Sonntag, 1. Januar 2012

Das Familiensilber des "Hauses Ludendorff" wird verkauft

Der auseinandergerissene Nachlaß des Sohnes und der Enkeltochter von Mathilde und Erich Ludendorff wirft sowohl museale, als auch biographische und familiengeschichtliche Fragen auf

Abb. 1: Ludendorff und der Kaiser - 30-jährigen Regierungsjubiläum des Kaisers am 15.6.1918, ganz rechts Kronprinz Wilhelm (aus: 18, S. 48)
Am 24. März 1918 erhielt der General Erich Ludendorff von Kaiser Wilhelm II. den Orden "Großkreuz zum Eisernen Kreuz" verliehen.

Abb. 2: Erich Ludendorff (Mitte) in der Obersten Heeresleitung um 1918 (Filmaufnahme)
Es war Weihnachten 1956, als Mathilde Ludendorff ihrem Sohn Hanno und dessen neunjähriger Tochter "Lori" eine Karaffe und sechs Trinkbecher der Kaiserlichen Majolika-Manufaktur Cadinen schenkte. Cadinen liegt am Frischen Haff in Ostpreußen und war eines der Jagdschlösser Kaiser Wilhelms II.. Noch heute kann man dort einen Reiturlaub verbringen. Diese in Cadinen hergestellte Karaffe mit sechs Trinkbechern war Erich Ludendorff am 24. März 1918 vom Kronprinzen Wilhelm und den Generälen der Obersten Heeresleitung (Abb. 1 - 4) als Ehrengeschenk dargebracht worden aus Anlaß der genannten Ordensverleihung. Sie wurden damit Bestandteil des Familiensilbers Erich Ludendorffs (Abb. 5 und 6).

Abb. 3: Erich Ludendorff (links) in der Obersten Heeresleitung um 1918 (Filmaufnahme)

Abb. 4: OHL - links der Kaiser; rechts Ludendorff im Gespräch mit Reichskanzler Michaelis (1917) (Filmaufnahme)
Eingraviert waren in diese Karaffe die Bezeichnungen jener Militäroperationen des Ersten Weltkrieges, die mit dem Namen Erich Ludendorff verbunden sind, nämlich: "Lüttich - Tannenberg - Masurische Seen - Südpolen - Rumänien - Flandern - Ost-Galizien - Riga - Grosse Schlacht in Frankreich".

Abb 5: Ehrengeschenk der OHL: Karaffe und 6 Trinkbecher, 24.3.1918
Mathilde Ludendorff schrieb dazu (Abb. 6):
Meinen lieben Kindern
Hanno und Lori
zum Gedenken an unseren
Papa Ludendorff
Mutter
zur
Weihnacht 1956.
Mit Lori wird ihre Enkeltochter Hannelore von Kemnitz gemeint sein, die 1947 geborene Tochter von Hanno von Kemnitz (9). Denn die Ehefrau von Hanno hieß mit Vornamen Antonia (9). Im April 2005 wurden diese Karaffe und die zugehörigen Trinkbecher von einem großen Müncher Auktionshaus für 3.500 Euro zur Versteigerung angeboten (8). Dazu hieß es im Auktionskatalog:
Ehrengeschenk der Obersten Heeresleitung anläßlich der Verleihung des Großkreuzes zum Eisernen Kreuz 1914 am 24. März 1918. 
Große, silbermontierte Karaffe und sechs Trinkbecher der Kaiserlichen Majolika-Manufaktur Cadinen. Jeweils rotbraun glasiert und mit Pressmarke der Manufaktur im Boden. Die Becher mit weißer Innenglasur und silbernem Lippenrand ("835"). Die Karaffe mit Ritzdekor, die silbernen Griffbänder graviert "Dem 1. Generalquartiermeister Erich Ludendorff - General d. Inf. zum 24. März 1918" bzw. mit den erfolgreichen Schlachtennamen des 1. Weltkrieges "Lüttich - Tannenberg - Masurische Seen - Südpolen - Rumänien - Flandern - Ost-Galizien - Riga - Grosse Schlacht in Frankreich"
Der Deckel mit 14 gravierten Unterschriften, darunter Herzog Albrecht von Württemberg, Paul von Hindenburg, von Heeringen, Graf Bothmer, Falkenhayn, von Bülow oder von Mackensen.
Höhe 29,5 cm, der Becher 11,5 cm. Dazu eine Seite aus dem "Gratulationseinschreibe-Bogen anläßlich der Verleihung des Großkreuzes zum Eisernen Kreuz" mit 18 Tintenunterschriften der Obersten Heeresleitung, darunter von Hindenburg, von Bülow, Herzog Albrecht von Württemberg, Graf Bothmer und Kronprinz Wilhelm. 
Außerdem eine signierte Bestätigung von Mathilde Ludendorff. Bedeutendes Ehrengeschenk. Seit der Entlassung Erich von Falkenhayns als Chef des Generalstabes im August 1916 lenkt Ludendorff als Erster Generalquartiermeister zusammen mit von Hindenburg die Geschicke der Obersten Heeresleitung. Für seine Fähigkeiten als Feldherr und die errungenen Schlachterfolge wird ihm das Großkreuz des Eisernen Kreuzes 1914 verliehen.
Abb. 6: Begleitschreiben von 1956 (links) und 1918 (rechts)
Wahrscheinlich gehörte zu diesen Nachlaß-Stücken auch eine gleichzeitig für 1.500 Euro angebotene Damasttischdecke, die Ludendorff von einer westpommerschen, patriotischen Verehrerin aus gleichem Anlaß geschenkt worden war:
Angeheftet ein maschinebeschriebenes Kuvert "Tischdecke (Flachs) mit Eisernem Kreuz, Großkreuz des Eisernen Kreuzes und Eichenlaub. Der Flachs ist gewachsen, wurde gesponnen und verwebt auf Hertelsaue von Frau Margarethe Cardinal, einer glühenden Verehrerin von General Erich Ludendorff, anläßlich der Verleihung des Großkreuzes zum Eisernen Kreuz am 24. März 1918."
Abb. 7: Geschenk Kaiser Wilhelms II. an Ludendorff 1918
Und wahrscheinlich gehörte zu diesen Nachlaßstücken auch das im April 2005 für 3.600 Euro versteigerte Geburtstagsgeschenk Kaiser Wilhelms II. vom 9. April 1918: ein silberbeschlagener Aschenbecher, ebenfalls aus der Kaiserlichen Majolika-Manufaktur in Cadinen in Ostpreußen (Abb. 7). Eingraviert ist laut Auktionskatalog:
"Meinem Ersten Generalquartiermeister, Generalleutnant Erich Ludendorff mit den herzlichsten Wünschen zu seinem 53. Geburtstag, Großes Hauptquartier, 9. April 1918."
Offenbar ist also im Jahr 2005 das Familiensilber der Familie Ludendorff, das man über die Notjahre des Endes des Zweiten Weltkrieges hinüber gerettet hatte, und das die ledige Münchner Enkeltochter Mathilde Ludendorffs wahrscheinlich ihr Leben lang aufgehoben hatte, nach dem Tod derselben verkauft worden. Kontakt zu anderen Nachfahren Mathilde Ludendorffs, an die sie dieses Familiensilber hätte vererben können, hatte die Enkeltochter Hannelore von Kemnitz offenbar keinen mehr (9).

Statt daß solch ein Nachlaß in alle Winde zerflattert, könnte doch allerhand Anlaß gesehen werden, daß er für ein solches Ludendorff-Museum aufgekauft würde, über das gegenwärtig - zumindest ansatzweise - in der Gemeinde Tutzing - und sogar im Umkreis des Zentralrats der Juden in Deutschland - nachgedacht wird (12).

Maßstab Bismarck-Museum

Jedenfalls kann in diesem Zusammenhang unter anderem daran erinnert werden, dass im Jahr 1990 im "Reprintverlag im Zentralantiquariat der DDR" eine liebevolle Übersicht erschienen ist über die "Bestände des früheren Bismarck-Museums in Schönhausen (Elbe)", das noch 1945 für interessierte sowjetische Offiziere seine Fülle von "Kult und Kitsch um den Reichsgründer" mit Sorgfältigkeit ausstellte, und dessen Bestände sofort nach der Wende noch im Jahr 1990 erneut so liebevoll der Öffentlichkeit präsentiert worden sind (28). Sucht man also nach einem Maßstab dafür, wie der Verkauf von Nachlassstücken Erich Ludendorffs allgemein bewertet werden könnte, könnte man sich ja einmal mit der Geschichte und der heutigen Arbeit der bundeseigenen Bismarck-Museen in Schönhausen und Friedrichsruh beschäftigen und mit dem, was sogar ein "Zentralantiquariat der DDR" für behandelnswert erachtet hat im Jahr 1990.

