"Deutsche, wühlt in der Geschichte!" (Erich Ludendorff)

Sonntag, 31. August 2025

Jean-Paul Laurens (1838-1921) - Maler und Ankläger

Ankläger der Verbrechen der Kirchengeschichte
- Zugleich ein glühender Anhänger der französischen Republik 

Der französische Maler Jean-Paul Laurens (1838-1921) (WikiMeisterdr, Artveewar ein glühender Anhänger der französischen Republik. Er steht als solcher der düsteren Zelotenmacht der katholischen Kirche mit voller Anklage gegenüber. Seine Werke sind entstanden aus flammender Empörung gegen die viele hundert Jahre andauernden Geistesknechtung durch die katholische Kirche. Laurens kann vielleicht dem deutschen Historiker Johannes Scherr (1817-1886) (Wiki) an die Seite gestellt werden, der - ebenfalls glühender Republikaner - in seinen historischen Darstellungen die Willkürherrschaft der katholischen Kirche und die christliche Bigotterie, wie sie sich in so vielen Formen durch die Jahrhunderte hindurch geltend gemacht hat, grell heraus stellt, geißelt und in Erinnerung hält

Abb. 1: Satan und der Engel der Freiheit, 1888

Beider Werke wecken Entsetzen und Abscheu gegenüber den Verbrechen der katholischen Kirche. 

Wie Laurens die Welt insgesamt gesehen hat, wird in der Zeichnung aus Abbildung 1 deutlich: Die Freiheit steht in schwerem Ringen mit den satanischen Kräften der Weltgeschichte. Aus dem Gesicht der Freiheit spricht keineswegs Triumph. Es spricht aus ihrem Gesicht: Erschöpfung und tiefes Leid. Nicht anders war auch der Blick des Ehepaares Ludendorff auf das Geschehen der Vergangenheit und Gegenwart. Zumindest Laurens und das Ehepaar Ludendorff haben früh erkannt, sie sehr der sogenannte "Fortschrittsoptimismus" von "Revolutionären" und "Republikanern" zugleich von dunklen Mächten gefährdet und infrage gestellt ist! 

Eine ähnliche Sicht auf die Welt findet sich in der Zeichnung "Der Erzengel Michael und Mephistopheles" (Abbildung 12). Mephistopheles argumentiert vor dem Erzengel leichtfüßig und "diabolisch", so möchte man meinen. Der Erzengel Michael hört erschöpft, skeptisch, nachdenklich und ungläubig zu.Er ist bereit, sofort wieder das Schwert zu erheben - in Abwehr. Aber er tut es ungern und letztlich schon erschöpft von all dem von Mephistopheles vorgetragenen Wahn und der vorgetragenen Verwirrung.

All das geschieht zu Füßen Gottes.

Um die Kunstwerke von Jean-Paul Laurens zu verstehen, ist aber fast immer eine historische Erläuterung notwendig. Sonst sieht man sie eher verständnislos an.*)

Abb. 2: Am Totenbett des Generals Marceau - Der österreichische Generalstab besucht das Sterbebett des französischen revolutionären Generals François Séverin Marceau-Desgraviers im Alter von 27 Jahren, am 21. September 1796. Nach dem Gemälde von J.P. Laurens von 1877

Ein Zeugnis dafür, wie sehr Laurens glühender Republikaner war, ist sein Gemälde "Der österreichische Generalstab besucht das Sterbebett des französischen revolutionären Generals François Séverin Marceau-Desgraviers 1796". Marceau hatte beim Kampf gegen den Aufstand in der Vendée mitgekämpft. Er war hierbei rasch in der militärischen Hierarchie aufgestiegen. Über den 27-jährigen General Marceau lesen wir (Wiki):

Welcher Respekt Marceau auch von seinen Gegnern entgegengebracht wurde, zeigen ihre außergewöhnliche Anteilnahme an seinem Tod und ihre Ehrenbekundungen bei seiner Bestattung in Koblenz am 25. September, die von den Franzosen aufmerksam gewürdigt wurden.

Laurens greift diese Respektbezeugung in seinem Kunstwerk heraus. Es wird durch diese Themenwahl seine heilige Begeisterung für die Sache der Revolution und der Republik, sowie ihrer Verteidiger deutlich. Laurens bekundet mit diesem Werk sich selbst als ein entschieden politischer Maler und Künstler. 

Abb. 2: Die Einsamkeit eines mittelalterlichen Herrschers nach seiner Exkommunikation durch die Kirche ("Exkommunikation von Robert dem Frommen", 1875)

Immer wieder sucht sich Laurens als eines seiner Hauptthemen das erschütternde Aufeinandertreffen von "geistiger" und weltlicher Macht in der Geschichte heraus. Er wählt immer wieder Szenen, in denen religiöse Zeloten auf weltliche Herrschaft treffen, Szenen, in denen die weltliche Macht in schwerster Weise angegriffen wird, infrage gestellt wird, gedemütigt wird.

Seine Gemälde fordern zu flammender Empörung gegenüber einem solchen Geschehen auf. 

Indem wir uns diese Dinge vor Augen führen, kommt in uns die Frage auf, wie ein so ruhiger Maler idyllischer Tierdarstellungen wie Hermann Eißfeldt (1875-1929) (WikiCom) dazu kommt - wohl um 1900 herum - in die Lehre zu gehen bei einem politisch so engagierten Historienmaler in Paris wie Jean-Paul Laurens (Stgr2025).

Wir wissen es vorerst nicht, werden aber aufgrund der Kenntnisnahme dieses Umstandes dazu veranlaßt, uns mit dem Werk von Jean-Paul Laurens ausführlicher zu beschäftigen. Da sich die Wahl der Themen der Hauptwerke von Jean-Paul Laurens vom Tenor und von ihrer Ausrichtung her vollständig deckt mit der Kirchenkritik der Ludendorff-Bewegung des 20. Jahrhunderts, paßt ein Beitrag über Jean-Paul Laurens inhaltlich sehr gut auf diesen Blog. 

Abb. 3: Jean-Paul Laurens, fotografiert von Paul Nadar

In einem seiner ersten betont kirchenkritischen Gemälde aus dem Jahr 1875 sehen wir dargestellt die Einsamkeit eines Herrschers nach seiner Exkommunikation durch die Kirche (s. Abb. 2).

Das Gemälde stellt König Robert II. den Frommen (972-1031) (Wiki) dar. Dieser wurde von Papst Gregor V. exkommuniziert, weil er eine Ehe eingegangen war, die kirchlich als unrechtmäßig galt (Wiki):

Roberts zweite Ehe führte zu Komplikationen mit dem Klerus, denn er stand als Cousin zweiten Grades in zu naher Verwandtschaft zu Bertha. Ihre gemeinsamen Urgroßeltern waren König Heinrich I. (der Vogler) und Mathilde von Sachsen.

Diesem Robert erging es also ähnlich wie zahlreichen anderen mittelalterlichen Königen. Laurens zeigt den König in seinem Gemälde vereinsamt, isoliert. Finstere Kleriker verlassen seinen Königspalast und Königsthron, nachdem sie ihm gegenüber die Exkommunikation ausgesprochen haben. Um den König legt sich Einsamkeit, dargestellt durch den weiten, leeren Raum des Palastes, der ihn umgibt. Die Szene ist ein Sinnbild für die Zeloten-Macht der katholischen Kirche, die Königen den Nacken beugt.

Das Bild löst Entsetzen aus beim Betrachter.

Abb. 4: Ein Zelot eifert gegen die mächtige Kaiserin von Byzanz ("Die Kaiserin Eudoxia", 1883) - Musée des Augustins, Toulouse

Als Deutscher fühlt man sich bei den Gemälden von Jean-Paul Laurens immer wieder an den Investiturstreit der deutschen Kaiser erinnert, insbesondere an den "Bußgang nach Canossa" des deutschen Kaisers Heinrich IV.. Aber auch an so viele andere, vergleichbare Geschehnisse. Wir fühlen uns natürlich auch erinnert an den flammenden Protest des Martin Luther gegen diese Geistesknechtung durch die katholische Kirche. Aber Laurens wählt nun vorwiegend Geschehnisse, die insbesondere für Deutsche viel weniger bekannt sind, die aus der französischen oder englischen Geschichte stammen oder die noch weiter zurück liegen. 

Ähnliche Gefühle löst er aus mit seinem Gemälde "Die Kaiserin Eudoxia". Das Gemälde stammt von 1883 (Abb. 4). Es behandelt ein Geschehen aus der Geschichte von Byzanz. 

Kaiserin Aelia Eudoxia (gest. 404) ist die Gemahlin des oströmischen Kaisers Arkadios. Sie gerät in den schwersten Konflikt mit dem Patriarchen Johannes Chrysostomos. Dieser kritisiert ihre Hofverschwendung und ihren Einfluß. 403 läßt sie den Patriarchen durch ein Konzil absetzen. Sie läßt ihn verbannen. Aber in der geschichtlichen Erinnerung behält die Kirche den Sieg: Denn kurz darauf stirbt sie. Laurens will mit seinem Gemälde sagen: Sie ist am Haß eines Zeloten zugrunde gegangen. Dieser Haß hat noch aus der Verbannung und aus der Ferne weiter wirkt.

Abb. 5: Ein Mönch vor dem Inquisitionstribunal ("Bernard Délicieux vor dem Inquisitionstribunal")

In der kirchlichen Überlieferung wurde das Schicksal dieser Kaiserin als Beispiel für Hochmut und Vergänglichkeit weltlicher Macht angeführt. Laurens stellt einerseits die Pracht weltlicher Herrschaft dar, andererseits die Düsternis und Bedrohung durch einen religiösen Fanatiker und seinen Anhang. Das Gemälde löst Entsetzen aus.

Auch die Aussage des Gemäldes in Abbildung 5 benötigt Erläuterung: Bernard Délicieux (um 1260-1320) (Wiki) war ein Franziskaner in Carcassonne und im Langeudoc. Er hat Verurteilungen durch die Inquisition infrage gestellt, da sie auf erfundenen Informantenberichten beruhen würden. Er wandte sich an den König, um die Auflösung der Inquisition zu fordern.

Schließlich wurde er aber umgekehrt unter Papst Johannes XXII. selbst vor das Inquisitionstribunal gestellt. Er wurde angeklagt der Aufwiegelung und der Ketzerei. Auf dem Gemälde steht er barfüßig, seine Hände sind am Rücken gebunden. Das Seil, das an der Decke befestigt ist, ist Teil einer Foltermaschinerie, mit der gedroht wird. 

Laurens zeigt Bernard Délicieux menschlich, in Einsamkeit, doch ruhig und aufrecht. Er steht vor den finsteren Richtern der Inquisition.

1319/20 ist er zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt worden. In dieser ist er kurz darauf gestorben, wohl aufgrund der vorausgehenden Folterungen. 

