Dienstag, 13. März 2012

Ludendorffs erste Frau

Ihre Erinnerungen als historische Quelle - beispielhafte Auszüge

Die erste Frau Erich Ludendorffs, Margarethe Ludendorff (1875 - 1936), mit der er von 1909 bis 1925 verheiratet war, war schon vor dem Ersten Weltkrieg, wenn nicht sogar schon zum Zeitpunkt der Heirat mit Ludendorff drogensüchtig (1, 2). Der Quellenwert ihrer "Erinnerungen" (3) ist also wohl nur vor dem Hintergrund dieser Krankheit richtig einzuschätzen. Wie dem Artikel über Morphiumsucht in "Meyers großem Konversationslexikon" des Jahres 1905 hervorgeht (4), hat man damals die Drogensucht ganz ähnlich eingeschätzt wie noch heute etwa auf Drogen-Aufklärung.de. Auf letzterer Seite heißt es über Heroin:

Bei häufigerem Gebrauch kommt es, wie bei jeder Droge, zu zunehmender psychischer Gewöhnung (Flucht vor der Wirklichkeit des Alltags), der beim Opium allerdings eine körperliche Gewöhnung parallel läuft: Wird das Opium vorenthalten, so treten typische Entzugserscheinungen auf, die denen eines Morphinisten ähneln, aber schwächer sind.

Bereits eine vier- oder fünfmalige Wiederholung des fix (der Injektion) ruft in der Regel starke Suchtsymptome hervor. Der Körper gewöhnt sich rasch an das Gift, so daß – wie auch bei Morphium – der Süchtige bald Dosen mehr als einem Gramm benötigt, die einen normalen Menschen umbrächten.

Am Ende des Trips gilt: Sobald der Morphinspiegel im Blut und Gewebe absinkt, wird der Süchtige reizbar, verstimmt und depressiv. Anfangs kann neuerliche Alkaloidzufuhr diesen Zustand für kurze Zeit korrigieren; nach einigen Wochen fortdauernden Spitzens wird er jedoch zum Dauergefühl. Den psychischen Störungen gesellt sich der körperliche Abbau hinzu.

Intellektuelle können trotz jahrelangem Mißbrauch von Opiaten noch bedeutende wissenschaftliche und künstlerische Leistungen vollbringen. Aber die fortlaufende Untergrabung der Konzentrationskraft, Gedächtnisstörungen und schließlich psychotische Zustandsbildungen greifen auch in diesem Bereich nach einiger Zeit so massiv ein, daß eine sekundäre Verdummung häufig unvermeidlich ist.

In der Tat wirkt die Anlage der Erinnerungen von Margarethe Ludendorff "zerfahren" und bruchstückhaft, obwohl sie in ihnen ihre Morphiumsucht nirgendwo erwähnt oder auch nur andeutet. Es werden nur willkürlich ausgewählte Episoden geschildert, oftmals sehr belangloser Art. Zum Beispiel wird gar nicht erzählt, wie sie Erich Ludendorff überhaupt kennengelernt hat. Außer daß er für sie als Generalsstabsoffizier scheinbar eine glänzende Partie war.

Abb. 0: Margarethe Ludendorff (1915)

In manchen Teilen erzählt sie mehr, was sie auf Gesellschaften erzählt bekommen hat, als was sie selbst erlebt hat. Es werden "Witze" erzählt, die gar nicht so witzig sind usw.. Dabei lernt man auch den Begriff "Tableau!" kennen, der offenbar seit der Goethezeit im Deutschen als alltagssprachlicher Ausruf der Überraschung benutzt worden ist im Sinne von: "Da haben wir die Bescherung!", der aber in diesen Erinnerungen Stellen großer Plattheit kennzeichnet.

Sie behauptet von sich eine furchtlose Frau zu sein und gibt bei Selbsterlebtem das Bild einer ganz verängstigen, willensschwachen, unselbständigen Frau. "Schwachheit, dein Name ist Weib!", ist man verschiedentlich versucht auszurufen, wenn man nicht wüßte, daß diese Schwachheit wohl ganz anders motiviert ist als ausgerechnet in Weiblichkeit. Selbst die Schilderung ihrer Gefühle beim Soldatentod ihrer beiden Söhne wirkt zerfahren. Deshalb wirkt wohl auch die Rezension dieser Erinnerungen etwa durch Kurt Tucholsky (5) - und wohl in ähnlichem Sinne dann auch durch zahllose andere Literaten - reichlich deplatziert. Man muß sich sagen: Wenn man zu einer "Karrikatur Preußens" die Erinnerung einer morphiumsüchtigen, geschiedenen Frau braucht ...

Abb. 1: Margarethe Ludendorff, Dezember 1915

Dieser Eindruck menschlicher Schwachheit, die dann eben auch bei anderen oft Negatives erwähnt, herrscht beim ersten mal Lesen dieser Erinnerungen vor. Doch konzentriert man sich bei einem zweiten Durchgang allein auf die eher sachlichen Mitteilungen, von denen unten eine Zusammenstellung gegeben wird, wird vielleicht doch ein gewisser Eigenwert dieser Erinnerungen deutlich. Dabei ist es sicherlich sinnvoll, konsequent alle negativen Urteile über Ludendorff und negativen Charakterisierungen seines Handelns auszusparen. Denn es ist ja bekannt, daß gerade Geschiedene mit großem Haß aufeinander blicken und es ist an keiner Stelle ausgeschlossen, daß Worte über Ludendorff von diesem Haß mitbeeinflußt sind. Übrigens wird Mathilde Ludendorff in den Erinnerungen an keiner Stelle erwähnt, obwohl das wohl anfangs ebenfalls vorgesehen war.

1. Drogensucht im Kulturleben von Geschichte und Gegenwart

Die Unterschiede zwischen Schlafmohn, Opium, Morphium und Heroin scheinen sich insgesamt nicht viel zu geben. Zumeist werden alle gemeinsam behandelt. Morphium ist 1804 von einem Paderborner Apotheker aus Opium (und damit Schlafmohn) gewonnen worden und 1873 wiederum von einem englischen Chemiker zu  Heroin weiterentwickelt worden. Zahllose Rock- und Punkmusiker waren oder sind heroinabhängig und haben ihre Suchterfahrungen besungen. Viele sind daran gestorben.

