Erörterungen in Reserveoffiziers-Kreisen im Jahr 1935
- Über Ludendorffs Buch "Der totale Krieg"
Im Jahr 1935 erschien das Buch von Erich Ludendorff "Der totale Krieg" (1). Im August 2017 wurde ein 19-seitiges Schreibmaschinen-Manuskript auf Ebay zum Verkauf angeboten, in dem ein Vortrag über dieses Buch enthalten ist. Über die Herkunft des Manuskriptes ist lediglich zu erfahren ("keilsrieder" / Ebay 8/2017):
- Über Ludendorffs Buch "Der totale Krieg"
Im Jahr 1935 erschien das Buch von Erich Ludendorff "Der totale Krieg" (1). Im August 2017 wurde ein 19-seitiges Schreibmaschinen-Manuskript auf Ebay zum Verkauf angeboten, in dem ein Vortrag über dieses Buch enthalten ist. Über die Herkunft des Manuskriptes ist lediglich zu erfahren ("keilsrieder" / Ebay 8/2017):
"Der Brief wurde in einem staubspurigen alten Umschlag ohne Bezeichnung bei einem Berliner Trödler vor vielen Jahren gefunden, inliegend fand sich die kleine Photographie."
Die Fotografie stellt einen Wehrmachtoffizier zu Pferde dar (im Hintergrund zwei andere uniformierte Reiter) und war umseitig beschrieben mit:
"1940 Hannover Eilenriede"
Der Wehrmachtoffizier zu Pferde, der der Empfänger des Manuskriptes gewesen sein könnte, und der auch handschriftlich mit Bleistift seine Kommentare dazu geschrieben haben könnte, ist in den Unterlagen namentlich nicht benannt. Ebenso wenig ist der Verfasser des Manuskriptes bekannt. Die Eilenriede ist ein Wald- und Auengebiet innerhalb der Stadt Hannover.
Abb. 1: Rückseitig beschriftet: "1940 Hannover Eilenriede" |
"Meine lieben Kameraden!"
Abb. 2: Manuskript, 1935, Seite 1 |
"einmal wirklich wieder Soldatentum in reinster Form"erlebbar machen wie es im ersten Absatz heißt. Man kann sich schwer vorstellen, daß solche Worte von einem aktiven Offizier gesagt worden sein könnten. Deshalb könnte der Vortrag auf einem Ehemaligen-Treffen von Offizieren des Ersten Weltkrieges gehalten worden sein. Er könnte auch im Rahmen einer Reservisten-Kameradschaft gehalten worden sein.
Der Empfänger könnte 1940 auf der beiliegenden Fotografie als Reserveoffizier dargestellt sein, der inzwischen wieder zum Kriegsdienst eingezogen worden war (wie es ja mit vielen Teilnehmern des Ersten Weltkrieges geschah).
Am Ende des Manuskriptes wird auf den damaligen Abessinien-Krieg Italiens Bezug genommen, womit das Manuskript sehr gut in das Jahr 1935 datiert werden kann.
Auf den 19 Seiten wird der Inhalt des Buches "Der totale Krieg" - soweit übersehbar - sehr angemessen und mit der für einen Ludendorff-Anhänger und Offizier angemessenen Dringlichkeit und dem angemessenen Ernst dargestellt. Erich Ludendorff hätte sicher Grund gehabt, sich über dieses Vortragsmanuskript zu freuen, wäre es ihm zur Kenntnis gelangt.
Allerdings stößt das Manuskript beim Empfänger laut dessen Anmerkungen auf zeittypisches Unverständnis. Auf Seite 10, auf der von der Notwendigkeit seelischer Geschlossenheit des Volkes die Rede ist, beruhend auf einer modernen Philosophie wie derjenigen von Mathilde Ludendorff, schreibt der Empfänger an den Rand:
Darauf bezugnehmend schreibt der Empfänger darunter wohl im zeittypischen schnoddrigen Reserveoffizierston:
Man bekommt hiermit einen kleinen Eindruck von Erörterungen wie sie in Kreisen von Reserveoffizieren der deutschen Wehrmacht im Jahr 1935 geführt werden konnten, wenn sich ein Ludendorff-Anhänger in diesen zu Wort meldete. Der Frage nachzugehen, wie weit verbreitet und vor allem auch begründet die Meinung war, Ludendorff hätte, wenn er wirklich Staatsmann gewesen wäre, 1916 zum Frieden kommen müssen, wäre einem eigenen Beitrag vorzubehalten. Sollte damit gemeint sein, daß er dafür auf den uneingeschränkten U-Bootkrieg hätte verzichten müssen, der in jenem Jahr eines der großen politischen Themen war, könnte man den Empfänger dieses Briefes als einen Menschen ansprechen, der zumindest bis 1933 eher christlich-liberalen politischen Ansichten zugeneigt haben wird.
