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler. Siedler Verlag, München 2007
  5. Nebelin, Manfred: Ludendorff. Diktator im Ersten Weltkrieg. Siedler Verlag, München 2010
  6. Ludendorff, Erich: Kriegshetze und Völkermorden in den letzten 150 Jahren. Ersterscheinen 1928. Neu bearbeitet. Ludendorffs Volkswarte-Verlag, München 1931
  7. Kellerhoff, Sven Felix: „Ludendorff wollte nur eine Pause - und weiterkämpfen“. In: Die Welt 05.03.2018, https://www.welt.de/geschichte/article174192890/Kriegsende-1918-Was-der-wahre-Kern-der-Dolchstoss-Legende-ist.html 
  8. Kossert, Andreas: Damals in Ostpreußen. Der Untergang einer deutschen Provinz. 2010
  9. Ludendorff, Erich: Vom Feldherrn zum Weltrevolutionär und Wegbereiter Deutscher Volksschöpfung. Meine Lebenserinnerungen 1919 bis 1925. Ludendorffs Verlag, München 1940 (Gb)
  10. Ludendorff, Mathilde: Eine beachtliche Äußerung. In: Der Quell, Folge 19, 9.10.1957, S. 911 (Gb)
  11. Bülow, Bernhard von: Memoirs 1909-1919. Putnam, London, New York 1932 (Archive); Übersetzung von: Denkwürdigkeiten, 3. Band (1931) 
  12. Troeltsch, Ernst: Spectator-Briefe und Berliner Briefe (1919-1922). Hrsg. von Gangolf Hübinger. DeGruyter, Berlin 2015 (GB)
  13. Meier-Welcker, Hans: Seeckt. Bernard U. Graefe, 1967 (GB
  14. Rall, Hans: Wilhelm II.. Eine Biographie. Styria, 1995 (GB
  15. Lucas, Friedrich J.: Hindenburg als Reichspräsident. L. Röhrscheid, 1959 (GB)
  16. Freytag, Nils: Quellen zur Innenpolitik der Weimarer Republik 1918-1933. WBG Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2010 (GB)
  17. Stüttgen, Dieter: Friedrich Wilhelm von Berg-Markienen (1916-1918). In: Studien zur Geschichte Preussens, Band 30, Quelle & Meyer, 1980 (GB)
  18. Perthes, J.: Gothaisches genealogisches Taschenbuch der adeligen Häuser: zugleich Adelsmatrikel der im Ehrenschutzbunde des deutschen Adels vereinigten Verbände, Teil 2, 1934 (GB)
  19. Kossert, Andreas: Ostpreussen - Geschichte und Mythos. Siedler, 2005 (GB)
  20. Rademacher, Noel: Der Heimatbund. Konservative Opposition und völkischer Nationalismus in Ostpreußen 1919-1922. Unveröffentlichte Magisterarbeit Berlin 2001 (zit. bei Kossert 2005)
  21. Tucholsky, Kurt: Gesammelte Werke. 1921-1924. Rowohlt-Taschenbuch-Verl., 1975 (GB)
  22. Zaun, Harald: Paul von Hindenburg und die deutsche Aussenpolitik, 1925-1934. Böhlau, 1999 (GB)
  23. Hertz-Eichenrode, Dieter: Die Ostpreußenhilfe und Grenzhilfe von 1928. In: ders.: Politik und Landwirtschaft in Ostpreußen 1919-1930. Untersuchung eines Strukturproblems in der Weimarer Repbulik. Springer Fachmedien, Wiesbaden 1969 [Schriften des Instituts für Politische Wissenschaft, Band 23] (GB)
  24. Friedrich Wilhelm, Prinz von Preußen: "Gott helfe unserem Vaterland". Das Haus Hohenzollern 1918-1945. Langen Müller, 2003 (GB)
  25. von der Schulenburg, Dieter: Welt um Hindenburg. Hundert Gespräche mit Berufenen. Buch- und Tiefdruck Gesellschaft, 1935 (GB)
  26. Ruckhaberle, Dieter: 1933 - Wege zur Diktatur. Ausstellung Staatliche Kunsthalle Berlin und Neue Gesellschaft für bildende Kunst vom 9. 1. bis 10. 2. 1983. Staatliche Kunsthalle Berlin, 1983 (GB)
  27. Wulf, Peter: Hugo Stinnes. Klett-Cotta, 1979 (GB)
  28. Schwarzmüller, Theo: Zwischen Kaiser und "Führer". Generalfeldmarschall August von Mackensen. Eine politische Biographie. Schöningh, 1995 (GB)
  29. Plöckinger, Othmar: Geschichte eines Buches - Adolf Hitlers "Mein Kampf". 1922-1945. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2011 (GB)
  30. Fischer, Jörg-Uwe: Admiral des Kaisers. Georg Alexander von Müller als Chef des Marinekabinetts Wilhelms II.. P. Lang, 1992 (GB)
  31. von dem Bussche, Raimund: Konservatismus in der Weimarer Republik. Die Politisierung des Unpolitischen. C. Winter, 1998 (GB)
  32. Tilitzki, Christian: Die Albertus-Universität Königsberg. Ihre Geschichte von der Reichsgründung bis zum Untergang der Provinz Ostpreußen (1871-1945). Bd. 1: 1871-1918. Akademie-Verlag, Berlin 2012 (GB)
  33. Pacelli an Gasparri vom 06. Oktober 1918, Ausfertigung, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 6079, URL: <www.pacelli-edition.de/Dokument/6079> [Abgerufen 19. März 2018]
  34. Materialsammlung des Generalleutnants z. V. Lieber über die Beziehungen der Heeresleitung zum Kabinett Stresemann und ihre Einstellung zur deutschen Innenpolitik vom September bis November 1923. Akten der Reichskanzlei.
  35. Die Kabinette Luther I/II, Band 1, Dokumente, Nr. 110 Ministerbesprechung vom 24. Juni 1925. Akten der Reichskanzlei.
  36. Vermerk des Staatssekretärs Pünder über die Fürstenabfindung in Preußen. 8. September 1926. Akten der Reichskanzlei.
  37. Ferguson, Niall: The Square and the Tower. Networks and Power, from the Freemasons to Facebook. Penguin Press, 2018 (Amaz)
  38. Bading, Ingo: Neue Quellen zur Geschichte der völkischen Bewegung in Ostpreußen (1925 bis 1931) - Ein Herr Vonberg in Bartenstein in Ostpreußen (gest. 1926) - Ein "Veteran" der völkischen Bewegung im Umfeld der "Deutschvölkischen Freiheitspartei". Auf: Studiengruppe Naturalismus, 20. März 2018, http://studiengruppe.blogspot.com/2018/03/neue-quellen-zur-geschichte-der.html
  39. Übergabe des II. Husarenregiments an den Kronprinzen in Danzig. Filmaufnahmen, 1911, 4:50 Minuten, https://youtu.be/OVKqaP66Szs

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