Früher sind viele Menschen und Soldaten auch süchtig geworden, weil Morphium als Schmerzmittel in der Medizin benutzt worden ist (etwa im Amerikanischen Bürgerkrieg). Noch heute soll die Morphiumsucht unter dem medizinischen Personal überdurchschnittlich hoch sein. Es wäre sicherlich von Interesse, einmal herauszuarbeiten, wie stark Drogensucht für den Untergang ganzer Kulturen mitverantwortlich zu machen ist - oder wie stark sie zu diesem Zweck sogar gefördert worden ist und etwaig heute wird (vgl. dazu etwa Bülow/"Im Namen des Staates"). Die Verwendung von Opium (Schlafmohn) ist schon in der ersten Bauernkultur Europas, also bei den Bandkeramikern, archäologisch bezeugt. In sumerischen Keilschrifttexten wird Schlafmohn als "Pflanze der Freude" bezeichnet. In Ägypten lassen sich Opiummixturen bis um 1800 v. Ztr. zurückverfolgen (Wiki):

Im römischen Reich kam der Schlafmohn in den zweifelhaften Rang einer Wohlstandsdroge. Bei einer Inventur des kaiserlichen Palastes im Jahre 214 wurden insgesamt 17 Tonnen Opium gezählt. Seit etwa 1100 bauen auch die Chinesen den Schlafmohn zu medizinischen Zwecken an.

1880 gab es in China 20 Millionen Opiumsüchtige! Ersatzweise nahmen sie auch Morphium. In Hongkong konkurrierte Opium in den 1920er Jahren mit Heroin. Ägypten gehörte lange Zeit zu den Ländern mit hohen Abhängigkeitsraten. Heute gehören Länder wie Pakistan, Afghanistan und der Iran nicht nur zu den wichtigsten Exportländern dieser Drogen, sondern auch zu den Ländern mit den größten prozentualen Anteilen von Drogen- und Heroinsüchtigen selbst. Im Iran gibt es heute laut niedriger Schätzungen 1,2 Millionen dauerabhängige Drogenkonsumenten, darunter mindestens 400.000 Heroinsüchtige.

Es ist sehr empfehlenswert, sich einmal den Bericht eines Heroinsüchtigen anzuhören, etwa von Wolfgang Kiehl (Suchtmobil), der berichtet, daß es nur die wenigsten Heroinabhängigen schaffen, nicht wieder rückfällig zu werden und sich von Beschaffungskriminalität freizuhalten.


Abb. 2: Weltweiter Heroin- und Opiumverbrauch (2008) (Drogenreport der Vereinten Nationen 2010)

Nach Schätzung der Vereinten Nationen gab es im Jahr 2008 weltweit 11 Millionen Heroin- und vier Millionen Opiumabhängige (Abb. 2). Schon aufgrund einer flüchtigen Suche im Internet trifft man auf viele bekannte Morphiumsüchtige. Eine willkürliche Aufzählung: Der Erfinder von Coca-Cola John Pemberton (1831 - 1888), der katalanische Maler und Schriftsteller Santiago Rusiñol i Prats (1861 - 1931), der frühe Nationalsozialist Dietrich Eckart (1868 - 1923), der deutsche Dichter Richard Perls (1873 - 1898), Hermann Göring (1893 - 1946), der Schriftsteller Hans Fallada (1893 - 1947), der Krimiautor Friedrich Glauser (1896 - 1938), die Schriftstellerin Milena Jesenska (1896 - 1944), die Schweizer Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach (1908 - 1942), Simone Hié, die Ehefrau von Albert Camus, der Schauspieler Erol Flynn (1909 - 1959), die Schauspielerin Jamie Lee Curtis (2009). In vielen Biographien ist es zu Scheidungen aufgrund der Morphiumsucht eines der Ehepartner gekommen.

2. Margarethe Ludendorff im Bild

Die Erfahrungen Erich Ludendorffs während seiner ersten Ehe sind also offenbar nicht gerade die allerungewöhnlichsten gewesen. Möglicherweise ist die Herausgabe der Erinnerungen seiner Frau selbst der Morphiumsucht zu verdanken, da Margarethe Ludendorff Geld für die großen Mengen Morphium brauchte. Im Netz gibt es gegenwärtig, soweit übersehbar, vier Photographien von Margarethe Ludendorff. Zunächst zwei Einzelaufnahmen aus dem Jahr 1915.

Darunter eine (Abb. 1), auf dem sie mit einem Opossumfellmuff abgebildet ist (eine Photographie, die mitunter als Anschauungsbeispiel für die Textilgeschichte des 20. Jahrhunderts benutzt wird).

Abb. 3: Margarethe Ludendorff, Dezember 1915

Es gibt auch eine gemeinsame Aufnahme mit Erich Ludendorff aus dem Januar 1918 (Gettyimages). Während des Weltkrieges war Margerethe Ludendorff - wie Mathilde Ludendorff in ihren Lebenserinnerungen berichtet - schon morophiumsüchtig und hatte von ihrem Mann an den einzigen Urlaubstagen, die er während der vier Jahre Weltkrieg genommen hat, in eine Anstalt gebracht werden müssen. Den Erinnerungen von Margarethe Ludendorff aus dem Jahr 1929 (3) ist schließlich ein Gemälde aus dem Jahr 1919 vorangestellt (Abb. 4), auf dem sie offenbar als trauernde Witwe ihrer beiden gefallenen Söhne dargestellt ist.*)


Abb. 4: Margarethe Ludendorff, 1919 (aus: 3)

3. Erich Ludendorff über die Erinnerungen seiner geschiedenen Frau

Erich Ludendorff hat gleich nach der Veröffentlichung der Erinnerungen seiner ersten Frau in einer Stellungnahme in seiner Wochenzeitung darauf hingewiesen, daß sie Jahre lang morphiumsüchtig war und deshalb keinen stetigeren Gedanken fassen konnte. Über die Herausgabe der Erinnerungen als geschiedene Frau schrieb er schon auf die Ankündigung derselben hin (1, S. 224 - 227):

