In diesem Blogbeitrag sollen Fotografien Erich Ludendorffs aus dem Jahr 1915 zusammen gestellt werden. Künftig werden die hier auf dem Blog in verschiedenen Beiträgen gesammelten Fotografien noch in konkreteren Bezug zu setzen sein zum jeweiligen Kriegsverlauf und den sonstigen historischen Zusammenhängen, in denen sie entstanden sind. Sie sollten also möglichst genau nach Datum und Örtlichkeit eingeordnet und erläutert werden.
Am 2. Januar 1915 schrieb Erich Ludendorff vom Schloß in Posen an den Generalfeldmarschall von Moltke, den Jüngeren, der nach seiner Ersetzung durch von Falkenhayn in Berlin im Ruhestand lebte (1, S. 199f):
Ich habe zu meinem großen Schmerz gestern zu Euer Exzellenz nicht kommen können. Ich war bis 3 Uhr festgehalten und musste dann zu meiner schwer leidenden Frau nach Schlachtensee hinaus, um endlich auch mit dem Arzt sprechen zu können. Um 7 Uhr Abend verließ ich Berlin, um noch rechtzeitig hier zu sein. Ich darf Euer Exzellenz von Herzen wünschen, daß Euer Exzellenz sich wieder zur vollen Geltendmachung durchringen. Der Herr v. Falkenhayn ist ein Unglück für uns, er ist ein Spieler sein Leben lang gewesen und kennt nur seinen Ehrgeiz, nicht das Vaterland. ich kann Euer Exzellenz versichern, daß ich und mit mir viele Andere mit Euer Exzellenz mitfühlen aus vollem dankbaren Herzen. Ich verstehe den General von Lyncker nicht, daß er den Herrn v. Falkenhayn so stützt, sieht er denn nicht die Gefahr, die dadurch entsteht, sieht er denn nicht, wie sehr er dem Kaiser schadet. Der Reichskanzler weiß das alles und er tut nichts. Wer soll denn handeln, wenn es nicht der verantwortliche Mann macht. Ich höre so viele Stimmen aus der Armee, keiner hat Vertrauen zu diesem Mann, der uns nach Ypern geführt hat. Exzellenz kennen mein Empfinden, ich kann hassen und diesen Mann hasse ich.
Die Besprechung gestern in Berlin sollte eine Vereinbarung unserer nächsten Operationen darstellen. Viel ist nicht herausgekommen.
Im Brief an denselben vom 9. Januar meldet er ihm, daß er zum Chef der Südarmee ernannt worden ist und in die Karpaten abreist. In den folgenden Briefen äußert Ludendorff sich immer wieder ganz abfällig über die österreichischen Generäle und Offiziere, auch über von Conrad:
Er ist ein gelehrter Offizier, kein großer Mann.
Oder:
Zudem verachte ich unsere Bundesgenossen vom Grund meiner Seele aus.
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| Abb. 1: Aus "Illustrierte Zeitung", Januar 1916 |
Mitte Februar 1915 - Das Hauptquartier wechselt nach Lötzen
Erich Ludendorff schreibt (1, S. 105):
Das Hauptquartier befand sich seit Mitte Februar in Lötzen. Für mich waren es bis Anfang April schwere Tage gewesen. Die Hoffnungen, die ich auf eine unmittelbare strategische Ausnutzung der Winterschlacht gehegt hatte, mußte ich beiseite legen. (...) Der Entscheidung gegen Rußland, und auf die kam es mir in meinem innersten Denken und Fühlen zunächst an, hatten wir uns aber doch nur um einen Schritt genähert. (...) Die einzelnen taktischen Lagen hatten meine volle seelische Spannkraft gefordert. Es läßt sich nicht alles auf dem Papier niederschreiben, das stolze Hoffen, das Zagen des Herzens, die Enttäuschung, das Durchringen zum Entschluß, Mißmut über dies und jenes. Es lassen sich nicht die Reibungen schildern, die in vielen Fällen zu überwinden waren, auch nicht das wiedergeben, was ich für die Truppen empfand, die bei ungünstigster Witterung die Anstrengungen des Winterfeldzuges zu ertragen hatten. Später erlebte ich in Lötzen bessere Tage. Unser Quartier und die Geschäftszimmer waren eng, ich habe mich aber in ihnen wohlgefühlt. Gern denke ich an jene Zeit in dem freundlichen ostpreußischen Städtchen zurück.