Délicieux ist das Symbol fast machtlosen, ohnmächtigen Widerstands gegen die Willkürherrschaft der Kirche. Der Betrachter ruft in seinem Innern: Nie wieder. So etwas darf nie wieder Wirklichkeit sein. Der Betrachter ist flammend empört über so viel Unrecht und verwegene Bosheit von Seiten der Kirche.

Abb. 6: Ein Mönch gegenüber geistigen Würdenträgern - ("Der Agitator des Langeudoc")

Im Gemälde in Abbildung 6 ist erneut dargestellt ein Mönch des Languedoc während des frühen 14. Jahrhunderts. Er stellt sich gegen die Willkür der Inquisition. Vielleicht ist hier ein weiteres mal Bernard Délicieux dargestellt, der in Carcassonne und Albi gegen die Dominikaner-Inquisition auftrat. Er ist in diesem Gemälde noch nicht gefangen gesetzt. Zornig, flammend empört weist er die kirchlichen Würdenträger auf das hohnsprechende Unrecht hin, das im Land geschieht. 

Die Gemälde des Laurens belehren über die Geschichte. Sie lassen Fragen entstehen, sie wecken Interesse für die Jahrhunderte lange Kirchengeschichte. Diese vollzog sich in Frankreich ähnlich erschütternd wie in Deutschland und wie sie sich in allen Ländern vollzieht, in denen die katholische Kirche herrscht. Bei ihrer Herrschaftsausübung nutzt die katholische Kirche den immensen finanziellen Reichtum, über den sie verfügt, sie hetzt Staaten und Regierende in Kriegen aufeinander, um an der Vernichtung der Ketzer und selbstbewußter Freidenker und ihrer staatlichen und familiären Strukturen zu arbeiten. 

Heute wie eh und je. 

Abb. 7: Ein Humanist ("Ein Florentiner")

In dem Gemälde "Ein Florentiner" stellt Laurens das bürgerliche Selbstbewußtsein dar, das in der Zeit der Renaissance entstand. Er stellt es dar als Gegenbild zum finsteren Zelotentum des Mittelalters, das mit der Renaissance in Florenz zum ersten mal nachhaltig und sieghaft überwunden wird.

Der dargestellte Florentiner wirkt entschlossen. Er wirkt entschlossen, der Finsternis des Mittelalters ein Ende zu bereiten.

Das Gemälde erinnert auch an Renaissance-Porträts etwa eines Albrecht Dürer in Deutschland.

Abb. 8: Als Jesuit "nie wieder einem sterblichen Herren dienen" - Franz von Borgia vor der Leiche der Kaiserin Isabella von Portugal

In dem Gemälde "Franz von Borgia vor der Leiche der Kaiserin Isabella von Portugal" gibt Laurens eine äußerst wesentliche geschichtliche Belehrung, vielleicht die wesentlichste seines ganzen Werkes. Das Gemälde stellt eine Szene aus den Gründerjahren jener geschichtlichen Kraft dar, die sich als Gegenkraft zu Renaissance, Humanismus, Protestantismus und Freidenkertum bildete, nämlich der Psychosekte des Jesuitenordens

Schwur über einer Leiche, "nie wieder einem sterblichen Herrn zu dienen"

Der dargestellte Franz von Borgia sollte der dritte General des Jesuitenordens werden. Er war geboren worden als ein Herzog von Gandía. Seine Bekehrung zum Jesuitenorden soll sich vollzogen haben, als dieser Franz von Borgia 1539 den Leichnam der jungen Kaiserin Isabella von Portugal, der Gattin des Kaisers Karl V., nach Granada überführen sollte. Er mußte hierzu, so lautet der Bericht, den Sarg öffnen, um ihren Körper zu identifizieren. Beim Anblick der entstellten Leiche soll er stark erschüttert gewesen sein, so daß er geschworen haben, „nie wieder einem sterblichen Herrn zu dienen“.

Dies sei das Schlüsselerlebnis für seinen Eintritt in den Jesuitenorden gewesen.

Laurens erschüttert und belehrt den Betrachter: Die Jesuitenorden dient keinerlei sterblichen Herren, er ist "überstaatlich". Er verweigert diesem den Gehorsam. Und er schwört dies - - - beim Anblick von verwesten Leichen. Und er sieht künftig in "sterblichen Herren" schon verweste Leichen.

Laurens stellt hier die ganze Abartigkeit des Jesuitenordens zur Schau.

Abb. 9: Die Rache von Papst Urban VI. (1318-1389) - Er foltert und tötet seine eigenen Kardinäle - Gravur von Laurens

In der Gravur aus Abbildung 9 wird dargestellt wie ein Papst des 14. Jahrhunderts seine eigenen Kardinäle foltern und ermorden ließ.

Abb. 10: Die ausgegrabene Leiche eines gestorbenen Papstes wird von einem lebenden Papst angeklagt 

In dem Gemälde aus Abbildung 10 ist die päpstliche "Leichensynode" dargestellt, die im Jahr 897 stattgefunden hat. In dieser ließ ein Papst die Leiche seines Vorgängers ausgraben und vor Gericht stellen (Wiki). Wie abartig, wie grauenvoll: Eine Leiche als Papst und außerdem noch angeklagt. Es ist dies das erste der großen antiklerikalen Historienbilder des Jean-Paul Laurens. Es entstand im Jahr 1870.

Abb. 12: Jean-Paul Laurens - Der Erzengel Michael und Mephistopheles

Laurens hat sich in seinen späteren Lebensjahren auch mit der Geschichte der Merowinger-Könige beschäftigt. Dafür hat er Vorstudien zu Gemälden angefertigt, so etwa eine Studie betitelt "Das Warten einer Merowinger-Königin". Auch diese Königin wirkt nicht sieghaft, sie wirkt nachdenklich, traurig.

Abb. 13: Das Warten einer Merowinger-Königin (1910)

Jean-Paul Laurens hatte am Anfang seines Schaffens noch Themen aus der Antike gewählt wie etwa "Der Selbstmord des Cato" oder "Der Tod des Tiberius". Ab 1870 hat er sich dann sehr häufig Themen der Kirchengeschichte angenommen.

Abb. 14: Der Papst und der Inquisitor, auch genannt "Sixtus IV und Tomas de Torquemada"

Der spanische Großinquisitor Torquemada (1420-1498) (Wiki) ist mindestens zwei mal Gegenstand seiner Kunst. 

Laurens stellt ihn dar, wie er mit düsterem Blick dem Papst Sixtus IV. seine blutrünstigen Pläne vorlegt (Abb. 14).

Abb. 15: König Ferdinand II. und Isabella von Spanien unterwerfen sich dem spanischen Großinquisitor Torquemada (1888)

Und Laurens stellt die Unterwürfigkeit des Königs Ferdinand II. und seiner Ehefrau Isabella von Spanien gegenüber dem Großiniquisitor Torquemada dar. Die "geistige" Macht herrscht über die weltliche Macht.**)

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*) Wir haben uns die Grundgedanken der Gemälde von Jean-Paul Laurens durch ChatGPT erläutern lassen, haben diese Grundgedanken aber mit eigenen Worten neu geschrieben und charakterisiert. Denn ChatGPT formuliert diesbezüglich allzu "formelhaft".
Abb. 16: "Es lebe der König!" - Die Tochter des Generals Bonchamps (1893)
**) Eine Anregung, sich mit dem vielfältigen Geschehen rund um die Französische Revolution und den Aufstand gegen diese zu beschäftigen, stellt auch das Gemälde von Laurens dar "Es lebe der König!" (Abb. 16) In diesem steht die kleine Tochter des schon gefallenenen Vendée-Generals Bonchamps (Wiki) vor dem Revolutionsgericht. Indem man sich mit dem Leben dieses Generals beschäftigt, erhält man viele Einblicke in die Ereignisse rund um diesen blutigen Bürgerkrieg in der Vendée. 1793 wurde er in der Schlacht tödlich verwundet und starb. Seine Ehefrau Madame de Bonchamps (Wiki) veröffentlichte 1821 ihre Memoiren. Sie berichtet, wie sie die Armeen der Aufständischen in der Vendée auch nach dem Tod ihres Mannes weiterhin zusammen mit ihren beiden Kindern begleitete. Sie berichtet, wie ihr Sohn während dieser Zeit an den Pocken starb. Sie berichtet, wie sie nach der Niederschlagung des Aufstandes verhaftet und zum Tode verurteilt wurde. Da sie selbst ebenso wie ihr Ehemann während des Krieges wiederholt die Erschießung von Gefangenen verhindert hatten, wurde von diesen ehemaligen Gefangenen eine Petition eingereicht, um ihre Begnadigung zu erreichen. Da das Revolutionstribunal aber mit der Begnadigung zögert, sendete sie ihre Tochter.
Das Gemälde von Laurens stellt nun jene Szene dar, in der Richter das Kind lächelnd baten, ihnen das „schönste Lied, das sie kenne“ vorzusingen, bevor sie ihr die Begnadigungspapiere aushändigen würden. Als das Mädchen zu ihrer Überraschung begann, voller Inbrunst ein Aufständischen-Lied zu singen (ein "Chouan-Lied") mit dem Refrain „Vive le Roi, à bas la République“, hören diese, einigermaßen durch den Bürgerkrieg abgebrühten Leute doch voller Nachsicht zu. Vielleicht auch mit der Ahnung, daß das alte Regime und seine Anhänger nicht tot zu kriegen sind. Das Begnadigungsschreiben wurde ihr trotzdem aushändigt. (Die zeitgleichen Aufständischen in der Bretagne nannten sich "Chouans" - siehe Wiki.) Das Gemälde vermittelt die Erkenntnis, daß in einem Bürgerkrieg wie diesem die Wahrheit nicht nur auf einer Seite liegt.

Mittwoch, 27. August 2025

Hermann Eißfeldt (1875-1929) - Ein Maler in München

Ein Maler zwischen katholischer Kirche und Kampf für Geistesfreiheit 

Der Münchener Maler und Porträtist Hermann Eißfeldt (1875-1929) (WikiCom) heiratete 1911 mit 36 Jahren die jüngste Tochter seines Lehrers, des 1907 geadelten Tiermalers Heinrich von Zügel (1850-1941) (Wiki, Leo): Emma Zügel.

Abb. 1: Der Maler Hermann Eißfeldt (1875-1929) (aus 1, S. 56)

Mit ihr hatte er zwei Söhne. Ab 1922 lebte Eißfeldt mit ihr in einer eigenen Wohnung in der von ihm für seinen Schwiegervater und vormaligen Lehrer errichteten "Zügel-Villa" in Bogenhausen in der Possartstraße 24 (Abb. 25).

Auf den Maler Hermann Eißfeldt sind wir hier auf dem Blog schon in zwei Beiträgen zu sprechen gekommen. Denn er hat mehrere wesentliche Porträts von Erich und Mathilde Ludendorff geschaffen (Abb. 16-20). Er scheint sich sogar in ausgesprochenem Maße zu den "Verehrern" und Anhängern des Ehepaares Ludendorff gezählt zu haben (Stgr2012Stgr2016).