Der einzige mildernde Umstand für dieses den guten Sitten geschiedener Menschen widersprechende Verhalten ist darin zu suchen, daß sich die Frau durch Morphium und andere Rauschgifte schon vor dem Weltkriege und fortschreitend mehr und mehr in jeder Beziehung zerstört hat.
Das brachte es mit sich, daß ihr jede ernste Gedankenarbeit und jede Anteilnahme allmählich unmöglich wurde und ich sie immer weniger und schließlich jahrelang überhaupt nicht mehr irgendwie an meinem Leben teilnehmen ließ. (...)
An Stelle des tatsächlichen Unheils einer Ehe mit einer gegen meine Person mit stärkstem Haß erfüllten Morphinistin wurde durch die gewandte schriftstellerische Feder mit Worten der Verehrung für mich (...) eine glückliche Ehe gezeichnet.
In seinen Lebenserinnerungen selbst schrieb er dann über die endgültige Ausgabe:
Im übrigen wurden meine "Erwartungen" doch übertroffen. So Unschönes und Entstellendes hatte ich doch nicht erwartet.
Erich und Mathilde Ludendorff deuten auch an, daß sie den eigentlichen Verfasser dieser Erinnerungen kennen würden. Ihr Schwiegersohn Franz von Bebenburg nannte ihn 1966 beim Namen (11, S. 141):
... das von Walther Ziersch verfaßte Buch Margarethe Ludendorffs ...
Dieser ist ja auch als Herausgeber genannt. Walther Ziersch hat auch Briefe von Ludwig Thoma herausgegeben und 1934 ein Buch über die Hitlerjugend (12, 13). Er hat also eine ähnliche Nähe zum Nationalsozialismus innegehabt, wie auch der Sohn von Margarethe Ludendorff in jener Zeit (14).

Erich Ludendorff hat sich in seinen 1935 veröffentlichten Erinnerungen an die Vorkriegszeit über seine erste Ehe so knapp wie nur immer möglich geäußert (6, S. 20):
... In meiner ersten Ehe aber, ich beschloß sie im August 1909, zog ich mich sehr bald aus gewichtigen Gründen völlig in mich zurück und kapselte mich ab. Erst meine zweite Frau wurde mir wahrhaft Gefährtin.

Mathilde Ludendorff, die ab Herbst 1924 die morphiumsüchtigte Frau Margarethe Ludendorff auf ihren eigenen und den Wunsch Erich Ludendorffs hin neun Monate lang als Ärztin behandelt hat - mit wöchentlich zwei Hausbesuchen -, hat in ihren Lebenserinnerungen einige wenige Eindrücke von der Person Margarethe Ludendorffs und ihrer damaligen Einstellung zu Erich Ludendorff und umgekehrt gegeben (2, S. 14 - 53). Sie stellt das diesbezügliche Kapitel ihrer Erinnerungen unter die Überschrift "Einblick in grauenvolles Elend".

3. Auszüge aus den Erinnerungen - 1909-1912 in Berlin

Im folgenden nun also Auszüge aus den eher sachlich gehaltenen Mitteilungen Margarethe Ludendorffs. Die Zeit von 1909 bis 1914, in der Ludendorff (bis 1912) Chef der Aufmarschabteilung des Großen Generalstabs in der Berlin war, nimmt die Hälfte seiner Vorkriegserinnerungen (6) ein. Und doch wird in ihnen nur von seiner Arbeit berichtet, nur ganz flüchtig von ganz wenigen glanzvollen gesellschaftlichen Ereignissen.

Da sind die Erinnerungen von Margarethe Ludendorff in gewissem Sinne doch eine ganz nützliche Ergänzung. Aus ihnen geht ganz gut hervor, in welchem vielfältigen gesellschaftlichen Verkehr ein Generalstabsoffizier wie Erich Ludendorff vor dem Ersten Weltkrieg in Berlin - und dann bei seinen Abkommandierungen in Düsseldorf und Straßburg - stand und stehen mußte. 

Margarethe Ludendorff, geschiedene Pernet, war Tochter des Berliner Fabrikanten Karl Schmidt und kam aus wohlhabenden Verhältnissen. Sie hatte drei Söhne und die Tochter Margot mit in die Ehe mit Ludendorff gebracht. Sie schreibt (1, S. 4):

Von Anfang an hingen die Kinder an dem neuen Vater in herzlicher Zuneigung, die sich im Verlaufe des Krieges zu Verehrung und Liebe steigerte.
Die Schwester Erich Ludendorffs Gertrud war, wie sie schreibt, verheiratet mit Gustav Jahn (1862 - 1940) (1, S. 5, 74f), seit 1912 Unterstaatssekretär im Reichsfinanzamt, 1918 bis 1931 Präsident des Reichsfinanzhofes in München.

Abb. 5: General von Moltke, Ludendorff und andere auf der großen Generalstabsreise 1912 

Margarethe Ludendorff schreibt (bzw. jeweils ein etwaiger "Ghostwriter") (3, S. 8):

In der zweiten Abteilung des Großen Generalstabes, der Deutschen Aufmarschabteilung, der Ludendorff zugeteilt war und die er später leitete, herrschte ein fester kameradschaftlicher Zusammenhalt. Man wurde beneidet, wenn man zur "Zweiten" gehörte, ganz abgesehen davon, daß es als militärische Auszeichnung und Elitestellung galt.
Hier gab es kein Cliquenwesen und keine Eifersüchteleien. Der gütige Zufall hatte einen Kreis besonderer Menschen zusammengeführt: tüchtige gutaussehende Männer von vornehmer Gesinnung und hübsche junge Frauen, alle liebenswürdig und talentiert. (...)
Die Stellung meines Mannes war mit einer gewaltigen Arbeitslast verknüpft. Jeden Nachmittag um 5 Uhr erschien eine Ordonanz mit einer dicken Aktenmappe - von den Männern mit Ungeduld erwartet, von den Frauen als unvermeidliches Übel ertragen -. Diese mußte noch außerhalb der Bureaustunde erledigt werden.
 Und sie schreibt (3, S. 26f):
Ludendorff war ein Mensch mit eisernen Grundsätzen. Ob die Arbeit ihn bis in die tiefe Nacht wachgehalten hatte, ob wir auf einem Ball oder einer Gesellschaft gewesen waren, er saß am nächsten Tage früh um sieben Uhr im Sattel, Winter und Sommer. Er ritt stets dieselben Wege: eine Schleife, entweder im Tiergarten oder im Grunewald.