Wir lesen in einem Bericht der Preußischen Allgemeinen Zeitung von 2025 (PAZ2025):
Die Stadt Lötzen und der Raum um Rhein sowie Stürlack waren während der Kämpfe von den Russen zwar nicht besetzt, zeitweilig aber belagert worden, so daß man hier eine der wenigen unzerstörten größeren Ortschaften vorfand. Bereits Anfang Februar hatte man das Hauptquartier von Posen nach Insterburg verlegt, nach Beendigung der Kämpfe am 22. Februar nahm es schließlich in Lötzen seinen Sitz, wo es nunmehr acht Monate lang bleiben sollte.Daniel Jacob, Kaufmann, Hoflieferant sowie Mitglied des Lötzener Magistrats, stellte dafür sein Geschäftshaus in der Lycker Straße 4 zur Verfügung. Im Erdgeschoß desselben war die Fernsprech- und Telegraphenzentrale, das große Danziger Zimmer im ersten Stock diente Hindenburg, Ludendorff und den Generalstabsoffizieren als Arbeitsplatz, und im zweiten Stock lagen die Diensträume der Adjutanten. Als Wohnsitz für Hindenburg und Ludendorff überließ Notar Max Hardwig ihnen seine Villa in der Bahnhofstraße. Die Offiziere des Stabes brachte man verstreut in verschiedenen Privathäusern der Stadt unter, die Mahlzeiten wurden im Hotel Kaiserhof eingenommen.Während der acht Monate kamen zahlreiche prominente Besucher in die Stadt, darunter Angehörige des deutschen Kaiserhauses und des Hochadels. Kaiser Wilhelm II. hatte bereits am 13. Februar 1915 in Begleitung Hindenburgs die Stadt besucht, um sich ein Bild vom Fortschritt der Operationen im Rahmen der Winterschlacht in Masuren zu machen. (...)Von Lötzen aus wurde dann die Sommeroffensive 1915 im Osten geplant, die zwischen Juni und Ende September des Jahres zu erheblichen Geländegewinnen in Russisch-Polen, Litauen und Kurland führte und damit den Rückzug der russischen Armee erzwang. Am 5. August fiel Warschau, am 18. August wurde Kowno erobert und am 18. September Wilna eingenommen. Nach diesen Erfolgen verließen Hindenburg und Ludendorff mit dem Generalstab am 20. Oktober 1915 Lötzen und verlegten ihr Hauptquartier in die verlassene Festung Kauen (Kowno). In den während des Krieges zerstörten Dörfern im Umfeld von Lötzen aber begann nun der Wiederaufbau.Die Villa Hardwig in der Bahnhofstraße, die Hindenburg und Ludendorff als Wohnsitz gedient hatte, wurde kurz darauf vom Kreis Lötzen angekauft und als „Hindenburg-Ludendorff-Haus“ in ein Museum umgewandelt.
Wie schon im ersten Beitrag zu 1914 gesagt, kamen nicht nur Portraitmaler in Hindenburgs und Ludendorffs Hauptquartier im Osten (2), sondern auch Fotografen.
| Abb. 2: "Ludendorff - Chef des Generalstabes der Ostarmee" (Postkarte, wohl Sommer 1915) |
März 1915 - Der Portrait-Fotograf Nicola Perscheid
Ein bedeutender deutscher Portrait-Fotograf der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts, der auch in den Künstlerkreisen Berlins seinen Rang als Künstler behauptete, war Nicola Perscheid (1864-1930) (Wiki). Von ihm gibt es historisch recht einflußreiche Portrait-Fotografien etwa von dem Dramatiker Gerhart Hauptmann (1914), dem Maler Max Klinger (1915) oder dem Biologen Ernst Haeckel (1918).
