(Teil 1 siehe --> hier.)
Zusammenfassung: Es gibt eine gewisse geistige und personelle Traditionslinie vom (humanistischen) Kritischen Rationalismus von Karl Raimund Popper über den "Popper Deutschlands", den Humanisten und das GBS-Mitglied Hans Albert, zu dessen Lehrstuhl-Vorgänger Eduard Baumgarten (1898-1982) (Wiki) und zu dessen Freund Konrad Lorenz (alle vier waren miteinander befreundet und haben sich besucht) und damit zu dem dem gemeinsamen Versuch von Baumgarten und Lorenz um 1940 herum, auf der Linie von Alfred Rosenberg und Alfred Baeumler eine philosophische Grundlegung des Nationalsozialismus zu formulieren, die Elemente des ("gottgläubigen"?) philosophischen Deutschen Idealismus mit dem amerikanischen Pragmatismus und mit der Konrad Lorenz'schen Evolutionären Erkenntnistheorie zu verbinden suchte. Wer die Geschichte des naturalistischen Denkens in Deutschland während des 20. Jahrhunderts schreiben will und damit eines Evolutionären Humanismus, darf über diese heute wenig bekannten Bestrebungen nicht hinweggehen. Sie gehören zu einem vollständigen Bild dazu. Ob diese Ereignisse Lehren für die Gegenwart enthalten und wenn ja welche, bleibe an dieser Stelle zunächst unerörtert. Es geht hier nur um die Aufklärung wenig bekannter Sachverhalte.
Abb. 1: Eduard Baumgarten, 1960er Jahre |
Bevor nun auf die wissenschaftliche und politische Biographie Eduard Baumgartens näher eingegangen wird, müssen einige Angaben zur Biographie von Alfred Baeumler zusammengetragen werden (15, 16). Denn anhand dieser Biographie lernt man einige der wesentlichsten geistigen und institutionellen Rahmenbedingungen kennen, innerhalb deren sich das philosophischen Denken Baumgartens während der 1940er Jahre vollzog.
Alfred Baeumler, der Förderer Baumgartens während des Dritten Reiches
Er gilt als der führende deutsche Philosoph während des Nationalsozialismus: Alfred Baeumler (1887-1968) (Wiki). Vormals unter anderem ein intensiver Gesprächspartner Thomas Manns hat Baeumler nach 1945 sich selbst und anderen verschiedene Erläuterungen gegeben, wie er zu dieser Stellung kam. Etwa in dem Brief, den Baeumler am 15. Juli 1954 nach mehreren Jahren Internierung in amerikanischen Lagern an einen Bekannten, an Jonas Lesser schrieb (15, S. 53):
Noch unter dem Druck der Wahl vom 5. März 1933 stehend, trat ich zum letzten Termin ... in die Partei ein. Ich entschloß mich zu diesem Schritt aus einem einzigen, klar bewußten Grund: Ich wollte nicht wieder daneben stehen. Jahrelang hatte ich nichts als kritisieren können, jetzt, so bildete ich mir ein, müßte ich Verantwortung übernehmen. Wäre ich etwas weltkundiger gewesen, dann hätte ich mich mit den neuen Machthabern "gut gestellt" und hätte in vorsichtiger Zurückhaltung weitergelebt, wie es so viele getan haben, die heute auf mich herabblicken.
Schon am 24. März 1950 hatte er ähnlich geschrieben als ein "damals und heute" dem Leben ganz und gar "hilflos" gegenüber stehender "Philosoph" an einen Freund (Manfred Schröter) (15, S. 53):
Dem dunklen Schicksal, das uns alle fortriß, stand ich so ratlos gegenüber wie jeder andere - damals und heute. Ich verhielt mich der Situation entsprechend - das ist alles ... Die Situation entscheidet. Meine Situation zwischen 1920 und 1930 war nach allen Seiten offen. Weltfern und ahnungslos, ungebunden und suchend, lebte ich nur zufällig meinen Erfahrungen und subjektiven Meinungen. Bei meiner zweiten Ehe (1925) griff ich in furchtbarer Weise fehl - kein Wunder, daß ich schließlich auch Räuber zu Politikern idealisierte. ...
Und schon 1948 schilderte er detaillierter, wie er selbst zum Nationalsozialismus gekommen war und wie er darin wirkte.
Aufgabe: "Die philosophische Grundlegung der nationalsozialistischen Bewegung"
Alfred Rosenberg war 1928 auf einige seiner Veröffentlichungen aufmerksam geworden und hatte Baeumler angeschrieben. Baeumler antwortete Rosenberg aber nicht. Im März 1931 kam es über die Verlegergattin Elsa Bruckmann in München zu einer persönlichen Begegnung in der gleichen Zeit, in der Baeumler auch Adolf Hitler persönlich kennen lernte. In dem folgenden Text ist schon Eduard Baumgarten erwähnt, womit deutlich wird, dass Baumgartens Tätigkeit von Baeumler nicht gering geschätzt wurde (16; Hervorhebungen nicht im Original):
Mein Verhältnis zu Rosenberg hat niemals den Charakter einer Freundschaft gehabt. Ich habe mich immer gern mit dem kühlen und geistreichen Balten unterhalten; dass ich der Ältere und wissenschaftlich Erfahrenere war, blieb jedoch in unserem gegenseitigen Verhältnis immer spürbar. Verhängnisvoll war es, dass ich nicht wissen konnte, welche Ausnahme der Balte Rosenberg selber in der NSDAP bildete. So blieb mir vieles in der Partei verschlossen, weil ich alles nach Rosenberg beurteilte, der sehr viel in der Partei galt, ohne Macht zu haben, sehr kritisch war und immer auf Zeiten hoffte, in denen sich gewisse Verhältnisse bessern würden. Entscheidend war, dass er Verständnis hatte für die Art und Weise, wie ich die Entwicklung der Bewegung sah. Ich hielt die nähere Bestimmung des geistigen Gehaltes des Nationalsozialismus für eine Aufgabe der besten Geister der Nation. Auf die Versuche, das Parteiprogramm kanonisch zu machen, konnte ich nur mit Lächeln blicken. Es handelte sich nach meiner Überzeugung um eine Aufgabe von Jahrzehnten, an der nicht nur Wissenschaftler und Philosophen, sondern auch Dichter mitzuwirken hätten. (...)
Im Herbst 1934 ließ mich Alfred Rosenberg durch seinen Stabsleiter auffordern, als Referent für Wissenschaft in das Amt des 'Beauftragten des Führers' einzutreten. (...) Meine Tätigkeit als Referent für Wissenschaft fasste ich so auf, dass es meine Aufgabe sei, Übergriffe beschränkter oder fanatischer Parteistellen auf das Gebiet der Wissenschaft zu verhindern, Forschungspläne, die irgendwo in der Partei auftauchten, zu prüfen und vor allem, neue Forschungen anzuregen. Was ich an Torheiten verhindert, an Angriffen abgewehrt habe, kann ich aus dem Gedächtnis nicht alles schildern. Proben für diese Tätigkeit enthalten die Zeugnisse von Bruno Liebrucks, Elisabeth Klein, Eduard Baumgarten. (...)
Im Jahre 1937 wurde mein Referat zusammen mit allen anderen selbständigen Referaten in ein 'Amt' umgewandelt. Ich habe hierin keine Änderung gesehen. Das Amt bestand aus einigen jungen Leuten, die in meinem Auftrag Zeitschriften des In- und Auslandes lasen und exzerpierten, Verzeichnisse über den wissenschaftlichen Nachwuchs in den verschiedenen Fächern anlegten, Tagungen junger Forscher vorbereiteten usw. (...).