Auch in Bezug auf die Person Erich Ludendorffs werden nämlich womöglich künftige Generationen danach fragen, ob die Arbeit des von Erich und Mathilde Ludendorff testamentarisch vorgesehenen Ludendorff-Archivs in Tutzing, das bis heute fortbesteht, und das ausdrücklich im Sinne von Mathilde Ludendorff ganz genauso arbeiten sollte wie etwa das von ihr hochgeschätzte Schopenhauer-Archiv in Frankfurt am Main, vor einem Maßstab bestehen kann, den im Jahr 1990 der "Reprintverlag im Zentralantiquariat der DDR" setzte bei der liebevollen Dokumentation auch von "Kult und Kitsch rund um den Reichsgründer" Otto von Bismarck.

In diesem Band sind dokumentiert die hölzerne Wiege Bismarcks (28, S. 16), es sind Stühle, Schreibtische, Wohnschränke aus dem Besitz Otto von Bismarcks dokumentiert (28, S. 18, 64f, 98f), es ist sein Arbeitszimmer dokumentiert (28, S. 76), es ist seine Aktentasche dokumentiert (28, S. 27), seine Zigarrentasche (28, S. 33), seine Uniform aus der Schlacht von Königgrätz (28, S. 34), die Schreibfeder, mit der Bismarck 1871 den Friedensvertrag mit Frankreich unterzeichnete (28, S. 39), es sind völkerkundliche Geschenke von Forschungsreisenden aus Afrika dokumentiert (28, S. 81-84), es sind sogar Hundehalsbänder und -freßnäpfchen dokumentiert (28, S. 118) - um nur einige wenige Beispiele herauszugreifen. Es sind auch zahllose, wertvolle Geschenke dokumentiert, die Otto von Bismarck von allen Seiten zugekommen sind als Dank für seine politische Tätigkeit. So erhielt er ein Trinkhorn, eine gußeiserne Frauenfigur, eine Nachbildung der Siegessäule (28, S. 40, 42)  und des Niederwalddenkmals (28, Abb. 89) von Kaiser Wilhelm I.  , er besaß das berühmte Gemälde von Anton von Werner "Kaiserproklamation von Versailles" (28, Abb. 40), einen Tafelaufsatz aus Glas, ein Geschenk der böhmischen Glashütte Theresienthal (28, Abb. 69), die Petschaft Kaiser Wilhelms I., die Kaiser Wilhelm II. Bismarck 1895 zum Geburtstag schenkte (28, Abb. 85). Und es sind auch unzählige zeitgenössische Postkarten dokumentiert mit Fotografien und Zeichnungen der Person Bismarck in unterschiedlichen Zusammenhängen und von der näheren Umgebung Bismarcks oder mit huldigenden Gedichten auf Otto von Bismarck und auf seine Taten.

Biographische Forschungen zu Mathilde Ludendorff

Natürlich stellt ein solcher Nachlaß wie der eingangs erwähnte auch schlicht eine Erkenntnisquelle und einen Anstoß für die biographische Forschung dar. Mathilde Ludendorff (1877-1966) hat Erinnerungen nur an ihr Leben bis zum Ende des Jahres 1932 veröffentlicht. Sie hat über die 55 Jahre ihres Lebens bis 1932 sechs Bände veröffentlicht. Diese sind bis 1935/36 niedergeschrieben worden. Hätte sie für die weiteren 34 Jahre ihres Lebens Lebenserinnerungen in ähnlicher Dichte schreiben wollen, hätten diesen sechs Bänden wohl noch weitere vier Bände hinzugefügt werden müssen. Wer den reichhaltigen Inhalt der genannten sechs Bände kennengelernt hat, erahnt, was in diesen ungeschriebenen vier Bänden alles hätte enthalten sein müssen.

Über diese 34 Jahre ihres Lebens ist aber seither eine zusammenhängende biographische Darstellung auch von keiner anderen Seite vorgelegt worden. Und das Material für eine solche zerflattert derzeit unbeachtet in alle Winde. Dabei handelt es sich ja zusätzlich noch um jenen Lebensabschnitt, in dem sich geschichtlich die einschneidensten Ereignisse vollzogen: das Drittes Reich, der Zweiter Weltkrieg, die damit verbundenen Verbrechen, die Vertreibung, die deutsche Teilung, der Kalte Krieg, die bigotte Adenauer-Zeit, die Entkolonialisierung der Dritten Welt. Und so vieles andere mehr.

Um daraus nur einiges wenige Grundlegendere anzudeuten: Wiederholt schrieb Mathilde Ludendorff über die Jahre nach 1945 als über die "schwersten Jahre ihres Lebens". Am 26. Juni 1941, vier Tage nach Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges, vollendete sie das Manuskript zu ihrem Buch "Siegeszug der Physik" und schrieb dabei von dem "düsteren Hintergrunde eines furchtbaren Weltbrandes". Sie schrieb von "einem Schrei der Verzweiflung" von Millionen Menschen, "der zu den Toren meiner Seele gellt". Noch deutlichere Worte über diesen Krieg konnten wohl in der Diktatur nicht veröffentlicht werden. Und sie waren wohl auch von Seiten einer Mathilde Ludendorff, die mit ihrem Mann Jahre lang vor einem solchen Krieg gewarnt hatte, nicht mehr nötig.

Aber dieses wenige deutet schon an, daß diese 34 Lebensjahre nach 1932 keine anteilnahmslosen, unengagierten gewesen sein können. Fast alle männlichen Angehörigen ihrer Familie und Verwandtschaft ebenso wie ihres engeren und weiteren Mitarbeiterkreises waren zum Kriegsdienst eingezogen worden. Wenn Erkenntnisse gewonnen werden sollen über den Lebensabschnitt Mathilde Ludendorffs von 1932 bis 1966 in möglichst ähnlicher Dichte, wie sie für die Zeit davor von ihr selbst ermöglicht worden sind, muß jedem Wort, jedem Quellenstück, das dazu überhaupt vorliegt, Aufmerksamkeit zugewendet werden. Auch dann, wenn es sich auf den ersten Blick dabei um "Unbedeutendes" handeln mag. Denn was "bedeutend" ist, erkennt man oft erst in einem größeren Zusammenhang und in der Zusammenschau vieler kleiner Einzelheiten. Nur durch die Beachtung auch "unbedeutender" Details können heute noch nach und nach fast vergessene - oder tatsächlich schon vergessene - Zusammenhänge wieder ans Tageslicht gehoben werden. Diesem Anliegen dient ja nicht nur der vorliegenden Blogbeitrag, sondern die Arbeit auf diesem Blog überhaupt.

Und dies alles gilt natürlich auch für alle Bestandteile des Nachlasses des Sohnes von Mathilde Ludendorff, nämlich von Hanno von Kemnitz, die derzeit in den Auktionshandel geraten sind und die Bezug zu seiner Mutter und seinem Stiefvater haben.

Teilnahmslosigkeit gegenüber dem Zerflattern von Nachlässen?

Indem man derartige Fragen stellt, fällt einem schon auf, wie sehr man heute in der archäologischen Forschung "Raubgräberei" verurteilt - weil durch sie der Fundzusammenhang und damit wesentlichste wissenschaftliche Erkenntnisse verloren gehen. Wie aber gleichzeitig viele dem Auseinanderreißen von Nachlässen geschichtlich oder kulturgeschichtlich nicht ganz unbedeutender Personen (oder ihrer Mitarbeiter), bzw. möglicherweise sogar dem vollständigen Verlorengehen von solchen Nachlässen oftmals weitgehend teilnahmslos gegenüber steht. 

Daß dies sogar für Menschen und Vereinigungen zu gelten scheint, die vorgeben, den Persönlichkeiten Erich und Mathilde Ludendorffs mit besonderer Verehrung, besonderem Verständnis und besonderer Nacheiferung gegenüber zu stehen, rührt demgegenüber noch einmal um so merkwürdiger an. (Dazu übrigen in anderen Beiträgen mehr.)

Da im folgenden noch andere "Familienerbstücke" behandelt werden, sollen zunächst die familiären Zusammenhänge insgesamt geklärt werden - soweit dies derzeit möglich ist. Von Mathilde Ludendorff stammen vier Enkelkinder und vier Urenkelkinder ab. Sie hatte selbst drei Kinder (1): Ingeborg von Kemnitz (1906-1970), Hanno von Kemnitz (1909-1990) und Asko von Kemnitz (1909-1992). Ihre Enkel Walter Erich und Manfred von Bebenburg waren die Kinder von Ingeborg (geboren 1927 und 1946). Ihre Enkelin Hannelore war die Tochter von Hanno (geboren 1947) und ihr Enkel Alexander war der Sohn von Asko (geboren 1949).
Abb. 8: Die Nachkommen Mathilde Ludendorffs
Ihr Enkel Walter Erich wurde später der "Schriftsteller des Absurden" Walter Erich von Bebenburg-Richartz (1927-1980), ein Freund unter anderem von Günther Grass (2). Er hat zwei Söhne, einer davon ist Pitt von Bebenburg, Journalist bei der "Frankfurter Rundschau" (2). Ihr Enkel Manfred von Bebenburg ist Diplomsoziologe und blickt auf eine langjährige berufliche Tätigkeit im sozialpsychiatrischen, paar- und familientherapeutischen Bereich zurück, als Therapeut, auch in leitenden Positionen, als Dozent, in der Supervision und als Klangpädagoge (Bebenburg.infoAlbgarten.de). Er "ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt inzwischen auf der schwäbischen Alb in der Nähe von Ulm" (Bebenburg.info).

