Für die öffentliche bildliche Wahrnehmung der Personen Erich Ludendorffs und Paul von Hindenburgs während des Ersten Weltkrieges spielten anfangs Gemälde und Fotografien eine wohl gleichwertige Rolle. Erst etwa ab 1916 trat die Rolle von Gemälden (Schlachtenpanoramen und Portraits) mehr in den Hintergrund. Diese Entwicklung in der öffentlichen Wahrnehmung Erich Ludendorffs sollt hier auf dem Blog in fünf Beiträgen mit allen erreichbaren Fotografien Erich Ludendorffs zu jedem Jahr des Ersten Weltkrieges zusammen getragen. Da aber die Bedeutung von Gemälden in den Anfangsjahren des Ersten Weltkrieges eine ähnliche war (wie sich bei der Bearbeitung dieser Beiträge herausstellte), werden diese gleichwertig (die schon in einem früheren Beitrag gesammelt wurden) nach und nach ebenfalls hier einzuarbeiten sein. Der vorliegende Beitrag behandelt das Jahr 1914.
Dass der Krieg also überhaupt vier Jahre dauerte, ist darauf zurück zu führen, dass es immer wieder verhindert wurde, dass Ludendorff die kriegsentscheidensten Maßnahmen treffen konnte. Das wird in der Literatur behandelt im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen der "Ermattungsstrategie" von Falkenhayns und der "Vernichtungsstrategie" Ludendorffs.
Da Deutschland aus militärischer Unterlegenheit heraus einen Zweifrontenkrieg führte, konnte jeder Mißerfolg, jede Fehlentscheidung, die deutscherseits getroffen wurde, kurz-, mittel- oder langfristig zu einer Gesamtniederlage Deutschlands führen. Dieser Umstand erklärt die hohe Nervenspannung, unter der alle Entscheidungen fast vom ersten Kriegstag an zumindest durch Ludendorff getroffen wurden und auch die hohe Arbeitsanspannung, unter denen diese Entscheidungen getroffen wurden.
All diese Dinge spiegeln sich in den Fotografien selten so konkret wieder. Die Fotografien können deshalb das Studium von Kriegserinnerungen und geschichtlichen Darstellungen nur durch den visuellen Eindruck vervollständigen, ergänzen und erläutern. Wie auch sie selbst nur durch das Studium der Ereignisse (etwa von Ludendorffs "Meine Kriegserinnerungen" [1] und den Ludendorff-Biographien von Manfred Nebelin [2] oder Franz Uhle-Wettler) vollständig verständlich werden können.
Wolfram Pyta hat sich in seiner bedeutenden Hindenburg-Biographie in seinem Kapitel über "Die mediale Selbstinszenierung Hindenburgs" nur mit den vielen Malern beschäftigt, die nach dem Sieg in der Schlacht von Tannenberg nach Ostpreußen pilgerten, um Portraits Hindenburgs - und damit zugleich fast immer auch Ludendorffs - anzufertigen (1, 2). Er geht in seiner Biographie noch gar nicht ein auf Fotografen und Portrait-Fotografen, die ebenfalls nach Ostpreußen und später Kowno pilgerten, um Portraits Hindenburgs - und damit zugleich auch Ludendorffs - anzufertigen, auch Gruppenfotos ihres Stabes. Aber natürlich spielte auch die Fotografie in der medialen Inszenierung während des Ersten Weltkrieges eine wichtige Rolle. Wenig später (ab 1917) kam auch der Film hinzu, wozu hier auf dem Blog ebenfalls schon ein Beitrag erschienen ist.
Illustrierte oder Illustrierten-Beilagen brachten in jenen Jahren ausführliche Bildberichte über das Leben der Kaiser-Familie und prominenter Persönlichkeiten und so eben auch über das Leben Hindenburgs und Ludendorffs (auch über beider Privat- und Familienleben - etwa über Geburtsort, Eltern und Geschwister). In solchen Bildberichten sind viele der bekanntesten Fotografien der damaligen Zeit enthalten, die die öffentliche Wahrnehmung beeinflussten. Es haben sich bis heute aber auch Fotografien aus dem rein militärischen Umfeld erhalten, die Soldaten anfertigten und in ihre Erinnerungsalben klebten, und die bis heute im Wesentlichen die große Öffentlichkeit gar nicht erreicht haben. Fotografien beiderlei Herkunft werden in den genannten Beiträgen zusammen getragen.