Daraus wird man folgen können, daß die Familie Ludendorff damals irgendwo im Stadtteil Charlottenburg gewohnt hat, in dem ja auch die beiden gefallenen Söhne während des Krieges bestattet wurden. Im gleichen Haus und in der gleichen Etage gegenüber wohnte damals übrigens - laut Margarethe Ludendorff - auch der spätere General Hoffmann, der zu einer anderen Abteilung des Generalstabes gehörte (3, S. 176). 

1912/13 in Düsseldorf - "Gesellschaftliche Verpflichtungen"

1912 wurde Ludendorff dann nach Düsseldorf versetzt. Als Frau eines Regimentskommandeurs hatte Margarethe Ludendorff auch in Düsseldorf - wie man das damals nannte - "gesellschaftliche Verpflichtungen". Von ihrer Vorgängerin wurde sie über diese noch einmal belehrt, allerdings zu ihrem Mißfallen (3, S. 39):
Ich hatte mir eingebildet, die gesellschaftlichen Formen zu beherrschen. Ich kam ja nicht aus einer kleinen Garnison, sondern aus Berlin. Wir hatten große gesellschaftliche Verpflichtungen gehabt und Persönlichkeiten von Rang und Ansehen zu den Gästen unseres Hauses zählen dürfen.

In diesen Worten fühlt man einen exaltierten, blasierten Ton einer offenbar typischen "höheren Tochter" der damaligen Berliner Gesellschaft hindurch, der sich auch sonst in diesen Erinnerungen an vielen Stellen andeutet. An anderer Stelle gibt sie folgendes Bild von derartigen Ereignissen (3, S. 43):

Wir gaben unsere erste offizielle Gesellschaft. Nur Herren und Damen des Regimentes waren geladen. Ludendorff als neugebackener Kommandeur hatte sich im Rauchzimmer zu den jungen Leuten gesetzt und erzählte aus seiner Leutnantszeit ...
Und sie schreibt (3, S. 46ff):
Da wir voraussichtlich nicht lange in Düsseldorf blieben, beschränkten wir unseren Verkehr außerhalb des Offizierskorps auf wenige Familien. (...) Im Industrieklub von Düsseldorf kam ich mit vielen anderen führenden Männern der rheinischen Großindustrie zusammen.

Sie berichtet von Professoren der Düsseldorfer Künstlerakademie (3, S. 46f) und von Besuchen bei Duisberg und Thyssen.

1913/14 in Straßburg - Kriegsausbruch

Über den Sommer 1914, als Ludendorff Brigadekommandeur in Straßburg war, schreibt sie unter anderem (3, S. 55):

Wir wohnten nicht lange in Straßburg, als meine Söhne, Franz und Erich, aus dem Kadettenkorps in Lichterfelde angereist kamen, um ihren Sommerurlaub bei uns zu verbringen. Das war eine schöne Zeit. Wir fuhren in die Vogesen, nach Molsheim, Schirmeck, Schlettstadt, auf den Donon und die Hohkönigsburg. Wir stiegen bei wahrhaft unsinniger Hitze auf die Berge und besuchten auch Zabern.

Margarethe Ludendorff reiste noch weiter für einige Wochen in die Schweiz, wo sie telefonisch die Bitte um Rückreise nach Straßburg von ihrem Ehemann erhielt aufgrund der drohenden Kriegsgefahr (3, S. 59):

Ludendorff empfing  uns am Bahnhof. (...) Meine Jungens hatten tausend Fragen, die ihnen als künftigen Offizieren am Herzen lagen. Der Gedanke, daß es zum Kriege kommen würde, begeisterte sie: "Hurra, Krieg, hoffentlich kommen wir auch bald ins Feld."
Zwischenzeitlich glaubte Ludendorff, daß der Kriegsausbruch doch noch abgewehrt worden wäre (3, S. 63):
Zwei Stunden später, um 3 Uhr überbrachte eine Ordonnanz einen Meldezettel, der nur die Buchstaben enthielt: "D.K." - - Drohende Kriegsgefahr - (...) Ich fühlte, daß ich bis in die Lippen erblaßte. Ludendorff war auch von dem furchtbaren Ernst der Situation gepackt und erschüttert. Es folgten schwere Stunden.
Ludendorff bat seine Frau, nach Berlin zu reisen, der Verbleib in Straßburg wäre wegen der Grenznähe zu gefährlich. Ganz hübsch ist dann die eingeschobene Erzählung von ihrer Köchin Pauline (3, S. 65 - 69), von der im Schrecken des Kriegsausbruches herauskommt, was ihr bis dahin gelungen war, glänzend geheimzuhalten, nämlich daß sie nicht nur einen, sondern sogar zwei uneheliche Söhne bei den Soldaten stehen hatte. Im Stile der Margarethe Ludendorff:
Unser fünfunddreißigjähriger Tugendengel zwei Söhne - - Das war überwältigend.

Die größten Aufregungen und Abenteuer, die Margarethe Ludendorff während ihrer Ehejahre mit Erich Ludendorff laut ihrer Erinnerungen scheint erlebt und "durchlitten" zu haben, waren Zugreisen. Deshalb erhält man durch ihre Erinnerungen einen ganz guten Eindruck von der Art solcher Zugreisen einer wohlhabenden Frau in jener Zeit. Zunächst Anfang August 1914 von Straßburg nach Berlin. Dann von der kurzen Mitfahrt im Zug Ludendorffs und Hindenburgs von Koblenz nach Ostpreußen - nämlich von Berlin bis Küstrin - und etwa auch 1919 von einer Zug- und Schiffsreise zu ihrem Ehemann nach Schweden und zurück.

1914 in Breslau - Jubelnde Bevölkerung

Am 19. September 1914 wurde in Breslau das Armeeoberkommando 9 unter Hindenburg und Ludendorff zusammengestellt. Da Ludendorff seine Frau nach Breslau gebeten hatte, erlebte sie die Vorgänge dort mit (3, S. 110 - 113):

Das Haupt-Quartier wurde später von Ostpreußen nach Schlesien heruntergezogen. (...) Als Hindenburg mit dem ganzen Stabe seiner Offiziere ankam, war das Hotel Metropole im Nu von einer hastig durcheinanderstürzenden Menge erfüllt. Offiziere, Ordonnanzen, Burschen: alle waren in größter Eile und in größtem Eifer. Dazwischen arbeiteten viele Postbeamte. Innerhalb von drei Stunden mußten dreißig verschiedene Telephon-Zentralen eingerichtet werden.
Draußen auf der Straße stand dicht gedrängt die Bevölkerung und tobte vor Begeisterung. Die Nationalhymne wurde gesungen und "Deutschland, Deutschland über alles". Immer wieder wurden Hindenburg und Ludendorff gerufen. Sie konnten sich nicht oft genug zeigen und wurden mit Blumen überschüttet. (...)