Im folgenden soll ihm noch einmal ein eigener Blogartikel gewidmet werden, um dem geistigen, gesellschaftlichen und familiären Hintergrund weiter nachzugehen, aus dem heraus Hermann Eißfeldt gelebt und gewirkt hat.

Monographien über den Maler Hermann Eißfeldt gibt es bis heute nicht. Im großen Lexikon "Münchner Maler im 19./20. Jahrhundert" in sechs Bänden sind ihm wenige Zeilen gewidmet worden. Dort steht unter anderem (10):

Hermann Eissfeldt erhielt seine Ausbildung an der Münchener Akademie als Schüler Heinrich von Zügels, der sein späterer Schwiegervater werden sollte, und bei Jean-Paul Laurens an der Académie Julian in Paris.

Die letztere Angabe läßt aufhorchen. Denn der französische Maler Jean-Paul Laurens (1838-1921) (Wiki) war ein glühender Anhänger der französischen Republik. Und als solcher stand er in voller Anklage der düsteren Zelotenmacht der katholischen Kirche und ihrer viele hundert Jahre andauernden Geistesknechtung gegenüber. Das geht aus der Themenwahl seiner zahlreichen Hauptwerke als Historienmaler hervor (s. z.B. Meisterdr) (deren historischen Kontext und Sinngehalt man sich am leichtesten durch ChatGPT erläutern lassen kann).  

Abb. 2: Die Zügelschule im Fährnachen am Altrhein um 1910 - Von rechts nach links: "Malbub", Karl Hammel, Eissfeldt, Mantu, Sperling, Heider, Bergmann, Zügel, Coester, Geißler, Bock (aus 1, S. 56) - Wohl bei Wörth am Rhein

Der Franzose Laurens kann von seiner Themenwahl vielleicht dem deutschen Historiker Johannes Scherr (1817-1886) (Wiki) an die Seite gestellt werden, der - ebenfalls glühender Republikaner - in seinen historischen Darstellungen die Willkürherrschaft der katholischen Kirche und die christlicher Bigotterie in allen Formen durch die Jahrhunderte hindurch verfolgt und grell heraus gestellt und gegeißelt hat.

Laurens ist also ein entschieden politischer Maler und Künstler, der sich in den Dienst des gesellschaftlichen Fortschritts gestellt hat.

Immer wieder sucht sich Laurens als eines seiner Hauptthemen heraus das erschütternde Aufeinandertreffen von "geistiger" und weltlicher Macht in der Geschichte, Szenen, in denen Zeloten auf weltliche Herrscher treffen, Szenen, in denen die weltliche Macht - in letzter Instanz - angegriffen und gedemütigt wird, Szenen, in denen sich Kritiker der Inquisition verantworten müssen (Meisterdr). 

Wie aber kommt ein so ruhiger Maler idyllischer Tierdarstellungen wie Hermann Eißfeldt dazu, sich als akademischen Lehrer einen politisch so engagierten Historienmaler in Paris heraus zu suchen?

Über diesen Paris-Aufenthalt wissen wir vorerst - abgesehen von der zitierten Angabe - nichts weiter. (Laut ChatGPT ist Laurens ab 1884 als Lehrer an der Académie Julian erwähnt, ein Enddatum seiner dortigen Lehrtätigkeit sei nicht bekannt.) Der Paris-Aufenthalt von Hermann Eißfeldt könnte mithin um 1900 herum stattgefunden haben, denn ab 1904 hatte er ein Atelier in Schwabing (s.u.), ist auf Fotos 1909 und 1910 in Deutschland zu sehen und hat 1911 geheiratet. 

Abb. 3: Heinrich von Zügel mit Schülern bei einem Ausflug zum Scherpfer Häusel 1909 - Ganz rechts vermuten wir - aufgrund der Ähnlichkeit mit der vorhergehenden Fotografie - Hermann Eißfeldt (aus 1, S. 56)

Hermann Eißfeldt sollte in den 1920er Jahren bevorzugter Porträtmaler der bayerischen Wittelsbacher Königsfamilie sein und als solcher auch von Nuntius Pacelli persönlich Malaufträge erhalten. In seiner Jugend wählte er sich aber einen ausgesprochen antiklerikalen Historienmaler als akademischen Lehrer und am Ende seines Lebens steht eine Freundschaft mit Erich Ludendorff, der als der Hauptvertreter des völkischen Antiklerikalismus in der bayerischen Politik jener Jahre galt. Er steht als Porträtmaler in der Gunst der katholischen Geistlichkeit Bayerns und verspielt diese Gunst, weil er sich für Ludendorff ausspricht. So wird es berichtet (siehe unten).

Welche tieferen Zusammenhänge hier vorliegen könnten, ist aktuell noch nicht zu klären. Auf jeden Fall könnte Eißfeldt sich von dem Spannungsfeld zwischen "geistiger" und weltlicher Macht als Thema schon früh angezogen gefühlt haben. 

Aber ansonsten finden sich bislang nur einige Angaben zum äußeren Leben von Hermann Eißfeldt in Biographien über seinen Lehrer und Schwiegervater Heinrich von Zügel (1, 2). Letzterer ist aufgewachsen als Sohn eines Schäfers in Murrhardt in Württemberg. Er hatte in den 1870er Jahren erste Erfolge als Tiermaler in München (insbesondere mit einer ersten Version seines oft wiederholten Gemäldes "Schwere Arbeit", siehe Abb. 27 im Anhang). Er berichtet (2, S. 23):

Ich vermählte mich mit meiner Jugendfreundin Emma Schippert, Tochter des Landwirts ... 

aus Murrhardt. Es handelte sich um eine gleichaltrige, frühere Klassenkameradin (s.a. Leo).

Auslöser war wohl, daß er merkte, daß er als Unverheirateter mit seinen Freunden zu viel Bier trank und Karten spielte (1, S. 27). Er heiratete also 1875 die ... (2, S. 24):

... Murrhardter Bauerntochter Emma Schippert. Aus der Ehe gehen vier Kinder hervor: Willy (1876-1950), der Tierbildhauer wird, sowie die Töchter Anna (geb. 1880), Elise (geb. 1882) und Emma (geb. 1888). Zwei Töchter heiraten Schüler ihres Vaters, Anne den späteren Figurenmaler Emanuel Hegenbarth, Emma den Porträtisten Hermann Eissfeldt.

Der Bildhauersohn Willi von Zügel hatte drei Kinder. Er nutzte nach dem Tod seines Vaters das väterliche Atelier in der Possartstraße 24 in Bogenhausen.

Abb. 4: "Firmkind" - Gemälde von Hermann Eißfeldt

Die Tochter Anna heiratete den Schüler ihres Vaters, den Tiermaler Emanuel Hegenbarth (1868-1923) (Wiki). Sie hatte mit diesem ebenfalls mehrere Kinder. Emanuel Hegenbarth wirkte ab 1903 als Professor an der Kunsthochschule Dresden. Schon 1923 ist er aber an einer Operation gestorben. In den Anhang dieses Beitrages stellen wir vier seiner Werke ein (Abb. 30-33). Seinem Sohn Franz Hegenbarth (geb. 1907) verdanken wir die wesentlichsten Angaben auch zum äußeren Leben von Hermann Eißfeldt (1).

Emma von Zügel heiratete schließlich 1911 (10) (s.a. Inv) Hermann Eißfeld. Ihr Vater Heinrich von Zügel war 1895 zum Professor an der Münchener Kunstakademie ernannt worden. Von Heinrich von Zügel hat sich auf Eißfeldt - wie auf viele andere Schüler Zügels - die Vorliebe für Tierdarstellungen übertragen.

Der wohl bekannteste und bedeutendste Tiermaler des 20. Jahrhunderts war ebenfalls ein Schüler von Heinrich von Zügel: Julius Paul Junghanns (1876-1958) (Wiki).

"Bauernkirchweih" in Schwabing 1902

1902 feierte der "Verein Deutscher Kunststudierender" - wohl vor allem auf Betreiben von Junghanns - während des Karnevals in der Schwabinger Brauerei in München eine lustige, heitere "Bauernkirchweih" mit 3000 Gästen (3). Sie wird als die Vorgängerin der legendären, ausgelassenen Künstlerfeste rund um Ludwig Thoma in München benannt (3). Zu dieser Bauernkirchweih sind gleichaltrige Kunststudenten zu Beiträgen aufgefordert worden. Es entstanden viele lustige Beiträge - Bilder, Medaillen, Tanzkarten und ähnliches. Diese konnten 1906 gesammelt als ein Beitrag in den "Velhagen & Klasings Monatsheften" veröffentlicht werden. Es ist dadurch ein noch heute sehr heiterer, sehenswerter Beitrag entstanden (3). Ein Zeugnis unbeschwerter Künstler-Heiterkeit aus der Zeit vor 1914.

Abb. 5: Hermann Eißfeldt - Bauer mit Schimmel (Rg)

Auch Hermann Eißfeldt hat dafür einen Beitrag geleistet, ein "Scheibenbild" - gutmütig heiter gemalt. Wir haben es in den Anhang dieses Beitrages verbannt, da es doch nicht Schritt hält mit den ernsthaften Werken des Künstlers (Abb. 28). Eißfeldt tat also mit, aber doch eher auf seine Weise, nämlich ein wenig zurückhaltend. Vielleicht war es auf einem solchen Künstlerfest, wo eine nähere Verbindung mit Emma von Zügel entstand.

Junghanns ist schon 1906 auf Vorschlag seines Lehrers Heinrich von Zügel Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf geworden. Dort wirkte und lebte er bis zu seinem Lebensende. Er behielt die Zeit bei Heinrich von Zügel als die wertvollste Zeit seiner Studentenzeit in Erinnerung.

1986 hat der Kunsthändler, Dozent, Schriftsteller und Kunsthistoriker Dr. Eugen Diem (1896-1993) (KotteHdbGLit), offenbar ein  Enkelsohn von Heinrich von Zügel, eine Biographie über seinen Großvater heraus gebracht, in der insbesondere Erinnerungen von Franz Hegenbarth enthalten sind, einem weiteren Enkelsohn von Heinrich von Zügel (1). Diese sind 1981 nieder geschrieben worden. In diesen Erinnerungen findet sich auch Eißfeldt mehrfach erwähnt, wodurch sich einige grobe Umrisse zu seinem Leben skizzieren lassen.

Hermann Eißfeldt stammte aus dem Braunschweigischen. Sein Leben lang sollte er in München tätig sein. Mathilde Ludendorff berichtet: "Wir hatten die stille, vornehme Seele des Künstlers lieb gewonnen". Das sind bis auf weiteres die einzigen Worte, die wir zu einer näheren Charakterisierung seiner Persönlichkeit heran ziehen können.