Zunächst eroberte Ludendorff in einem militärischen Handstreich die belgische Grenzfestung Lüttich.
Fotografien als historische Quelle
Fotografien können für sich genommen das unglaublich spannungs- und abwechslungsreiche Geschehen, das es im inneren und äußeren Leben Erich Ludendorffs ab dem Kriegsausbruch am 1. August 1914 gab, nicht wieder geben. Kein Menschenleben stand wie das Erich Ludendorffs vom ersten Kriegstag an so dicht im Zentrum der entscheidensten Ereignisse dieses Krieges. Da er sehr bald als "der" Fachmann schlechthin für militärische Erfolge in Deutschland galt, für den es an keiner Stelle und durch keine andere Person einen Ersatz gab, wurde er immer wieder ins Zentrum der Ereignisse gerufen. Andererseits wäre der Krieg schnell zu Ende gewesen, hätte man ihm von Anfang an freie Hand gelassen - wie das an sich nicht völlig unrealistisch hätte sein brauchen, war doch sein Chef Generalfeldmarschall von Moltke der Jüngere von der militärischen Begabung Ludendorffs schon vor 1914 überzeugt.Dass der Krieg also überhaupt vier Jahre dauerte, ist darauf zurück zu führen, dass es immer wieder verhindert wurde, dass Ludendorff die kriegsentscheidensten Maßnahmen treffen konnte. Das wird in der Literatur behandelt im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen der "Ermattungsstrategie" von Falkenhayns und der "Vernichtungsstrategie" Ludendorffs.
Da Deutschland aus militärischer Unterlegenheit heraus einen Zweifrontenkrieg führte, konnte jeder Mißerfolg, jede Fehlentscheidung, die deutscherseits getroffen wurde, kurz-, mittel- oder langfristig zu einer Gesamtniederlage Deutschlands führen. Dieser Umstand erklärt die hohe Nervenspannung, unter der alle Entscheidungen fast vom ersten Kriegstag an zumindest durch Ludendorff getroffen wurden und auch die hohe Arbeitsanspannung, unter denen diese Entscheidungen getroffen wurden.
All diese Dinge spiegeln sich in den Fotografien selten so konkret wieder. Die Fotografien können deshalb das Studium von Kriegserinnerungen und geschichtlichen Darstellungen nur durch den visuellen Eindruck vervollständigen, ergänzen und erläutern. Wie auch sie selbst nur durch das Studium der Ereignisse (etwa von Ludendorffs "Meine Kriegserinnerungen" [1] und den Ludendorff-Biographien von Manfred Nebelin [2] oder Franz Uhle-Wettler) vollständig verständlich werden können.
Wolfram Pyta hat sich in seiner bedeutenden Hindenburg-Biographie in seinem Kapitel über "Die mediale Selbstinszenierung Hindenburgs" nur mit den vielen Malern beschäftigt, die nach dem Sieg in der Schlacht von Tannenberg nach Ostpreußen pilgerten, um Portraits Hindenburgs - und damit zugleich fast immer auch Ludendorffs - anzufertigen (1, 2). Er geht in seiner Biographie noch gar nicht ein auf Fotografen und Portrait-Fotografen, die ebenfalls nach Ostpreußen und später Kowno pilgerten, um Portraits Hindenburgs - und damit zugleich auch Ludendorffs - anzufertigen, auch Gruppenfotos ihres Stabes. Aber natürlich spielte auch die Fotografie in der medialen Inszenierung während des Ersten Weltkrieges eine wichtige Rolle. Wenig später (ab 1917) kam auch der Film hinzu, wozu hier auf dem Blog ebenfalls schon ein Beitrag erschienen ist.
