In der Zeitschrift "Mensch & Maß" (der Zeitschrift der Ludendorff-Bewegung) erscheint in der April-Folge dieses Jahres der Aufsatz eines "Dr. Josef Haas" mit dem Titel "Ludendorffs fernöstlicher Freund" (1). In ihm wird der japanische General Ishiwara Kanji (1889-1949) (Wiki) vorgestellt. Und zwar hier als ein "Freund" - oder doch zumindest "Sympathisant" - Erich Ludendorffs. Allerdings wird an keiner Stelle genannt, womit denn diese Freundschaft oder Sympathie nun belegt werden soll, wodurch sie dem Autor bekannt geworden ist. Sie wird einfach nur rundweg behauptet und unterstellt. Es wird auch kein Literaturnachweis für sie gegeben. Sie wird nicht näher charakterisiert und es wird auch nicht auf etwaige mündliche Überlieferungen verwiesen.
Noch merkwürdiger aber ist, daß in dem Aufsatz mit keinem distanzierenden Wort darauf hingewiesen wird, daß auch vorgebliche "Freunde" Erich Ludendorffs diesen gerne einmal sehr falsch verstanden haben. Dafür könnten ja viele Beispiele angeführt werden. (Hier auf dem Blog etwa behandelt: Wilhelm Breucker.) Daß ein solcher Fall auch bei Ishiwara Kanji vorliegen würde - sofern denn Kanji überhaupt sich bis Lebensende als ein Sympathisant oder Freund Ludendorffs bezeichnet haben sollte - wäre doch wichtig herauszustellen.
Nach diesem Aufsatz (1) soll Kanji 1922 als japanischer Militärattaché in Berlin oft nach München gefahren sein, um Erich Ludendorff zu besuchen. Erich Ludendorff habe das in seinen Lebenserinnerungen aber nicht erwähnt (1, S. 203):
Auch nach seiner Rückkehr nach Japan war Ishiwara Kanji darauf bedacht, diese seine Verbindung zum Feldherren, der damals noch dem deutschen Reichstag angehörte, nicht abreißen zu lassen.
Erwiesenermaßen
bewahrte sich dieser japanische Militärstratege die Sympathie zu Erich Ludendorff dann bis zum Tode.
Abb.: Kanji Ishiwara |
Aber welcher Natur sollte diese Sympathie dann gewesen sein? Es erfolgt im weiteren Aufsatz dann auffälliger Weise keinerlei Distanzierung zu dem buddhistisch unterlegten japanischen Imperialismus, für den Kanji stand (Wiki). Kanji war Anhänger des Nichiren-Buddhismus, dem übrigens noch heute japanische Regierungsmitglieder anhängen sollen.
Es wird vielmehr der Eindruck erweckt, als habe sogar die Wochenzeitung TAZ (20.11.2012) Kanji gegen den Vorwurf des Imperialismus in Schutz genommen. Allerdings hat die TAZ nur korrekt darauf hingewiesen, daß sich Kanji während des Zweiten Weltkrieges im vorzeitigen Ruhestand befand und deshalb nur schwer für den Imperialismus Japans seit 1939 verantwortlich gemacht werden kann - wohl aber für den vor 1939. Letzteren nennt sie dementsprechend auch "panasiatisch-faschistoid".
Auslöser dieser Erörterungen über die geschichtlichen Bedeutung von Kanji war eine sehenswerte französische Fernsehdokumentation aus dem Jahr 2012, die seit 2017 auf Youtube zugänglich ist (5).