Die erste Lebensäußerung meines Amtes war eine Tagung junger Philosophie-Dozenten an den deutschen Universitäten in Buderose, bei welcher der Kreis der Eingeladenen sehr weit gezogen war und freie Diskussion zu lebhafter Aussprache führte. (...)"
Der Prozess ist mindestens ein Jahr zu früh durchgeführt worden. Inzwischen haben wir sehr viel mehr Dokumente gefunden. Heute würden wir Rosenberg nicht mehr zum Tode verurteilen.
"Die Bestimmung des geistigen Gehaltes des Nationalsozialismus"
Abb. 2: A. Baeumler |
Alfred Rosenberg nannte Baeumler am 25. November 1933 in einem Schreiben einen "unserer weltanschaulich sichersten Lehrer". "Seine Lebensaufgabe ist die philosophische Grundlegung der nationalsozialistischen Bewegung", so Rosenberg bei anderer Gelegenheit. (15, S. 41) Und Baeumler schrieb an Rosenberg (15, S. 43):
Nach meiner festen Überzeugung ist es die Aufgabe unserer Wissenschaftspolitik, die hervorragendsten Kräfte der Forschung um Ihre Person zu versammeln.
Alle Richtungen der Psychologie, so verschiedenartig sie auch sind, müssen zugelassen werden, wofern sie ehrlich nach Wahrheit streben. Auf diesem Wege und nicht durch Einengung oder Diktat wird auch unserer nationalsozialistischen Bewegung am besten gedient, die eine Bewegung zur Wahrheit ist.
Psychologie: "Nicht Einengung oder Diktat"
Nun zurück zu Baumgarten. Am 21. April 1933 hatte Baumgarten einen Lehrauftrag für Amerikakunde an der Universität Göttingen erhalten (17, S. 217):
Baumgarten vertrat die Meinung (17, S. 218):Eine Veranstaltung ging über "Philosophie, Psychologie und Pädagogik des zeitgenössischen Amerika", eine andere behandelte den Pragmatismus ("Peirce-James-Dewey"), eine dritte den Behaviorismus ("Dewey-Watson"). Das waren völlig neue Ideen und Konzepte, die ungehörtes und in dieser Zeit unerhörtes Gedankengut nach Göttingen brachten.
"Nur ein Deutscher, dessen Denken und Fühlen gänzlich im deutschen Boden verwurzelt ist, kann unter den Deutschen die fremde Art Amerikas wirklich begreiflich machen, - freilich auch nur ein Deutscher, der zugleich lange Jahre hindurch, in tätiger und freudiger Mitarbeit, in den einzigartigen Ablauf und Rhythmus des amerikanischen Lebens eingemeindet war." Er habe eine feste Lebensstelle in den USA aufgegeben, um an der Orientierung der Deutschen über die Weltmacht USA mitzuarbeiten.
Darüber kann kein Zweifel bestehen: Baumgartens Pragmatismusbuch ist die allererste ausführliche systematische Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Pragmatismus, die in deutscher Sprache erschienen ist.Dies Verdienst wurde auch in dessen "Heimatland" voll anerkannt. So beginnt etwa die Rezension von H.W. Schneider im "Journal of Philosophy" mit den Worten:"Eduard Baumgarten is the most serious student of American thought Germany has produced and is one of the best informed writeres of the subject in any language."Seine Interpretation Deweys insbesondere wird als "the best I have read anywhere" gelobt.
Prof. Baumgartens Studie über den "Kompromiss" (...) ist eine der lesenswertesten Untersuchungen über die Unterschiede zwischen deutscher und amerikanischer Denkweise. (...) Der wissenschaftliche Wert dieses Büchleins im übrigen - wie auch der anderen Werke Baumgartens - ist unbestritten. Ebenso ist sein "Pragmatismus" das erste und bisher einzige ausführliche Buch über dieses Thema; es wäre wünschenswert, wenn Arbeiten über Peirce und die neueren Schriften Deweys die immer noch bestehende Lücken schlössen.
Herr Bäumler hat 1935 Arbeiten von mir zu Gesicht bekommen, sich für sie interessiert, hat mich daraufhin zu einer wissenschaftlichen Aussprache zu sich gebeten und hat seither mehrere größere Aufsätze von mir in seiner Zeitschrift erscheinen lassen.
Hier wäre zunächst zu fragen, wie Baeumler ausgerechnet auf Baumgarten gekommen ist. Eine Gemeinsamkeit zwischen beiden besteht darin, daß sie sich beide 1932 und 1933 mit Martin Heidegger zerstritten haben. Baumgarten hatte Heidegger schon während seines Wehrdienstes im Ersten Weltkrieg kennengelernt, war aus den USA zu Heidgger gekommen. Heidegger war sogar der Taufpate einer seiner beiden Töchter geworden. Dennoch haben sich beide bald wegen unterschiedlicher Kant-Interpretationen zerstritten. Heidegger waren Baumgartens Kant-Interpretationen zu "pragmatisch". Baeumler suchte 1928 den Kontakt zu Heidegger, 1932 unternahmen beide eine gemeinsame Wanderung durch den Böhmerwald, 1933 trafen sie sich noch einmal. Aber noch im selben Jahr zerstritten sie sich. Die Gründe des Streites sind nicht bekannt (15, S. 35).
Eduard Baumgarten konnte ein durchaus streitbarer Mann sein. Was Baeumler oben in Bezug auf Baumgarten und Schwierigkeiten durch Parteistellen angedeutet hatte, mag auch in Zusammenhang stehen mit Baumgartens Streitigkeiten mit Kollegen über die Beurteilung einer Promotion, die schließlich dazu führten, daß er einen der Kollegen zum Duell forderte. Da jedoch eine Woche später der Krieg zwischen Deutschland und Polen ausbrach, wurde dieses Duell nicht mehr ausgetragen (18, S. 189). Während des Zweiten Weltkrieges sollte Baumgarten auch Hitler persönlich begegnen (19, S. 165):
In einem noch ungedruckten Manuskript berichtet Baumgarten über seine Begegnung mit Hitler während des Zweiten Weltkrieges (freundliche Mitteilung von Michael Sukkale, Oldenburg).
Die schon im ersten Teil erwähnte über tausend Seite starke, zweibändige Darstellung zur Geschichte der deutschen Universitätsphilosophie während des Dritten Reiches (2; s.a. 22) wählt als Ausgangspunkt einen internen Bericht des Sicherheitsdienstes der SS (SD) zu einer Bestandsaufnahme der deutschen Universitätsphilosophie, entstanden etwa um die Jahreswende 1941/42 herum.
Geheimdienste haben ein Auge auf "Staatsphilosophen" und solche, die es werden können
Der Geheimdienst des Dritten Reiches hat also sogar Dossiers über Philosophie erstellen lassen. Mit Recht, denn Philosophen können bekanntermaßen "Staatsphilosophen" werden und als solche großen Einfluß ausüben.
Der genannte Bericht könnte im Umkreis eines solchen philosophisch und religiös interessierten SD-Mannes wie Albert Hartl (Wiki) entstanden sein. Der SD war mit der Überwachung der weltanschaulichen Gegner des Nationalsozialismus beschäftigt. Zugleich war er mit der Überwachung der Einhaltung einer weltanschaulich einheitlichen "Parteilinie" befaßt. Er beobachtete damit auch die Suche von Parteimitgliedern und ihrem Umfeld nach weitergehenden, eigenen weltanschaulichen Grundlagen des Nationalsozialismus, sowohl auf dem Gebiet der Philosophie wie auf dem Gebiet der Religion. Denn immer mehr Parteimitglieder begannen, die philosophischen und religiösen Grundlagen des Nationalsozialismus und des völkischen Gedankens, so wie sie von solchen Autoren wie Adolf Hitler, Alfred Rosenberg oder auch Jacob Wilhelm Hauer und zahlreichen anderen formuliert worden waren, noch als unzureichend zu empfinden.