Illustrierte oder Illustrierten-Beilagen brachten in jenen Jahren ausführliche Bildberichte über das Leben der Kaiser-Familie und prominenter Persönlichkeiten und so eben auch über das Leben Hindenburgs und Ludendorffs (auch über beider Privat- und Familienleben - etwa über Geburtsort, Eltern und Geschwister). In solchen Bildberichten sind viele der bekanntesten Fotografien der damaligen Zeit enthalten, die die öffentliche Wahrnehmung beeinflussten. Es haben sich bis heute aber auch Fotografien aus dem rein militärischen Umfeld erhalten, die Soldaten anfertigten und in ihre Erinnerungsalben klebten, und die bis heute im Wesentlichen die große Öffentlichkeit gar nicht erreicht haben. Fotografien beiderlei Herkunft werden in den genannten Beiträgen zusammen getragen.
Zunächst eroberte Ludendorff in einem militärischen Handstreich die belgische Grenzfestung Lüttich.
26. bis 30. August 1914 - Die Schlacht von Tannenberg
Sodann wurde er nach Osten gerufen. Die erste von ihm geleitete Schlacht, nämlich die von Tannenberg dauerte vom 26. bis 30. August 1914. Sie endete mit einem überwältigenden Sieg der deutschen Truppen, der den weiteren russischen Vormarsch in Ostpreußen stoppte.Abb. 1: Erich Ludendorff und Hindenburg besichtigen nach der Schlacht von Tannenberg das Kampfgebiet (etwa 30. August 1914) (entnommen: Morgenpost) |
Die Schlacht von Tannenberg steht einzigartig in der Weltgeschichte da. Sie war eine Einkreisungsschlacht gegen eine russische Armee (diejenige Samsonows) bei gleichzeitiger Rückenbedrohung durch eine zweite russische Armee, nämlich diejenige Rennenkampfs. Erich Ludendorff schreibt in seinen Kriegserinnerungen (1, S. 45):
Ich konnte mich des gewaltigen Sieges nicht aus vollem Herzen freuen; die Nervenbelastung durch Rennenkampfs Armee war zu schwer gewesen. Wir waren aber stolz auf die Schlacht. Durchbruch und Umfassung, kühner Siegeswille und einsichtige Beschränkung hatten diesen Sieg zuwege gebracht. Trotz unserer Unterlegenheit im Osten war es gelungen, auf dem Schlachtfelde den feindlichen annähernd gleichstarke Kräfte zu vereinigen. Ich dachte an General Graf v. Schlieffen und dankte diesem Lehrmeister. (...) Es blieb keinen Augenblick Zeit, mich zu entspannen.
Die durch die Schlacht in Unordnung geratenenen militärischen Einheiten mussten neu aufgestellt und für die nächste Schlacht, nämlich die an den Masurischen Seen, bereit gestellt werden.
Ab 4. September 1914 - Die Schlacht an den Masurischen Seen
Abb. 2: Das AOK der 8. Armee in Ostpreußen im September 1914 (Wiki) |
Über die Schlacht an den Masurischen Seen sagt Erich Ludendorff (1, S. 48ff):
Der Vormarsch gegen die Armee Rennenkampf begann am 4. September. (...) Die Leistungen der 8. Armee waren hervorragend. Der ganze Vormarsch, der in vier Tagen weit über 100 km gewann, war ein glänzender Siegeszug dieser durch lange Kämpfe und Anstrengungen aller Art hart mitgenommenen Truppen.
Abb. 3: Der Stab der 8. Armee beobachtet den Vorgang der deutschen Truppen in der Schlacht an den Masurischen Seen, September 1914 |
Diese Fotografie wird von Manfred Nebelin (2, S. 123) der Schlacht bei Tannenberg zugewiesen, scheint aber doch erst in der Schlacht an den Masurischen Seen entstanden zu sein.