Um in all diesen Dingen zu sachgerechten Berurteilungen zu kommen, wäre sicherlich noch einmal wertvoll zusammenzustellen, wie Erich Ludendorff selbst den japanischen Imperialismus genauer bewertet hat über sein Leben hinweg. Er war ja schon als junger Generalstabsoffizier mit ihm befaßt. Aber insbesondere seine Bewertungen ab Anfang der 1930er Jahre, als er die religiösen Hintergrundkräfte auch in der Politik Japans genauer in Augenschein nahm (6). Er ging davon aus, daß derartige buddhistische Kräfte in internationalen Verbindungen zur tibetischen Priesterkaste standen, die ebenso auch in der muslimischen Welt und in Westeuropa wirksam wären (s. seine Schrift "Europa den Asiatenpriestern?") (s. a.: 6). Schon in seiner Zeitschrift "Quell" vom 20. Mai 1934 schrieb Erich Ludendorff in seinem politischen Überblick „Völker Europas!“ über Japan (Hervorhebung nicht im Original) (zit. n. 6, S. 398f):
Immer wieder, auch vorstehend, habe ich vor den kriegerischen Gefahren gewarnt, die den Völkern Europas von Sowjetrußland und auch von Japan drohen können. (…) Japan ist weiter im Wachsen. Jetzt hat es das Protektorat über China erklärt. (…) Die meisten Völker buhlen um die Gunst Japans. Immer mehr richtet sich die Aufmerksamkeit der politischen Welt auf Tokio. So hat sich bereits die Weltlage verschoben! Verstehen die überstaatlichen Mächte nicht, was auch für sie solch eine Stärkung Japans bedeutet? Oder glauben sie durch Geheimorden und okkulte Verbindungen auch schon diesen Staat in der Hand zu haben, ihn immer schärfer auf imperialistische Wege zu drängen und sein Volkstum immer mehr unterhöhlen zu können? Hoffen sie, daß ihnen auf diesem Wege auch die ostasiatischen Völker in den Schoß fallen, wie es die europäischen getan haben?
Wenn hier Ludendorff schreibt von "auch" diesen Staat, dann unterstellt er natürlich stillschweigend, daß andere Staaten durch Geheimorden und okkulten Verbindungen längst in der Hand überstaatlicher Mächte sei. Deutlicher konnte er sich zur überstaatlichen Steuerung des Dritten Reiches natürlich damals öffentlich nicht aussprechen, wenn seine Zeitschrift nicht verboten hätte werden sollen. Aber wer Ohren hatte zu hören, der hörte es ja auch so.
In dem Band, aus dem hier zitiert wird (6) fällt das Stichwort Japan über hundert mal. Erich Ludendorff hat sich also sehr intensiv mit der damaligen Rolle Japans im Weltgeschehen befaßt. Und es ist nicht ausgeschlossen, daß seine Stellungnahmen zur japanischen Politik auch in Japan selbst gelesen worden sind, vielleicht sogar von Kanji selbst.
Um jedenfalls die "Freundschaft" des Kanji Ishiwara zu Ludendorff sachgerecht einzuordnen, wäre eine sehr differenzierte Sichtweise zunächst auf Ludendorff notwendig. Eine solche wird in dem Aufsatz des "Dr. Josef Haas" nicht gegeben, eines Autors, der äußerlich "den Feldherrn" zu verehren vorgibt, aber nichts darüber mitteilt, wie der hier angeblich verehrte Feldherr einen buddhistisch unterlegten japanischen Imperialismus beurteilt hat.*)
Der "deutschsprachige Gottesehrfürchtige" "Dr. Josef Haas"
Solche Umstände lassen nach dem Autor "Dr. Josef Haas" selbst fragen, der sich als einen Verehrer des "Feldherren" ausgibt. Im letzten Absatz dieses Aufsatzes bezeichnet er das Japan seit 1945 sehr kurz und bündig als "amerikanisches Protektorat". Das kann man ohne Frage tun. Man kann es aber gerne auch noch ein wenig differenzierter ausdrücken. Jedenfalls deutet sich in einer solchen kurzen und bündigen Wortwahl schon ein sehr charakteristisches und wohl wenig differenziertes, eher plakatives politisches Weltbild an.