Während Ingeborg von Kemnitz seit 1933 mit dem späteren Verlagsinhaber Franz von Bebenburg verheiratet war, der nach 1945 die Nachfolge des Ludendorffs-Verlages übernehmen sollte, war Hanno von Kemnitz  1936 mit 27 Jahren ebenfalls Mitarbeiter des Ludendorff-Verlages in München geworden. (In der Halbmonats-Zeitschrift "Quell" und in ihrer Unterhaltungsbeilage "Scheinwerfer" war er verantwortlich für Anzeigen und Bilder. Von 1937 bis 1941 gab er den sogenannten "Tannenberg-Jahrweiser", ab 1940 "Deutsche Rast" genannt, heraus: "Völkische, unterhaltende Erzählungen, Tatsachenberichte, Novellen, Balladen und Gedichte." Auch einen Bild- und einen Karrikaturenband stellte er zusammen [3, 4].)

Abb. 9: Mathilde Ludendorff mit ihren beiden Söhnen Asko und Hanno von Kemnitz in München am 21.12.1937 (aus: 19)
Anläßlich des Staatsaktes für Erich Ludendorff am 22. Dezember 1937 sind Photographien der nächsten Angehörigen von Mathilde Ludendorff veröffentlicht worden. Ihre Söhne begleiten sie selbst (Abb. 7a), bzw. folgen dem Sarg Erich Ludendorffs.

Abb. 10: Mathilde Ludendorff umgeben von ihren Angehörigen während des Staatsaktes in München am 22.12.1937 (aus: 19)
Die Angehörigen während des Staatsaktes für Erich Ludendorff an der Feldherrnhalle in München am 22. Dezember 1937 (Abb 7b) waren in der ersten Reihe von links nach rechts: die Pianistin Frieda Stahl, die Schwester Mathilde Ludendorffs, Mathilde Ludendorff und ihre Tochter Ingeborg Freifrau Karg von Bebenburg. In der hinteren Reihe standen die Söhne Mathilde Ludendorffs Asko und Hanno von Kemnitz und der Schwiegersohn Franz Freiherr Karg von Bebenburg. Letzterer schreibt über Mathilde Ludendorff in der Zeit nach dem Tod Erich Ludendorffs (20, S. 119):
Die Führung des Ludendorff-Verlages und des Bundes für Gotterkenntnis lag nunmehr auf ihren Schultern. Anstelle ihres Mannes fuhr nunmehr sie meist jede Woche nach München zum Verlag in der Romanstraße, wo auch die Geschäftsstelle des Bundes war, um die anliegenden Dinge mit dem Verlagsleiter Karl v. Unruh und Walter Löhde oder auch mit ihren Söhnen Asko und Hanno zu besprechen. Asko v. Kemnitz war der Finanzchef des Verlages und Hanno v. Kemnitz führte die Buch- und Schriftenherstellung.
1938 - Mathilde Ludendorff legt Gelder in einer Mühle an

1938 heiratete Asko von Kemnitz. Mathilde Ludendorff berichtet (im November 1947) (25, S. 15):
Ich hatte im Jahre 1938 meine Papiere des Privatvermögens in einer Mühle angelegt, schon gleich in der sicheren Hoffnung, wenn Krieg komme, die ideellen Unternehmen wirtschaftlich sichern zu können.
Mit "ideellen Unternehmen" ist der "Heidenschatz" (wohl ein Spendenkonto des "Bundes für Gotterkenntnis") und das Vermögen des Ludendorff-Verlages gemeint. Womöglich handelt es sich schon hier schon um die Mühle in Hettenshausen bei Pfaffenhofen, die dann spätestens ab dem Jahr 1944 ihr Sohn Asko von Kemnitz bewirtschaftete (siehe unten).

1939 bis 1943 - Einiges zum Kriegsschicksal der Söhne

Abb. 11 Brief von H. v. Kemnitz
Gleich nach Kriegsausbruch 1939 wurde der Zeitschrift der Papierbezug gesperrt und damit das Erscheinen unmöglich gemacht. Nach und nach wurden viele Verlagsmitarbeiter zum Kriegsdienst eingezogen. Am 16. Dezember 1939 schrieb Frieda Stahl aus Köln an ihre Schwester Mathilde Ludendorff:
Wie ist denn das Resultat der Musterung von Hanno und Asko, hoffentlich kommen sie noch lange nicht dran. Einmal muß doch auch dieser Zustand ein Ende nehmen.
Der Kriegszustand nahm allerdings bekanntlich so bald kein Ende. Und so schrieb sie am 26. Februar 1940:
Wie gut, daß Hanno nicht zur Infanterie gekommen ist. Hoffentlich muß er nicht fort, das wäre doch schlimm für die Druckerei.
Wie gleich zu sehen sein wird, kam Hanno von Kemnitz zu einer Flakdivision. Am 6. November 1942 schrieb Frieda Stahl an Mathilde Ludendorff über deren - offenbar verletzten - Schwiegersohn Franz und über ihren Sohn Hanno:
Ein Glück, daß Du bei dem Arzt etwas für den armen Franz erreichtest. Hoffentlich kann doch wenigstens das eine Auge gerettet werden. (...) Hanno hatte wenigstens mal einen schönen Eindruck in Paris. Jetzt müssen wir hoffen, daß er Arbeitsurlaub bekommt; dann wäre man doch mal um zwei die Sorge los!
Offenbar hatte sich Hanno in dieser Zeit auch von einer Frau getrennt. Denn am 13. Februar 1943 schrieb Frieda Stahl über Hanno:
Wie gut, daß sich die Frau P. so schön charakterlich enthüllt hat, dann ist es für Hanno trotz der Enttäuschung doch viel leichter, fest in seinen Entschlüssen zu bleiben. Ich gönne ihm so von Herzen die schönen Monate in den Bergen.
Ein Feldpostbriefumschlag (merkwürdigerweise ohne seinen Inhalt) und eine Feldpostkarte von dem 34-jährigen Hanno an seine Mutter sind bei Ebay zum Verkauf angeboten worden (September 2011) (5, 6). Aus ihnen geht hervor, daß Hanno als Gefreiter in einem "Berg- und Schiheim" bei Schröcken in Vorarlberg bei der "4. Flakdivision" stationiert war. Der angebotene Briefumschlag vom 7. April 1943 ist nach Tutzing adressiert (siehe Abb. 11).

Abb. 12: Hanno von Kemnitz an seine Mutter, 18.6.1943
Die zwei Monate später geschriebene Karte vom 18. Juni 1943 (siehe Abb. 12) ist nach Klais bei Mittenwald adressiert, wo Mathilde Ludendorff eine Berghütte besaß. Scheinbar ist die Karte nach der Rückfahrt von einem Besuch bei seiner Mutter geschrieben worden. Und scheinbar ist Hanno von Kemnitz mit dem Motorrad oder vielleicht auch auf offenem Militärwagen gefahren. Denn die Karte enthält folgenden Text (mit einigen unsicheren Stellen):
"Liebe Mama! Fast so wie auf dem Bild sah Schröcken bei meiner Ankunft aus. Um 3/4 3 Uhr bin ich nach ununterbrochener Fahrt und nur einer 1/2stündigen Rast und Essen in Steeg hier angelangt. So was von dreckig wie ich aussah war noch nicht da. Über die Höhe mußte ich durch 30 cm hohen Neuschnee stapfen. Ich habe schon viele tolle Sachen mitgemacht, das aber war schon das höchste. Gott sei dank habe ich gleich ein heißes Bad und anschließend reichlich zu essen bekommen. Ich war vollkommen ausge...(?)... und verfroren. Deine Sachen (?) gab ich auch gleich zum Waschen. Ich kann sie in den nächsten Tagen abschicken. Viele herzliche Grüße an Tante und Edith.
Alles Liebe und innige Grüße,
Dein treuer Hanno."
Als Absender: "Gefr. von Kemnitz, Schröcken, Vorarlberg, Berg- und Schiheim 4. Fl.division".