Abb. 4: Stab der 8. Armee während einer Schlacht in Ostpreußen, Spätsommer 1914 (Wiki) |
Von dem mit abgebildeten Verbindungsoffizier der österreichisch-ungarischen Armee, Fleischmann, sagt Ludendorff in seinen Kriegserinnerungen, dieser habe auch Klatsch an den damaligen Chef der österreichisch-ungarischen Armee weiter gemeldet, was nicht immer hilfreich gewesen sei.
Abb. 5: Der Stab der 8. Armee, Ostpreußen, Spätsommer 1914 (Wiki) |
Max Hofmann am Scherenfernrohr.
Abb. 6: Paul von Hindenburg am Scherenfernrohr, im Hintergrund Ludendorff - Ostpreußen, Spätsommer 1914 |
14. September - In Insterburg
Abb. 7: Insterburg - Hotel Dessauer Hof |
Wir hatten eine Reihe neuer Quartiere. In Nordenburg kamen wir das erste mal in einen Ort, der längere Zeit im Besitz der Russen gewesen war. Die Verschmutzung war dort unglaublich. Der Markt lag voll von Unrat. Die Stuben waren widerlich verunreinigt. In Insterburg wohnten wir im Dessauer Hof, in dem gleichen Quartier, das Rennenkampf vorher verlassen hatte. Auch der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch soll erst sehr spät aus der Stadt abgefahren sein. (...) Die russische Armee hatte auf Ostpreußen schwer gelastet. Jetzt war es das stolze Gefühl, deutsches Land vom Feinde befreit zu haben. Der Jubel und die Dankbarkeit der Bevölkerung waren groß. Das Land ist nicht errettet worden, damit es unter fremdes Joch kommt. Vor solcher Schmach bewahre uns der Himmel.Diese Worte Ludendorffs sind in den ersten Monaten des Jahres 1919 geschrieben, die Volksabstimmungen über den Verbleib Masurens und Westpreußens beim Deutschen Reich fanden erst 1920 statt. Vielleicht entstand das folgende Bild, dessen Ort und Datierung zunächst nicht bekannt sind, am 14. September in Insterburg.
Abb. 8: Der Stab OberOst im Familienkreis - vielleicht noch 1914 oder Sommer 1915? in Posen oder Ostpreußen? |
In Insterburg waren wir am 14. September im Vollgefühl des Sieges und großer Leistungen. Um so überraschender traf mich meine Versetzung als Chef der unter dem General v. Schubert in Breslau zu bildenden Südarmee.Die österreichisch-ungarische Armee war in Galizien so schwach, dass sie durch deutsche Hilfe gestützt werden musste. Ludendorff wurde nach Breslau gerufen, um dort die Leitung der 9. Armee zu übernehmen, die in Südpolen an der Seite der k.u.k.-Armee gegen die Russen vorgehen sollte. Ludendorff schreibt (1, S. 55, 57):
In dem Befehl, den ich am 14. abends in Insterburg bekam, war ausgeführt, dass zwei Armeekorps der 8. Armee die Südarmee in Oberschlesien zu bilden hätten. Das sah nur nach Abwehr und wie eine Schutzmaßnahme aus. Es genügte jedenfalls nicht, um die Lage in Galizien auch nur einigermaßen wiederherzustellen. Ich schlug (...) deshalb der Obersten Heeresleitung und auch noch General v. Moltke persönlich sofort vor, die Masse der 8. Armee (...) nach Oberschlesien und Posen zu senden. (...) Am 16. September früh traf ich in Breslau ein.
Ab 16. September 1914 - In Breslau
In Breslau wurde also das Armeeoberkommando 9 unter Hindenburg und Ludendorff zusammengestellt. Ludendorff bat seine Frau, nach Breslau zu kommen. Diese erlebte dadurch die dortigen Vorgänge der Einrichtung eines neuen Hauptquartiers und die Reaktion der deutschen Bevölkerung mit. Sie berichtet (3, S. 110 - 113):Das Haupt-Quartier wurde später von Ostpreußen nach Schlesien herunter gezogen. (...) Als Hindenburg mit dem ganzen Stabe seiner Offiziere ankam, war das HotelMetropole(wohl gemeint: Hotel Monopol) im Nu von einer hastig durcheinanderstürzenden Menge erfüllt. Offiziere, Ordonnanzen, Burschen: alle waren in größter Eile und in größtem Eifer. Dazwischen arbeiteten viele Postbeamte. Innerhalb von drei Stunden mussten dreißig verschiedene Telephon-Zentralen eingerichtet werden.
