Samstag, 12. Oktober 2019

"Der Starke ist am mächtigsten allein." - Erich Ludendorff im Dritten Reich

Er war im November 1934 Ansprechpartner "stiller Opposition".
Ein vormals angesehener "Mainstream"-Journalist bat Ludendorff um Mitarbeit - und erhielt eine Absage.

Der einflußreiche deutsche Journalist Fritz Klein sr. (1895-1936) (Wiki) positionierte sich nach 1933 als zurückhaltender, konservativer Kritiker des Dritten Reiches. Bis 1933 war er gut vernetzt gewesen in jene konservativen Eliten der Weimarer Republik, die die Machtergreifung Hitlers wünschten und förderten. In diesem Rahmen hatte er das auch selbst getan. Fritz Klein war Mitglied des Deutschen Herrenclubs und des Rotary Clubs. Aufgrund seiner verhalten kritischen Einstellung verlor er seine Stelle als Chefredakteur der vielgelesenen "Deutschen Allgemeinen Zeitung" (Wiki):
Am 3. Oktober 1933 gründete Fritz Klein zusammen mit Paul Fechter (1880–1958) die Wochenzeitschrift "Deutsche Zukunft" (DZ), deren erste Nummer am 15. Oktober 1933 erschien. In wirtschaftlicher Hinsicht führte die berufliche Veränderung zu finanziellen Problemen. Obschon kaum mehr kritisch in ihren Artikeln, gelang es der Zeitschrift, von manchen Lesern als eine Art stille Opposition wahrgenommen zu werden.
Fritz Klein kam 1936 mit 41 Jahren bei einem Reitunfall ums Leben (4):
Kurz nach seiner Einberufung zu einer militärischen Übung starb Fritz Klein in Liegnitz nach einem Reitunfall, was Anlaß zu Spekulationen gegeben hat, er sei als Gegner des Nationalsozialismus ums Leben gebracht worden.
Abb. 1: 1936 veröffentlicht
Klein hinterließ vier minderjährige Kinder, von denen zwei in die Pflegefamilie eines Sozialdemokraten gegeben wurden. Der Sohn Fritz Klein jr. (1924-2011) (Wiki) wurde nach 1945 marxistischer Historiker und "Informeller Mitarbeiter" der Staatssicherheit in der DDR. Nach dem Tod des Sohnes im Jahr 2011 gab die Familie die Nachlässe beider an die "Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften", wo sie in einem von der "Deutschen Forschungsgemeinschaft" finanzierten Projekt ab 2013 digitalisiert worden sind. Unter den Digitalisaten findet sich ein Schreiben der "Deutschen Zukunft" vom 20. November 1934 an Erich Ludendorff (Archivesportaleurope):
Die Schriftleitung der "Deutschen Zukunft" erlaubt sich die ergebene Anfrage, ob Sie, sehr verehrter General, bereit wären, in unserm Blatte einmal das Wort zu ergreifen. Als Thema, dessen besondere Behandlung wir selbstverständlich ganz Ihrem Ermessen überlassen möchten, würden wir die Möglichkeiten eines künftigen europäischen Krieges in Vorschlag bringen. Wir halten es für unerläßlich, daß sich gerade in der heutigen Zeit, da das ganze Ausland von Kriegsgeschrei widerhallt, auch einer der berufenen deutschen Sachkenner dazu äußert. Da unser Leserkreis durchweg aus selbstständig denkenden Menschen besteht, glauben wir annehmen zu dürfen, daß Ihre Ausführungen auf der Tribüne der "Deutschen Zukunft" ein nachhaltigeres Echo finden würden als in der übrigen deutschen Presse.
Mit dem Schreiben wurden mehrere Nummern der "Deutschen Zukunft" übersandt. Es dürfte auch mit dem Abstand von 85 Jahren noch schwer sein zu entscheiden, ob dieses Schreiben mit irgendwelchen unausgesprochenen Hintergedanken verbunden gewesen ist - und wenn ja, mit welchen - oder ob es wirklich nur darum ging, daß ein Journalist, der an Einfluß verloren hatte, einen für die damalige Mainstream-Presse etwas ungewöhnlichen, womöglich provozierenden Autor hervor ziehen wollte. Bei Handlungen in Diktaturen wie jener, die seit 1933 bestand, bekommt auch der nachlebenden Historiker womöglich nicht besonders leicht jede Nuancierung mit, die man mitbekommen müßte, um ein Geschehen richtig einzurorden.