| Abb. 3: "Generaloberst Ludendorff im Kriegsjahr 1915 - Aufnahme von Nicola Perscheid" (wohl vor März 1915) |
Auf Wikipedia heißt es über Perscheid:
Nicola Perscheids Arbeit war bei seinen Zeitgenossen beliebt und geachtet. Er ist auch heute noch dafür bekannt, meisterhaft die Persönlichkeit der Dargestellten in seinen Bildern herausgearbeitet und so im fotografischen Männerportrait einen Höhepunkt erreicht zu haben.
Und auch Perscheid hat während des Ersten Weltkrieges bekannte deutsche Militärpersonen porträtiert. Etwa das "Fliegeraß" Manfred von Richthofen. Und dementsprechend dann "natürlich" auch Paul von Hindenburg (s. zum Beispiel Wikieanswers) und damit Erich Ludendorff.
Ungefähr im März 1915 entstand seine erste Portraitfotografie von Erich Ludendorff (DHM) (s. Abb. 3) Sie ist durch Postkarten recht gut zu datieren, die Verleger von ihnen verbreitet haben. Es gibt allerdings von dieser Fotografie sehr unterschiedliche Versionen. Perscheid scheint sie nachträglich bearbeitet und dadurch womöglich auch zu stark "stilisiert" zu haben, so daß Ludendorff darauf "steifer" und unnatürlicher wirkt als in der - vermutlich - ursprünglichen Fassung, die wir hier bringen.
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| Abb. 4: Erich Ludendorff an seinem Schreibtisch in Lötzen (in der Berliner Illustrierten Zeitung 1915) |
Die Verleger brachten auch Postkarten heraus, die Gemälde zeigten "nach" dieser Porträtfotografie ("General Ludendorff nach Originalaufnahme von N. Perscheid") (3).
Im März 1916 entstand eine zweite Portraitfotografie Erich Ludendorffs durch Nicola Perscheid (siehe nächster Blogbeitrag).
1. April 1915 - Das "österreichisch-ungarische Jammervolk"
Am 1. April 1915 schreibt Ludendorff an Generalfeldmarschall Molke d. J. (1, S. 208):Die kriegerischen Sorgen sind ja allerdings keineswegs gehoben, da Österreich immer mehr versagt und die österreichischen Generale Menschen sind, von deren Mehrzahl nur mit Verachtung gesprochen werden kann. Nicht gegen eine Überlegenheit kämpfen sie, sondern gegen eine Unterlegenheit und von dieser lassen sie sich angreifen und schlagen. (...) Ich habe überhaupt die Empfindung, daß alle unsere Stellen, auch die Diplomatie viel kräftiger mit diesem Jammervolk reden muß. (...) Weshalb sollen wir unser Schicksal mit diesem sterbenden Mann vereinigen. Von dem Hochmut und der Unfähigkeit macht man sich keinen Begriff und ich glaube nicht, daß Österreich-Ungarn je wieder ein Machtfaktor wird.Am selben Tag schreibt er an Arthur Zimmermann (1, S. 210):
Die österreichische Truppe leistet keinen Widerstand oder richtiger der österreichische Reserveoffizier und das sind 60 bis 70 % schlägt sich nicht und läßt die Truppe im Stich. (...) Eine tiefe Erbitterung ist im Ostheer gegen die Österreicher und kann eine rücksichtsvolle Behandlung dieses Jammervolkes - verzeihen Sie den Ausdruck - nicht verstehen. (...) Ich habe da einen zu tiefen Blick in die österreichisch-ungarische vaterlandslose Verkommenheit getan. Ein Volk, das keinen Staatsgedanken hat, das den Begriff Vaterland nicht kennt, das richtet sich nicht auf, das ist verloren. (...) Den unberufenen Ratgeber spiele ich ungern, aber der tiefe leidenschaftliche Hass gegen dieses Jammervolk, die Liebe zum eigenen Lande läßt schließlich doch alle Bedenken zurücktreten.