Draußen auf der Straße stand dicht gedrängt die Bevölkerung und tobte vor Begeisterung. Die Nationalhymne wurde gesungen und "Deutschland, Deutschland über alles". Immer wieder wurden Hindenburg und Ludendorff gerufen. Sie konnten sich nicht oft genug zeigen und wurden mit Blumen überschüttet. (...)
Gleich nach dem gemeinsamen Abendessen gingen die Herren wieder an die Arbeit, die sie bis Mitternacht festhielt. Ich sprach mit Ludendorff überhaupt nur bei diesen kurzen Mahlzeiten oder wenn er müde und abgespannt ins Zimmer trat, um sich zum Schlafen niederzulegen. Er hat während des Krieges nie Urlaub genommen. Wenn wir uns trafen, war es immer nur für Tage und Stunden.
Es handelt sich offenbar um das berühmte, auch kulturgeschichtlich bedeutsame Hotel Monopol in Breslau, das heute noch existiert (Wiki).
In verschiedenen pädagogischen und anderen Zeitschriften und Schriften der Jahres 1914 und 1915 (z.B. "Abstrakte Begriffe im Denken und Sprechen des Kindes" [1914]; "Jugendliches Seelenleben im Krieg - Materialien und Berichte" [1915]; "Das Interesse der Schulkinder an den Unterrichtsfächern" [1915]) ist der folgende Bericht enthalten:
Abb. 9: Das Hotel Monopol in Breslau (1925) |
Von Hindenburgs Aufenthalt in Breslau schreibt ein Mädchen: "Noch will ich Dir erwähnen, dal's dieser Tage Generaloberst von Hindenburg in Breslau im Monopolhotel gewesen ist. Als er im Auto vom Bahnhof nach dem Hotel fuhr, wurde er jubelnd begrüßt. Vor diesem hatte sich eine große Menschenmenge gesammelt, welche Hochrufe auf die Heldentaten dieses berühmten Mannes ausbrachte. Meine Schwester sagte, dass er sich einigemale am Fenster blicken ließ, um den Leuten zu danken. Du kannst Dir ja denken, dass ich es sehr bedauert habe, ihn nicht gesehen zu haben. Von den Taten dieses großen Mannes ... "Um die Pläne des weiteren Vorgehens gegen die Russen mit General von Falkenhayn zu besprechen, fuhr Ludendorff Ende Oktober 1914 nach Berlin (1, S. 73ff):
Es war ein neuer großer Entschluss zu fassen. Er konnte, wie mir immer klarer wurde, nur darin bestehen, starke Teile der Armee mit der Eisenbahn in die Gegend von Hohensalza und Thorn zu fahren und von dort längs der Weichsel in Richtung Lodz-Lowitsch gegen die Flanke des russischen Vormarsches vorzugehen, um ihn zum Stehen zu bringen. (...) Noch Ende Oktober hatte mich General v. Falkenhayn nach Berlin gerufen. (...) Es war noch alles in der Schwebe. (...) In Berlin kam ich mir vor wie in einer anderen Welt. Der Unterschied zwischen der ungeheuren Anspannung, die ich seit Kriegsbeginn durchlebt hatte, und dem Treiben in Berlin war zu gewaltig. Es herrschte Vergnügungs- und Genußsucht. Der Ernst gegenüber der schwierigen Kriegslage fehlte. Ich gewann einen unangenehmen Eindruck und fühlte mich fremd. Als ich wieder nach Tschenstochau zurückkam und mich im Kameradenkreise befand, war ich zufrieden. (...) Am 1. November hatte Seine Majestät den Generaloberst v. Hindenburg zum Oberbefehlshaber Ost unter gleichzeitiger Enthebung von der Stellung als Oberbefehlshaber der 9. Armee ernannt. (...) Ich blieb Chef bei Generaloberst v. Hindenburg. Die Mehrzahl meiner Mitarbeiter trat zum neuen Stabe. (...) Das Hauptquartier des Oberbefehlshabers Ost wurde nach Posen verlegt. Wir nahmen Quartier im Königlichen Schloß und sind dort bis Anfang Februar 1915 geblieben. Es war eine ungemein aufreibende und arbeitsreiche Zeit. Hier bildete sich das Leben heraus, das ich bis zu meiner Verabschiedung geführt habe.