Gleich nach dem gemeinsamen Abendessen gingen die Herren wieder an die Arbeit, die sie bis Mitternacht festhielt. Ich sprach mit Ludendorff überhaupt nur bei diesen kurzen Mahlzeiten oder wenn er müde und abgespannt ins Zimmer trat, um sich zum Schlafen niederzulegen. Er hat während des Krieges nie Urlaub genommen. Wenn wir uns trafen, war es immer nur für Tage und Stunden.

1915 in Kowno - Hugo Stinnes

Später lernt Margarethe Ludendorff die Maler Hugo Vogel und Walter Petersen kennen, die populäre Porträts von Hindenburg und Ludendorff gemalt haben (siehe anderer Beitrag). Über Hugo Stinnes, der mehrere Ludendorff-Porträts bei Walter Petersen bestellte, schreibt sie (3, S. 21):

Mit Vergnügen schilderte Ludendorff seine erste Begegnung mit Stinnes an der Ostfront.
Er wollte Stinnes am Bahnhof in Kowno abholen, dieser reiche Mann machte aber einen so unauffälligen Eindruck, daß er ihn zunächst ganz übersah:
Dabei war er ein Mordskerl, und nie hatte man den Eindruck in seiner Gegenwart, daß er etwas Unbedeutendes, Gleichgültiges tun könnte. 
So Margarethe Ludendorff. Sie scheint den General Hoffmann in seiner dienstlichen Tätgkeit selbst mehr erlebt zu haben, als ihren eigenen Ehemann, berichtet sie doch über ersteren (3, S. 313):
Hoffmann war dienstlich in Berlin und besuchte mich. Er gab bei mir im Zimmer telephonische Befehle an die Front und warf mit Divisionen und Korps um sich, als jongliere er mit Gummibällen. Ich gab meiner Verwunderung Ausdruck, worauf er gleichmütig antwortete: "Wenn ich die Soldaten nicht vor meinem geistigen Auge auf dem Marsch sehe, wenn ich nicht genau weiß, diese Division muss ich hier, jene dort einsetzen, wenn ich mir das nicht alles leibhaftig vorstellen kann, dann bin ich ein verflucht schlechter Stratege." 

1916 Im Zug nach Metz - Betriebsame OHL

Über die Zeit, nachdem Ludendorff 1916 in die Oberste Heeresleitung gekommen war, schreibt sie:

Alle Heerführer von Ost und West wurden zur ersten gemeinsamen Besprechung nach Cambrai zusammenberufen. 
Sie sollte im Extrazug von Frankfurt am Main bis Mainz mitfahren, auf ihre Bitten hin durfte sie dann aber bis Metz weiterfahren (3, S. 157f):
Es war eine herrliche Fahrt. Ich stand mitten drin in dem aufregenden Kriegsgetriebe, denn man muß nicht glauben, daß die Offiziere während der Reise ausruhten. Sie waren auch da im Dienst. Bei aller Phantasie könnte man sich nicht ausmalen, welch unruhiges Hin und Her im Zuge war. Meldungen, Befehle und Überweisungen mußten ausgearbeitet und weitergegeben werden, Besprechungen fanden statt, und die Herren waren, über Karten und Papieren gebeugt eifrigst beschäftigt.

In Mainz lief die erste Nachricht von der Einnahme Tukratan's ein. Der Feldzug in Rumänien hatten kaum begonnen, und schon war ein großer Sieg erfochten.

Die Hughesapparate wurden herausgenommen und eingeschaltet. Auf laufendem Papierband erschien ein vollkommener Bericht über die Schlacht. Zunächst wurden 9000 Gefangene gemeldet, in Saarbrücken war die Zahl auf 18 000 gestiegen, und bei unserer Ankunft in Metz waren es bereits 22 000 geworden.

Als auf dem Bahnhof die Menschenmenge Hindenburg und Ludendorff erkannte, brach ein stürmischer Jubel los.

1917 und 1918 - Zwei Söhne fallen

Abb. 6: R. Schuster-Woldan - Selbstportrait

Alle drei Söhne Margarethe Ludendorffs sind während des Ersten Weltkrieges Militärflieger geworden. Zwei von diesen fielen als Fliegerleutnant: Franz Pernet (1895 - 1917) und Erich Pernet (1898 - 1918) (Frontflieger.deFlieger-Album.de). Sie ruhen auf dem Friedhof der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin (am Spandauer Damm in der Nähe des Schlosses Charlottenburg) (3, S. 22):

Für mich persönlich malte Professor Schuster-Woldan nach kleinen Amateurphotographien die Bilder meiner beiden gefallenen Söhne.

(Ein Selbstportrait Schuster-Woldan's siehe Abb. 6.) Die Tochter Margot hat sich 1916 in Kiel mit einem Marineoffizier verlobt, den sie wenig später heiratete. 1920 ging aus dieser Ehe der Sohn Knut hervor, der noch später in München-Ludwigshöhe, wo die Familie offenbar im Haus von Mutter und Stiefvater wohnte, bei den jährlichen Besuchen Hindenburgs daselbst jubelte (1, S. 142f).

1918 - Arnold Rechberg schafft eine Marmorbüste von Margarethe Ludendorff

Im Jahr 1918 wurde in der Leipziger "Illustrierten Zeitung" die Abbildung einer Porträtbüste von Margarethe Ludendorff gebracht, geschaffen von Arnold Rechberg (1879-1947) (Wiki). Es wäre noch einmal zu prüfen, ob das in ihren Erinnerungen erwähnt wird.

Abb.: Eine Seite aus der Leipziger "Illustrierten Zeitung" aus dem Frühjahr (Mai) 1918

Der Industrielle, Bildhauer und Politiker Arnold Rechberg sollte in den 1920er Jahren in intensivem Kontakt mit Ludendorff stehen, um ein antikommunistisches, europäisches Bündnis zustande zu bringen. (Seine Aktivitäten stehen im Mittelpunkt des Buches von Thoss über den "Ludendorff-Kreis" in den Jahren bis zum Kapp-Putsch [15].)