Der Autor dieser Zeilen hat einen Großvater, der eben ein solcher österreichischer Reserveoffizier war. Nördlich von Lemberg hat er schon am 28. August 1914 eine Fußverletzung erlitten, aufgrund deren er bis 1918 nicht mehr zu ernsthaften Kriegseinsätzen kam (Stgr2014). Falls er solche oder ähnliche Zeilen je sollte gelesen haben, wird er sie mit sehr gemischten Gefühlen gelesen haben. Er wird ihnen zugestimmt haben - aber mit traurigem Herzen.
| Abb. 5: Hindenburg und Ludendorff auf dem Bahnhof in Lötzen in Erwartung eines Besuchers ihres Hauptquartiers (veröffentlicht in Illustrierte am 16. März 1915) |
Auf der Abbildung 2 steht Erich Ludendorff als "Chef des Generalstabes der Ostarmee" noch sehr jugendlich wirkend und verwegen in der Landschaft Ostpreußens oder Litauens (vermutlich in Kowno, wohin er von Herbst 1915 bis Hochsommer 1916 "abgeschoben" war [1, S. 178ff]). In Abb. 4 sitzt Erich Ludendorff an seinem Schreibtisch in Lötzen in Ostpreußen. Abb. 5 zeigt Erich Ludendorff beim Empfang von Besuchern des Hauptquartiers in Lötzen in Ostpreußen auf dem Bahnsteig in Lötzen.
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| Abb. 6: Ludendorff und Hoffmann (Wiki), 1915 oder 1916 |
Abb. 6 zeigt Erich Ludendorff zusammen mit seinem engsten Mitarbeiter im Osten, Max Hoffmann, der ab 30. August 1916 dort auch auf Vorschlag Ludendorffs dessen Nachfolge antrat.
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| Abb. 7: "Wo die deutschen Siege entworfen werden: Der Generalstab im Osten beim Kartenstudium" (In: Die Wochenschau, 3.7.1915) |
Abb. 7 zeigt einen Blick in den Kartenraum des Hauptquartiers im Osten, ganz links Erich Ludendorff. Eine wichtige Rolle spielten auch die Telegrafen, bzw. Telefone, die im Raum verteilt sind.
2. Juli 1915 - Besprechung in Posen - "Zusehen wie gewurstelt wird mit des Volkes Kraft"
Erich Ludendorff plante eine Umfassungs- und Vernichtungsschlacht gegen die Russen, die in Polen standen. Um diesen Plan zu besprechen, kamen der Kaiser und Generalfeldmarschall von Falkenhayn nach Posen (5, S. 164f). Erich Ludendorff berichtet darüber in seinen Lebenserinnerungen aus Anlass des Besuches von Lötzen im Herbst 1927 (7, S. 111f):
Wir fuhren durch die Straßen von Lötzen und an dem Hause vorbei, in dem vom Februar 1915, d. h. nach der Winterschlacht in Masuren, bis nach der Einnahme von Kowno unser Hauptquartier gewesen war. Es war natürlich, daß auch hier viele Erinnerungen blitzartig durch mein Gedächtnis zogen; vor allem weilte es bei dem ernsten Tage, den ich während der Lötzener Zeit verleben mußte. Es war dies der 2. 7. 1915 im Schloß in Posen. Hier wollte der Oberste Kriegsherr entscheiden, ob die Operation, die General v. Falkenhayn zur Fortführung der Kriegshandlung im Osten vorgeschlagen hatte, ein frontales Bedrängen der ins Wanken geratenen Front oder meine Absichten durchgeführt würden: Angriff mit dem Schwerpunkt auf und nördlich Kowno in Richtung Wilna und dann gleichzeitigem frontalen Nachdrängen weiter südlich. Der Generalfeldmarschall, der meine Ansichten vorgetragen hatte, wich indes vor den ersten Einwendungen des Kaisers zurück und meinte, welche Operation gewählt würde, wäre Gefühlssache. Der Kaiser entschied darauf natürlich für die Operation des Generals v. Falkenhayn. Zwischen mir und Generalfeldmarschall v. Hindenburg war durch sein Versagen eine ernste Spannung eingetreten. Sie glättete sich erst allmählich, nachdem ich auch die Versicherung erhalten hatte, ein solcher Vorfall würde sich nicht wiederholen.