Die Philosophie-Tagung in Buderose (1939)
Abb. 3: Buderose |
Vom 12. bis 19. März 1939 wurden im Wesentlichen von dem Doktoranden- und Studentenkreis rund um Alfred Baeumler zu einer Tagung auf dem Schloß Buderose (Wiki) bei Guben an der Neiße (siehe Abb. 3, 4) 30 jüngere deutsche Philosophen eingeladen (2, S. 956ff; 23). Darunter vor allem Schüler von Nicolai Hartmann wie Eduard Baumgarten, Heinrich Springmeyer oder Bruno Liebrucks. Teilnehmer war auch der eben genannte SD-Mann Albert Hartl, ein früherer katholischer Priester. Ebenso nahm teil der enge Mitarbeiter Alfred Rosenbergs, Heinrich Härtle (Wiki). Auffälligerweise sind damals Schüler aus dem Kreis von Arnold Gehlen nicht eingeladen worden.
Der Tagungsort lag knapp zwei Autostunden von Berlin entfernt auf dem Ostufer der Neiße (G-Maps). Er hatte schon 1938 als Tagungsort für ein Treffen der deutschen
Frontdichter gedient, auf dem Rosenberg auch gesprochen hatte. Das Schloß
Buderose ist nach 1945 verfallen und heute bis auf den Keller abgetragen
Abb.: Buderose - oben: Schloß, unten Blick auf die Neiße und das Dorf |
Am 17. März referierte Rosenberg selbst über "Sinn und Aufgabe der Wissenschaftstagung". Baumgarten, Springmeyer und Liebrucks gehörten zu den häufigsten Diskutanten, die sich nach fast jedem der dortigen Vorträge zu Wort meldeten. Parallel zur damals in der evangelischen Kirche von den "Deutschen Christen" viel diskutierten Frage der "Entjudung des Christentums" ging es hier nicht zuletzt auch um die Frage einer "Entjudung" des deutschen, philosophischen Denkens.
Die Existenz des jüdischen Volkes und seine Teilnahme am geistigen Leben eine notwendige Voraussetzung einer "philosophischen Grundlegung des Nationalsozialismus"?
Abb. 4: Buderose |
Und es ist nun schon hochgradig interessant, welche Akzente hier Eduard Baumgarten in seinen Diskussionsbeiträgen setzte und damit tatsächlich "Spielräume unter Hitlers Herrschaft" ausschöpfte. Wichtig sind dieselben aber vor allem auch deshalb, um zu einer Einordnung zu kommen, was Eduard Baumgarten meinen konnte, wenn er ein Jahr später an Baeumler eben von jener schon zitierten zu gründenden "Dependance von Buderose" in Königsberg schrieb. (In der Zwischenzeit hatte Baumgarten nämlich Konrad Lorenz kennen- und schätzengelernt.)
Während andere Teilnehmer in Buderose die Meinung vertraten, daß man als Deutscher nichtdeutsches Denken, insbesondere "jüdisches Denken" auf dem Gebiet der Philosophie und der Ethik per se nicht verstehen könne (und umgekehrt), sich also in der Konsequenz für den Abbruch jeglicher Kommunikation mit jüdischem Denken aussprachen, sagte Baumgarten (2, S. 960):
"Damit macht man sich doch aber ein x für ein u vor. Bei den Juden ist das Selbstbewußtsein durch Glorifizierung des Leidens gebrochen. Gerade das aber verstehen wir, wie uns Nietzsche gezeigt hat." Und deutlicher: "Meine Rasse wird mir erst zur Welt, wenn sie anderen Rede und Antwort steht; dadurch vollzieht sich der Weg der Rasse zum Logos." Wie Cordier (ein anderer Teilnehmer), der in der Polarität zwischen "meiner" und "der" Welt die "dynamische Spannung" sah, die allein eine "eigenständige Entwicklung" in "gefährliche Offenheit" verspreche, so sperrte sich auch Baumgarten dagegen, ein unverbundenes Nebeneinander partikularer Welten anzunehmen. Am Logos partizipierten alle Rassen, deswegen sei die Behauptung, wir könnten einen Juden nicht verstehen, "ein sehr bequemer, aber vernunftloser Hinweis" (Cordier). (...)
Baumgarten erinnerte an die von Nietzsche geltend gemachte "Wesensdifferenz von Juden und Germanen". (...) Baumgarten bestand weiter darauf, daß der "Andere" nicht nur Gegner, sondern auch Partner sein könne, dessen Einwirkungen "mich" veränderten.
Das klingt nun wirklich nicht gerade geistlos und plump. Und wenn es nichts anderes geben sollte, was man Baumgarten aus der Zeit des Dritten Reichen vorzuwerfen hätte, als eine derartige "philosophische Grundlegung des Nationalsozialismus", dann wären daran wirklich viele ungewöhnliche Schlußfolgerungen anzuknüpfen. Denn die Quintessenz dieser Ausführungen lautet doch: Ein Volk wie die Juden darf man gar nicht ausrotten oder der Teilnahme am geistigen Leben berauben, denn dadurch geht einem ein wesentlicher Partner im Prozeß der eigenen ethnischen Selbstfindung verloren. Es wird ja hier nichts weniger vertreten als das Existenzrecht, ja die Existenznotwendigkeit des jüdischen Volkes - als philosophische Grundlage des Nationalsozialismus! Gehen wir damit zu weit in der Interpretation? Sie wäre abzusichern anhand der unveröffentlichten Buchmanuskripte von Baumgarten selbst.
[Ergänzung 4.12.21] Daß diese Äußerungen von Baumgarten in Buderose im Jahr 1939 keine "ad hoc"-Äußerungen waren, sondern daß seine Gedanken über die Rolle anderer Völker und Kulturen für das Erkennen der eigenen Identität ein Grundgedanke seines akademischen Wirkens im Dritten Reich war, wird klar, wenn als Grundgedanke seines Aufsatzes "Das politische Fach der Amerikakunde an der Universität Göttingen" aus dem Jahr 1934 das folgende referiert wird (Strunz 1999, S. 163f):
Die Funktion des neuen Faches der Amerikakunde bestand für ihn darin, eine "Probe aufs Exempel" dafür zu sein, ob die in ihrer öffentlichen Wirkung umstrittene Universität "politische Schule sein kann und nicht sein soll". Eine solche, zumeist zweckorientiert gedachte Kulturkunde, die den "fremden Nationalcharakter" nur deshalb erforschen wollte, um ihn besser dominieren und als Folie für das schärfere Erkennen der eigenen Identität nutzen zu können, lief zwangsläufig Gefahr, instrumentalisiert zu werden und in Klischees zu münden. Levin Schücking warnte deshalb schon früh (1927) davor, daß die Amerikakunde in eine "gelehrte Untermauerung des Chauvinismus" abgeleiten könne, der zusätzlich noch das Odium des Dilettantismus anhafte.
Daß Baumgarten solchen Gefahren zu steuern bereit und willens war, geht jedenfalls deutlich genug aus seinen Diskussionsbeiträgen in Buderose hervor. [Ergänzung Ende] Der daraus gebrachte Auszug soll jedenfalls als Beispiel dienen dafür, in welcher Art hier - unter der Oberleitung von Alfred Rosenberg - philosophische Diskussionen geführt wurden und werden konnten auf einer Tagung eines Arbeitskreises, der "an einer philosophischen Grundlegung des Nationalsozialismus" arbeiten wollte.