Sucht man aber nun, hellhörig geworden, im Internet nach einem "Dr. Josef Haas" gemeinsam mit dem Suchwort "Amerika", wird man schneller fündig als gedacht, nämlich mittels vieler Suchergebnisse auf einer Internetseite, die sich folgendermaßen ankündigt:
Muslim-ForumWillkommen im Forum der Muslime für deutschsprachige GottesehrfürchtigeAlle Autoren des Forums zeichnen mit ihrem realen Namen
Der Ton auf dieser Internetseite ist ziemlich "radikal", nicht zuletzt auch der des Autors "Dr. Josef Haas". Ein kleiner Beitrag vom 4.11.2014 etwa ist betitelt "Neues von den Perversen". In ihm ist von dem "zionistischen Terrorregime" Israels über die Palästinenser die Rede. Auch dies ist von der Wortwahl her alles mehr als plakativ und viel zu wenig differenziert als daß da jemand wirklich scheint ernst genommen werden zu wollen.**) Vielmehr scheint es darum zu gehen, Emotionen aufzuputschen, zu polarisieren. Altbekannte Methoden.
Erinnerungen an Johann von Leers kommen auf ...
Ein deutschsprachiger Muslim als Autor der Ludendorff-Bewegung? Mit plakativer, wenig differenzierter, eher provozierender Ausdrucksweise? Kommt einem das nicht irgendwie bekannt vor?
Nun, solch ein radikaler Antizionismus vom Standpunkt eines Muslimen deutscher Herkunft in einem recht ähnlichen Tonfall wäre aus der Geschichte der Ludendorff-Bewegung sogar sehr gut bekannt. Ende der 1950er Jahre hatte der Verleger der Vorgänger-Zeitschrift von MuM, nämlich des "Quell", den von Argentinien nach Ägypten emigrierten ehemaligen Nationalsozialisten und Muslim Johann von Leers um Mitwirkung in der Zeitschrift "Quell" gebeten. Und diese Mitwirkung fiel dann so plakativ und undifferenziert, sprich hetzerisch aus, daß der Verleger Franz von Bebenburg 1960 vor Gericht dafür verurteilt wurde. Sozusagen als Steilvorlage für das Verbot der Zeitschrift und des "Bundes für Gotterkenntnis" ein Jahr später, im Mai 1961 ... (2-4) (aber zu dem Thema ist noch nicht alles bislang für diesen Blog Erarbeitete veröffentlicht).
Und "zufälligerweise" war der schlimmste dieser Hetzartikel in die Zeitschrift gekommen vorbei an dem damals verantwortlichen Schriftleiter (Walter Löhde), was zuvor noch niemals gesschehen war. Gewiß, "Zufälle" gibt's ...
*) Natürlich ist es sinnvoll zu fragen, wie sehr sich Kanji bei seiner Politik in der Mandschurei ein Vorbild genommen hat an Ludendorff und seiner Verwaltung von "Ober-Ost" 1914/15. Sollte er aber an den zeitgenössischen Stellungnahmen Ludendorffs dabei dann gar nicht mehr interessiert gewesen sein?
- Haas, Josef: Ludendorffs fernöstlicher Freund. In: Mensch und Maß, Folge 4, April 2015, S. 202-206
- Bading, Ingo: Die Regie hinter dem Dritten Reich mit Hilfe des deutschen Widerstandes. Auf: Scribd.com, 26.11.2013
- Bading, Ingo: Ein monströser Judenhasser - Tiefer Blick in die Geschichte des III. Reiches. Rezension zu: Marco Sennholz' "Johann von Leers - Ein Propagandist des Nationalsozialismus" (2013). Auf Amazon.de, 4.12.2013
- Bading, Ingo: "Wie der deutsche Geheimdienst den Alliierten half, den Zweiten Weltkrieg zu gewinnen" - Canaris benutzte einen leicht entzifferbaren Funkcode - absichtlich. Auf: GA-j!, 29. Juni 2014
- Birolli, Bruno; Jenkins, Paul und andere: Ishiwara Kanji - Ein General bricht den Zweiten Weltkrieg vom Zaun. Arte Frankreich 2012, https://youtu.be/kmkfE4Z2spw.
- Ludendorff, Erich und Mathilde: Satanistische Okkultlogen in der Weltpolitik. Völkische Hintergrundpolitik-Kritik der Jahre 1934 bis 1941. Zusammengestellt und erläutert von Ingo Bading. 2013, http://www.lulu.com/spotlight/studium_generale
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