"Naturwissenschaftsnahes Philosophieren und Hintergrundpolitik-Kritik seit 1900 / Ludendorff-Bewegung"
Ein erster Beitrag zu den Anliegen dieses Blogs ist schon im Jahr 2010 erschienen (Stgr2010). Im folgenden sollen weitere Ausführungen dazu gegeben werden, insbesondere aus dem Blickwinkel des Jahres 2017 heraus, in dem eine sogenannte "alternative Öffentlichkeit" eine so viel größere Bedeutung erlangt hatte als sie diese zuvor besaß:
1.
Erich Ludendorff war einer der frühesten Hintergrundpolitikkritiker der Geschichte. Er ist bis heute der namhafteste, prominenteste und einflußreichste aller Hintergrundpolitikkritiker geblieben. Dies ist einer der Gründe dafür, daß es eine Perspektive gibt, aus der heraus gesagt werden könnte, daß Erich Ludendorff einer der geistig fortschrittlichsten Menschen seiner Zeit war, ja, daß ein Paul von Hindenburg und ein Adolf Hitler in Deutschland nur an die Macht gebracht worden sind, sowie daß andere, verquastetere, unklarere revolutionär-konservative Autoren nur deshalb bis heute in aufgeweckteren Kreisen gefördert worden sind und werden, um von seiner Person und von den Inhalten abzulenken, für die er stand.
Wissenschaftliche Veröffentlichungen zu fördern, die auf solche Umstände hinweisen, sollte eigentlich die Aufgabe des testamentarisch von Mathilde Ludendorff vorgesehenen Ludendorff-Archivs in Tutzing sein. Dieser Aufgabe kommt dieses Archiv seit seiner Gründung im Jahr 1967 nicht nach, womit es sich in Widerspruch zum Testament Mathilde Ludendorffs setzt. Dieser Blog versucht im Rahmen seiner Möglichkeiten, dieses Desiderat auszufüllen.
Ohne Zweifel besteht heute in der alternativen Öffentlichkeit ein kritisches Bewußtsein, das in seiner geistigen Tradition bei Erich und Mathilde Ludendorff begann, und von dem diese schon einen großen Teil vorweg genommen haben. Nur aus der Perspektive der alternativen Öffentlichkeit wird man einen angemessenen Blickwinkel auf das Leben und Werk von Erich und Mathilde Ludendorff gewinnen können.
2.
Einer der wesentlichsten Aspekte der Fortschrittlichkeit beider Denker besteht in ihrer Naturwissenschafts-Nähe, besteht darin, von der Darwinschen Evolutionstheorie und der modernen Physik auszugehen. Das findet sich ebenfalls sonst bei keinem revolutionär-konservativen Autor, ja, in der Breite, in der es hier vorliegt, stellt es sogar noch in der heutigen Universitäts-Philosophie ein Desiderat dar. (Ludendorffs Bruder Hans z. B. war Astronom und arbeitete zwei Jahrzehnte lang kollegial mit Albert Einstein zusammen. Er war deshalb auch niemals ein Anhänger der pseudowissenschaftlichen “Deutschen Physik”.)
Noch heute gibt es fortlaufend Neuerkenntnisse in der Naturwissenschaft, die nahtlos zu der philosophischen Weltdeutung Mathilde Ludendorffs zu passen scheinen, wodurch eine gegenseitige Ergänzung und Befruchtung möglich wird. Es seien nur stichwortartig genannt das Anthropische Prinzip oder Erkenntnisse, die auf den Punkt gebracht werden in Buchtiteln und -untertiteln wie “Naturgesetze steuern den Zufall” (M. Eigen), “Inevitable Humans in a Lonley Universe” (Conway Morris), “Gotteswahn” (R. Dawkins), “Deutschland schafft sich ab” (T. Sarrazin; genetische Begabungs- und Neigungsunterschiede zwischen Völkern), “Der Abbau des Menschlichen” (K. Lorenz), “Zorn und Zeit” (P. Sloterdijk), “Prinzip Verantwortung” (Hans Jonas) und viele andere mehr.
Die Konfrontation der Geisteswelt Erich und Mathilde Ludendorffs mit dem heutigen Wissensstand sehen wir als eine fruchtbare geistige Herausforderung an. Von dem Autor Hermin Leupold ist sie in umfassender Weise auf dem heutigen Wissensenstand geleistet worden (1).