[Ergänzung 4.4.2020] In einer Studie aus dem Jahr 2019 referiert der schon zitierte Dahms (32):
Baumgarten scheint in den Augen der infrage kommenden Autoritäten in Buderose positiv wahrgenommen worden zu sein. 1941 wurde er auf einen Philosophie-Lehrstuhl in Königsberg berufen als eine Art späten Nachfolger von Kant. Er übernahm den Lehrstuhl von Arnold Gehlen, der in dem Jahr zuvor nach Wien gegangen war, und der in seinem Hauptwerk in dieser Zeit "Der Mensch", (philosophisch-)pragmatistische Tendenzen aufgezeigt hatte und offensichtlich Wissen von Baumgarten's Arbeit. In Königsberg entwickelte Baumgarten ein Programm für einen biologischen Pragmatismus, der auf der Evolutionstheorie fußen sollte. Er nannte einige Leute, die möglicherweise bei der Arbeit an diesem Programm kooperieren könnten, aber in seinen Bemühungen hatte er nur zum Teil Erfolg. Schließlich erreichte er eine Berufung in umgekehrter geographischer Richtung wie Gehlen, nämlich von Wien nach Königsberg. Ich meine Konrad Lorenz, der später der berühmte Begründer der Tierverhaltensforschung werden sollte, und der ein ausgebildeter Biologe war, der einen Psychologie-Lehrstuhl in Königsberg erhielt. Sie hatten sich schon zuvor in Göttingen getroffen, als der (spätere) berühmte Biologe und Tierphysiologe Erich von Holst Baumgarten mit Lorenz bekannt machte.
Baumgarten seems to have had a good showing in Buderose in the eyes of the relevant authorities. He was called in 1941 to a philosopy chair in Königsberg, in a way as a distant successor to Kant. He replaced directly Arnold Gehlen, who went to Vienna a year earlier, and who had shown in his main work from that time, Der Mensch, pragmatist tendencies and obvious knowledge of Baumgarten’s work. In Königsberg Baumgarten developed a program for a biological pragmatism based on evolution theory. He named some people who could possibly work on that program in cooperation, but he was only partially successful in his efforts. He at least achieved a move in the opposite direction as Gehlen’s voyage, that is, from Vienna to Königsberg. I have in mind Konrad Lorenz, later the very famous founder of animal ethology and a trained biologist, who received a psychology chair in Königsberg. They had met earlier in Göttingen, when the (also later on) famous biologist and animal physiologist Erich von Holst introduced Baumgarten to Lorenz.
[Ergänzung Ende]
"Liberale, Indifferente, Positive ..."
Der schon genannte 1941/42 von einem SD-Mitarbeiter (wohl im Umkreis von Albert Hartl) verfaßte Bericht teilte in jener Zeit 66 untersuchte Philosophen in fünf weltanschauliche Gruppen ein (2, S. 15),
in konfessionell Gebundene, Liberale, Indifferente, politisch Positive und nationalsozialistische Philosophen, letztere mit dem einschränkenden Zusatz versehend: 'Versuche, eine nationalsozialistische Philosophie aufzubauen'.
Zu den "Liberalen" wurden gezählt (2, S. 852f) unter anderem Eduard Spranger und Otto Friedrich Bollnow. Zu den "Indifferenten" wurden unter anderem gezählt Nicolai Hartmann und Hans-Georg Gadamer. Zu den "politisch Positiven" unter anderem Eduard Baumgarten, Martin Heidegger, Hermann Glockner und Bruno Liebrucks. Und zu den nationalsozialistischen Philosophen unter anderem Arnold Gehlen. Um so auffälliger, daß Arnold Gehlen nicht nach Buderose eingeladen worden war.
Was immer eine solche Charakterisierung auch bedeuten möge. Die aus heutiger Sicht wohl zukunftsträchtigsten Ansätze haben damals Konrad Lorenz und Eduard Baumgarten in Königsberg vertreten (2, S. 793ff). Baumgarten, mit Martin Heidegger seit seiner Meldung als Kriegsfreiwilliger 1916 befreundet, 1933 zerstritten, dann von Heidegger übel als "liberal" den Nationalsozialisten gegenüber denunziert, entstammte in der Tat dem liberalen Heidelberger Gelehrtenkreis um Max Weber. Und er hatte mehrere Jahre Philosophie in den USA gelehrt. Er hatte die erste umfassendere Darstellung der philosophischen Entwicklungen des amerikanischen Pragmatismus verfaßt (Charles Sanders Peirce, John Dewey), der eine nüchterne, realistische Haltung gegenüber den Naturwissenschaften einfordert und begründet, einhergehend mit einer Ablehnung idealistischer philosophischer Traditionen. Man sollte wohl betonen, daß seine Arbeiten im nationalsozialistischen Deutschland geschrieben und veröffentlich worden sind und bei Leuten wie Alfred Baeumler Widerhall gefunden haben.
Während nun also solche Gedanken und Absichten in den Köpfen rumorten, hatte, wie gerade zitiert, Baumgarten 1939 in Göttingen durch Erich von Holst (Wiki) Konrad Lorenz kennen gelernt. Zwei Jahre zuvor, im "Geburtsjahr der Ethologie", hatte Erich von Holst Konrad Lorenz in dessen berühmtem Vortrag am 12. Februar 1937 im Harnack-Haus in Berlin über den Instinkt-Begriff kennengelernt. - "Ja, ja, es stimmt!, es stimmt!" und "... Idiot!" waren die berühmten und legendären Worte, die Erich von Holst in der letzten Reihe der Zuhörer sitzend unerkannt vor sich hinmurmelte während des Lorenz-Vortrages, nicht wissend, daß neben ihm die Ehefrau von Lorenz saß und alles mithörte. Ohne Zweifel: Es herrschte damals in manchen Bereichen wissenschaftliche Aufbruchstimmung. In diese geriet Eduard Baumgarten mit hinein.
An Friedrich Hölderlin als Philosoph anknüpfen?
Wenn nun Baumgarten damals noch zusätzlich die Absicht äußerte,
die weltanschaulichen Gehalte unter dem Trümmerhaufen der klassischen idealistischen und romantischen Philosophie zu revitalisieren,
dann könnte er dabei an den Buderoser Mitdiskutierenden Bruno Liebrucks gedacht haben, der als einer der ersten die philosophische Gedankenwelt eines Friedrich Hölderlin zu erschließen suchte. Dabei handelte es sich ebenfalls um eine sehr moderne Richtung in der deutschen Philosophie, die dann bis heute insbesondere von Dieter Henrich fortgesetzt worden ist, der inzwischen herausgearbeitet hat, daß das Hölderlinschen Philosophieren gar kein idealistisches und damit ähnlich naturwissenschaftsfernes war wie jenes seiner philosophisch ihn mißverstehenden Freunde Hegel und Schelling.
Man kann nur erahnen, welche Form von philosophischer Synthese damals im Kopf von Eduard Baumgarten rumort haben muß. Daß sie aber einen weiteren Horizont hatte, als das meiste, was heute im Umfeld etwa einer Giordano-Bruno-Stiftung philosophiert wird, dieser Eindruck drängt sich doch ziemich bald auf.
Aus diesen Zusammenhängen heraus wurden lange nach jenen 1940er Jahren von Konrad Lorenz die Grundlagen zur Evolutionären Erkenntnistheorie entwickelt (24), die "Der Erinnerung an Königsberg gewidmet" ist, "sowie meinen Königsberger Freunden, vor allem Otto Koehler und Eduard Baumgarten". Ein ganzes Kapitel darin bezieht sich auf die Schichtenlehre Nicolai Hartmanns.