Asko von Kemnitz und die Mühle in Hettenshausen (1944 - 1960)

Abb. 13: Scheller-Mühle in Hettenshausen
Asko von Kemnitz war offenbar Offizier bei der deutschen Wehrmacht und im Kriegseinsatz, wie aus Briefen seiner Mutter hervorgeht (siehe unten).

Die schon erwähnte Mühle in Hettenshausen bei Pfaffenhofen wurde offenbar im Jahr 1944 gekauft (2). Bzw. wurden in diesem Jahr weitere Gelder in ihr angelegt. Hettenshausen liegt 45 Kilometer nördlich von München (24, S. 12). Die Familie Scheller betreibt noch heute die Scheller-Mühle in Hettenshausen, die seit 1450 urkundlich erwähnt ist und seit 1834 im Besitz der Familie ist. Möglicherweise ist dies die von Asko von Kemnitz betriebene Mühle, die die Familie Scheller dann nach 1960 wieder übernommen hat. (Vielleicht gibt es  in Hettenshausen auch zwei Mühlen: Ilmweg 11 und Mühlweg 6.)

Abb. 14: US-Militär 1945
Diese Mühle wurde von Mathilde Ludendorff und ihren Mitarbeitern 1944 auch dazu genutzt, um private Gelder und Barvermögen des Ludendorff Verlages und des sogenannten "Heidenschatzes" (wohl ein Spendenkonto des "Bundes für Gotterkenntnis") zu sichern (25). Asko von Kemnitz konnte die Verwaltung der Mühle nur in seinen kurzen Urlaubszeiten wahrnehmen. Mathilde Ludendorff berichtet darüber 1947 (25, S. 12):
Die Anlage von Geldern in der Mühle sollte eine Sicherstellung bezwecken, da die Gefahr bestand, daß die nationalsozialistische Regierung durch die Gestapo die Hand darauf legen würde, nachdem der Verlag schon lange nicht mehr arbeiten konnte.
1945 - Ludendorffs Helm und Degen werden gestohlen

Aus der engeren Familienkreis von Mathilde Ludendorff scheint niemand während des Krieges gefallen zu sein. 1945 und in den nachfolgenden Jahren kehrten sie nach und nach an ihre Heimatorte zurück. Der Einmarsch der Amerikaner in Tutzing im Mai 1945 brachte für Mathilde Ludendorff einschneidende Ereignisse. Ihr Schwiegersohn Franz von Bebenburg berichtet (20, S. 120f):
Als im Frühjahr 1945 die Amerikaner in Bayern einmarschierten, beschlagnahmten sie das Haus Ludendorff als Unterkunft für ihre Offiziere. Knall auf Fall mußte Mathilde Ludendorff ihr Haus verlassen, fand jedoch bei der Familie Rieckewolt in Tutzing glücklicherweise Aufnahme. Im Zuge einer Umorganisation der amerikanischen Militärregierung zog die in Tutzing liegende Abteilung ab und damit konnten die vertriebenen Insassen wieder zurückkehren. Die Besatzer hatten allerdings Ludendorffs Helm, seinen Degen, sowie ein Samuraischwert, ein Geschenk aus Japan, als Souvenirs mitgehen lassen. Man durfte froh sein, daß sonst nichts entwendet worden war, denn man war ja damals nahezu hilflos der Wilkür ausgeliefert.
Abb. 15: US-Militär 1945
Ob wohl diese Gegenstände auch einmal wieder auftauchen oder schon aufgetaucht sind? So wie zu dieser Zeit der vormalige Schriftleiter des "Quell" Walter Löhde in jenem Dorf Jenstetten bei Seeshaupt, in das er ausquartiert war, 1945 nach dem Einmarsch der Franzosen, zum Bürgermeister gewählt worden ist, so wurde offenbar auch Asko von Kemnitz zu gleicher Zeit Bürgermeister in Hettenshausen. Über den Oktober 1945 berichtet Franz von Bebenburg (20, S. 121):
So erschien Anfang Oktober ein Kommando US-Soldaten mit einem Lastwagen vor dem Hause und beschlagnahmten alle Teppiche für angebliche Offiziersquartiere. Zum Glück war der Sohn Mathilde Ludendorffs, Asko v. Kemnitz, zufällig anwesend. Er fuhr zur zuständigen Militärregierung nach Starnberg, wo von einer solchen Aktion nichts bekannt war. Die Teppiche wurden wieder abgeladen und ins Haus zurückgebracht.
Dieser Vorfall hatte aber doch zur Folge, daß vorsichtsmaßnahmen getroffen wurden. Die meisten Teppiche wurden nicht wieder aufgelegt und wurden in Pähl aufbewahrt, was noch viele Jahre dauern sollte.
Auf diese Teppiche bezieht sich dann ein Brief Mathilde Ludendorffs im Jahr 1953 (siehe unten).

20. Dezember 1945 - Amerikanischer Tiefflieger über dem Grab Erich Ludendorffs

Abb. 16: US-amerikanische Militärflugzeuge (1944)
In einem Privatbrief an das Ehepaar Waltraud und Helge Kuhnen, das 1944 in Aachen ausgebombt worden war, schreibt sie am 21. Dezember 1945 (27):
An dem schweren Schicksal nehme ich warmen Anteil. Hoffentlich werden Sie doch Ihres Kriegsleidens bald Herr! Wie will ich Ihrem Ringen um Ihre Rechte guten Erfolg wünschen! Hier waren auch schwere Zeiten, doch am 30. Juni konnte ich wieder in mein Heim, das 2 Monate von Amerikanern bewohnt war. Das Berghaus in Klais wurde ausgeplündert. Unendlich viele Eingaben und Beweisführungen habe ich angefertigt. Es wurde erkannt, daß wir mit dem Nationalsozialismus nichts zu tun hatten, aber der Verlag kann nicht wieder eröffnet werden, seine Räume sind für andere Verlage geräumt. Der Bund hat dort noch seinen Raum, die Eingabe für seine Genehmigung läuft noch. Ich lege Ihnen eine Aufzählung der Veröffentlichungen bei, weil Sie sie vielleicht gebrauchen können. Daß wir Gegner der Hauerbewegung waren, kann durch Quellaufsätze meines Mannes bewiesen werden. Nach dem Tode meines Mannes wurde ich immer wieder aufgefordert, den Bund mit dieser Bewegung verschmelzen zu lassen. Als ich dies scharf ablehnte, wurde mir gedroht, ich dürfe das Volk nicht spalten jetzt.
So sind die Tatsachen.

Hoffentlich gelingt Ihr Gesuch um Pensionierung. Es kann Ihnen rechtlich nicht abgelehnt werden, da Sie den nationalsozialistischen Organisationen ja gar nicht angehörten!

Nun danke ich Ihnen vor allem noch für Ihr schönes, Tief empfundenes Gedicht, es kam gerade am Todestag meines lieben Mannes an. Als ich in seiner Todesstunde die Kränze am Grab niederlegte, flog zufällig ein amerikanischer Tiefflieger dröhnend über dem Grab hin und her. Das war die Totenrede dieses Jahres. -

Ich werde diesen Brief eingeschrieben an Ihre Tochter senden und sie in einem Begleitschreiben auffordern, mich doch einmal in Tutzing zu besuchen!

Mit allen guten Wünschen und der Hoffnung, daß Sie die schwersten Monate bald hinter sich haben mögen und zu Ihrem Rechte kommen und mit herzlichen Grüßen ...
In einem Rundschreiben an die Mitglieder des "Bundes für Gotterkenntnis" teilt Mathilde Ludendorff im Februar 1946 mit, daß laut Bayerischem Kultusministerium
eine besondere Konzessionierung des Bundes für Deutsche Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V. durch das Kultusministerium nicht erforderlich sei, daß dieser vielmehr seine Tätigkeit ohne weiteres wieder aufnehmen könne. 
1946 - "Ein ununterbrochenes Auf und Nieder"

Am 17. Juni 1946 schreibt Mathilde Ludendorff an das Ehepaar Kuhnen in Aachen diesbezüglich unter anderem (27):
Ich stehe seit einem Jahr in ununterbrochenem Ringen für unsere Rechte. Sobald wir einen Schritt bei den Behörden weiter sind, setzen neue Denunziationen ein, die dann wieder in unterschiedlichen Vernehmungen von Seiten der Amerikaner allmählich widerlegt werden müssen. Es ist ein ununterbrochenes Auf und Nieder! Da zudem auch vorübergehend mein Haus ausgeräumt wurde, allerdings nicht auf die Dauer - ich bekam die Sachen auf meine Beschwerden wieder - und 11 Flüchtlinge in meinem Hause wohnen, so habe ich mich 4 Wochen auf meiner im vorigen Jahre ausgeplünderten Berghütte erholt, obwohl auch dort in der kleinen Hütte eine Frau mit Mädchen und drei kleinen Kindern untergebracht sind. Aber ich habe mich doch durch Wanderungen erholen können, obwohl ja die Ernährungslage auch diesen ihre Grenzen setzte.