Abb. 6: Hermann Eißfeldt - Blick auf Wolfratshausen

Hermann Eißfeldt war in Schladen nördlich des Harzes geboren worden. Schladen liegt zwischen Bad Harzburg und Wolfenbüttel. Er war (sicher) der Sohn des gleichnamigen Direktors der dortigen Zuckerrübenfabrik, des Dr. Hermann Eißfeldt (1827-1885) (Nieders).

Die Familie Eißfeldt ist eine alte, angestammte evangelische Familie im Braunschweiger Raum. Aus ihr sind im Laufe der Jahrhunderte zum Beispiel unter anderem auch sechs Pastoren hervor gegangen (DtDigBiblNieders). Noch heute gibt es mancherlei namhafte Träger des Familiennamens Eißfeldt.

Dr. Hermann Eißfeldt, der Fabrikdirektor, ist wiederholt angeführt worden in Zeitschriften der deutschen Zuckerrübenindustrie. In diesem Bereich hat er 1870 ein neues Verfahren patentieren lassen (GB). Ein jüngerer Bruder des Malers Hermann Eißfeldt wird der Professor für Alttestamentarische Wissenschaften Otto Eißfeldt (1887-1973) (Wiki) (UniHalle) gewesen sein. Otto Eißfeldt hat in Göttingen studiert und wurde Professor für Alttestamentarische Studien zunächst an der Universität Berlin, schließlich an der Universität Halle. In Halle ist er 1973 auch gestorben. Unter Fachkollegen genoß er mancherlei Achtung und Anerkennung.

Der Kunstmaler Hermann Eißfeldt weilte 1898 als 23-Jähriger in Tegernsee. Das läßt sich dem dortigen Fremdenbuch entnehmen (s. GB). 1902 ist Hermann Eißfeldt in Schwabing unter der Adresse Giselastraße 25 verzeichnet (GB) - nahe dem Englischen Garten. Zwischen 1904 und 1912 nutzte Hermann Eißfeldt ein Atelier in der Ainmillerstraße in Schwabing, eine Viertelstunden Fußweg weiter westlich (4, S. 56):

Die für bildende Künstler unverzichtbaren Ateliers waren nicht selten in den Rückgebäuden (...) in der Ainmillerstraße. (...) Für Kunstmaler bildeten außer den Rückgebäuden vor allem die sich dem Nordlicht öffnenden Fenster in den Dachgeschossen der Häuser die wichtigste Voraussetzung für ihre Arbeit. Einige der in der Ainmillerstraße wohnenden Maler aus der Zeit des Historismus hatten hier ihre berühmten Künstlerateliers. (...) In der Ainmillerstraße 9 wirkte im 4. Stock von 1904 bis 1912 Hermann Eißfeldt.

Eißfeldt hatte als Lehrer neben Heinrich von Zügel auch den Professor der Münchener Kunstakademie Carl von Marr (1858-1936) (Wiki). 

Abb. 7: Hermann Eißfeldt - "Pferd mit Karren"

Carl von Marr stammte aus den USA und war 1893 zum Professor an der Münchener Kunstakademie ernannt worden. Ab 1901 hat Eißfeldt im berühmten Glaspalast (Wiki) in München ausgestellt, 1901 war er mit einem Selbstbildnis vertreten. 1905 hat Eißfeldt im Glaspalast ausgestellt - laut Ausstellungskatalog - das Ölbild "Unterm Wacholderbusch". Als seine Adresse ist angegeben Ainmillerstraße 9 (Wiki).

In einem Bericht über die Ausstellung im Münchener Glaspalast im Jahr 1906 wird erwähnt (11): 

H. Eissfeldt bringt das temperamentvolle Bild einer Dame mit Foxterrier.

In einem Bericht über die Ausstellung im Münchener Glaspalast im Jahr 1908 wird erwähnt (12):

die netzflickenden Fischer von Herm. Eißfeldt

1909 wird über neue Werke, ausgestellt von Seiten des Münchener Kunstvereins, berichtet (AllgRdsch):

Die Freilichtbilder von Hermann Eißfeldt zeigten natürlich empfundene Menschen in flotter, frischer Vortragsart und einer trotz fühlbarer Zügeleinflüsse doch nicht unfreien Farbe.

Etwas weniger neutral heißt es im selben Jahr in der Monatsschrift "Die Christliche Kunst" (13):

Unter guter Vorbedeutung eröffnete den Reigen der künstlerischen Darbietungen eine Gruppe junger  Maler, von denen  einzelne schon in den Secessionsausstellungen Beachtung gefunden haben. Wie es bei  allen Anfängern unserer modernen Schulung der Fall zu sein pflegt, so schossen auch diese Jünger über  das Ziel hinaus, einmal schon  deswegen, weil sie allzuviel vorführten und dadurch unfreiwilligen  Aufschluß über ihre Unzulänglichkeiten boten, dann aber durch die Unreife der Arbeiten selbst. (...) Drei weich und flüssig behandelte Landschaften von O. Lynch of Town und zwei lichtdurchflutete Interieurs zeigten wieder von der geschmackvollen und geistreichen Art der Landschaftsmalerei, deren höchstes  Ziel eben nicht die direkte Abhängigkeit von der Natur ist und sein soll. Ein Blick auf die Studien von Hermann Eißfeldt zeigte, was gemeint ist. Wie die schon genannte Gruppe von jungen Malern, so stolpert auch Eißfeldt, der sicherlich talentiert ist, über sein allzureiches Studienmaterial, das infolge des steten Abschreibens von Naturmotiven jede selbständige Regung, Eigenes zum  Ausdruck  zu  bringen,  schließlich  verkümmern  muß. Das ist alles ganz gut gemalt, aber auch recht billig. Gute Technik und ein gewisses Können, oder sagen wir etwas virtuose Geschicklichkeit haben viele, allzuviele! Und wenn Eißfeld ein "Mädchen im Blaukrautfeld" auch noch so flott malt, so ist das allein noch immer nicht letztes Ziel der Malerei.

Vielleicht allzu viele Worte. Kunstkritik entfaltet ja oft so ihr Eigenleben. Die meisten der zugänglichen Werke von Hermann Eißfeldt sind nicht datiert. Wir stellen hier im Blogbeitrag zunächst seine zugänglichen Tier- und Genre-Darstellungen und dann seine Porträtdarstellungen.

Abb. 8: Hermann Eißfeldt - Bäuerin mit Kühen im Isartal (An)

Aufgrund seiner Verbindung mit seinem Lehrer Heinrich von Zügel wird Hermann Eißfeldt vergleichsweise früh mit dem königlichen Hof der Wittelsbacher in Verbindung gekommen sein. 

Zu Gast am Hof der Wittelsbacher

Wir lesen über Heinrich von Zügel (Chiems):

Im ersten Jahrzehnt nach 1900 wurde Zügel erneut ausgezeichnet, und bei den Hoffesten und Treibjagden des Prinzregenten Luitpold war er ein häufiger Gast.

Der Enkelsohn Franz Hegenbarth berichtet (1, S. 32):

Als kgl. Professor der Bayerischen Kunstakademie, als Maximilians-Ritter und als namhafter Künstler gehörte der Großvater zur hoffähigen Prominenz Bayerns. Er war deshalb oft, meist mit seiner Frau, Gast im königlichen Haus und an der königlichen Tafel. Später verdichteten sich die Beziehungen sogar noch dadurch, daß eine der Töchter des letzten Bayerischen Königs, Ludwig III., die Prinzessin Hildegard, Großvaters Schülerin wurde, ganz offiziell. (...) In dieser Eigenschaft kam sie öfter in sein Haus in der Possartstraße zu einem Tässchen Tee. So auch einmal Ende der zwanziger Jahre.

Hegenbarth berichtet weiter (1, S. 32):

Im Winter 1917/18 geruhten S. Majeestät König Ludwig III. von Bayern durch seinen Haushofmeister beim Großvater anrufen zu lassen, um Dero Allerhöchsten Besuch im Atelier des Künstlers ankündigen zu lassen. Der Großvater nahm selbst das Telefongespräch entgegen und antwortete: "Nein, da geht es nicht; da kommt der Vergolder!" Mit anderen Worten: Er hatte schon einen Termin an dem vom Haushofmeister genannten Zeitpunkt, der gar keinen anderen parat hatte; denn es war wohl ungewöhnlich, einen von Seiner Majestät angebotenen Termin nicht zu akzeptieren. (...) Der Großvater fiel aber deshalb bei den Wittelsbachern nicht in Ungnade, nicht nur, weil sein Schwiegersohn Hermann Eißfeldt alles ausbügelte. Der Vergolder wurde umdisponiert und seine Majestät kamen zum vorgesehenen Zeitpunkt. Für sein Auftreten bei Hof hatte der Großvater zwei Uniformen. Ich sah ihn in beiden.

In dem Buch findet sich auch eine Fotografie Heinrich von Zügels in der "kgl.bayer. Hofjagd-Uniform (1, S. 28f). Wir sehen hier Hermann Eißfeldt schon 1917/18 als Vermittler zwischen seinem Schwiegervater und den Wittelsbachern auftreten, auf diese Zeit datiert also auch seine eigene Verbindung zum Wittelsbacher Hof.

Sicher entstanden hier jene Verbindungen, die dann dazu führten, daß Hermann Eißfeldt in den unmittelbaren Jahren nach 1918 zu einem bevorzugten Porträtmaler der bayerischen Königsfamilie wurde (Abb. 15-19). 

Abb. 9: Hermann Eißfeldt - Kühe

1912 ist als Adresse von Eißfeldt angegeben Gedonstraße 8. In diesem Jahr hat er im Glaspalast die beiden Ölgemälde "Flußfischer" und "Schmiede bei Tölz" ausgestellt (GB). 1913 heißt es in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland" (S. 432) (GB)

... Im Glaspalast begegnen wir einigen dieser Bilder, die geradezu als Perlen der Kunst gelten dürften. So hat der ... Unter den sonstigen Münchener Malergruppen bieten die "Bayern" besonders befriedigende Werke; Raffael Schuster-Woldau, H. Völkerling und M. Geffcken als Porträtisten, F. Rabending, H. Eißfeldt und A. Lüdecke als Tier- und Landschaftsmaler verdienen hohe Anerkennung.

1913/14 heißt es im "Allgemeinen Lexikon der bildenden Künstler von der Antike zur Gegenwart" (Thieme/Becker) über Hermann Eißfeldt unter anderem (9. Bd., S. 441):

Tätig in München. 1901 trat er im Münchener Glaspalast mit einem Selbstbildnis hervor und ist seitdem des öfteren dort vertreten gewesen. Seit 1912 stellt er in der Münchener Sezession aus. Wir nennen von seinen tüchtigen, in breiter impressionistischer Technik vorgetragenen Ölbildern: "Damenbildnis mit Foxterrier" (1908), "Ausfahrt" (1909), "Kartoffelernte", "Das Märchenbuch" (1911), "Flußfischer", "Schmiede bei Tölz", "Am Weidenzaun" (1912).