Abb. 10: Kaiserschloss in Posen (zeitgenössische Postkarte) |
Über das Ende des Jahres 1914 schreibtErich Ludendorff (1, S. 87):
Die deutschen Truppen sollten mit Schwerpunkt in Südpolen Richtung Warschau vorgehen. Ludendorff schreibt (1, S. 77):Im Schloß zu Posen entwickelte sich beim Stab ein harmonisches Leben, wir waren zusammengeschweißt durch gemeinsam getragene Sorgen, wie durch gemeinsam erworbenen Ruhm. Es bildete sich die Gewohnheit heraus, dass wir nach dem Abendessen noch eine Zeitlang zusammenblieben. Wir saßen dann um einen runden Tisch, auf dem eine Fächerpalme stand, ein Geschenk Ihrer Majestät, unserer Kaiserin, einer wahrhaft deutschen Frau, deren ich stes in tiefster Verehrung gedenke. Für mich war die kurze Stunde eine Zeit der Ruhe in der fast erdrückenden Arbeit dieser vier Kriegsmonate.
Je mehr ich mich in die uns bevorstehende neue Aufgabe hineindachte, je schärfer sich die Lage und die ungeheure Gefahr abzeichneten, desto klarer wurde mir der Entschluss, die in Tschenstochau beschlossene Operation falls möglich zu einem großen Vernichtungsschlage auszugestalten; der allein konnte uns endgültig retten. Es genügte nicht, den Feind nur zum Stehen zu bringen.
10. November 1914 - Beginn der Operation auf Warschau
Die Verstärkungen aus dem Westen - aus Flandern - kamen von dort aber sehr abgekämpft, so dass ein Vernichtungsschlag gegen die Russen zu diesem Zeitpunkt unwahrscheinlicher wurde (1, S. 80f):Die Mittel, die uns zu Beginn der Operation am 10. November zur Verfügung standen, waren unvollkommen. Trotzdem musste versucht werden, die russischen Kräfte im Weichselbogen nicht nur durch einen entscheidenden Schlag zum endgültigen Stehenbleiben und zum Verzicht auf die Fortsetzung des Vormarsches zu bringen, sondern sie vernichtend zu treffen. Dies gelang, wenn wir sie von Warschau abdrängten. Waren wir hierzu zu schwach, so mussten wir uns mit dem geringeren Ergebnis begnügen. Auch dies war ein gewaltiges.So kam es dann auch. Die deutschen Truppen kamen bis vor Warschau, mussten dann aber Ende November wieder zurück genommen werden (1, S. 84):
Das große operative Ziel, die Vernichtung der russischen Armee im Weichselbogen, war nicht erreicht. Wir hatten nicht die nötige Kraft dazu gehabt.In den Tagen, in denen sich dies herausstellte, werden die folgenden Fotografien von Ludendorff und seinem Stab vor dem Kaiserschloß in Posen (Wiki) entstanden sein.
Abb. 11: "Generaloberst von Hindenburg mit seinem Stab" (Berliner Illustrierte Zeitung, 29. November 1914) |
Auf dem ersten, zumeist wiedergegebenen blickt Ludendorff sehr ernst.