Immerhin zeigt sich hier die Stimmung gegenüber Ludendorff, nach dem Tod Hindenburgs, und nachdem am 9. April 1935 von der Wehrmachtführung (Blomberg, Fritsch, Beck) der siebzigste Geburtstag Erich Ludendorffs unter Einwilligung desselben öffentlich sehr stark herausgestellt und gefeiert worden war. Völliges Ignorieren und verächtliches Abtun der Standpunkte Ludendorffs war nun sicher weniger häufig die Reaktion in Offiziers- und Reserveoffizierskreisen.
Als Staatsmann hätte Ludendorff 1916 zum Frieden kommen müssen
Abb. 3: Manuskript 1935, S. 10 |
"Das gemeinsame Christentum ist aber auch eine Geschlossenheit, während durch Schaffung einer neuen Religion oder Hervorholen der alten wieder ein Zwiespalt geschaffen wird. Der 30-jährige Krieg beweist dies leider!"Schon der Inhalt dieser Worte legt nahe, daß sie tatsächlich noch im Jahr 1935 niedergeschrieben worden sind. Denn schon in den nächsten Jahren hatte nicht nur dieser Empfänger ausreichend Gelegenheit zu erkennen, daß das Christentum damals keineswegs mehr zur Geschlossenheit im Volk beitrug. Nahm doch der damalige "Kirchenkampf" zwischen Bekennender Kirche einerseits und Deutschen Christen andererseits so groteske Züge an, daß ab 1935 bis 1940 und mit jedem Jahr anwachsend die größte Kirchenaustrittsbewegung in Deutschland vor 1968 entstanden war. Somit darf man davon ausgehen, daß der Empfänger dieses Briefes so unbedarft auf die Inhalte des Vortrages schon im Jahr 1937 nicht mehr wird haben reagieren können. Im letzten Satz des Manuskriptes auf Seite 19 wird gesagt, wenn das deutsche Volk auf Ludendorff hören würde, würde
"der Deutsche Feldherr nicht für das deutsche Volk zu schade sein".
Abb. 4: Manuskript 1935, S. 19 |
"Der Staatsmann und Feldherr ist nie zu schade, wenn er sein Volk liebt und für es lebt und arbeitet, sonst kann er ja auch nach China gehen! Dieser Vortrag ist lediglich eine dürftige Besprechung des zwar problematischen aber ungelösten Bildes von Ludendorff, der zwar ein überragender Soldat aber kein Staatsmann war, sonst hätte er 1916 zum damals möglichen Frieden kommen müssen!"Dahinter stehen Initialen, womöglich "PF".
Man bekommt hiermit einen kleinen Eindruck von Erörterungen wie sie in Kreisen von Reserveoffizieren der deutschen Wehrmacht im Jahr 1935 geführt werden konnten, wenn sich ein Ludendorff-Anhänger in diesen zu Wort meldete. Der Frage nachzugehen, wie weit verbreitet und vor allem auch begründet die Meinung war, Ludendorff hätte, wenn er wirklich Staatsmann gewesen wäre, 1916 zum Frieden kommen müssen, wäre einem eigenen Beitrag vorzubehalten. Sollte damit gemeint sein, daß er dafür auf den uneingeschränkten U-Bootkrieg hätte verzichten müssen, der in jenem Jahr eines der großen politischen Themen war, könnte man den Empfänger dieses Briefes als einen Menschen ansprechen, der zumindest bis 1933 eher christlich-liberalen politischen Ansichten zugeneigt haben wird.
Immerhin zeigt sich hier die Stimmung gegenüber Ludendorff, nach dem Tod Hindenburgs, und nachdem am 9. April 1935 von der Wehrmachtführung (Blomberg, Fritsch, Beck) der siebzigste Geburtstag Erich Ludendorffs unter Einwilligung desselben öffentlich sehr stark herausgestellt und gefeiert worden war. Völliges Ignorieren und verächtliches Abtun der Standpunkte Ludendorffs war nun sicher weniger häufig die Reaktion in Offiziers- und Reserveoffizierskreisen.
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- Ludendorff, Erich: Der totale Krieg. Ludendorffs Verlag, München 1935 (130 S.)
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