Ludendorff schrieb noch eineinhalb Monate später, am 15. August, an Moltke d. J. (1, S. 219):
Ich schrieb nicht, weil zu viel Bitterkeit, zu viel Gift in mir aufgespeichert waren, allerdings auch noch sind. Wir wollten hier eine große Operation von Kowno herunter, um Russen tödlich zu treffen. Alles war eingeleitet, ein Teil der Truppen schon an Ort und Stelle, da kam der Befehl zur Bildung einer neuen Narewstoßgruppe und eine Zusammenkunft in Posen. (...) 8 Divisionen wollte ich haben, einige von der 9. Armee als Warschau gefallen war, einige von Mackensen, der so eng steht, daß er seine Kraft nicht verwerten kann, alles jedes wurde abgeschlagen. Wir sollen nur keinen Erfolg haben, mag sonst alles in die Brüche gehen. Mit schwachen Kräften griffen wir trotzdem Kowno an und operierten gewagt in Kurland. Sind aber zu schwach gelassen, um wirklich etwas zu machen. (...) Euer Exzellenz werden eine solche Operation von mir erwartet haben, vielleicht auch die Welt. Daß wegen Schuld anderer mein Ruf leiden muß, ist schwer für mich. Denn mein guter Name, das ist das einzige, das ich mir nehmen will, wenn Friede ist. (...) Zusehen zu müssen, wie gewurstelt wird mit des Volkes Kraft, das ist unendlich schwer.
Erich Ludendorff schreibt dann über sein betont sorgfältiges Ausführen der Befehle der Obersten Heeresleitung.
August 1915 - Warschau und Nowo Georgiewsk erobert
Auch wenn er dies Zurückdrängen für "Wursteln" hielt, weil es sich um ein bloß frontales Zurückdrängen der russischen Armeen handelte.
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| Abb. 8: "Im eroberten Nowo Grodiesk - Der Kaiser besichtigt die eroberten Gechütze" |
Er erläutert damit zugleich auch das damals entstandene Gemälde des Historien- und Schlachtenmalers Erst Zimmer (Bamberg) "Der Kaiser verleiht den Helden von Nowo Georgiewsk das Eiserne Kreuz" (1, S. 119-121):
Die 9. Armee besetzte am 5. August die Hauptstadt Polens. Die Armee schied aus unserem Befehlsbereich aus und trat unmittelbar unter die Oberste Heeresleitung. (...) Für mich erwuchs hieraus keine Vereinfachung. (...) Die Einnahme von Warschau erfüllte uns mit besonderer Genugtuung. Hatten wir doch im Herbste 1914 schwer darum gerungen. Durch jene Feldzüge war die Grundlage zu den jetzigen Erfolgen gelegt, für die die Besetzung Warschaus das äußere Wahrzeichen bildete. (...) Inzwischen waren Serotzk und Segershe, auch Dombe gefallen, die Einschließung von Nowo Georgiewsk auf allen Seiten beendet. General v. Beseler war vom Generalfeldmarschall mit der Einnahme der Festung betraut worden. Die von der 9. und 12. Armee vor Nowo Georgiewsk eingesetzten Truppen wurden ihm unterstellt. Auch erhielt er eine größere Zahl schwerster österreichisch-ungarischer Steilfeuergeschütze. Die Weisungen für die Wegnahme von Nowo Georgiewsk, die einheitliche Leitung der 8. und 10. Armee, der Angriff auf Kowno, die Verhältnisse in Litauen und Kurland stellten weiterhin hohe Anforderungen an meinen Stab und mich. (...) Es kamen Meinungsverschiedenheiten mit dem General v. Falkenhayn hinzu, wie sie bei selbständigen Charakteren nur zu natürlich sind, die mir aber die besondere Verpflichtung auferlegten, von den meinigen abweichende Gedanken der Obersten Heeresleitung wenn möglich mit noch größerer Sorgfalt zur Tat umzusetzen, als übereinstimmende oder eigene.