Die Militärregierung hat mir ein Schreiben in diesen Tagen gesandt, daß ihre Prüfung ergeben habe, daß ich "politisch einwandfrei sei" und ich hoffe, daß diese Feststellung nun auch unserem beschlagnahmten Verlag etwas helfen kann.
Hanno von Kemnitz heiratete im Juni 1946 eine Frau gleichen Jahrgangs wie er selbst. Zu Weihnachten 1946 besuchte Mathilde Ludendorff ihre Kinder reihum (siehe unten ihren Brief vom Dezember 1947). Womöglich deshalb, weil sie in ihrem eigenen Haus nicht so recht Weihnachten feiern konnte, bzw. sie ihre Kinder nicht zu sich nach Hause einladen konnte (siehe unten).

1947 - Die Mühle in Hettenshausen brennt nieder

Am 30. Januar 1947 brennt die Mühle in Hettenshausen nieder (25, S. 25). Am 23. Januar 1948 wird darüber berichtet (25, S. 24):
Daß die auf der Mühle Hettenshausen sichergestellten Gelder schon längst in dem Augenblick zurückgegeben wurden, als sie nicht mehr als eine sichere Anlage erschienen, weil die Mühle mit all ihren wertvollen Maschienen am 30. 1. 47 niedergebrannt ist. 
Das galt aber offenbar vornehmlich für die Gelder des vormaligen Ludendorff-Verlages und des Heidenschatzes, nicht für die private Beteiligung Mathilde Ludendorffs an der Mühle, von der noch weiter unten die Rede ist. Im August 1947 wurde Hanno von Kemnitz Vater von Hannelore (9). Hannelore von Kemnitz blieb lebenslang ledig und ist heute schon verstorben (9). Am 30. Oktober 1947 sendet sie an die Inhaberin der Ludendorff-Buchhandlung Frau Dittmer in Lübeck in Antwort auf Geburtstagsglückwünsche folgende offenbar vorgedruckte Worte, die sich schon auf die Vorbereitungen zu ihrem Spruchkammerverfahren beziehen, das dann allerdings erst im Jahr 1949 beginnen sollte (27):
Herzlichen Dank für die Glückwünsche!

Viele Hunderte konnten mit militärbehördlicher Genehmigung schöne religiöse Feiern in Stuttgart, Kiel und anderwärts begehen. Die mir bei der Feier im Tutzinger Heim persönlich dargebrachten Glückwünsche und meine Dankesworte werden Ihnen zugehen.

Die mir befohlene Untersuchung meines Geisteszustandes mußte meine Gesundheit bestätigen. Das Spruchkammerverfahren wird nun folgen.
(handschriftlicher Zusatz:) Wann ist bei Ihnen eine religiöse Feier?
Am 2. Dezember 1947 schreibt Mathilde Ludendorff an ihren Sohn Asko (25, S. 20):
Zu Weihnacht werde ich es wie letztes Jahr machen; ich werde Euch wieder nacheinander besuchen, bitte Dich aber jetzt schon, daß wir es diesmal dann so einrichten, daß ich an einem Tage nach München komme, an welchem Du von dort nach Pfaffenhofen zurückfährst, damit ich mir die unangenehme Bahnfahrt ersparen kann.
gez. Mama
Womöglich machte sie die Besuche auch deshalb, weil sie in ihrem Haus in Tutzing nicht recht Weihnachten feiern konnte.

In seiner Eigenschaft als Bürgermeister von Hettenshausen war Asko von Kemnitz offenbar auch Chef der dortigen Spruchkammer (22). Über seine Tätigkeit heißt es von Seiten eines Ortschronisten (15):
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde unter Bürgermeister Asko von Kemnitz ein Neuanfang unter demokratischen Vorgaben der amerikanischen Besatzungsmacht gemacht. In seiner bis 1960 reichenden Amtsperiode erfolgten viele wichtige Weichenstellungen für die Zukunft. Das Hauptaugenmerk wurde auf den Aufbau einer funktionierenden demokratischen Verwaltung sowie auf die Notwendigkeit der Unterbringung und Integration der Flüchtlinge gelegt, deren Zuzug für ein rasches Ansteigen der Bevölkerungszahl sorgte, für die jedoch kein ausreichender Wohnraum zur Verfügung stand. Im Lauf der 50-er Jahre konnte dieses zentrale Problem der Nachkriegsjahre bewältigt werden, als eine intensive Wohnungsbautätigkeit die endgültige Niederlassung der Heimatvertriebenen ermöglichte und ihre Existenz auf eine dauerhafte Grundlage stellte.
In den Jahren 1958 bis 1962 wurde der Ausbau der Ortsstraßen vorgenommen, die Ausgemeindung der Hipp-Siedlung 1959 nach Pfaffenhofen brachte eine bedeutende Änderung der Gemeindegrenzen.
Nachfolger von Kemnitz’ wurde im Jahr 1960 Josef Scheller, der bis 1981 der Gemeinde vorstand.  
Im Zuge dieser Amtstätigkeit weihte Asko von Kemnitz 1954 auch
eine Gedenktafel zu Ehren der gefallenen und vermißten Kameraden des 2. Weltkrieges
ein (Paffenhofen.de). Sie
wurde im Vorraum der Hettenshausener St. Johannes Kirche installiert und von Hochw. Herrn Pfarrer Ebner aus Ilmmünster eingeweiht. Die Festansprache anläßlich dieser ersten großen Nachkriegsfeier in der Gemeinde hielt der damalige Bürgermeister Asko von Kemnitz.   

1948 - Die Mathilde Ludendorff zustehende Rente aus der Mühle in Hettenshausen

Im August 1948 hat Mathilde Ludendorff dann einen Brief an ihren Sohn Asko geschrieben, aus dem ihre finanzielle Mitbeteiligung an der von ihm betriebenen Mühle hervorgeht:
Tutzing, den 13. 8. 48
Lieber Asko,
Fünf Wochen dauert diesmal schon die Plage der angreifenden Rückenneuralgieen. Zwar sind die Attacken nun nicht mehr so häufig aber es ist doch sehr unwahrscheinlich, daß ich mit nach Hettenhausen kommen kann. Ich muß alles tun, daß die Sache nicht chronisch wird und immerfort bei Nahen einer Attacke auf Heizkissen liegen. Ich hoffe nur eines, daß ich am 1. September zur Erholung auf die Hütte kann. Dies wird um so notwendiger, als der Oberstaatsanwalt gesagt hat, meine nun auch auf alle Kritik am Christentum ausgedehnte Anklage werde in zwei bis drei Monaten fertig sein.
Du wirst den Geschwistern also vielleicht allein Deine schöne, zu einem gewissen Abschluß gekommene Leistung zeigen und ihnen ein Bild der Lage geben und ich bitte Dich mir, wenn Du in den nächsten Wochen nach München kommst, hier in Tutzing auch die Lage selbst zu schildern, falls ich unmöglich kommen kann. Ich habe Dir ja schon bewiesen, daß ich, vorbehaltlich aller meiner Rechte in dem festen Vertrauen darauf, daß Du zunächst noch vor einer Unmöglichkeit stehst, die Rente dem Betrag gemäß auszuzahlen, die fehlenden 2/5 nicht angemahnt habe. Aber selbstverständlich muß ich in dieser Sache auch selbst bald ganz klar sehen. Wenn ich, was mir sehr wahrscheinlich ist, nicht nach Hettenhausen kommen kann, werde ich mir mit Freuden Deinen mühereichen Aufbau ansehen, wenn ich im Herbste hoffentlich ganz gesund sein werde. Ich bitte Dich, diesen Brief auch den Geschwistern bei der Besprechung vorzulesen und bin mit viele herzlichen Grüßen
Deine ...
Mit der angesprochenen "Hütte" ist sicherlich die Berghütte in Klais gemeint, von der noch in einem Brief von 1953 die Rede sein wird (siehe unten).

Januar 1949 - Oropax für Mathilde Ludendorff

Die damalige Wohnsituation Mathilde Ludendorffs durch Zuweisung mehrerer Flüchtlingsfamilien, die in einem Brief des Jahres 1953 noch detaillierter beschrieben wird (siehe unten), kommt auch sehr anschaulich in dem folgenden Brief zum Ausdruck:
25. 1. 1949
Sehr geehrter Herr,
Nehmen Sie doch meinen allerherzlichsten Dank für das Oropax! Da ich gerade wieder mit einem neuen Werk begonnen habe, wird es mir so wichtige Dienste tun, da es all den Lärm der vielen Flüchtlinge von mir fern halten kann! (...) In einer Zeit, die für mich an sich die schwerste ist in meinem Leben. (...)
Vor wenigen Wochen sandte ich Ihnen ein Buch, das im Kriege erschien, da Sie ja Bücher für Ihre Bibliothek sich wünschten! Möge es der Ausdruck meiner Dankbarkeit für das Oropax sein, das mir die Einsamkeit schenkt, die mir im übrigen durch die Schlechtigkeit so vieler Menschen immer wieder neu gesichert wird!
Mit allen guten Wünschen und herzlichen Grüßen ...
Möglicherweise handelt es sich bei dem erwähnten Buch um "Siegeszug der Physik". Der letzte Halbsatz bezieht sich auf die in dem Brief ebenfalls erörterten "ungeheuerlichen Unwahrheiten im abträglichen Sinne gegen mich und meine nächsten Mitarbeiter", die, so M. Ludendorff, von einem vormaligen Mitarbeiter Völke damals verbreitet wurden, wobei diese aber dem Inhalt nach in diesem Brief nicht genannt werden.