Welche Erinnerungen an Königsberg waren es? Es wird berichtet (4, S. 33):
In Göttingen fand 1939 ein kleines Kammerkonzert statt. Im Streichquartett des Physiologen Erich von Holst spielte dieser Bratsche und der Königsberger Philosoph Eduard Baumgarten die erste Violine. Baumgarten fragte beim Musizieren Holst, ob er einen biologisch orientierten Psychologen kenne, der sich auch für Erkenntnistheorie interessiere. "Sie werden lachen, ich kenne so einen komischen Vogel ...", sagte Holst, "er heißt Lorenz und lebt in Altenberg bei Wien!" Baumgarten besuchte den "komischen Vogel in Altenberg.Am 15. April 1940 schrieb Eduard Baumgarten von der Universität Königsberg an den führenden Philosophen des Dritten Reiches, Alfred Baeumler, in Berlin den folgenden Brief (2, S. 794):
... Die Fakultät beantragt die Ermöglichung einer Zusammenarbeit der Philosophie mit einer noch zu besetzenden biologischen Psychologie. Für die letztere habe ich zwei hervorragende Männer präsentiert, die beide geeignet sind: der berühmte Konrad Lorenz und der geniale junge Erik von Holst (Göttingen).
Mit der gleichen Energie, mit der es Lorenz gelungen ist, den Instinktbegriff experimentell einzuengen und exakt zu machen, oder den Instinktzerfall bei Domestikation und Bastardisierung nachzuweisen, wirft er sich zur Zeit in das Studium der kantischen Philosophie. Gewinnen wir diesen Mann für die Psychologie, so wird die Zoologie seinen nächsten Arbeitsgefährten Erik v. Holst (...) hier unterzubringen versuchen. Holst hat schon in Göttingen mit mir zusammengearbeitet. Gegen diese beiden Riesen will ich aber die geisteswissenschaftliche 'Anthropologie' nicht alleine repräsentieren und hochhalten; das verkrafte ich gar nicht; sondern in diesem großen Spiel gegengewichtiger Kräfte muß mir Springmeyer helfen.
"Zusammenarbeit der Philosophie mit einer biologischen Psychologie"
Heinrich Springmeyer (1898-1971) (Uni Halle) war der persönliche Assisent des deutschen Philosophen Nicolai Hartmann (Wiki). Nicolai Hartmann hatte die Dissertation Springmeyers zusammen mit Ernst Bertram (Wiki) betreut. Baumgarten weiter:
Wir machen hier eine Dependance von Buderose auf, zu der (...) sich ein 2. Mal nicht so leicht wieder die einstimmige Bewilligung zweier Fakultäten zusamt dem Rektor erreichen lassen [wird].
"Philosophie als Geisteswissenschaft ist überholt"
Schon die wenigen bisher zitierten Worte des Briefes von Eduard Baumgarten aus dem Jahr 1940 deuten weitreichende inhaltliche, wissenschaftsstrategische Perspektiven an. Diese werden noch einmal deutlicher in dem, was Baumgarten im September 1940 Alfred Baeumler in einer Denkschrift als "Konzept einer naturwissenschaftlich zu fundierenden Philosophie" noch weiterhin vorlegte (im folgenden in Paraphrase):
Durch die Existenzphilosophie wie durch die Resultate der modernen Biologie sei der Glaube an die 'reine Vernunft' nachhaltig erschüttert worden. Es sei ein Faktum, daß auch die höchsten Lebensäußerungen des Menschen mit ihren stammesgeschichtlichen Vorformen 'vergliedert' blieben und nur von daher zu verstehen seien. Die Geschichte des Selbstbewußtseins des Menschen könne darum nur noch Hand in Hand mit seiner Naturgeschichte rekonstruiert werden. Philosophie als Geisteswissenschaft sei überholt.
Biologie und Philosophie berührten sich in der Psychologie, und an diesem Schnittpunkt müsse die Neuorientierung auch institutionell Gestalt gewinnen. In einem Institut für biologische Psychologie müßte die Brücke gebaut werden, die künftig Geistes- und Naturwissenschaften verbinden werde. Die Biologie allein sei nicht imstande, eine neue Weltanschauung zu bilden, da sie der Gefahr fachwissenschaftlicher Versimplung nur allzu leicht erliege.
Auch das sind kühne, weittragende Worte.
Die Gefahr "fachwissenschaftlicher Versimpelung" für die Biologie
Die Stellung der Psychologie im Wissensbau der Menschheit in diesem Sinne zu umreißen, würde wohl auch heute noch manchem Psychologen schwer fallen, trotz so manches Paradigmenwechsels, der sich in der Psychologie zwischenzeitlich vollzogen hat (siehe etwa das Lehrbuch von Jens Asendorpf). Baumgarten wird, so scheint es, wirklich den Diskutanten auf beiden Seiten des Wissenschaftsgrabens einigermaßen gerecht!
Darum gewinne die Philosophie eine neue Funktion ...
... die weltanschaulichen Gehalte unter dem Trümmerhaufen der klassischen idealitischen und romantischen Philosophie zu revitalisieren.
Und das scheint genau das zu sein, was Jahrzehnte später Dieter Henrich in seinem groß angelegten Projekt zum nicht-idealistischen Philiosophieren Friedrich Hölderlins weiter fortgeführt hat. Die Philosophie als eine Wissenschaft, die der modernen Biologie zuarbeitet - aber auf Augenhöhe. Die Biologie als eine Wissenschaft, die ohne Psychologie droht, einer "fachwissenschaftlichen Versimpelung" anheim zu fallen.
Erchüttert im Angesicht des Untergangs Königsbergs und Ostpreußens (März 1945)
Im März 1945 hat Eduard Baumgarten - wie er sagt auf eigenen Antrieb - eine Ansprache im deutschen Rundfunk gehalten. Und zwar aus dem von britischen Bombern zerstörten und schon militärisch von den Sowjets eingeschlossenen Königsberg. In dieser Rede ist von Adolf Hitler oder der deutschen Regierung nirgendwo die Rede. Baumgarten spricht von der Heimat, der Kultur, der Geschichte und der Philosophie (26):
Der verantwortliche Staatsmann einer der großen Nationen, die gegen uns im Felde stehen, der englische Premierminister, hat kürzlich gemeint, eine Bedrohung des künftigen Friedens werde aus einer Annexion Ostpreußens an Sowjet-Polen dann nicht erwachsen, wenn alle Ostpreußen in das Innere Deutschlands umgesiedelt würden.
Baumgarten weiter (26):
Ich spreche aus einem Trümmerhaufen. In zwei Nächten des vergangenen August haben britische Bomber Leben und Gestalt der Innenstadt Königsbergs ausgelöscht. (...) Jene höllischen Nächte enthüllen auch in dieser Stadt, daß die Grausamkeiten des gegenwärtigen Krieges schon unter uns Europäern - von den Grausamkeiten der Russen schweige ich - so ins Maßlose gestiegen sind, daß am Ende dieses Krieges keiner, kein einziger der Beteiligten, und sei er von Haus aus noch so selbstgerecht gesonnen, über den Gegner moralisch Gericht halten könnte, ohne damit sein eigenes innerstes Gewissen zu schänden, ohne Gott zu lästern.
Und (26):
Wohl ist der unendliche Schatz der deutschen Städte, von Freiburg bis Reval, äußerlich so gut wie vertilgt. Aber nicht ist vertilgt das innere Bild, das nun als Sehnsucht und Schwur fortlebt. Wehe jedem Versuch, Europa gegen die Wahrheit dieses Bildes willkürlich zu formen. (...) Die furchtbare Schwächung und Einbuße an einfacher deutscher Lebenskraft, die vielen unserer Gegner als wünschenswert erscheint, wird unentrinnbar aufgewogen werden durch die steigend machtvolle Erinnerung in deutschen Herzen an die gigantische Tapferkeit in den Jahren 1914 bis 1918 und 1939 bis heute und bis zum Ende dieses Krieges. (...) Und gäbe es einst in Europa nur noch versprengte Haufen von Deutschen, diese Legende würde sie eines Tages wieder zur Nation sammeln und emportragen.