Die Personen von links nach rechts: Rittmeister de la Croix, Major von Baehr, Hauptmann Moritz Fleischmann von Theissruck (östereichischer Verbindungsoffizier), Leutnant von Bismarck, Hauptmann Caemmerer, Ludendorff, Oberleutnant d. R. Markau, Hindenburg, Hauptmann Frantz, Max Hoffmann, Oberleutnant Steinide, Hauptmann von Walbow, Hauptmann von Bollrad-Bodelberg. Nur als der Fotograf einen anderen Blickwinkel wählt und den Stab
offenbar durch heitere Bemerkungen zum Lächeln auffordert, löst sich
unter den Beteiligten etwas die Stimmung.
Abb. 12: Ludendorffs Stab in Posen, Ende November 1914 (Wiki)(Bundesarchiv, Bild 146-1993-132-12A / CC-BY-SA 3.0) |
Abb. 13: "Generalfeldmarschall von Hindenburg mit seinem Stabe" in Posen Ende November 1914 |
In der Zeitung vom 29. November 1914 wird Hindenburg noch
"Generaloberst" genannt. Er war aber zwei Tage zuvor zum
Generalfeldmarschall befördert worden, Ludendorff war gleichzeitig vom
Generalmajor zum Generalleutnant befördert worden. (Dies blieb
Ludendorffs Rang, bis er am 30. August 1916 zum "Ersten
Generalquartiermeister" ernannt worden und dann als solcher
tituliert worden ist.)
Der Stab steht auf der Treppe des früheren Haupteingangs des Schlosses im Innenhof, eine Treppe, an deren unterster Stufe heute eine Mauer grenzt (s. Wiki, a, b). Übrigens ist Ludendorff hier noch auffallend schlank.
Abb. 14: Der Stab der 8. Armee im Schloß zu Posen, Ende November 1914 |
27. November 1914 - Beförderung Ludendorffs vom Generalmajor zum Generalleutnant
Am 6. Dezember wurde Lodsch (Lodz) erobert (1, S. 85).
Abb. 15: "General v. Ludendorff - Generalstabschef in Hindenburgs Armee - Der Sieger von Lodz" (November/Dezember 1914) |
Ludendorff schreibt über die Ostfront in der Zeit zum Jahresende 1914 (1, S. 87):
Ein gewaltiger Kampf war zu Ende. Neues war im Werden! Deutschland und Österreich-Ungarn waren von der Russengefahr geretttet. Alle Pläne des Großfürsten waren gescheitert. Sein Angriff auf die Ostgrenze Preußens, der Vormarsch auf dem westlichen Weichselufer und damit alle Hoffnungen der Entente auf eine siegreiche Beendigung des Krieges im Jahre 1914 waren zusammengebrochen. (...) Auch der zweite Teil des Feldzuges in Polen war eine Tat. Die Kriegsgeschichte kennt nur wenig Ähnliches. Unsere Truppen, die seit Anfang August dauernd im Kampf oder in Bewegung waren, hatten sich über alles Lob erhaben gezeigt. Sie hatten auh jetzt wieder eine beinahe doppelte Überlegenheit besiegt. Nur mit solchen Führern und Soldaten war es uns möglich gewesen, kühne Absichten auch gegen Übermacht in die Tat umzusetzen. Ehre und ewiges Gedenken der deutschen Armee des Jahres 1914!
Auf Wikipedia heißt es aber auch schon mit Blick auf das Jahr 1915 (Wiki: Ostfront):
Während und nach dieser Operation (in Polen Richtung Warschau) entwickelte sich die erste einer Reihe von schweren Auseinandersetzungen zwischen Oberost und der neuen OHL um Erich von Falkenhayn. Hindenburg, Ludendorff und deren wichtigster Mitarbeiter Max Hoffmann warfen Falkenhayn vor, durch die Verweigerung weiterer Truppenzuführungen und die Fortsetzung der deutschen Angriffe im Westen (→ Erste Flandernschlacht) eine kriegsentscheidende Niederlage Russlands verhindert zu haben. Falkenhayn bewertete die Situation dagegen weitaus zurückhaltender und hielt allenfalls ein Zurückdrängen der russischen Truppen auf Warschau für möglich.