April 1949 - Ein Buchgeschenk für Hanno

Im November 2007 ist - nach dem Silbergeschirr und dem Feldpostbrief - ein weiterer Bestandteil des Nachlasses von Hanno von Kemnitz bei Ebay zum Verkauf angeboten worden (Abb. 9 - 11). Nämlich ein Buch, das ursprünglich aus dem Nachlaß Erich Ludendorffs stammte (7), das Mathilde Ludendorff aber sechs Jahre nach der oben behandelten Feldpost, am 1. April 1949, ihrem Sohn Hanno zum 40. Geburtstag schenkte. Mit der folgenden Widmung:
“Meinem lieben Sohn Hanno zum 40. Geburtstag ein Buch aus des lieben Vaters Bibliothek! Mathilde Ludendorff. 1.4.1949"
Abb. 9: "Wolken im Luftmeer", 1917
Das Buch "Wolken im Luftmeer" war herausgegeben worden vom Wetterdienst des Stabes der deutschen Luftstreitkräfte.

Abb. 10
(Die bibliographischen Details: Berlin, 1917. 100 Seiten mit zahlreichen fotomechanischen Reproduktionen der von Fliegern aufgenommenen Wolkengebilde. Dreikant – Goldschnitt. Im prächtigen Pergamenteinband mit Goldprägung. Auf dem Deckel deutscher Zweidecker des 1. Weltkrieges im Wolkenmeer. Maße ca. 32 cm x 24,5
 cm.)

Abb. 11: Widmung in "Wolken im Luftmeer"

Im Jahr 1949 wurde Asko von Kemnitz Vater seines Sohnes Alexander von Kemnitz (1949 –1990). Von diesem stammt wiederum ein Maximilian von Kemnitz ab (* 1976). Beide von Beruf Diplomkaufmann (1, 9). 

1953 - Mathilde Ludendorff über Teppiche, Bilder und Schränke

Im Januar 1950 schrieb Mathilde Ludendorff einen Brief an ihren Bruder, in dem es auch um die von diesem angeratene Taufe ihrer Enkeltochter Hannelore von Kemnitz ging (10). In einem Brief aus dem Mai 1953 erläutert M. Ludendorff ihre Wohnsituation in jenen Jahren folgendermaßen:
Klais den 31.5. 53
Sehr geehrter Herr Vollmer,
Ihr Brief wurde mir auf meine Berghütte nachgesandt, die acht Jahre hindurch für eine Frau mit vier wilden, alles zerstörenden Kindern beschlagnahmt war, und die ich nun vom Wohnungsamte zurückkaufen konnte, da ich für diese Familie in ihrem Arbeitsgebiet Zimmer ausbauen ließ. Durch Tapezierer, Schreiner, Anstreicher etz habe ich die Hütte in Stand gesetzt und bin um so glücklicher, für Wochen im Frühjahr und Herbst diese Erholung wieder zu haben, als herrliche Bergwanderung und wunderbare Hütteneinsamkeit mir wieder ein Heim geben! Denn in Tutzing wohnten Jahre hindurch zwölf und jetzt wohnen noch acht Flüchtlinge in dem Heim, das keine Eigenabgrenzung hat! ...
Abb. 12: Die Schwestern Frieda Stahl und Mathilde Ludendorff 1952 auf der Berghütte in Klais (Aufnahme durch die Haushälterin Annemarie Kruse [gest. März 2016])
Dieser Brief wird erläutert durch einen zwei Wochen später geschriebenen Brief an ihre drei Kinder, der im Dezember 2009 bekannt geworden ist (14). In ihm geht es um die Rückstellung von Wohngegenständen wie Teppichen und Bildern, die sie wegen der langen Jahre der Einquartierung der genannten zwölf Personen in ihrem Haus in Tutzing bei ihren Kindern ausgelagert hatte. Aus diesem Brief geht auch ihr Denken in vielen Dingen hervor, insbesondere kann das sorgfältige Durchdenken der Einrichtung des Hauses ein wenig erläutern, warum dieses Haus dann im Jahr 2010 - mitsamt seinem Inventar - unter Denkmalschutz gestellt worden ist (12). 

/ Die Art der Veröffentlichung dieses Briefes im Dezember 2009 wird man hingegen einigermaßen lieblos nennen müssen. Dem Leser wird der Inhalt der schwer lesbaren Stellen, die im Original noch besser entzifferbar sein müssen, nicht mitgeteilt und und die historische, bzw. biographische Einordnung des Briefes erfolgt in knappen drei Zeilen. /