In seiner Rede bezieht sich Baumgarten immer wieder auf Immanuel Kant. Er benutzt ihn geradezu wie ein jeden bösen Fluch bannendes Kreuz. Er Kant vor sich, vor Ostpreußen vor Deutschland (26):
Ich rede in niemanden Auftrag. Ich habe von mir aus als der derzeitige Inhaber des Königsberger Philosophischen Lehrstuhls, des Lehrstuhles von Immanuel Kant, um die Möglichkeit gebeten, über den deutschen Rundfunk das Wort zu ergreifen. Wer im Angesichte Kants redet, redet im Angesicht Europas. Zu Kants Gedächtnis und für die Zukunft Europas will ich sagen, was ich zu sagen habe.
Und (26):
Vor zwei Jahren habe ich in der Kant-Gesellschaft in Königsberg eine Rede gehalten, in der ich die zweite Formel des Kantischen Imperativs wiederholte: "Behandle Deine Partner so, daß Du in ihnen niemals Dein Mittel und Werkzeug siehst, sondern immer zugleich ihren eigenen Willen achtest, der sie von sich aus an die Gemeinschaft Europas bindet." Ich wiederhole diese Worte, heute, wo ganz Europa in Königsberg sich wehrt ...
Baumgarten konnte nicht wissen, daß es das Kriegsziel der Westmächte seit 1941 gewesen ist, Deutschland und Europa gemeinsam mit Stalin an der Elbe zu teilen.
Schwierige innere Umstellung (1945 bis 1949)
Baumgarten scheint dann doch noch heil aus Königsberg heraus gekommen zu sein mit Millionen anderer Flüchtlinge. Er scheint sich im Juni 1945 in Heidelberg aufgehalten zu haben. Denn am 17. Juni 1945 schreibt er an seine dort lebenden Tante Marianne Weber (1870-1954) (Wiki), er könne an ihrem Tisch nicht mehr erscheinen (28, S. 562),
solange von Deinem jungen Freunde "der" Offizier der nationalsozialistischen Ära in Bausch und Bogen geschmäht
werde. Noch 1943 hatte er einen Vortrag gehalten über die Rolle des Offiziers, der Vortrag kam im Jahr 1945 zur Veröffentlichung (33). Seine eigene Zeit sei wohl weder in Mariannes Haus, noch im "gegenwärtigen Vaterland" gekommen, so schrieb er. Marianne Weber andererseits mußte erkennen, daß ihr Neffe sich nicht nur äußerlich angepaßt hatte während des Dritten Reiches, sondern zum Teil auch aus Überzeugung gehandelt hatte. Am 18. Dezember 1946 schrieb Marianne an das französische Militärgouvernement Baden-Baden wegen einer Zuzugsgenehmigung ihres Neffen und seiner Familie nach Freiburg (28, S. 562):
Sie wies u.a. darauf hin, daß er trotz Parteimitgliedschaft entnazifiziert worden sei. Baumgarten sei wegen der Treue zu ihrem Mann Max Weber, der als führender Demokrat und Soziologe diffamiert gewesen sei, verfolgt worden.
Am 1. März 1949 schrieb Marianne Weber an ihren Neffen aber dennoch, daß es sie immer noch bekümmere, daß er sich "auf Hitlers Seite gestellt" habe und offenbar immer noch nicht "zu einem anderen Urteil" gekommen sei. Hitler habe doch furchtbares Unglück über die ganze Welt gebracht.
Am 9. Mai 1949 fragte sie ihn, was er mit der Rede von den "Illusionen der Antinationalsozialisten" meine. Es sei doch alles so gekommen, "wie wir erwartet hatten - nur viel schlimmer". Es würde sie sehr freuen, wenn Eduard noch eine "innere Wandlung" vollziehen könne (28, S. 563). Hier wird deutlich wie sehr Baumgarten mit den nach 1945 in Westdeutschland vorherrschend gewordenen Ansichten und Sichtweisen innerlich über Jahre haderte.
"I feel in good fighting trim again" (1950)
Nach 1945 erörterte Baumgarten mit Leo Wohlgeb die Gründung eines "Instituts für Soziologie und Verhaltensforschung" an der Universität Freiburg (Nachlaß Wohlgeb). Als ihm 1950 seine Nähe zum Nationalsozialismus vorgeworfen wurde, wehrte er sich gegen diesen Vorwurf. Unter anderem schrieb er etwas für ihn sehr Typisches, Charakteristisches (19):
Der Unterzeichnete hat seit langem in seinem Leben die zwei (oder mehrere) Seiten einer Situation zu sehen und unterschiedlich zu traktieren versucht: die spott- und die widerstandsbedürftigen Seiten und die guten, zu ermunternden Seiten einer und derselben Sache. Die Absolutisten - einerlei welcher Partei und Glaubensrichtung - waren ihm immer verdrießlich (und er ihnen). James' "truth as cash-value" hat er nicht (...) mit "Wahrheit als Barwert" übersetzt, sondern - wie es strenger (und unbequemer) gemeint war - mit "Wahrheit als Kleingeld"; das soll heißen, daß es Wahrheit immer nur im Plural gibt und also auch Begriffe nicht dazu dienen sollen, die Vielfalt und Geschehnisse über einen Leisten und tot zu schlagen.So wird der Unterzeichnete sich denn auch weiterhin an dem "kampffrohen" (sit venia verbo!) und ritterlichen Sinn erlaben, mit dem William James 1908 nach Oxford auszog, den Absolutisten aller Tonarten die Haut abzuziehen: "I feel in good fighting trim again, eager for the scalp of the absolute."
Neubegründung der Amerikakunde in Stuttgart (1953)
[Ergänzung 4.12.2021] Eduard Baumgarten gestaltete noch die Gründerzeit der Amerika-Studien in Deutschland nach 1945 mit (Strunz 1999, S. 22):
Auch wenn sie sich Mitte der 50er Jahre endgültig der Politikwissenschaft bzw. der Soziologie zuwandten, zählten Arnold Bergstraesser und Eduard Baumgarten zu den Amerikanisten der ersten Stunde. Beide hatten nur frühzeitig erkannt, daß sich die für die Amerikastudien ursprünglich angestrebte Balance zwischen den Kulturwissenschaften und der Philologie beinahe ausschließlich zugunsten letzterer verschoben hatte und sie sich hier nicht nur keine wissenschaftlichen Karrierechancen mehr ausrechnen konnten, sondern sich vielmehr auf Dauer in einer Außenseiterrolle befänden.
1953 wurde die "Deutsche Gesellschaft für Amerikastudien" (DGfA) gegründet (Strunz, 1999, S. 242). Auf der Gründungstagung befanden sich unter 21 Professoren 6 Nichtanglisten, darunter der Historiker Egmont Zechlin, die Soziologen Eduard Baumgarten und Gerhard Mackenroth, der Philosoph Helmut Kuhn und der Politikwissenschaftler Bergstraesser (Strunz, S. 246). Wie schon gesagt, verfocht Baumgarten in ihr zusammen mit den DGfA-Mitgliedern Friedrich Tenbruck und Gerhard Mackenroth gegenüber der Mehrheit der Philologen einen sozialwissenschaftlichen Minderheiten-Standpunkt (Strunz, 1999, S. 243). Dennoch hatte die Philologen-Mehrheit Sorge, daß die Soziologen-Minderheit, das "sociological camp", auf der Stimmung des Zeitgeistes fahrend "das gesamte Feld der Amerika-Studien für sich selbst" vereinnahmen könnten (Strunz, S. 248). Sie wurden deshalb sogar als "Radikale" empfunden.