1914 war Hermann Eißfeldt schon 39 Jahre alt. Der Erste Weltkrieg brach aus und er wurde Soldat. 

Soldat im Ersten Weltkrieg - Versuchte Geiselnahme des Schwiegervaters

Über seinen Schwiegervater berichtet Franz Hegenbarth (1, S. 33):

Von den Ereignissen des Ersten Weltkrieges blieb der Großvater persönlich weitgehend verschont. Auch die engere Familie mußte keinen Blutzoll zahlen. Sein ältester Schwiegersohn Emanuel Hegenbarth war schon zu alt, um noch eingezogen zu werden. Die beiden jüngeren Schwiegersöhne Heinrich Schröder, der Mann seiner zweiten Tochter Elise und Hermann Eißfeldt, einst sein Schüler, dann wie Hegenbarth auch Schwiegersohn, Mann der jüngsten Tochter Emma, waren zwar Soldaten, kamen aber mit heiler Haut zurück. Getroffen hat es nur seinen Sohn Willy, den Bildhauer, der als Oberleutnant der Reserve und Batterieführer bei der Bayerischen Feldartillerie von 1914 bis 1918 an der Westfront in zum Teil schwierigster Situation stand. Im Frühjahr 1918 in einer Offensive bei Arras erwischte ihn eine Ladung Granatsplitter. (...) Ein etwa 1,3 cm langer Granatsplitter drang in den Herzmuskel und blieb dort stecken. Aber das Herz schlug weiter. (...) Sohn Willy lebte noch 32 Jahre als gesunder Mann.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Willy von Zügel selbst schon vier Kinder (MurrZtg2022):

Der 1876 in München geborene, von seinem „Über“-Vater Heinrich von Zügel geförderte und geforderte Künstler Willy Zügel (...). Wegen des Ersten Weltkriegs, in dem er schwer verwundet wurde, was Ursache für seinen Tod 1950 war, und der unruhigen Folgezeit „konnte er sich jedoch nur in Episoden auf seine Arbeit konzentrieren“

Hermann Eißfeldt mag vielleicht im April 1916 aus dem Kriegsdienst wieder ausgeschieden sein. Vielleicht ist aus diesem Anlaß ein Porträt seines Schwiegervaters entstanden (Abb. 1). Er hat in der Folgezeit auch einige Porträts von bayerischen Offizieren geschaffen (s. Abb. 12 und 13), ebenso Frauenporträts (Abb. 14).

Abb. 10: Korbmacher - Gemalt von Hermann Eißfeldt

Franz Hegenbarth berichtet über Heinrich von Zügel nach der Jahrhundertwende (1, S. 28):

Um diese Zeit begann sein Sohn Willy ihm solche Dinge abzunehmen. Nach dem Krieg war Schwiegersohn Hermann Eißfeldt sein - heute würde man sagen "Manager" - der alles Spezielle, Formelle und Finanzielle für ihn erledigte. 

Und (1, S. 14):

Sein einziger Sohn kommt nach einer schweren Verwundung mit einer Kugel im Herzen nach Hause als ein ständig Gefährdeter.

Während der Räterepublik in München steht Heinrich von Zügel dann auf einer Liste von Prominenten, die als Geiseln der Regierung festgenommen werden sollen. 16 dieser Geiseln sind damals auch tatsächlich erschossen worden. Heinrich von Zügel übernachtete wechselnd bei anderen Freunden, so daß er nicht gefunden wurde (1, S. 34). Welche Folgen mußten solche Erfahrungen haben für die politische Einstellungen der Menschen.

Im Jahr 1919 kommt Wilhelm Eißfeldt zur Welt, offenbar der älteste Sohn von Hermann Eißfeldt (1, S. 31). Er ist zu diesem Zeitpunkt das zehnte Enkelkind seines Großvaters Heinrich von Zügel. Heinrich von Zügel sollte nun emeritiert werden, wodurch er sein Atelier an der Universität verlieren würde. Dies wird einer der Anlässe gewesen sein, daß nach dem Ersten Weltkrieg die "Villa Zügel" in der Possartstraße 24 in Bogenhausen gebaut wurde. 

Der Bau der "Villa Zügel" in Bogenhausen (1919-1922)

Franz Hegenbarth berichtet (1, S. 14f):

Zügel hat den größten Teil seines Besitzes in Kriegsanleihe hingegeben und verloren. (...) Das (...) Atelier entsteht in dem von den Schwiegersöhnen erbauten großen Wohnhaus in Bogenhausen wieder.

Und (1, S. 34):

Man hatte vorgesorgt und mit dem angesammelten Vermögen ein seinen Bedürfnissen angepaßtes Haus mit Atelier, Rahmenzimmer und Kistenraum entworfen und gebaut. Initiator, Planer und Manager war der Schwiegersohn Hermann Eißfeldt, dessen Nachkommen, zwei verheiratete Söhne mit Familien, heute dieses Haus bewohnen. (...) Bei der subtilen Anpassung an eine augenblickliche, zeitlich absehbare Bedarfslage bestand die Gefahr, daß die Raumein- und verteilung in diesem auf den Großvater zugeschnittenen Haus später bei völlig anderer Belegung und Nutzung Probleme aufwerfen würde. Aber in den seit Großvaters Tod vergangenen 44 Jahren, in denen - kriegs- und nachkriegsbedingt - diverse, sehr unterschiedliche Belegungen durchgestanden werden mußten, zeigte sich die Genialität des Planers.

Franz Hegenbarth äußert sich also noch im Jahr 1981 sehr begeistert über seinen Onkel Hermann Eißfeldt, der schon seit 1929 nicht mehr lebte. 

Abb. 11: Porträt von Heinrich von Zügel, angefertigt vom Schwiegersohn Hermann Eißfeldt, April 1916

Franz Hegenbarth berichtet weiter (1, S. 35):

Als das Haus 1922 zum Bezug fertig war, war auch der Großvater fertig, finanziell. Sein Vermögen belief sich Ende des Krieges auf etwas über eine Million Goldmark. Es war angelegt in meist festverzinslichen Wertpapieren, darunter viel Kriegsanleihe, die natürlich die Inflation nicht überstanden. Die letzten Handwerkerrechnungen waren schon sechsstellig. (...) Aber es gelang. Die letzte Rechnung konnte bezahlt werden und für das ohnedies auch ohne Hausbau verlorene Vermögen stand nun ein Wohnhaus mit einem einmalig schönen Atelier zur Verfügung. Der Großvater war darüber sehr glücklich.

Weiter ist zu erfahren (Mnch):

Kein geringerer als Stadtplaner und Architekt Theodor Fischer errichtete hier im vornehmen Bogenhausen ein respektables Atelier mit drei Wohnungen für den angesehenen Tiermaler und Akademieprofessor Hofrat Heinrich von Zügel. Dieser hatte  das 1730 Quadratmeter große Grundstück für 85.449 Mark erworben. Erste Pläne zu diesem Bau wurden erstmals 1919 bei der Lokalbaukommission München eingereicht. Da dem 70-jährigen Bauherren aber die Pläne zu kostspielig waren, mußte Fischer im Juni 1921 die Wohn- und Nutzflächen kostengünstiger planen. Die Abnahme des Gebäudes erfolgte am 19. Juni 1922. "So eine Viecherei" soll Zügel zum Hausbau resümierend gesagt haben.

Zügel, dessen Atelier während seiner Akademiezeit in der Königinstraße lag, verfügte mit dieser Villa bei seiner Emeritierung im Jahr 1922 über ein großes, über zwei Stockwerke reichendes nördliches Atelier sowie zusätzlich über einen eigenen Rahmen- und einen Kistenraum. Hier gab es eine trickreiche Vorrichtung: Das in Obergeschoß und Dachgeschoß befindliche Atelier hatte im Boden einen über 3 Meter langen, 20 Zentimeter breiten Schlitz eingelassen, durch den die größten Bildformate in den darunterliegenden Kistenraum im Erdgeschoss hinuntergelassen werden konnten. Im Erdgeschoß befanden sich weitere Wirtschaftsräume und der Wohnbereich des Hausmeisters. Die Wohnräume der Familie und die der Dienstmädchen waren in Ober-  und Dachgeschoß untergebracht.

Ein Hausbau in der Inflationszeit - eine auffallende Parallele zu dem Leben von Mathilde Ludendorff, die in derselben Zeit ebenfalls ihr Haus in Tutzing am Starnberger See unter ähnlichen Umständen errichtete. 

Abb. 12: Porträt eines Leutnants der bayerischen Armee in Felduniform mit Band (Eiserne Kreuz 2. Klasse), gemalt von Hermann Eißfeldt 1917

Hermann Eißfeld hatte drei Wohnungen einbauen lassen, so daß das Ehepaar Eißfeldt mit seinen beiden Söhnen mit in das Haus einziehen konnte. Franz Hegenbarth berichtet von (1, S. 28) ...

... den gemütlichen Zeiten des Ruhestandes in der Possartstraße in den zwanziger Jahren ...

zusammen mit seiner ... 

... damals mit ihrem Mann Hermann Eißfeldt bei ihm lebenden jüngsten Tochter Emma.

1921 heißt es in der "Allgemeine Rundschau" - offenbar über die alljährliche Kunstausstellung im Glaspalast (S. 396) (GB): 

 ... Unter den Bildnissen interessieren besonders die lebensechten von H. Eißfeldt (Prinz Leopold von Bayern, General Krafft von Delmensingen).

Hier ist offenbar von dem Gemälde in Abbildung 15 die Rede, sowie von einem Porträt des bayerischen Generals Krafft von Delmensingen, der damals in Bayern einige Popularität besaß.

Abb. 13: Porträt des Eduard von Madroux (1875-nach 1956) als bayerischer Hauptmann in Uniform, gemalt von Hermann Eißfeldt 1917

Dieses Porträt wird auch ein Jahr später, 1922, in der Zeitschrift "Die Christliche Kunst" erwähnt (S. 24) (GB):

Kraftvoll und lebenwahr waren zwei lebensgroße Bildnisse (Vollfiguren: Prinz Leopold von Bayern, General Krafft von Dellmensingen) v. H. Eißfeldt.

Das letztere Porträt scheint Hermann Eißfeldt seiner Heimatstadt Braunschweig geschenkt zu haben, denn 1929 heißt es im Verwaltungsbericht der Stadt Braunschweig (S. 131) (GB):

Hermann Eißfeldt, General Krafft v. Dellmensingen an der Isonzofront. Geschenk des Künstlers.

Von der bayerischen Königsfamilie der Wittelsbacher hat Hermann Eißfeldt in diesen Jahren mehrere Malaufträge erhalten, offenbar vor allem ab den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg. 