Im folgenden wird der Text, wo es nötig erscheint, erläutert:
Tutzing, den 14.6.53
Meine lieben Kinder,
An Euch alle drei richte ich heute die gleichen Worte und des zum Zeichen schicke ich Euch diesselben als Durchschläge!
Eine der mir sehr am Herzen liegenden Pflichten, die ich an meinem Lebensabende noch erfüllt sehen möchte, ist die, Vaters letzten Willen, unsere Wohnungen als Gedenkstätten zu erhalten, wie sie bewohnt wurden, zu erfüllen. Der erste mich sehr beglückende Schritt ist im Mai dadurch geschehen, daß ich mit Hilfe des Anwaltes und der Pähler meine Berghütte von den Zerstörern, den Faltzkindern, befreien konnte, sie durch die Zahlung von 1600 DM für Wohnungsausbau im Rheinland und Umsiedlungskosten, wie das Kreiswohnungsamt mir zu Pfingsten schriftlich zusicherte, nach 8 Jahren Beschlagnahme frei bekam. 
Es handelt sich also nochmals um die von Mathilde Ludendorff so geliebte, 1932 nach den Angaben Erich Ludendorffs erbaute (17, S. 513) Berghütte in Klais bei Garmisch-Partenkirchen. Die hier angesprochenen "Pähler" sind ihre Tochter Ingeborg und ihr Mann Franz von Bebenburg. Weiter schreibt sie:
Die notwendigen Reparaturen und Sicherungen vor Diebstahl werden zwar insgesamt noch 600 D-Mark kosten, dennoch aber bin ich schon weit gekommen und hab Erfreulicheres erreicht als durch die zweite große Grubenverbesserung zu 400 D-Mark, die durch die große Flüchtlingszahl im Tutzinger Haus notwendig wurde.
Erläuterung: In ihrem Haus in Tutzing wurden - ebenso wie in ihrer Berghütte in Klais - nach 1945 mehrere Flüchtlingsfamilien einquartiert, was Jahre lang eine große Belastung für die 70-jährige Mathilde Ludendorff bedeutete. Sie mußte Freunde sogar um Oropax bitten, um die nötige Ruhe zu geistiger Arbeit gewinnen zu können (siehe Brief oben von 1949). Weiter heißt es:
Sofort habe ich aber auch das Freiwerden unseres Tutzinger Heimes in Angriff genommen und bei der Gemeinde erreicht, daß sowohl die Grubenreparaturen eine Überlastung der Wohnung beweisen als auch die Tatsache, daß Tante Friedel durch Anbau des Studios zu etwa 6000 D-Mark eine Flüchtlingsleistung vollbrachte, anzuerkennen, da ihr ja der Zuzug schon seit 2 Jahren genehmigt wurde, und die Wohnung Bartsch in Gestalt des Eßzimmers an sich schon ein Studio hätte abgeben können.
Mit "Tante Friedel" ist Frieda Stahl, die Schwester Mathilde Ludendorffs gemeint, die Pianistin, die noch während des Krieges in Köln gewohnt und am dortigen Konservatorium unterrichtet hatte, und dann bis zu ihrem Lebensende bei Mathilde Ludendorff wohnte. Weiter heißt es:
Es ist mir nun versprochen, daß die 3 Personen Völker und Frau Köpenik, die als Pommersche Protestanten ja an sich nicht so hoch im Kurs stehen wie die Familie Bartsch, eine Wohnung bekommen.
Das Freiwerden der dann einzig noch von Flüchtlingen bewohnten Räume (handschriftlich ist - nicht leserlich - die Zahl der Räume eingefügt) wird sich aber auch nicht mehr allzu lange Zeit hinziehen, da die katholischen Oberschlesier schon große Zusicherungen, nach den Verhandlungen mit Rußland in ihre Besitzungen zurück zu können, erhalten haben. -
Es wohnten also scheinbar zu jener Zeit noch in dem Haus: eine Familie Bartsch aus Oberschlesien mit vier Personen, eine Familie Völker aus Pommern mit drei Personen und eine Frau Köpernik. Zuvor hatten offenbar - siehe oben - Jahre lang noch vier weitere Flüchtlinge in dem Haus gelebt. Weiter heißt es:
Am 14. Juli kommt Tante Friedel mit ihren Möbeln und dann wäre gleichzeitig der gegebene Augenblick, in dem ich Euch mit herzlichem Dank für die treue Aufbewahrung von Inventar bitte, mir das Aufbewahrte, natürlich auf meine Kosten, herschaffen zu lassen. Ist es dann doch für die Einwohner überhaupt nicht übersichtlich, wem das Herangeschaffte gehört. Ihr könnt Euch denken, was es für mich bedeuten wird, nun nach Jahren alle die Dinge, die ihren tiefen Gemüstwert durch die 12 Jahre gemeinsamen Lebens mit Vater haben, wieder um mich haben zu können! Da ich an sich wegen Ankauf der Hütte meinen Flügel im Juli verkaufe, der schon vom Fachmann taxiert und von einem Kölner Fachmann begehrt wird, so kann ich alles, was ich Euch anvertraute, schon vor Bartschens Auszug schön stellen und verwerten. Ich werde Euch den Smirnateppich vom Eßzimmer so lange zur Benützung geben, der augenblicklich in meinem Zimmer liegt und den Perserläufer im Schlafzimmer ebenfalls noch lassen können, da der vordere Gang ja noch nicht frei ist. Den Bucharateppich aber brauch ich außer dem bei Asko verwahrten Teppich vom Empfangszimmer, da im Schlafzimmer nun nur ein Bett steht und daher sonst der Belag nicht gedeckt wird. -
Die Bilder von Vater kommen in mein Schlafzimmer und an den Kamin. (Folgt schwer leserlicher handschriftlicher Zusatz.) Solange das Haus aber noch nicht frei ist, gebe ich Euch Vaters Bild mit Hut, das jetzt über dem Kamin in Vaters Zimmer hängt, wohin dann das Profil in Uniform von Tante Lina kommt. Den Kramer von Tante Lina hänge ich über mein Bücherbrett.
Hier sind Gemälde von Lina Richter, der Schwester Mathilde Ludendorffs gemeint. Der Kramer ist ein Berg bei Garmisch-Partenkirchen, den Mathilde Ludendorff viel bewandert hat während ihrer Zeit als Ärztin dort und besonders in der Zeit, als ihr erstes philosophisches Werk entstand.
Ich bat Franz schon, mir in den ersten Tagen des Juli alles, natürlich auf meine Kosten, am besten durch Spediteur Keller bringen zu lassen, da ich den Kleiderschrank, in dem ich jetzt meine Sache habe, für Tante Lina frei machen muß. Bitte schreibt mir nur ja außerdem auch die Mark monatlich fürs Unterstellen als Belastung auf mein Konto! Und nehmt noch einmal herzlichen Dank für die treue Aufbewahrung!!!!!!
Handschriftlicher Zusatz:
Morgen früh fahre ich ab! Auf Wiedersehen im Hotel 'Stiller Friede' in Bielefeld, in dem also ... (nicht leserlich. Die drei letzten Worte lauten:) Viele liebe Grüße, ...
In Bielefeld fand damals eine Tagung statt, auf der Mathilde Ludendorff vor 1100 Teilnehmern aus ihrem - am Kramer entstandenen - Buch "Triumph des Unsterblichkeitwillens" vorlas (siehe Zeitschrift "Der Quell", 9. 7. 54; zit. n. Borst/Ludendorff-Bewegung, S. 282).

Die Kinder von Mathilde Ludendorff haben in ihrer Jugend in Tutzing nicht nur das Schifahren eingeführt (16), sondern auf dem Starnberger See auch das Segeln gelernt. Insofern würde es ins Bild passen - und auch dieses Detail sei hier am Rande erwähnt - wenn von einem "Hanno von Kemnitz, München" laut Baunummernbuch der Yachtwerft "Abeking & Rasmussen" bei Bremen (pdf) im Jahr 1962 ein "Starboot" mit dem Namen "Antonia" (Baunummer 5816) und 1963/64 ein ebensolches sieben Meter langes mit dem Namen "Immerdabei" gekauft worden ist (Baunummer 5984) (pdf). Antonia hieß ja auch die Ehefrau von Hanno von Kemnitz.

Weitere Bestandteile des Nachlasses?

Da schon die eingangs aufgeführten Stücke aus dem Nachlaß von Hanno von Kemnitz stammen, könnte dies auch von anderen, gleichzeitig vom selben Auktionshaus angebotenen Stücken gelten, auch wenn dieses das nicht bestätigen kann. Wie etwa die Urkunde der Thule-Gesellschaft aus dem Jahr 1925 oder der versteigerte Dankesbrief Hindenburgs an Ludendorff vom 11. Juli 1919. Oder das ebenfalls versteigerte Kondolenzschreiben des Kronzprinzen Wilhelm vom 20.12.1937. Oder auch das späte Reliefporträt von Mathilde Ludendorff (siehe auch: abc). Auf die Nachfrage nach ihrer Herkunft teilt die Firma "Hermann Historica" mit (13):
Die wenigen Objekte aus dem Nachlass Ludendorffs stammen durch die Bank aus den unterschiedlichsten Quellen (Sammler oder Händler), aber leider zählen Mitglieder der Familie Ludendorff nicht zu den Einlieferern. Wie diese Stücke in den Handel gekommen sind, entzieht sich daher leider unserer Kenntnis.
Es wäre dennoch zu wünschen, wenn es wenigstens eine Gesamtübersicht gäbe über den zum Verkauf gelangten Nachlaß von Hanno von Kemnitz, bzw. jener an seine Tochter Hannelore vererbten Stücke, die in Zusammenhang mit seinen Eltern stehen.

Hannelore von Kemnitz ging auf das staatliche Gymnasium Max-Josef-Stift in München-Bogenhausen (9). Im Jahr 1968 war eine Hannelore von Kemnitz (zusammen mit einem René G. Stetten) Autorin einer 59-seitigen Schrift über Boutiquen in München (11). Inzwischen ist sie also kinderlos verstorben (9) und vermutlich sind danach so viele Einzelstücke aus dem Nachlaß ihres Vaters in den Auktionshandel gelangt.

"Ludendorff-Archiv" - testamentarisch vorgesehen - verfällt in Dornröschenschlaf

Anzunehmen, daß Nachlaßstücke aus dem Haus in Tutzing nach 1966 in den Auktionshandel gekommen wären, würde wohl beim derzeitigen Kenntnisstand noch zu weit gehen. Allerdings hatte das Haus in den Jahrzehnten nach dem Tod von Mathilde Ludendorff, soweit bekannt, wechselnde Bewohner. Wobei auf sorgfältigen Verschluß von Archiv-, Schrank-, Truhen- und Dachbodeninhalten, soweit man hört, nicht immer mit der gleichen Sorgfalt geachtet worden ist, bzw. überhaupt hat geachtet werden können, um es sehr zurückhaltend auszudrücken.

Zu Lebzeiten des Schwiegersohnes Franz von Bebenburg schlief das von Mathilde Ludendorff testamentarisch in ihrem Haus vorgesehene "Ludendorff-Archiv" den allertiefsten Dornröschenschlaf, der nur möglich war, einen Dornröschenschlaf, der so tief war, daß langjährige Mitglieder des Vereins "Ludendorff-Gedenkstätte", dem das Haus nach dem Tod Mathilde Ludendorffs übereignet wurde, vor wenigen Jahren so taten, als sei ihnen gar nicht bewußt, daß ein solches Archiv testamentarisch überhaupt vorgesehen gewesen ist. Davon daß ein solches "Ludendorff-Archiv" testamentarisch von Mathilde Ludendorff vorgesehen worden war, ist jedenfalls Jahrzehnte lang geschwiegen worden, so als handele es sich um ein vatikanisches Geheimarchiv.

Franz von Bebenburg, der Schwiegersohn, hat sich Jahrzehnte lang gegenüber Historikern, die nach dem Nachlaß von Erich und Mathilde Ludendorff gefragt haben, außerordentlich zugeknöpft verhalten. Er hat ihnen noch nicht einmal mitgeteilt, daß er selbst für diesen Nachlaß gar nicht zuständig ist, sondern der Verein "Ludendorff-Gedenkstätte", dem das Haus nach dem Tod seiner Schwiegermutter übertragen worden ist.