1920 bis 1922 in der Viktoriastraße in Berlin

Abb. 7: Ludendorff und Heinz Pernet in Bad Kissingen (Vorseite)

Margarethe Ludendorff schildert in ihren Erinnerungen den Wechsel der Reichskanzler zwischen 1916 und 1918, sie schildert ihr Leben in Baden-Baden, auch bei der dortigen Großherzogin, sie schildert den Versuch Erzbergers, ihren Mann über sie als Ehefrau für sich zu gewinnen. Sie schildert verschiedene Bestrebungen innerhalb der Berliner Gesellschaft jener Zeit, auch um die Kronprinzessin Cäcilie, sie schildert Ludendorffs Entlassung, das Kriegsende, die Revolution, ihre Reise nach Schweden. Sicherlich gibt es auch in diesen Schilderungen  vieles, dem man nachgehen könnte, und was die Erinnerungen anderer ergänzt. So schreibt sie etwa 1921 aus Anlaß der Beisetzung der Kaiserin Viktoria Augusta (3, S. 194):

Am Nachmittag des nächsten Tages waren wir zur Audienz bei der Kronprinzessin. Ich lernte den Cäcilienhof kennen, der eher ein komfortables Landhaus ist, als ein Fürstensitz. Wie wenig glich die Zeit dem hoffnungsfrohen Tage, den ich im alten Kronprinzlichen Palais verlebte. Es war mitten im Kriege, und die Kronprinzessin erkundigte sich mit größtem Interesse, wie es im Osten stünde. Ludendorff mußte ihr ausführlich erzählen, es war die Zeit der großen Siege. 

Das Kronprinzenpalais befindet sich bis heute Unter den Linden gegenüber vom Zeughaus, also ganz in der Nähe des ehemaligen Stadtschlosses. Schließlich berichtet Margarethe Ludendorff über die Zeit ihres Lebens in der Berliner Viktoriastraße bis zum Kapp-Putsch unter anderem (3, S. 271 - 276):

In unserem neuen Domizil begann ein äußerst betriebsames Leben, das seinen Gipfelpunkt und Abschluss im Kapp-Putsch fand. Anfangs war es ein kleiner Kreis, den Ludendorff umgab. Aber die Zahl seiner Anhänger mehrte sich von Tag zu Tag und schließlich ging es bei uns zu wie bei einem berühmten Arzt. Die Menschen strömten aus allen Teilen Deutschlands herbei, ein Besucher gab dem anderen die Klinke in die Hand und sie harrten geduldig. (...)
In allen Zimmer fanden Besprechungen statt, und alle die Männer, die später im Kapp-Putsch eine Rolle spielten, gingen bei uns ein und aus: General v. Lüttwitz, General v. Oven, Oberst Bauer, Hauptmann Pabst und andere mehr. Selbst der Abenteurer Trebitsch-Lincoln fehlte nicht und Kapp selbst kam häufig. (...) Er war ein Mann von bestechendem Wesen, rednerisch hochbegabt, so daß man seinen klugen Ausführungen gerne lauschte. (...)
Nicht nur Kapps Reden machten auf mich einen tiefen Eindruck, auch Hauptmann Pabst mit seinen Vorträgen. (...) In Anwesenheit sehr hochstehender Persönlichkeiten führte er begeistert und eindringlich aus, wie man die schlimmen Zustände in Deutschland ändern könne. (...) Nach solchen Reden hatte man unbedingt das Gefühl: das ist ein Mordskerl.
Abb. 8: Ludendorff und Pernet in Bad Kissingen (Rückseite)

Die Worte von Kapp und Pabst hätten aber in keinem Verhältnis zu ihren nachfolgenden Taten gestanden. Doch berichtet Margarethe Ludendorff über die Anfangstage des Kapp-Putsches (3, S. 277):

Mit dem Einzug der Brigade Ehrhardt war ein Siegestaumel in unser Haus gekommen. Helle Begeisterung beherrschte alle Gemüter und in den ersten drei Tagen war man so fest vom Gelingen der nationalen Bewegung überzeugt, daß Ebert es vorzog, mit seinen Ministern Berlin zu verlassen.

Über die Tage nach dem Putsch schreibt sie (3, S. 278):

Alle Wut und aller Haß konzentrierten sich auf Ludendorff.

Auch wenn darüber in den Erinnerungen Margarethe oder Erich Ludendorffs nichts enthalten ist, fällt wahrscheinlich in diese Nachkriegsjahre ein Besuch von Erich Ludendorff und offenbar seinem Stiefsohn Heinz Pernet in Bad Kissingen. Dies scheint jedenfalls durch eine im Netz verkaufte Postkarte dokumentiert zu sein (Abb. 6, 7). Denkbar ist, daß beide dort Margarethe Ludendorff besucht haben.

1923 in München - Hitlerputsch

Sie schreibt (3, S. 290):

In unserem neuen Heim in Ludwigshöhe bei München sahen wir viele interessante Menschen bei uns.

Nach diesem Bericht wohnten offebar auch die beiden Kinder von Margarethe Ludendorff und ihr Schwiegersohn, ein Marineoffizier, in Ludwigshöhe (3, S. 291). Heinz Pernet (1896-1973) (Wiki), der jüngste  Sohn Margarethe Ludendorffs, nahm 1923 dann auch am Hitler-Ludendorff-Putsch seines Stiefvaters teil (3, S. 293):

Schon Monate vorher war unser Haus der Mittelpunkt, man könnte fast sagen, die politische Zentrale der National-Sozialisten. Es ging bei uns zu wie in einem Taubenschlag. Täglich ..., stündlich fanden Besprechungen statt. (...) Ludendorff schnitt die Rosen, goß die Blumen und besprengte den Rasen, als ob er der harmloseste Mensch von der Welt wäre.