Porträtmaler der Wittelsbacher Königsfamilie

So hat Hermann Eißfeldt ein Portrait des Prinzen Leopold von Bayern angefertigt (Abb. 15). Ebenso hat er ein Portrait angefertigt des Prinzen Georg von Bayern (Abb. 16). Georg von Bayern hat sich nach einer nicht vollzogenen Eheschließung für das Priesteramt entschieden. Er hat dann viele Jahre lang in Rom als Priester gewirkt.

Ebenso hat er ein Porträt angefertigt von Adelgunde von Bayern (1870-1958) (Abb. 17), von der nächstjüngeren Schwester des Kronprinzen Rupprecht von Bayern. Sie hatten beide hatten noch zehn weitere, jüngere Geschwister (s. Stammtafel: hdbg) und damit auch viele Nichten und Neffen. So entstand auch ein sehr eindrucksvolles Portrait I.K.H. Maria Antonietta von Bourbon, Prinzessin beider Sizilien (1898-1957), geb. Prinzessin von Bayern (Abb. 19) - ein, wie wir finden, sehr gelungenes Frauenporträt. Bei ihr handelte es sich um eine Nichte des Kronprinzen Rupprecht von Bayern, um eine Tochter der drei Jahre jüngeren Schwester von Kronprinz Rupprecht von Bayern.

Abb. 13a: General Krafft von Dellmensingen - Ohne Angabe des Künstlers ( - Eißfeldt?) (Gmic)

Ein prächtiges und womöglich sogar symbolträchtiges und politische Bezüge aufweisendes Gemälde ist das Gemälde "Feier der Goldenen Hochzeit von Prinz Leopold und Prinzessin Gisela von Bayern", das Hermann Eißfeld im Jahr 1923 geschaffen hat (Abb. 15). Der Nuntius Pacelli hat in diesem Gemälde eine besondere Stellung inne. Ob Hermann Eißfeldt beim Malen desselben nicht so manches mal an seinen Lehrer in Paris, an Jean-Paul Laurens und dessen Werke gedacht hat? Laurens war 1921 verstorben. Ist nicht auch in diesem Gemälde dargestellt die Stellung weltlicher Macht in ihrer Beziehung zu "geistiger" Macht? Vielleicht war Eißfeldt einfach nur fasziniert von der Thematik, zunächst noch ohne sich ein besonderes Urteil darüber zu bilden?   

Der Malauftrag und das ausgewählte Motiv kann jedoch eigentlich nur sehr bewußt vom Haus Wittelsbach - insbesondere vom Kronprinzen Rupprecht von Bayern - und in Absprache mit dem auch dargestellten Nuntius Pacelli gegeben worden sein. Ob nicht auch hier der Graf Soden (Josef Graf von Soden-Fraunhofen) (1883-1972) (Wiki), der Kabinettschef des Kronprinzen Rupprecht von Bayern, seine Hand im Spiel hatte? Der auf das frühere Jesuitengymnasium in München, das Wilhelmsgymnasium, gegangen war, und der unter dem Verdacht stand, "Jesuiteneinfluß" auf den Kronprinzen Rupprecht von Bayern auszuüben (s. Stgr2025)?

Auf diesem Gemälde ist links Kronprinz Rupprecht von Bayern dargestellt zusammen mit seiner Ehefrau, ganz links sein nächst jüngerer Bruder Karl von Bayern (1874-1927) (Wiki) mit seiner Ehefrau. Rechts ist dargestellt Nuntius Pacelli und rechts von diesem Prinz Georg von Bayern als Priester. Das Gemälde entstand genau in jenem Jahr, in dem die klerikal-konservativen Kräfte in Bayern - mit dem Segen des Nuntius Pacelli - Bayern vom übrigen Deutschen Reich abtrennen wollten, mit Österreich zusammen schließen wollten und die Wittelsbacher Monarchie aufrichten wollten. Zugleich sollte sich ein katholisches Rheinland vom Deutschen Reich abtrennen (s. Stgr2025).

Für die klerikal-konservativen Kräfte in Bayern waren dabei ein unberechenbarer Faktor die völkischen Kräfte in Bayern. Mit Adolf Hitler hätte sich Gustav von Kahr schon damals die Aufrichtung einer Diktatur wie in Italien vorstellen können, gegebenenfalls unter Wiederherstellung der bayerischen Monarchie - aber Ludendorff stellte sich all diesen Plänen klar in den Weg.

Abb. 14: Porträt einer Frau, gemalt von Hermann Eißfeldt, 1919

Ludendorff stand in diesen Jahren in loser Verbindung mit Gustav von Kahr, der zeitweise Ministerpräsident von Bayern, bzw. Generalstaatskommissar war.  

Lose Verbindung zu Gustav von Kahr (1923)

Ebenso stand Gustav von Kahr in loser Verbindung mit dem Schwiegervater von Hermann Eißfeldt, mit Heinrich von Zügel, wie dessen Enkel Franz Hegenbarth berichtet. Er schreibt, um die politischen Einstellungen seines Großvaters zu charakterisieren (1, S. 27f):

Wenn es galt, in froher Runde Gäste zu begrüßen (...), dann sagte der Großvater in aller Regel: "Es lebe die Freiheit!" Sein Trinkspruch umreißt auch den Platz seiner politischen Orientierung. Sie war im Grundtenor freiheitlich-liberal. Er war deshalb kein Republikaner, aber auch kein Monarchist. Die überaus tolerante Hand, mit der die letzten Wittelsbacher, der Prinzregent Luitpold und König Ludwig III., regierten, gab keinen Anlaß zu freiheitlichem Demonstrieren. (...) Gleichgültig war ihm die Politik nicht. Hitlers "Marsch auf die Feldherrnhalle" am 9. November 1923 erlebte er als ansässiger Münchner ziemlich unmittelbar mit. Seine Einstellung zu diesem Vorgang mag daraus erhellen, daß ihn mit dem damaligen Generalstaatskommissar von Bayern, dem Ritter von Kahr, eine lockere Freundschaft verband. (...) Den Aufstieg des Nationalsozialismus verfolgte der Großvater - wie die meisten Deutschen - zunächst mit Hoffnung, später mit zunehmender Skepsis. 

Diese Ausführungen klingen widersprüchlich, schließlich hat 

Wenn man bedenkt, daß von Kahr mit Hitler durchaus einen Staatsstreich durchgeführt hätte, nicht aber mit Ludendorff, dann klingen diese Worte nicht mehr so widersprüchlich, wie sie auf den ersten Blick klingen könnten.

Womöglich war ja der Hitler-Ludendorff-Putsch vom 8. zum 9. November 1923 schon von vornherein in groben Zügen so angelegt wie er dann abgelaufen ist. Der Generalstaatskommissar von Kahr hat sich zum Schein auf die Zusammenarbeit mit den Putschisten eingelassen, um sich dann doch gegen diese stellen zu können, und um auf diese Weise die spannungsvolle Situation zu klären. Nuntius Pacelli rechnete in seinem Bericht vom 9. November 1923 an den Papst in Rom mit der blutigen Niederschlagung dieses Putsches. Dabei sollte offenbar auch Erich Ludendorff ums Leben kommen. Er ist aber womöglich - so vermutet es zumindest Mathilde Ludendorff in ihren Lebenserinnerungen - von einem diesbezüglich Beauftragten der bayerischen Landespolizei mit einer anderen herausragenden Person, die in der ersten Reihe der Putschisten marschierte, verwechselt worden (7). 

Abb. 15: Prinz Leopold von Bayern (1846-1930) (Wiki) - Gemalt von Hermann Eißfeldt

Hermann Eißfeldt hatte in den 1920er Jahren - trotz Hausbau in Bogenhausen - ein eigenes Atelier. Es lag zumindest in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre in der Widenmayerstraße. Dies wird von Mathilde Ludendorff erwähnt (siehe Zitat unten). Diese Straße zieht sich am linken Ufer der Isar von der Altstadt aus nach Norden und ist geprägt von herrschaftlich wirkenden Gründerbauten (Abdztg2020). In der Widenmayerstraße, Ecke Liebigstraße hatte sich um 1900 beispielsweise auch die Kunstanstalt von Edgar Hanfstaengl (1842-1910) (Wiki) befunden, dem Vater von "Putzi" Ernst Hanfstaengl (1887-1975) (Wiki), der - als langjähriger Vertrauter Hitlers in den 1920er Jahren - gegenüber Historikern Andeutungen machte zu satanistischen Hintergründen Hitlers (GAj2014, s.a. Stgr2013).

In der Widenmayerstraße 41 befand sich 1920 auch das "Kunstgewerbliche Atelier" einer Jenny Hirschberg (Archiv). Von der Possartstraße 24 in Bogenhausen ist die Widenmayerstraße über die Max-Joseph-Brücke hinweg zu erreichen in einem halbstündigen, etwa zwei Kilometer langen Fußweg (s. Abb. 26).

Mathilde Ludendorff berichtet, daß Hermann Eißfeldt etwa zehn Ludendorff-Porträts geschaffen habe (siehe unten). Ab wann diese Gemälde entstanden, wird nicht erwähnt. Uns sind aktuell von diesen zehn Porträts drei zugänglich (Abb. 20-23). (Den Abbildungen 21 und 22 liegt dasselbe Porträt zugrunde.)

Abb. 16: Prinz Georg von Bayern, Cousin von Kronprinz Rupprecht von Bayern - Gemalt von Hermann Eißfeldt

Es ist nicht bekannt, in welcher zeitlichen Reihenfolge sie geschaffen worden sind. Wir möchten vermuten, daß sie in der Reihenfolge geschaffen worden sind, in wir sie in diesen Beitrag einstellen. In Abbildung 20 ist gegebenenfalls der Erich Ludendorff der Jahre 1923 und 1924 portraitiert, in Abbildung 21 und 22 der Erich Ludendorff des Jahres 1926 und in Abbildung 24 vermutungsweise der Erich Ludendorff des Jahres 1928.

Es gibt also mindestens zwei Porträts von Erich Ludendorff, in denen Eißfeldt Erich Ludendorff in Zivil dargestellt hat. Das erste wird 1930 - zur Zeit des ersten Todestages des Künstlers - veröffentlicht, wozu es heißt: "Dieses Bild ist nach einem Gemälde des vor einem Jahr verstorbenen Tannenbergers und Freundes General Ludendorffs, Kunstmaler Hermann Eißfeldt, aufgenommen." Leider fehlt hier die - gerade bei dem Maler Eißfeldt so wichtige - Farbe. Hermann Eißfeldt wird hier als "Freund" Erich Ludendorffs bezeichnet. Es gibt sicherlich nicht viele, die Erich Ludendorff noch in späteren Jahren so benannt hat. Dieses Porträt wurde auch als Postkarte verkauft, zusammen mit der Signatur von Erich Ludendorff (Abb. 22).