Baumgarten, Tenbruck und Bergstraesser gründeten noch im gleichen Jahr 1953 das stiftungsfinanzierte George-Washington-Institut für Amerikakunde in Stuttgart als Gegenentwurf zum Philologen-Mainstream, und auf das sie sich in der Folgezeit sozusagen "zurückzogen" (Strunz, S. 250):
Das Institutsprogramm berufte auf leicht modifizierten Plänen Eduard Baumgartens, die dieser bereits 1952 für die Errichtung eines "Instituts für Sozialwissenschaften" - allerdings im Zusammenhang mit der Universität Freiburg - entwicklt hatte und für die Karl Jaspes ein Gutachten geschrieben hatte. Baumgarten wurde daher zum Geschäftsführer der Stiftung ernannt. Die wissenschaftliche Leitung des Instituts teilte er sich mit Arnold Bergstraesser. (...) Unter den Mitarbeitern befand sich auch (...) Friedrich Tenbruck.
(Strunz, S. 253):
Beratende Funktion hatte der wissenschaftliche Beitrag, dem u.a. die Remigranten Hans Rothfels von der Universität Tübingen, früher Chicago, und Karl Löwith von der Universität Heidelberg, früher Japan und USA, angehörten.
"Jede Geißelung ist ruhmvoll ..." (1956)
1956 veröffentlichte Baumgarten im ersten Band des von der DGfA herausgegebenen "Jahrbuches für Amerikastudien" einen Aufsatz über die Anregungen, die Nietzsche noch kurz vor dem Verfasser seines "Zarathustra" von dem US-amerikanische Philosophen Ralph Waldo Emerson (1803-1882) (Wiki) erfahren hat (Baumgarten 1956). Diese Studie erschien 1957 auch als separate Buchveröffentlichung. Sie war gewidmet seiner Frau "Margarete Baumgarten-Münnich zum 25. September 1955". Er hat sie offenbar verfaßt in der Casa de Burlet in Wengen im Berner Oberland (GB).
Die in dieser Studie herausgearbeiteten gedanklichen Ermutigungen, die Nietzsche in den 1880er Jahren in sich aufgenommen hatte, wird Baumgarten sicherlich auch als Ermutigungen für sich selbst aufgefaßt haben für die Zeit vor und nach 1945. Nietzsche hatte insbesondere die "Versuche (Essays)" Emersons intensiv gelesen. Baumgarten benutzte für seine Abhandlung das persönliche Handexpemlar Nietzsches, in das Nietzsche viele handschriftliche Eintragungen eingefügt hatte. Dieses Handexemplar ist mitsamt der Nietzsche-Anmerkungen inzwischen vollständig digital verfügbar (Emerson 1858).
Emerson ersteht in dieser Abhandlung vor unseren Augen als ein Autor, der mit den menschlichen Möglichkeiten zwischen "Gut" und "Böse" experimentiert, der kühn ist und bereit ist, das Gegenteil von allem anzunehmen, was konventionellerweise angenommen worden ist, und zwar mit der Zielsetzung, als Persönlichkeit dem Gehalt der Welt, dem Göttlichen nahe zu bleiben. In all diesen Eigenschaften wird er sehr deutlich als ein Geistesverwandter von Nietzsche erkennbar, allerdings als ein Geistesverwandter, über den hinaus Nietzsche selbst sich noch zu größerer, "höherer" Kühnheit hinaus geschwungen haben mag. Und Baumgarten wird als jemand erkennbar, der diese Geistesverwandtschaft nachzuvollziehen in der Lage ist, weil er sie wenigstens zum Teil auch selbst erlebt haben wird. Emerson schrieb beispielsweise (zit. n. Baumgarten 1956):
Der Candidat der Wahrheit ... prüft alle entgegengesetzten Verneinungen zwischen denen wie zwischen Mauern sein Wesen hin und her gestoßen wird ... und ehrt das höchste Gesetz seines Seins.
An den Rand schrieb Nietzsche dazu "Bravo" und wir sehen im Geiste Baumgarten ebenfalls dazu ein "Bravo" setzen. Emerson schrieb (zit. n. Baumgarten 1956):
Kampf und Anfechtung müssen ihm reine Freude sein.
"Ja" schrieb Nietzsche dazu an den Rand. Baumgarten sicherlich im Geiste nicht weniger. Emerson schrieb über den wahrheitssuchenden Menschen (zit. n. Baumgarten 1956):
.... Jede Geißelung, die an ihm vollzogen wird, ist ruhmvoll für ihn, jedes Gefängnis ein glänzender Aufenthalt; jedes verbrannte Buch oder Haus erhellt die Welt; jedes unterdrückte oder vernichtete Wort hallt wieder durch die ganze Erde ... Im Allgemeinen ist jedes Übel, dem wir nicht unterliegen, eine Wohltat für uns.
Baumgarten weist darauf hin, daß alle diese Worte von Nietzsche stark markiert worden sind. Damit sollen nur einige eher willkürliche Beispiele angeführt sein, um den Inhalt dieser Abhandlung anschaulich zu machen.
Im Oktober 2021 wird ein Band "Nietzsche als Leser" heraus gebracht, der sich größtenteils mit den früheren Lebensphasen von Nietzsche beschäftigt. Nur das abschließende Kapitel ist mit der Lebensphase Nietzche's befaßt, in der sein Hauptwerk erschienen ist und hier wird Nietzsche - erneut - als Leser von Emerson in den Mittelpunkt gerückt und es wird ausgeführt (Freregger, 2021, S. 423):
Die massive Einwirkung Emersons auf Nietzsche war in Deutschland - also gerade dort, wo die meisten Bücher über Nietzsche geschrieben wurden - lange Zeit wenig bekannt und verdeckt. Hier begann erst Eduard Baumgarten sie in den 1950er Jahren hervorzuheben.
Also noch heute bleibt die "Entdeckung" Baumgartens für das Verstehen Nietzsches insgesamt wegleitend und wird in dieser neuen Studie (Freregger 2021) auch sehr eindrucksvoll heraus gearbeitet.
Das Denken Emerson/Nietzsches benötigt eine "demokratische Kontrolle", sagt Baumgarten 1956
Licht auf die ganz persönliche innere Entwicklung Baumgartens fällt womöglich, wenn man die Schlußbetrachtung dieses Emerson-Nietzsche-Aufsatzes berücksichtigt. Nach dem Inhaltsverzeichnis war folgendes für die Schlußbetrachtung vorgesehen gewesen:
(Schlußbetrachtung): Die "Freiheit" der Nietzscheschen Konstruktionen des Übermenschen in einem gesellschaftlichen Vakuum; die amerikanische Gesellschaft als Erfüllungsort und kontrollierendes Organ des konservativen und revolutionären Denkens Emersons.
Für sich gesehen, sagen diese Zeilen noch nicht so viel. Soweit uns übersehbar, sind dieser vorgesehene zweite Teil dieses Aufsatzes - und damit auch diese Schlußbetrachtung - bis heute nie zur Veröffentlichung gelangt. Oder irren wir uns darin? In dem "Jahrbuch für Amerikastudien" selbst findet sich jedenfalls der zweite Teil nicht. Doch bei genauem Lesen finden wir schon in diesem ersten Teil eine leichte Andeutung dessen, wovon in dieser Schlußbetrachtung hätte die Rede sein sollen. Baumgarten referiert da nämlich die amerikanische Sicht auf die Traditionslinie Emerson-Nietzsche (Baumgarten 1956, S. 145):
War nicht Emerson - trotz einiger wunderlicher Lehren - ein Sohn der amerikanischen Demokratie und ein Kind des englischen "common sense"? War nicht umgekehrt Nietzsche der extreme Sprecher einer Nation, die für Autokratismus der Regierungsformen und für eine Neigung zur Selbst-Vereinzelung der Individuen in der Gesellschaft berühmt war?