Die Wegnahme von Nowo Georgiewsk berührte die Fortsetzung der Operationen nicht unmittelbar. Sie war eine Handlung für sich im Rücken der nach Osten vordrängenden Armeen. General v. Beseler, der Bezwinger Antwerpens, und sein überaus tatkräftiger Chef, Oberst v. Sauberzweig, bürgten dafür, daß jeder Gedanke an eine sogenannten Belagerung mit allen ihren Umständlichkeiten abgewiesen wurde. Schon eine Einschließung hätte Nowo Georgiewsk zu Fall gebracht. Die 80.000 Mann Kriegsbesatzung der Festung konnten sich nicht lange behaupten. Es ist erstaunlich, daß der Großfürst es hierauf ankommen ließ, während später Brest-Litwosk und Grodno aufgegeben wurden. Er mußte sich sagen, daß die Festung nicht zu halten und der Zustand der Werke wirklich nicht ausreichend war, schwerem Steilfeuer zu widerstehen. (...) Unsere Truppen, die im wesentlichen nur aus Landsturm und Landwehr bestanden, faßten fest zu; Nowo Georgiewsk fiel am 19. August. Seine Majestät der Kaiser besichtigte gleich darauf die Festung und dankte den Truppen. Der Generalfeldmarschall und ich waren dazu befohlen. Ich konnte mich von der verheerenden Wirkung der schweren Artillerie ebenso überzeugen, wie von der schlechten Bauart der Werke. (...) Das russische Generalgouvernement Polen war Ende August ganz in den Händen der Verbündeten. (...) Es entstand das deutsche Generalgouvernement Warschau. (...) Nowo Georgiewsk wird vielleicht die letzte Gürtelfestung gewesen sein, die nach einer Einschließung genommen wurde. Nicht daß ich an Abrüstung glaube. Über diesen Wahn wird die Welt recht bald belehrt werden.In der Tat. Ludendorff sollte nur zu recht behalten bezüglich dieser Worte, die er in der ersten Jahreshälfte 1919 nieder schrieb. Und weiter:
Die Menschheit kommt, man mag dies bedauern, nie dahin. Aber die Zeit der Gürtelfestungen ist vorüber. Sie kann der modernen Artillerie und deren ungeheuren Munitionsmengen Gleichwertiges nicht entgegenstellen und muß erliegen. Landesbefestigungen werden nötig bleiben, sie werden aber mehr den Charakter lang ausgedehnter Grenzstellungen tragen.Über die Belagerung von Nowo-Georgiewsk gibt es auch einen eigenen Wikipedia-Artikel (Wiki). Der Kaiser telegrafierte damals an den Reichskanzler Bethmann-Hollweg:
Dank dem gnädigen Beistand Gottes und der bewährten Führung des Eroberers von Antwerpen, Generals v. Beseler, sowie der heldenhaften Tapferkeit unserer prächtigen Truppen und der vortrefflichen deutschen und österreichisch-ungarischen Belagerungsarmee ist die stärkste und modernste russische Festung, Nowo-Georgiewsk, unser. Tief ergriffen habe ich eben Meinen braven Truppen Meinen Dank ausgesprochen, sie waren in prachtvoller Stimmung. Eiserne Kreuze ausgeteilt. Alles Landwehr und Landsturm. Es ist eine der schönsten Waffentaten der Armee. Die Zitadelle brennt, lange Kolonnen Gefangener begegneten Mir auf Hin- und Rückfahrt. Dörfer meist von Russen auf Rückzug total zerstört. Es war ein erhabener Tag, für den ich in Demut Gott danke.Wie deutlich wurde, dachte Erich Ludendorff über dieses zwar - äußerlich erfolgreiche - "Wursteln" anders. Er sah nur, daß die russische Armee durch solche Erfolge eben immer noch nicht vernichtet und Rußland nicht friedenswillig war. Und das angesichts des schweren Ringen mit Frankreich und England an der Westfront. Das Gemälde von Ernst Zimmer findet sich auch auf dem Wikipedia-Artikel "Liste von Gemälden und Grafiken zum Ersten Weltkrieg" (Wiki). Über Ernst Zimmer (1864-1924) ist zu erfahren (AntikBayreuth):
Ernst Zimmer erlangte als Deutscher Schlachtenmaler des 1. Weltkrieges große Berühmtheit.