Erich Ludendorff behandelte Fragen der Außenpolitik und der Kriegsmöglichkeiten zu jener Zeit in seiner Zeitschrift "Der Quell" zwar gewohnt energisch, aber dennoch außerordentlich zurückhaltend. Er mußte jeder Zeit mit einem Verbot der Zeitschrift rechnen und stellte sich darauf ein. Unter solchen Umständen für ein Periodika zu schreiben, wo man die Auswirkungen des Geschriebenen noch weniger übersehen konnte als in seiner eigenen Zeitschrift, dürfte schon für sich ein zusätzliches Wagnis gewesen sein. Womöglich war es aber auch einfach nur die Absicht des Schreibens, Ludendorff, sozusagen aufs "Glatteis" zu führen, nämlich ihn dazu zu bringen, sich in den Augen der Machthaber deutlicher zu kompromittieren als er es in jener Zeit tat, wodurch der Vorwand zu noch entschiedenerem Vorgehen gegen die Öffentlichkeitsarbeit des Hauses Ludendorff gegeben wäre. Das ist aber nur Spekulation. Man darf festhalten: Auch andere sondierten ja gegenüber Erich Ludendorff in jener Zeit, etwa sein "Freund" Wilhelm Breucker (1) oder die Wehrmacht-Generalität (2).

Auf jeden Fall kann dieses Schreiben von Fritz Klein als ein weiteres Zeugnis dafür gelten, daß Erich Ludendorff während des Dritten Reiches von unterschiedlichen Kreisen als "Opposition" wahrgenommen wurde und werden konnte. Deutlich sichtbare oder subtil nuancierte Hinweise hierfür haben wir ja hier auf dem Blog schon viele zusammen getragen. Erinnert sei etwa auch an die Hoffnungen, die einige Anhänger der Freiwirtschaftsidee zeitweise auf Erich Ludendorff richteten (3). - Erich Ludendorff antwortete jedenfalls am 22. November 1934 von Tutzing aus:
Geehrter Herr Doktor!
Ich schreibe grundsätzlich für keine andere Zeitschrift, als die ich in "Ludendorffs Verlag" herausgeben lasse.
Mit Deutschem Gruß!
gez. Ludendorff
Diese Antwort könnte man als sehr kurz angebunden und wenig verbindlich empfinden. Vielleicht könnte man sie auch als einen "Schuß vor den Bug" bezeichnen, als ein Signal: "Bis hier und nicht weiter!" Erich Ludendorff - ebenso wie nach seinem Tod Mathilde Ludendorff - mußten während der Diktatur immer wieder äußerste Anstrengungen aufbieten, um sich ihren Handlungsspielraum zu erhalten und ihn bestmöglich zu erweitern, ohne sich dabei vor die Karren anderer Interessen spannen zu lassen und auch ohne sich dabei "überschlucken" zu lassen (was viele wollten) oder sich in Dinge zu "verheddern", sprich in Abhängigkeiten zu geraten, aus denen dann nur noch schwer heraus zu kommen war. Vielleicht glaubte Ludendorff sehr deutlich erkannt zu haben, daß er hier jemanden "auf den Leim" gehen sollte. Aber all das ist, solange es keine weiteren Anhaltspunkte gibt (denen man nachgehen könnte, wenn man sich ausführlicher mit dem Wirken und den Bestrebungen von Fritz Klein beschäftigen würde) Spekulation.

Immer wieder stößt man jedenfalls in unveröffentlichten Briefwechseln auf das Bemühen, die eigene Unabhängigkeit zu bewahren, sprich, "für sich zu stehen", wohl in etwa nach dem Motto von Schillers Wilhelm Tell: "Der Starke ist am mächstigsten allein."

Abb. 2: Ludendorff antwortet, November 1934

/ leicht überarbeitet;
neuer Titel und Schlußsatz:
16./17.12.2019 /
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  1. Bading, Ingo: Ein Ludendorff-"Freund" und seine Mitgefühle für Freimaurer, Hindenburg und Hitler Wilhelm Breucker und der Versuch der Gleichschaltung Erich Ludendorffs 1933/34, August 2013, https://studiengruppe.blogspot.com/2013/08/ein-ludendorff-freund-und-seine.html
  2. Bading, Ingo: April 1935 - Erich Ludendorff als Gesprächspartner des militärischen Widerstandes gegen Hitler (I), August 2012, https://studiengruppe.blogspot.com/2012/08/april-1935-erich-ludendorff-gefeiert.html
  3. Bading, Ingo: Erich Ludendorff - Er sollte sich für den Sturz von Hjalmar Schacht bei Hitler einsetzen (1937) An die Stelle von Schacht sollte Carl Friedrich Goerdeler treten, Juni 2013, https://studiengruppe.blogspot.com/2013/06/erich-ludendorff-sollte-sich-fur-den.html
  4. Gündisch, Konrad:  Nachruf auf den Historiker Fritz Klein, Siebenbürgische Zeitung, 2.7.2011, https://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/kultur/11258-nachruf-auf-den-historiker-fritz-klein.html

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