Wie er sich selbst gegenüber diesem Nachlaß verhalten hat, von dem er wahrheitswidrig und im Widerspruch zu den testamentarischen Festlegungen Mathilde Ludendorffs immer wieder die Auskunft gab, es wäre "kaum noch etwas vorhanden", ist bis dato völlig ungeklärt. So kann derzeit auch nicht gesagt werden, ob es völlig ausgeschlossen werden kann, daß Nachlaßteile aus dem Haus in Tutzing in die Hinterlassenschaften etwa von Franz von Bebenburg oder noch anderer Mitarbeiter gekommen sind.

Das Familiensilber des Hauses Ludendorff jedenfalls wird verkauft. Es scheint niemanden mehr zu geben, der ihm mit so warmer Anteilnahme gegenüber steht, wie es von Mathilde Ludendorff - entsprechend ihres zitierten Briefes von 1953 - angenommen werden kann. In der Zeitschrift der Ludendorff-Bewegung "Mensch & Maß" dagegen wurde in den letzten Jahren immer wieder einmal sei es vom Verein "Ludendorff-Gedenkstätte e.V." in Tutzing oder vom "Bund für Gotterkenntnis (L.)" oder von vergleichbaren Einrichtungen vom "finanziellen Ende" gemunkelt. Der dazu gehörige Verlag Hohe Warte ist scheinbar - von der Herausgabe der genannten Zeitschrift abgesehen - ebenfalls kaum noch aktiv. Insofern mag man viele weitere Bedeutungen mitschwingen hören bei dem Satz "Das Familiensilber des Hauses Ludendorff wird verkauft" - ausgerechnet  in einer Zeit zudem, in der das Haus, aus dem es stammt, mitsamt Inventar unter Denkmalschutz gestellt worden ist (12). 

(17.9.15: ergänzt um den Abschnitt, der sich auf Literaturangabe 28 bezieht)
______________________________________
  1. Radler, Rudolf, „Ludendorff, Mathilde, geborene Spieß“, in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 290-292 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd11857485X.html
  2. Bading, Ingo: Der Schriftsteller Walter Erich von Bebenburg (1927 - 1980). Studiengruppe Naturalismus, 07.08.2011
  3. Der Pfaffenstrick. Zsgest. von Hanno v. Kemnitz. Satirische Gedichte vom Mittelalter bis zur Neuzeit mit Karikaturen v. Hans Günther Strick. Ludendorffs Verlag, München 1937 (94 S.)
  4. Hanno von Kemnitz: Der letzte Weg des Feldherrn Erich Ludendorff. Einziger geschlossener Text- und Bildbericht von den Trauerfeierlichkeiten und dem Staatsbegräbnis am 22. Julmonds 1937. Ludendorffs Verlag, München 1938 (ca. 100 Seiten)
  5. Feldpostbriefumschlag an Mathilde Ludendorff. Brief vom 7.4.43 ihres Sohnes bei der 4. Flakdivision, in Vorarlberg stationiert, an die Begründerin der völkischen Bewegung "Deutsche Gotterkenntnis" und zweite Ehefrau von Erich Ludendorff. Verkäufer: forstho.
  6. Feldpostkarte an Mathilde Ludendorff. Karte vom 18.6.43 ihres Sohnes bei der 4. Flakdivision, in Vorarlberg stationiert, an die Begründerin der völkischen Bewegung "Deutsche Gotterkenntnis" und zweite Ehefrau von Erich Ludendorff. Verkäufer: forstho.
  7. Zum Mindestpreis von 92,50 Euro zum Verkauf angeboten (Ebay), wobei der Verkäufer betonte, daß ihm kein weiteres Expemplar dieses Buches bekannt sei. Auch in nationalen und internationalen Bibliotheken findet es sich nicht (KVK).
  8. Ehrengeschenk der OHL aus dem Jahr 1918. Hermann Historica, Linprunstraße 16, München, Auktion im April 2005.
  9. Brief aus dem Umkreis eines Urenkels von Mathilde Ludendorff an den Verfasser dieses Beitrages vom 28.12.2011
  10. Bading, Ingo: Der Schriftsteller Walter Erich von Bebenburg (1927 - 1980)  -  Die Geschichte eines "verlorenen Sohnes"? Studiengruppe Naturalismus, 7. August 2011
  11. von Kemnitz, Hannelore (Photos u. Text): boot in: Münchens Boutiquen für Sie und Ihn. Ein Führer durch Münchens Boutiquen. (Ausgabe Nr. 1; mit e. Vorw. von Ursula von Kardorff). Schumacher-Gebler, 1968 (59 Seiten) (Google-Bücher, Amazon)
  12. Bading, Ingo: Charlotte Knobloch fordert Auseinandersetzung mit Mathilde Ludendorff. Verschiebungen auf dem geschichtspolitischen Feld. Internetblog "Gesellschaftlicher Aufbruch - jetzt!", 23.8.2010
  13. Email-Antwort der Firma "Hermann Historica" (01.01.2012) auf unsere Email-Anfrage vom gleichen Tag.
  14. Zeitzeugnis aus dem Ludendorff-Archiv Tutzing. (Brief Mathilde Ludendorffs an ihre Kinder, 14.6.1953.) In: Mensch & Maß, Folge 23, 9. 12. 2009, S. 1104
  15. Sauer, Andreas: Hettenshausen im 20. Jahrhundert  Ein Rückblick anlässlich der 1200 Jahrfeier 1998. Pfaffenhofen.de 
  16. Freifrau Karg von Bebenburg, Ingeborg; von Kemnitz, Asko; von Kemnitz, Hanno: Mutter und Kinder. In: Ludendorff, Erich (Hg.): Mathilde Ludendorff - ihr Werk und Wirken. Verlag Hohe Warte, Franz von Bebenburg, Pähl 1960, S. 22 - 38
  17. Erich Ludendorff - Sein Wesen und Schaffen. Ludendorff Verlag, München 1938
  18. Crone, Wilhelm: Das ist Ludendorff. Ausschnitte aus der Feldherrnarbeit des Ersten Generalquartiermeisters im Großen Hauptquartier. Traditions-Verlag Kolk & C., Berlin 1937
  19. von Kemnitz, Hanno: Der letzte Weg des Feldherrn Erich Ludendorff. Einziger geschlossener Text- und Bildbericht von den Trauerfeierlichkeiten und dem Staatsbegräbnis am 22. Julmonds 1937. Ludendorffs Verlag, München 1938
  20. von Bebenburg, Franz: Mathilde Ludendorffs letzter Lebensabschnitt. In: Festschrift für Franz Freiherrn Karg von Bebenburg. Verlag Hohe Warte, Pähl 2000, S. 119 – 144
  21. Handsignierter Brief Freifrau Ingeborg Karg v. Bebenburg von 1938. Alle Karten, Fotos u.s.w. aus einem Priv. Nachlaß. Rudolstadt, Thüringen (Anzeigex)
  22. o.N.: Am heiligen Quell Deutscher Kraft. In: Der Spiegel, 23.06.1949
  23. von Bebenburg, Franz: Todesanzeige für Ingeborg von Bebenburg, geb. von Kemnitz, gestorben am 1. 2. 1970. In: Mensch & Maß, Folge 4, 23.2.1970, vierte Umschlagseite
  24. von Bebenburg, Franz: Analyse zu Briefen des Herrn Walter Löhde. Rundbrief an Freunde. Pähl, o.D. [März 1962] (21 S.) 
  25. Akten-Zusammenstellung (zum Fall Walter Löhde). Mit einem Nachwort von Franz Freiherr Karg von Bebenburg. Typoskript o. J. [Mai 1963] (42 S.) 
  26. von Bebenburg, Franz: Analyse zu Briefen des Herrn Walter Löhde. Rundbrief an Freunde. Pähl, o.D. [März 1962] (21 S.)  
  27. Ein deutscher Philosoph in unserer Zeit. Aus Briefen Mathilde Ludendorffs. In: Mensch & Maß, Folge 24, 23.12.1982, S. 1128 - 1135
  28. Breitenborn, Konrad: Bismarck. Kult und Kitsch um den Reichsgründer. Aus den Beständen des früheren Bismarck-Museums in Schönhausen (Elbe) und dem Archiv der ehemaligen Stendaler Bismarck-Gesellschaft. Reprintverlag im Zentralantiquariat der DDR, Leipzig 1990 

1 Kommentar:

Ingo Bading hat gesagt…

Es wäre sicherlich einmal interessant, verschiedene Fälle zu sammlen bezüglich des Umgangs mit Familiensilber. Hier das Familiensilber der Familie von Bothmer in Mecklenburg:

http://www.ln-online.de/lokales/nordwestmecklenburg/3430491/land-uebergibt-familiensilber-an-enkel

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