Seine Bilder muten allerdings ein wenig kitschig an und gehören für uns eher in die Kategorie "Kunst, Kitsch und Krempel", eine Kategorie, die aber nichtsdestotrotz für die öffentliche Wahrnehmung Erich Ludendorffs von Seiten der Zeitgenossen keineswegs vernachlässigt werden darf. Zumal für historische Vorgänge, von denen es sonst nur wenig überlieferten Fotografien zu geben scheint. Von der Einnahme von Nowo Georgiewsk wurden aber sogar Filmaufnahmen angefertigt und vorgeführt (Yt).
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| Abb. 9: Ernst Zimmer: "Der Kaiser verleiht den Helden von Nowo-Georgiewsk das Eiserne Kreuz" (19. August 1915) |
Unter den zahlreichen Fotografien der eroberten Festung hat sich auch eine erhalten "Kaiser besichtigt eroberte Geschütze". Man darf annehmen, daß sich auf dem Foto in Begleitung des Kaisers auch Hindenburg und Ludendorff befunden haben werden neben dem General von Beseler.
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| Abb. 10: Prof. Anton Hoffmann - "Der Kaiser in Nowo-Georgiewsk" |
Auch der Münchner Militärmaler Anton Hoffmann (1863-1938) (Wiki, GermanArtGallery) wohnte der Szene bei.
August 1915
Die folgende Fotografie entstand offenbar in Lötzen.
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| Abb. 11: Das Hauptquartier des Oberbefehlshabers Ost, in: Illustrirte Zeitung, Leipzig, 19. August 1915 (Wiki) |
Auf ihr sind abgebildet von links nach rechts (lt. Wiki): Rittmeiser Steinicke, Hauptmann v. Waldow, Hauptmann Drück, Hauptmann Hofmann, Major v. Baehr, Generalleutnant Ludendorff, Major Caemmerer, Generalfeldmarschall v. Hindenburg, Rittmeister de la Croix, Oberstleutnant Hoffmann, Oberstleutnant Rostock, Major v. Bockelberg, Rittmeister Freiherr v. Maltzahn, Prinz Joachim v. Preußen (der als Einziger die Uniform richtig trägt)
| Abb. 12: "Generallt. Ludendorff - Chef d. Gen.St. O.B.O. (Hindenburg)" (undatiert, 1915 oder 1916) (Herkunft: Ebay 4/2014) |
Abb. 12 zeigt den Generalleutnant Ludendorff als "Chef des Generalstabes des Oberbefehlshabers Ost (Hindenburg)" noch einmal recht jugendlich und verwegen wohl auf einem Gutshof stehen. Vielleicht auch in Kowno. Im Hintergrund sind wohl einquartierte Soldaten zu sehen. Die genauere Einordnung solcher Fotografien nach Örtlichkeit und Datum wird wohl am leichtesten über die Durchsicht von damaligen Illustrierten möglich sein.
Ab 21. Oktober 1915 in Kowno
Erich Ludendorff schreibt in seinen Kriegserinnerungen (1, S. 138f; s.a. 5, S. 191):Um im Lande und den Armeen näher zu sein, gingen wir Ende Oktober nach Kowno. Der Generalfeldmarschall, die Herren des Generalstabes und ich fanden Unterkunft in zwei Villen, die Herrn Tillmanns gehörten, einem Deutschen, dessen Familienname unter den Deutschen Rußlands einen guten Klang hatte. Er selbst war seit Beginn des Krieges in Deutschland. Der Generalfeldmarschall, Oberst Hoffmann und ich wohnten zusammen in der einen Villa. In ihr aß auch der engere Stab. Ich habe viele Stunden in diesem Hause verlebt, es steht fest in meinem Gedächtnis. Die Geschäftszimmer des Stabes waren in dem Militärgouvernementsgebäude. (...) Die Räume waren groß, für unsere Zwecke geeignet und in dem kommenden Winter gut heizbar.