Schon wer sich zum Beispiel einmal intensiver mit Biologie und Soziobiologie auseinandergesetzt hat, wird bei dem Studium des Werkes von Mathilde Ludendorff "Der Minne Genesung" (ursprünglich "Erotische Wiedergeburt", 1919) überrascht sein, wie fortschrittlich - noch für unsere Zeit - viele Gedanken darin sind. Bzw. wie konsequent darin evolutionäres Denken, insbesondere auf dem Gebiet der Sexualpsychologie, stattfindet. Man ist überrascht, in Mathilde Ludendorff so etwas wie eine frühe Soziobiologin bzw. Evolutionäre Psychologin zu entdecken. Und das gilt, wie bei weiterer Umschau in ihren psychologisch-philosophischen Büchern zeigt, nicht nur für dieses Buch, sondern zieht sich durch ihr ganzes Werk.
Umgekehrt stellt sich bei einer Lektüre der Trilogie von Kevin MacDonald über die gruppenevolutionären Strategien von Judentum und Antisemitismus (1994, 1998) sehr bald heraus, daß zwischen seiner evolutionspsychologischen Deutung dieser Phänomene und derjenigen Mathilde Ludendorffs eine große Zahl von Übereinstimmungen bestehen.
Solche Erfahrungen wecken Interesse an der Biographie von Mathilde Ludendorff - und damit auch an derjenigen von Erich Ludendorff.
3.
Für die am fortschrittlichsten denkenden Menschen von heute ist alternativlos der Evolutionäre Humanismus das Weltbild der Zukunft. Evolutionärer Humanismus schließt alle Weltbilder aus, die nicht mit dem modernen naturwissenschaftlichen Kenntnisstand zu vereinbaren sind. Er schließt deshalb zwangsläufig nicht nur Religions- und Ideologiekritik mit ein, sondern spätestens seit K.-H. Deschner und Colin Goldener, Robert Trivers, Richard Dawkins, Noam Chomsky, Kevin MacDonald, James Watson auch Hintergrundpolitik- und Lobbymächte-Kritik.
Viele zeitgeschichtliche Erscheinungen des Zwanzigsten Jahrhunderts, nicht zuletzt dann auch jene, die in der Kirchenaustrittsbewegung des Dritten Reiches zwischen 1935 und 1939 kulminieren, werden nicht vollgültig verständlich, wenn man nicht das Wirken und den Einfluß der Ludendorff-Bewegung für diese Zeit mit berücksichtigt. Das Anliegen der Studiengruppe ist es, hier zahlreiche Forschungslücken zu füllen, um zu einem besseren Verständnis, bzw. zu einer vollständigeren Kenntnis der deutschen Geschichte überhaupt beizutragen.
4.
Was die Biographien Erich und Mathilde Ludendorffs betrifft, muß zwangsläufig immer wieder ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus und zum Dritten Reich behandelt werden. Der Historiker Manfred Nebelin schreibt in einer Rezension zu einer diesbezüglichen Neuerscheinung (FAZ2014):
"Leider bleibt es hier wieder bei spärlichen Hinweisen, etwa zur Rolle von Ludendorffs zweiter Ehefrau, der Nervenärztin und Religionsphilosophin Mathilde von Kemnitz ('die wirre Mathilde'). So lassen sich die ungeklärten Fragen nach dem Verhältnis Ludendorffs zu Hitler, der NS-Ideologie und dem 'Dritten Reich' nicht zufriedenstellend beantworten."
Zu diesen und zahlreichen anderen ungeklärten Fragen will die Studiengruppe im Rahmen ihrer Möglichkeiten Beiträge leisten. Eine der wichtigsten Antworten auf die soeben gestellten Fragen findet sich schon seit Jahrzehnten - und von der Wissenschaft fast gänzlich unbeachtet - in der Biographie über den Hitler-Gegner Ludwig Beck (Autor: Klaus-Jürgen Müller)(Stgr2012). An die Forschungsergebnisse dieser Biographie sollte künftig verstärkt angeknüpft werden in weiteren Forschungen und historischen Einordnungen.
Nachbemerkung: Dieser Blog hat seit seiner Gründung, also zwischen 2010 und 2017, mit dem Bemühen um Vollständigkeit alles zusammen getragen, was rund um seine Thematik - vor allem über das Internet (aber auch sonst) - bekannt geworden ist. Auf dieser Linie sollte weiter gearbeitet werden. Das wird aber vom Bloginhaber selbst mit dem bisherigen Anspruch an Vollständigkeit nicht mehr geleistet werden können. Aber es sollte doch noch andere Menschen geben, die in ähnlicher Weise eine solche Aufgabe für sich sehen. So schrieben wir am 18.12.2017, seither hat sich niemand gemeldet, aber der Aufruf ist weiter aktuell - auch noch im Mai 2023.
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- Leupold, Hermin (posthum): Philosophische Erkenntnis in ihrer Beziehung zur Naturwissenschaft. Aufsätze zur geschichtlichen Entwicklung der Erkenntnistheorie, zur Evolution des Weltalls und des Bewußtseins. Die Deutsche Volkshochschule, 23845 Bühnsdorf, 2001