Was immer damit im einzelnen gemeint sein möge. Baumgarten bezieht sich dann auf die neuesten Veröffentlichungen zur Thematik und schreibt (Baumgarten 1956, S. 146):
F. O. Matthiessen: American Renaissance. Art and Expression in the Age of Emerson and Whitman, 1941, deutsche Ausgabe: Wiesbaden 1948, S. 349 (...) schließt an die enge Beziehung zwischen Emerson und Nietzsche folgende Bemerkung: Wohin romantische Religiosität treibt, kann man ersehen aus den "Wirkungen von Emersons unvergorenem Wein auf weniger abgeklärte Naturen als die seines Herstellers ... Als Saadi zu Nietzsches Zarathustra wurde, verwandelte sich der Mann der selbstvertrauenden Energie in den starrwilligen Übermenschen, dessen Bild wiederum in den brutalen Menschen des Faschismus verändert und entwürdigt werden sollte." - Wir haben nicht die Absicht, vor diesem bedrückenden - sachlich so von Grund auf zwiespältigen, historisch auf so grauenhafte Weise verwickelten - Zusammenhang, auf den Matthiesen hindeutet, die Augen zu verschließen. Wir werden vielmehr versuchen, ihn darzulegen und zu beurteilen (Abschn. VII, 1, 2).
Und nachdem man diese Worte gelesen hat, kommt man zu einem besseren Verständnis der schon angeführten Inhaltsangabe der vorgesehenen (und womöglich niemals veröffentlichten) Schlußbetrachtungen (im vorgesehenen Abschnitt VII, 2):
Die "Freiheit" der Nietzscheschen Konstruktionen des Übermenschen in einem gesellschaftlichen Vakuum; die amerikanische Gesellschaft als Erfüllungsort und kontrollierendes Organ des konservativen und revolutionären Denkens Emersons.
Die These ist, Nietzsche habe eine Art zu denken, nämlich diejenige Emersons der sie umgehenden amerikanischen demokratischen Gesellschaft als eines "kontrollierendes Organes" entrissen und in ein diesbezügliches "gesellschaftliches Vakuum" gebracht, wo die demokratische Kontrolle für ein solches Denken gefehlt habe, was sich "historisch auf so grauenhafte Weise" dann in Deutschland weiter entwickelt habe. Demgemäß wären die amerikanischen Truppen 1945 ganz richtig zur Kontrolle nach Deutschland zurück gekehrt, sozusagen unter der Fahne und mit den Anliegen Emersons. Immerhin eine - spannende - Deutung, die auch manches Weiterführende beinhalten mag.
Professur in Mannheim (1957)
Die für das "vielversprechende" Stuttgarter Institut erhofften Spendengelder aus der Wirtschaft blieben aus. Schon 1955 drohte die Insitutsschließung (Strunz, S. 288). Alle drei Hauptprotagonisten mußten sich anderwärts ein Auskommen suchen, als letzter Baumgarten (Strunz, S. 256):
Im April 1957 erhielt Baumgarten schließlich eine Professur für Empirische Soziologie an der Wirtschaftshochschule Mannheim, die allerdings mit einem kw-Vermerk versehen war. Mit ihm wanderte auch das private "Insitut für vergleichende Sozialwissenschaft" nach Mannheim. In einer komplizierten Konstruktion sollte das neue Mannheimer Insitut teils staatliches Hochschulinstitut werden, teils wie bisher privates Stiftungsinstitut für Vergleichende Sozialwissenschaften der George-Washington-Stiftung bleiben, so daß die offizielle Bezeichnung für beide Teile "Institut für Empirische Soziologie der Wirtschaftshochschule Mannheim in Verbindung mit der George-Washington-Stiftung für Vergleichende Sozialwissenschaften, Stuttgart" lautete.
Ein kw-Vermerk ist ein Wegfall-Vermerk, der nach Ausscheiden des Stelleninhabers für diese Professur in Kraft treten würde. Sie würde also nicht nachbesetzt werden sollen. Tatsächlich hat Baumgarten dann aber doch einen Nachfolgern gehabt: Hans Albert. 2000 Fachbücher gingen 1957 mit Baumgarten von Stuttgart nach Mannheim (Strunz, S. 256):
Als Baumgarten 1963 emeritiert wurde, erfolgte eine Umbenennung des Insituts in "Institut für empirische Sozialforschung". Damit entfiel jeglicher namentliche Hinweis auf den ursprünglich geplanten engen Forschungszusammenhang mit den USA. Das bisher Baumgarten zugeordnete Insitut wurde nun allen soziologischen Lehrstühlen zugeordnet, die im WS 1963/64 mit Rainer Lepsius, Hans Albert und Martin Irle besetzt wurden.
Diese Worte sollen zunächst am vorläufigen Ende der vorliegenden Studien
stehen. Ihren Abschluß können sie erst finden, wenn die beiden
genannten, bislang unveröffentlichten Buchmanuskripte Baumgartens
zugänglich geworden sind.
10./11.10.2010 veröffentlichten Fassung;
Ergänzung [zu Lit.angabe 28]: 28.7.2019;
_____________
- Albert, Hans; Popper, Karl R.: Briefwechsel 1958 - 1994. Fischer Taschenbuch 2005
- Tilitzki, Christian: Die deutsche Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Teil 1 & 2. Akademie-Verlag, Berlin 2002 (Google Bücher)
- Sukale, Michael: Max Weber - Leidenschaft und Disziplin. Leben, Werk, Zeitgenossen. Mohr Siebeck, 2002
- Festetics, Antal: Konrad Lorenz. Aus der Welt des großen Naturforschers. Piper Verlag, München 1983
- Bischof, Norbert: "Gescheiter als alle die Laffen". Ein Psychogramm von Konrad Lorenz. Rasch u. Röhring, 1991, Piper TB 1993
- Föger, Benedikt; Taschwer, Klaus: Die andere Seite des Spiegels. Konrad Lorenz und der Nationalsozialismus. 2001
- Albert, Hans (Hg.): Sozialtheorie und soziale Praxis. Eduard Baumgarten zum 70. Geburtstag. Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1971
- Baumgarten, Eduard: Gewissen und Macht. Abhandlungen und Vorlesungen 1933 - 1963. Ausgewählt und eingeleitet von Michael Sukale. Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1971
- Lorenz, Konrad: Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit. In: Albert, Hans (Hg.): Sozialtheorie und soziale Praxis. Eduard Baumgarten zum 70. Geburtstag. Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1971, S. 281 - 345
- Lorenz, Konrad: Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit. Piper Verlag, München 1973 (bis 1989 20 Auflagen)
- Albert, Hans: Vorwort. In: ders. (Hg.): Sozialtheorie und soziale Praxis. Eduard Baumgarten zum 70. Geburtstag. Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1971
- Albert, Hans: In Kontroversen verstrickt. Vom Kulturpessimismus zum kritischen Rationalismus. Wien 2007
- Baumgarten, Eduard: Max Weber - Werk und Person. Tübingen 1964
- Poliakov, Leon; Wulf, Joseph: Das Dritte Reich und seine Denker. arain Verlag, Berlin-Grunewald 1959
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- Freregger, Sandra Yvonne: Nietzsches Handexemplar von Emersons "Versuchen" - Annotationen, Exzerpte, Philologie. In: Nietzsche als Leser. Hrsg. von H-P. Anschütz, u.a. Gruyter, Berlin, Boston 2021 (G-Bücher)