Alle wären damals von Hitlers "hinreißender Rednergabe" beeindruckt gewesen, auch General v. Lossow und ein General v. Kreß. Über den 8. November berichtet sie, die nur die äußeren Vorgänge in ihrem Haus mitbekam (3, S. 296):

Gegen Abend sah ich Kurt Neubauer, unseren Diener in Uniform fortstürzen. (...) Ich rief ihm nach: "Kurt, wohin so eilig? Und Uniform?" Er wandte sich weiterlaufend um: "Versammlung im Bürgerbräukeller ... Zum Saalschutz kommandieert ... Ich muß den Zug noch erreichen." Fort war er ...
Eine halbe Stunde später, kurz vor Abgang des nächsten Zuges, hörte ich meinen Sohn Heinz sporenklirrend die Treppe herunterspringen. Er nahm also auch an der Versammlung teil. Das war nicht erstaunlich, nur daß er Uniform trug, war gegen seine Gewohnheit. (...)
Ludendorff war in seinem Arbeitszimmer. (...) Gegen neun Uhr abends trat er bei mir ein und sagte: "Ich muß noch in die Stadt fahren, ich werde gleich von einem Auto abgeholt. Man braucht mich auf einer nationalen Versammlung." Kurz darauf sauste ein Auto in rasendem Tempo heran.
Ludendorff stieg ein:
Es hatte sich mit solcher Schnelligkeit abgespielt, dass ich nicht einmal meinen Sohn am Steuer des Autos erkannt hatte - - - 
Heinz Pernet marschierte (laut Wikip.)
"in der zweiten Reihe der Putschisten (hinter Hitler, Ludendorff, Scheubner-Richter und Göring und neben Ludendorffs Diener Kurt Neubauer und wahrscheinlich Hitlers Adjutant Ulrich Graf)."

Mit Ludendorff und Hitler saß er deshalb danach auch auf der Anklagebank. Margarethe Ludendorff dann über den nächsten Tag (3, S. 297 - 303):

Als erster erschien mittags mein Sohn und sank erschöpft in einen Sessel. (...) Todmüde und abgehetzt hatte er auf Umwegen das Haus erreicht. Mit Mühe und Not, denn überall zogen Reichswehr- und Polizeitruppen Schutzkordons und ließen niemand passieren. (...) Kurt, unser Diener, war tot, und auch Ludendorff sollte gefallen sein. (...) Er erschien erst am Abend. Vernehmungen auf dem Polizeipräsidium und vor Gericht hatten ihn solange festgehalten. Seine Empörung kannte keine Grenzen.
Abb. 9: Hochverratsprozeß in München - ganz links Heinz Pernet

Alle außer Ludendorff kamen in Untersuchungshaft. Auch ihr Sohn Heinz (3, S. 311):

In der Zeit zwischen Putsch und Prozess entfaltete Ludendorff eine fieberhafte Tätigkeit. Er empfing viele bekannte und unbekannte Menschen und jede ihrer Schilderungen und Beobachtungen schien ihm von Wichtigkeit zu sein. Mosaikarbeit, wie er es nannte. (...) Er sammelte unermüdlich Material. (...) Es setzten große Korrespondenzen ein, besonders mit seinem Rechtsanwalt aus Göttingen. (...) Der General schrieb so viel, dass ganze Aktenstöße entstanden.
Abb. 10: Der Hitler-Ludendorff-Prozeß in der Kriegsschule in München, (G. Pahl)
"Die einzigste Aufnahme während des Prozesses gegen die "Hochverräter" des 9. November in der Kriegsschule in München. 1) Der Vorsitzende des Gerichts Neidhardt, 2) Adolf Hitler, 3) Der Stiefsohn des Generals Ludendorff, Oberleutnant [Heinz] Pernet, 4) Der Freund Hitlers der frühere Polizeipräsident von München [Ernst] Poehner während der Vernehmung."

1924 - Der Hitlerprozeß

Über den Hitlerprozeß berichtet Margarethe Ludendorff (3, S. 315 - 318):

Im Laufe der Wochen hatte sich die Aufregung in München gelegt, um bei Ankündigung des Prozesses neu aufzuflammen. Mit verdoppelter Wucht prallten die Parteien aufeinander. Selten hat ein politischer Prozeß die Menge so aufgepeitscht und in Haß und Zwietracht hineingerissen wie damals. Man stürmte die Verhandlungen, die in einem improvisierten Gerichtssaal in der Kriegsschule stattfanden. (...) Alle Phasen des Prozesses wurden leidenschaftlich verfolgt, über jedes Wort der Richter, des Staatsanwalts und der Verteidiger wurde debattiert. (...)
Ludendorffs Anwalt aus Göttingen wohnte Woche vor dem Prozeß und während desselben bei uns im Hause. Es war eine redereiche Zeit ... Worte und Gedanken wurden hin und her gedreht. Alles was irgendwie von Bedeutung schien, wurde unter die Lupe genommen und besprochen. (...)
Das Endergebnis des Hitler-Prozesses ist bekannt. (...) Mit einem Schlage war Ludendorff wieder der populäre Mann. (...) Er wurde mit Blumen und Geschenken überschüttet und Telegramme und Glückwunschschreiben trafen aus allen Teilen Deutschlands von den entlegensten Zipfeln ein.
Als er bald darauf seinen sechzigsten Geburtstag feierte, wurde dieser Tag zu einer nationalen Kundgebung allerersten Ranges. Pfadfinder, Jugendwehren, Deputationen, Vereine und Verbände: alle brachten ihre Glückwünsche dar.
Am Abend wurde Ludendorff ein Fackelzug gebracht mit Tausenden von Teilnehmern. An der Spitze marschierten die Chargierten sämtlicher Münchener Korps in Wichs. Dann die vaterländischen Verbände mit ihren Musikkapellen. Es war eine große Sache.
Abb. 11: Verteidiger Luetgebruene, Ludendorff, hinter ihm Heinz Pernet - Februar 1924 (G. Pahl)

1924 - Tirpitz

Nach der Reichstagswahl vom Mai 1924 sei der Großadmiral Alfred von Tirpitz das letzte mal bei Ludendorff zu Besuch gewesen (3, S. 148):

Tirpitz verkehrte auch in unserem Hause. Als er und Ludendorff zu gleicher Zeit in den Reichstag gewählt worden waren, war er zum letzten Male bei uns.