Kowno ist der Typ einer russischen Stadt mit niedrigen, unansehnlichen Holzhäusern und verhältnismäßig breiten Straßen. Von den Höhen, die die Stadt eng umschließen, hat man einen interessanten Blick auf die Stadt und den Zusammenfluß des Njemen mit der Wilija. Jenseits des Njemen liegt der Turm eines alten deutschen Ordensschlosses als ein Zeichen deutscher Kulturarbeit im Osten. (...) Ich hörte dort auf fremder Erde zum ersten Male als Kirchenlied die schöne, alte Weise:
Ich hab mich ergeben
mit Herz und mit Hand
Dir Land voll Lieb' und Leben
mein deutsches Vaterland.
Ich war tief ergriffen. Dies Lied sollte jetzt sonntäglich in allen Kirchen gesungen werden und fest in jedes deutschen Mannes Herz eingegraben sein.
Am 12. Dezember 1915 besuchten der Kaiser und sein Sohn, Prinz Oskar, Wilna, wo eine Parade der 10. Armee abgehalten wurde.
12. Dezember 1915 - Parade der 10. Armee vor Kaiser Wilhelm II. in Wilna
Bei diesem Anlass entstand eine Fotografie, die sich in der Fotosammlung des Kaisers Wilhelm II. im Haus Doorn findet. Auf dieser Fotografie sind zu sehen "Prinz Oskar, Exzellenz Wegner, Exzellenz von Müller und General Ludendorff".
| Abb. 13: Generalleutnant Ludendorff (E. Hoenisch, Hofphotograph, Leipzig) |
Eine weitere Portraitfotografie aus dem Jahr 1915 stammt von dem Hoffotografen E. Hoenisch aus Leipzig (s. Abb.). Im Vergleich zu den Folgejahren gibt es Fotografien von Erich Ludendorff aus dem Jahr 1915 nicht sehr viele. Die bildliche Darstellung Ludendorffs (und Hindenburgs) erfolgte im Jahr 1915 in der deutschen Öffentlichkeit in wohl mindestens gleicher Wertigkeit über volkstümliche Darstellungen, die hier auf dem Blog schon in einem anderen Beitrag gesammelt worden sind (3).
- Zechlin, Egmont: Ludendorff im Jahre 1915. Unveröffentlichte Briefe. In: ders.: Krieg und Kriegsrisiko. Düsseldorf 1979, S. 192ff
- Pyta, Wolfram: Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler. Siedler-Verlag, München 2007
- Bading, Ingo: Künstler porträtieren Erich Ludendorff. Studiengruppe Naturalismus, 2012, http://studiengruppe.blogspot.com/2012/01/kunstler-portratieren-erich-ludendorff.html
- Bading, Ingo: Ludendorff-Verehrung zwischen "Kunst, Kitsch und Krempel". Studiengruppe Naturalismus, 10.3.2013, http://studiengruppe.blogspot.com/2013/03/ludendorff-verehrung-im-bereich-von.html
- Ludendorff, Erich: Meine Kriegserinnerungen 1914 - 1918. Verlag Mittler & Sohn, Berlin 1919
- Nebelin, Manfred: Ludendorff - Diktator im Ersten Weltkrieg. Siedler-Verlag, Berlin 2010
- Ludendorff, Erich: Vom Feldherrn zum Weltrevolutionär und Wegbereiter Deutscher Volkschöpfung. Meine Lebenserinnerungen, Bd. II, 1926 bis 1933. Verlag Hohe Warte, Stuttgart 1951








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