Das nächste Ludendorff-Porträt von Hermann Eißfeldt, das öffentlich wurde, wurde in dem voluminösen Band "Erich Ludendorff - Sein Wesen und Schaffen" veröffentlicht, der ein Jahr nach dem Tod Erich Ludendorffs 1938 erschien (Abb. 23). Es scheint das reifste Ludendorff-Porträt von Eißfeldt zu sein. Schließlich wurde 1940 im ersten Band der Lebenserinnerungen von Erich Ludendorff ein weiteres Ludendorff-Porträt von Eißfeldt veröffentlicht (Abb. 22). 

Abb. 17: Adelgunde von Bayern, jüngere Schwester des Kronprinzen Rupprecht von Bayern (Wiki) - Gemalt von Hermann Eißfeldt

2004 wurde dann eines der Porträts von Mathilde Ludendorff bekannt, geschaffen von Hermann Eißfeldt (9, S. 207).

Der Tod von Hermann Eißfeldt - März 1929

Als Todesdatum von Hermann Eißfeldt ist der 9. März 1929 verzeichnet.

Hermann Eißfeldt ist nur 53 Jahre alt geworden, sein Sohn war zu diesem Zeitpunkt erst zehn Jahre alt. Über die Umstände des Todes von Hermann Eißfeldt hat sich das Ehepaar Ludendorff Gedanken gemacht, wußte dabei aber offenbar nicht sehr viel über die familiären Hintergründe Hermann Eißfeldts, die jedenfalls nicht erwähnt werden. Erich Ludendorff schreibt in seinen Lebenserinnerungen das folgende über Hermann Eißfeld (8, S. 230):

Die Monate März und April (1929) waren in der Tat keine einfachen Monate. Wir erlebten in ihnen auch Todesfälle, die uns nahe berührten. In mein Leben war der Kunstmaler Hermann Eißfeldt getreten; ich sprach schon von ihm im 1. Bande, als ich erzählte, daß ihm ein Auftrag, ein bestimmtes Bild zu malen, wieder entzogen wurde, weil er den "Antichristen" Ludendorff gemalt hatte und für diesen eingetreten war. Maler Eißfeldt hatte eine Reihe guter Bilder von mir und später auch von meiner Frau in seiner tiefen Verehrung für uns gemalt, obschon er wußte, daß diese Bilder damals nicht in die Öffentlichkeit irgendwie dringen würden. Das Bild des Feldherrn Ludendorff oder der Philosophin Frau Ludendorff aufzuhängen, war zu jener Zeit ja beinahe ein Staatsverbrechen. Maler Eißfeldt schloß sich auch meinem Freimaurerkampf an und war tief von seiner Richtigkeit durchdrungen. Vor unserer Winterreise im Januar (1929) führten wir noch Gespräche mit ihm durch den Fernsprecher, nach der Rückkehr waren wir durch die dargelegten Verhältnisse so beschäftigt, daß wir nicht gleich die Verbindung mit ihm wieder hatten aufnehmen können. Plötzlich hörten wir, er habe sich in der psychiatrischen Klinik das Leben genommen, ein Fall, der uns gerade in dieser Klinik als Unmöglichkeit dünkte. Wir hörten nun auch, daß er in aller Stille bestattet werden sollte. Meine Frau und ich konnten jetzt wenigstens noch mit Deutschen Gesinnungsgenossen an der Feier teilnehmen; ich hielt eine kurze Ansprache und schloß mit dern Worten:
"Wir Tannenberger in ganz Deutschland werden den edlen Deutschen und begabten Künstler, der mit uns für des Deutschen Volkes Freiheit kämpfte, und sein tragisches Geschick nie vergessen."
Daß ich den toten Künstler nie vergessen habe, das zeige meine vorstehende Darstellung.

Mathilde Ludendorff ist in ihren Lebenserinnerungen auch auf die Bekanntschaft mit Hermann Eißfeldt eingegangen.

Abb. 18: Feier der Goldenen Hochzeit des Prinzen Leopold und der Prinzessin Gisela von Bayern am 20. April 1923 zelebriert von Nuntius Pacelli - Links der Neffe des Prinzen, Kronprinz Rupprecht, rechts von Pacelli der Sohn des Prinzen Leopold, Prinz Georg von Bayern als Priester - Gemalt von Hermann Eißfeldt 1923 (Stammtafel: hdbg)

Sie schreibt (7, S. 28-31):

Ein anderes Ereignis lenkte uns rasch ab. Gleich nach unserer Heimkehr von Tegernsee hörten wir, daß der Maler Eißfeldt gestorben sei, er sollte "in aller Stille" beerdigt werden.
Noch am Tage unserer Abreise, also vor nicht einer Woche, hatten wir ihm telefonisch mitgeteilt, daß wir von unserer Vortragsreise zurück seien und nun unser Versprechen, ihn in seinem Atelier zu besuchen, damit er an den neu geplanten Bildern weiterarbeiten könne, sofort nach unserer Rückkehr von Tegernsee - also neun Tage später - erfüllen würden. Er sagte noch, er wolle uns manches erzählen, was uns sicher auch interessieren werde. - Und nun? Nun sollte er, wie man uns sagte, schwermütig über eine Erkrankung seiner Frau selbst in die psychiatrische Klinik gegangen sein und sich dort (!) in der dritten Nacht erhängt haben! Das war sehr verwunderlich, fast "legendär". Einmal, weil seine Stimme so frisch und gesund geklungen hatte, als wir vor wenigen Tagen mit ihm sprachen, zudem aber, weil diese Todesart an diesem Ort annähernd unmöglich zu nennen ist! Die psychiatrische Klinik, die nicht in allen Fällen heilen kann, hat vor allem die Aufgabe - und erfüllt sie gewissenhaft -, Menschen in schwermütiger Gemütsverfassung vor dem Selbstmord zu schützen. Als ehemaliger Assistent dieser Klinik kannte ich die Separatzimmer, deren eines der Tote drei Tage bewohnt hatte. Es fehlte dort an den Fenstern und Wänden, am Bett und an der übrigen Inneneinrichtung jede Möglichkeit des Erhängens! War Eißfeldt wirklich in der Stimmung, in den Freitod zu gehen, so bestand hierzu überall auf der Welt weit eher die Möglichkeit als in der Klinik, in die er selbst gegangen war! -
Uns traf der Tod tief, denn wir hatten die stille, vornehme Seele des Künstlers liebgewonnen. In seiner großen Verehrung für den Feldherrn hat er viele gute Bilder von ihm gemalt und war so rührend dankbar für jede Minute, die mein Mann in seinem Atelier verbrachte. Ein drittes Bild von mir wollte er eben beginnen, da die beiden vollendeten ihn nicht voll befriedigten. Uns waren die Besuche seines schönen, stillen Ateliers in der Widenmayerstraße ein liebes Ausruhen vom Kampfe, der doch oft so häßlich und lärmend von unseren Gegnern geführt wurde. Während er an seinem Bilde malte, erzählte man ihm vom neuesten Geschehen, denn er war begeisterter, aus ganzer Seele überzeugter Mitkämpfer, oder er berichtete über Ereignisse aus seinem eigenen Leben, die er nun erst in den inneren Zusammenhängen begriff. So erzählte er auch, wie er den Auftrag erhalten habe, ein Bild des Nuntius Pacelli zu malen, und nach diesem Auftrag zufällig bei einem Abendessen in einem streng katholischen Adelshause mit höchsten katholischen Geistlichen zusammentraf.

"Höchste katholische Geistliche" - dabei kann es sich ja eigentlich nur um Geistliche wie den Kardinal Faulhaber handeln.

Abb. 19: Portrait I.K.H. Maria Antonietta von Bourbon, Prinzessin beider Sizilien (1898-1957), geb. Prinzessin von Bayern, eine Tochter der drei Jahre jüngeren Schwester des Kronprinzen Rupprecht von Bayern - Gemalt von Hermann Eißfeldt wohl um 1920

Und weiter (7, S. 28-31): 

Bei Tisch fielen so unglaubliche Schmähworte über Ludendorff, daß er sich ausbat, nicht derart in seiner Gegenwart zu sprechen; er verehre den Feldherrn. Die Geistlichen verabschiedeten sich von der Wirtin mit den Worten, sie hätten sich gefreut, in diesem Hause so gesunde Ansichten zu hören! Wenige Wochen darauf erfuhr der Maler, daß der Auftrag, den Nuntius zu malen, ihm entzogen worden sei. So erzählte er noch manches interessante Erlebnis, während er die Bilder vollendete, die er zuvor weitgehend vorbereitet hatte. Und nun hatte er sich in der psychiatrischen Klinik, dem ärztlich so gründlich überwachten Schutzorte vor Selbstmord, erhängt? Warum denn nicht zu Hause, warum nicht in seinem Atelier, wo dies so überaus leicht möglich war und nicht behindert worden wäre? Sehr merkwürdig!
Der Beerdigung "in aller Stille" gab nun der Tannenbergbund ein etwas anderes Gepräge. Es erschienen zahlreiche Mitglieder der Ortsgruppe. Obwohl der Verstorbene ein hochangesehener Münchner Künstler war, waren nur etwa 6 Menschen außer unserem Bunde an der Bahre; einer von ihnen legte einen Kranz aus dem Kreise der Künstler nieder. Nach den mehr als sonderbaren Worten des Geistlichen trat Ludendorff mit unserem Kranze an die Totenbahre und sprach ehrende Worte über den Künstler, Mitkämpfer und Freund, der uns genommen worden war.
Ich sorgte auch dafür, daß in der "Deutschen Wochenschau" über den Tod Eißfeldts berichtet wurde. Bei Ausstellung der Werke des Künstlers im Kunstverein zu Ehren des Toten war kein einziges der etwa 10 Bilder von Ludendorff, die das Glück und der große Stolz des Toten waren, mit ausgestellt. Lange ging uns sein Tod mit allen Nebenumständen nach, und wenn wir auf die Bilder des Künstlers in unseren Arbeitsräumen blickten, dann tauchten er selbst und sein Schicksal wieder in unserem  Erinnern auf.

Den Worten ist zu entnehmen, daß ein von Hermann Eißfeldt geschaffenes Porträt von Mathilde Ludendorff der Öffentlichkeit bislang nicht zugänglich ist ("ein drittes Porträt von mir wollte er eben beginnen"). Das heißt, es gibt ein zweites außer dem hier in den Beitrag eingestellten (Abb. 24).

Abb. 20: Hermann Eißfeldt - Erich Ludendorff (aus 8)

An diese Zitate knüpfen sich viele Fragen an. War denn die eigene Familie und die große, zahlreiche Verwandtschaft von Hermann Eißfeldt gar nicht bei der Beerdigung anwesend? Man weiß aktuell überhaupt nicht, wie über den Tod von Hermann Eißfeldt in seiner eigenen Familie gedacht wurde, wie er erlebt wurde. Der Enkel Franz Hegenbarth erwähnt diesen Tod mit keinem Wort. Es wird auch keine "Depression" der Ehefrau von Hermann Eißfeldt erwähnt, die zu diesem Zeitpunkt Mutter zweier minderjähriger Söhne ist.