Tirpitz sei danach nicht wiedergekommen, weil Ludendorff die Deutsch-Nationalen danach zu stark angegriffen habe. Ab dem Streit zwischen Ludendorff und dem bayerischen Kronprinzen Rupprecht, sowie der ausgesprocheneren Gegnerschaft Ludendorffs gegen die katholische Kirche, die so viele Menschen der Gesellschaftsschicht, in der sich Ludendorff bis dahin bewegt hatte, sich von ihm abwenden ließen, spricht sich auch seine Ehefrau Margarethe in ihren Erinnerungen politisch eindeutig gegen ihren vormaligen Ehemann aus. Sie hätte ihn nicht mehr verstanden (3, S. 328). Zusammen mit ihrer Tochter hätte sie beispielsweise Ludendorff bestürmt, sich nicht als Kandidat zur Reichspräsidentenwahl aufstellen zu lassen (3, S. 332). Auch scheint sie Ludendorffs Trennung von Hitler verurteilt zu haben (3, S. 334). Stattdessen lobt sie nun Hindenburg über den grünen Klee (3, S. 334 - 340), womit das Buch dann endet.

Ob mit diesen politischen Stellungnahmen mehr ihre eigenen Meinungen oder mehr die ihres Verlegers wiedergegeben werden, muss natürlich dahingestellt bleiben. Da uns heute das gesellschaftliche und politische Leben der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts so ferngerückt sind, behalten auch viele Details aus denselben, wie sie in dem Buch von Margarethe Ludendorff mitgeteilt werden, sicherlich ihren Eigenwert für die Nachwelt.

Tirpitz übrigens war Reichstagsabgeordneter für die DNVP von 1924 bis 1928. Ergänzt werden soll noch, was Erich Ludendorff im März 1930 aus Anlass des Todes des Großadmirals von Tirpitz schrieb (in "Ludendorffs Volkswarte", Folge 11, 16. März 1930):

Großadmiral von Tirpitz
geb. 19.3.1849 - gest. 6.3.1930.
In ihm schätzen wir den hervorragenden Organisator der Deutschen Flotte, mit deren Schöpfung er den Wünschen des Kaisers entsprach. Sicher und gewandt wusste er die Gefahren zu überwinden, die sich diesem Werk entgegenstellten. In dieser Zeit half er, den Parlamentarismus großzuziehen; dadurch wurde es sein Geschick, dass die von ihm so scharf geschliffene Waffe im Kriege nicht eingesetzt wurde. Die treibenden überstaatlichen Kräfte im politischen Geschehen erkannte er nach dem Kriege nicht, daher blieb seinem Wirken ein Erfolg versagt. Er stimmte auch für den Dawespakt.

Seiner Verdienste um das Werden der Deutschen Flotte werden wir dankbar gedenken.

Auf Wikipedia heißt es über den Dawes-Plan:

Auf Druck der Industrie und der Agrarbetriebe und wegen der Beendigung der Ruhrbesetzung stimmten am 29. August bei der Abstimmung im Reichstag auch Abgeordnete der rechtskonservativ-monarchistischen DNVP für den Dawes-Plan, so dass die nötige Zweidrittelmehrheit erreicht wurde.

/ Weitere Ausführungen zu Margarethe Ludendorff finden sich in --> diesem Blogartikel. /

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*) Noch heute wird ihr im Netz eine weitere Photographie des Pressefotographen Georg Pahl zugeschrieben aus dem Jahr 1924 anlässlich des Hitler-Ludendorff-Prozesses in München (auch bislang irrtümlich hier auf dem Blog), von der sie aber selbst in ihren Erinnerungen schreibt (3, S. 316):
Ich selbst bin in keiner Sitzung gewesen, trotzdem erschien in illustrierten Blättern meine Photographie. Ich stehe neben Ludendorff, im Begriff, das Auto zu besteigen. .... Ich bin es aber in Wirklichkeit nicht.
(Ein weiteres Zeugnis übrigens dafür, daß die Beschriftungen zu den Photographien von Georg Pahl oft fehlerhaft sind.)

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  1. Ludendorff, Erich: Vom Feldherrn zum Weltrevolutionär und Wegbereiter Deutscher Volksschöpfung. II. Band. Meine Lebenserinnerungen von 1926 bis 1933. Verlag Hohe Warte, Stuttgart 1951
  2. Ludendorff, Mathilde: Freiheitskampf wider eine Welt von Feinden an der Seite des Feldherrn Ludendorff. V. Teil von: Statt Heiligenschein und Hexenzeichen mein Leben. Franz von Bebenburg, Pähl 1967
  3. Ludendorff, Margarethe: Als ich Ludendorff's Frau war. Hrsg. von Walther Ziersch. Drei Masken Verlag A.-G., München 1929 (Google Bücher)
  4. Artikel "Morphiumsucht". In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 155-156. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007113110
  5. Tucholsky, Kurt: Die Karikatur Preußens. In: Die Weltbühne, 30.07.1929, Nr. 31, S. 183
  6. Ludendorff, Erich: Mein militärischer Werdegang. Blätter der Erinnerung an unser stolzes Heer. Ludendorffs Verlag, München 1935
  7. Thoss, Bruno: „Ludendorff, Erich“, in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 285-290 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118574841.html
  8. Venohr, Wolfgang: Ludendorff. Legende und Wirklichkeit. Ullstein-Verlag, 1993, TB 1998
  9. Uhle-Wettler, Franz: Erich Ludendorff in seiner Zeit. Soldat, Stratege, Revolutionär. Eine Neubewertung. Verlagsges. Berg, Berg 1995
  10. Wedel, Gudrun: Autobiographien von Frauen. Ein Lexikon. Böhlau-Verlag, Köln 2010 (Google Bücher)
  11. von Bebenburg, Franz Freiherr: Besprechung des Buches von Hartmuth Mahlberg (d.i. Johannes Marquardt) "Erich Ludendorff - Zum Gedenken seines 100. Geburtstag". In: Mensch & Maß, Folge 3, 9.2.1966, S. 138 - 143
  12. Ludwig Thoma - Die Geschichte seiner Liebe und Ehe. Aus Briefen und Erinnerungen. Hrsg. von Walther Ziersch Georg Mueller, München 1928
  13. Das Buch der Hitlerjugend. Die Jugend im Dritten Reich. Hrsg. von Ulf Uweson und Walther Ziersch. Park-Verlag, München 1934
  14. Bading, Ingo: Das Familienleben Erich Ludendorffs, insbesondere rund um seine erste Ehe (1909 - 1925). Studiengruppe Naturalismus, 15. Februar 2013  
  15. Thoss, Bruno: Der Ludendorff-Kreis 1919–1923. München 1978