Diese Auseinandersetzungen zwischen Ludendorff und Falkenhayn sollten auch das Jahr 1915 bestimmen.
Anhang
Glückwünsche zur Beförderung am 27. November 1914
Abb. 16: Dankeskarte Ludendorffs an Louis von Müldner, 11. Dezember 1914 |
[Ergänzung 10.9.2018] Auf Ebay wird im September 2018 eine Feldpostkarte Erich Ludendorffs vom 11. Dezember 1914 angeboten, gerichtet an einen "Hauptmann v. Müldner, Baden Baden, Hotel Regina". Sie hat den handgeschriebenen Wortlaut:
Lieber Müldner!
Herzlichen Dank für den Glückwunsch u. Gruß
Ludendorff.
Der Familienname könnte grundsätzlich auch "Mildner" lauten. Ihn als Müldner zu lesen, wäre aber dahingehend verlockend, weil es sich dann um Louis Müldner von Mülnheim (1876-1945) (Wiki, Wyneken) handeln könnte, der hinwiederum Ludendorff als seinen Lehrer an der Kriegsakademie in Berlin kennengelernt haben könnte. Über diesen Müldner heißt es nämlich auf Wikipedia, er:
absolvierte von 1904 bis 1907 die Kriegsakademie in Berlin.
Das ist die gleiche Zeit, in der Erich Ludendorff - von 1906 bis 1908 - Lehrer an ebendieser Kriegsakademie gewesen ist. Auf Wikipedia heißt es darüber (Wiki):
Ein wesentlicher Teil der obersten Militärs der späteren Weimarer Republik - darunter der spätere Reichskanzler, der während der Röhm-Morde erschossene Kurt von Schleicher - waren Schüler Ludendorffs.
Abb. 17: Dankeskarte Ludendorffs an Louis von Müldner - Adress-Seite |
Als ein solcher Schüler könnte Müldner seinem vormaligen Lehrer Ludendorff zu der oben erwähnten Beförderung zum Generalleutnant am 27. November 1914 gratuliert haben. Zu der Adresse Baden-Baden könnte passen, was über Müldner auf Wikipedia festgehalten ist:
Bereits am 8. September 1914 erlitt er eine schwere Kopfverletzung, so daß er mehrere Monate in einem Lazarett verbringen mußte. Nach seiner Genesung kam er ab 1915 als Kompanieführer im Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 261 wieder zum Fronteinsatz. Aufgrund des erneuten Aufbruchs seiner Kopfverletzung wurde er im Herbst 1915 in den Generalstab versetzt.
Dieses Lazarett des Jahres 1914 konnte natürlich gut und gerne im Hotel Regina in Baden-Baden gelegen haben. 1916 wurde Müldner zum persönlichen Adjutanten des Kronprinzen Wilhelm ernannt, eine Aufgabe, der er bis zu seinem Selbstmord im April 1945 in Potsdam nachgekommen ist. Da der Kronprinz zeitlebens ein gutes Verhältnis zu Ludendorff behielt, könnte auch Müldner in späteren Jahren noch häufiger mit Erich Ludendorff in Berührung gekommen sein, obwohl darüber dem Autor dieser Zeilen zunächst nichts bekannt ist. 1917 wurde Müldner im übrigen zum Major befördert, weshalb er 1914 - zumal als Kompanieführer - gut Hauptmann gewesen sein konnte.
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- Ludendorff, Erich: Meine Kriegserinnerungen 1914 - 1918. Verlag Mittler & Sohn, Berlin 1919
- Nebelin, Manfred: Ludendorff - Diktator im Ersten Weltkrieg. Siedler-Verlag, Berlin 2010
- Ludendorff, Margarethe: Als ich Ludendorff's Frau war. Hrsg. von Walther Ziersch. Drei Masken Verlag A.-G., München 1929 (Google Bücher)
- Pyta, Wolfram: Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler. Siedler-Verlag, München 2007
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