Im "Adreßbuch für München" für das Jahr 1930 ist Emma Eißfeldt als "Kunstmaler-Witwe" verzeichnet wohnhaft in der "Poßartstraße 24/2" (GB), außerdem Heinrich Ritter von Zügel, Geheimer Hofrat, Akademieprofessor a.D. - Wohnung und Werkstatt in der Possartstraße 24/0 (1930, S. 708).

Heinrich von Zügel lebte noch bis 1941. Über sein letztes Lebensjahrzehnt gibt es widersprüchliche Angaben. Einerseits lesen wird (Chiems):

Zügel litt in seinen letzten Lebensjahren, die weitgehend ohne malerische Zeugnisse blieben, unter schweren Depressionen. Gestorben am 31. Januar 1941.

Nach diesen Zeilen hatte er also Depressionen ebenso wie dies von seinem Schwiegersohn Hermann Eißfeldt berichtet wird. 

Abb. 21: Erich Ludendorff - Nach einem Gemälde von Hermann Eißfeldt (in: "Ludendorffs Volkswarte", 6.4.1930)

Andernorts liest man aber sehr viele begeisterte Worte über den "Durchbruch" des Künstlers Heinrich von Zügel zum Impressionismus (Wiki):

Noch in hohem Alter gelangen Zügel impressionistische Werke voller Leichtigkeit und Frische, z. B. der „Blick auf Murrhardt“. Im Alter von 77 Jahren entstand noch ein eindrucksvolles Selbstporträt. Aus Anlaß seines 90. Geburtstags widmete ihm die NS-Kunstzeitschrift "Die Kunst im Deutschen Reich" einen ausführlichen Artikel.

Andernorts liest man (NordOst):

Nach seiner Emeritierung 1922 bezog er mit seiner Familie eine großzügige Villa mit Atelier und Wohnung in der Possartstraße 24 in Bogenhausen und malte dort bis ins hohen Alter. Sein Enkel Franz Hegenbarth berichtet, daß er gerne von seinem Atelier in der Possartstraße zur nahen Gastwirtschaft "Bogenhauser Hof" spazierte, um einen ausgiebigen Frühschoppen einzunehmen. Heinrich von Zügel starb am 30. Januar 1941 mit 91 Jahren in München.

In der "Zügel-Villa" in Bogenhausen ist heute die angesehene Münchener Immobilienfirma von Andreas Eissfeldt ansässig. Es könnte sich bei ihm um einen einen Urenkel von Hermann Eißfeldt handeln.

Soweit zunächst, was zum Leben von Hermann Eißfeldt und seiner Familie in München in Erfahrung zu bringen ist. Weitere Erkenntnisse sollen nach und nach auch künftig noch in diesen Blogbeitrag eingepflegt werden.

Abb. 22: Hermann Eißfeldt - Erich Ludendorff

Heinrich von Zügel hat mit seiner großen Schülerschar in der der Stadt Wörth am Rhein geradezu eine "Tiermalschule" begründet. Wörth am Rhein liegt 13 Kilometer westlich von Karlsruhe. Diese Stadt hat Heinrich von Zügel und seinen Schülern bis heute ein ehrendes Gedächtnis bewahrt. Es gibt dort keineswegs nur eine Zügelstraße, nein, es gibt dort sogar eine Eißfeldtstraße (s. GMaps). Wir lesen darüber (1, S. 61)(GB):

Außerdem ehrte die Gemeinde bisher die Zügelschüler Otto Dill, Hermann Ebers, Eissfeldt, Emanuel Hegenbarth und Julius Paul Junghanns, indem sie am 23. Januar 1950 und am 28. Dezember 1964 Straßen nach ihnen benannte.

Und:

Bürgermeister Börckel betonte in seiner Festansprache: "Sie haben mitgeholfen, unserm Dorfe das Gepräge eines Malerdorfes zu geben. Sie haben dazu beigetragen, daß unser Ort in der Geschichte der Malerkunst zu hohem Ansehen gelangte."

Abb. 23: Erich Ludendorff - Gemälde von Hermann Eißfeldt (aus 6)

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Abb. 24: Mathilde Ludendorff - Gemalt von Hermann Eißfeldt - (zw. 1926 und 1929) (9, S. 207) (Wiki)

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Anhang

In den Anhang stellen wir verschiedene weitere Fotografien ein, die das Leben und familiäre Umfeld von Hermann Eißfeldt verständlicher machen können.

Abb. 25: Die von Hermann Eißfeldt errichtete "Zügel-Villa" in Bogenhausen von Westen aus gesehen - Aufnahme von 2011 (Wiki)

Zunächst eine Fotografie der "Villa Zügel". Auch über Google-Streetview kann man sich ein Bild von der Villa machen (GMaps).

Abb. 26: Lebensorte von Hermann Eißfeldt nördlich der Altstadt von München in Schwabing (Ainmillerstraße 41), sowie in der Widenmayerstraße am linken Ufer der Isar, sowie in der Possartstraße 24 in Bogenhausen rechts der Isar

Dann eine kartographische Veranschaulichung der Lebensorte von Hermann Eifßeldt in Schwabing und Bogenhausen nördlich des Stadtzentrums von München und westlich und östlich der Isar und des Englischen Gartens (Abb. 26).

Abb. 27: Heinrich von Zügel - "Schwere Arbeit", 1908 Neue Pinakothek, München (Kunstk, Pinak)

Mit einem Gemälde zum Thema "Schwere Arbeit" wurde Heinrich Zügel Mitte der 1870er Jahre bekannt. Bis 1928 hat er an vielen weiteren Versionen dieses Themas gearbeitet, hier eine Version aus dem Jahr 1908 (Abb. 27), es gibt weitere aus den Jahren 1909 (Wiki) oder 1928 (Meisterw).

Abb. 28: Hermann Eißfeldt - Schießscheibenbild - 1902 (aus 3)

Hier das von Hermann Eißfeldt geschaffene Schießscheibenbild für die Künstler-Bauernkirchweih während des Karnevals im Jahr 1902

Abb. 28a: General Krafft von Dellmensingen - Ohne Angabe des Künstlers ( - Eißfeldt?) (Yt

Hier ein weiteres Portrait des Generals Krafft von Dellmensingen mit der Frage, ob es von Eißfeldt stammen könnte. Das oben eingestellte Gemälde paßt aber besser zu der Malweise von Eißfeldt.

Abb. 29: Portrait seines Vaters Wilhelm von Zügel von Seiten des Bildhauer-Sohnes Willy von Zügel, 1917 (Kunstk)

Im folgenden werden noch einige Werke des sieben Jahre älteren Schwagers von Hermann Eißfeldt, des Professors Emanuel Hegenbarth aus Dresden. Sie scheinen uns der Beachtung wert.

Abb. 30: Emanuel Hegenbarth - Junge Frau beim Lesen im Garten

Abbildung 30 zeigt ein sehr impressionistisches Gemälde.

Abb. 31: Emanuel Hegenbarth - Sitzender weiblicher Akt

Die Abbildungen 31 bis 33 weisen eher in Richtung Expressionismus. 

Abb. 32: Emanuel Hegenbarth - Bock und Geiß

Damit wird deutlich, daß sich Hegenbarth mit den verschiedenen Malrichtungen seiner Zeit sehr ernsthaft auseinandersetzte. 

Abb. 33: Emanuel Hegenbarth - Weiblicher Akt

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  1. Hegenbarth, Franz (geb. 1907): Erinnerungen an meinen Großvater Heinrich von Zügel (1850-1941). In: Eugen Diem: Heinrich von Zügel und seine Zeit. Mit Beiträgen von Franz Hegenbarth, Manfred Bader und Wilhelm Steigelmann. Verlag Aurel Bongers, Recklinghausen 1986 (GB), S. 21-40
  2. Heinrich von Zügel, Eugen Keuerleber: Heinrich von Zügel 1850-1941 - Gemälde und Zeichnungen. Galerie der Stadt Stuttgart, 1981 (GB)
  3. von Ostini, Fritz: Die Schwabinger Bauernkirchweih. In: Velhagen & Klasings Monatshefte 1906/07, S. 697-708 (GB)
  4. Gerhard J. Bellinger, ‎Brigitte Regler-Bellinger: Schwabings Ainmillerstraße und ihre bedeutendsten Anwohner. Ein repräsentatives Beispiel der Münchner Stadtgeschichte von 1888 bis heute. Books on Demand, Norderstedt 2012 (GB)
  5. Hermann Ebers (21.06.1881 – 10.02.1955): Aus meiner Studienzeit (pdf
  6. Ludendorff, Mathilde (Hg.): Erich Ludendorff - Sein Wesen und Schaffen. Ludendorffs Verlag GmbH, München 1938
  7. Ludendorff, Mathilde: Statt Heiligenschein und Hexenzeichen - mein Leben. VI. Teil Freiheitskampf wider eine Welt von Feinden an der Seite des Feldherrn Ludendorff. Verlegt bei Franz von Bebenburg, Pähl 1968
  8. Ludendorff, Erich: Vom Feldherrn zum Weltrevolutionär und Wegbereiter Deutscher Volksschöpfung. II. Band Meine Lebenserinnerungen von 1926 bis 1933. Verlag Hohe Warte, Stuttgart 1951
  9. Duda, Gunther: Erich Ludendorff und der 9. November 1923. Der Freiheitskampf für unser Volk und deDurchbruch der Gotterkenntnis. Verlag Hohe Warte, Pähl 2004, S. IV und 207
  10. Eißfeldt, Hermann. In: Ludwig, Horst (Bearb.): Bruckmanns Lexikon der Münchner Kunst. Münchner Maler im 19./20. Jahrhundert. In sechs Bänden. Hier Bd. 5 (Geburtsjahrgänge 1871-1900), Bruckmann, München 1993 (Stdgesch)
  11. von Ostini, Fritz: Die Münchener Jahresausstellung im Glaspalast 1906. In: Die Kunst. Monatshefte für freie und angewandte Kunst. Bd. 15. Bruckmann München 1907 (GB
  12. Wolter, Franz: Die Münchener Ausstellung im Glaspalast 1908. In: Die christliche Kunst. Jg. 1908/09, S. 44ff (GB)
  13. Wolter, Franz: Aus dem Kunstverein München. In: Die christliche Kunst, 1909, S. 132 (GBArchiv)
  14. Hans Vollmer: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. Unter Mitwirkung von Fachgelehrten des In- und Auslandes bearbeitet, redigiert und herausgegeben von (...). E. A. Seemann Verlag, Leipzig, Bd. II (E-J) 1955, S. 26

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