Mittwoch, 13. Juni 2012

"Priesterliche Weltherrscher - ein Warnruf an alle freiheitliebenden Völker"

Der deutschamerikanische Humanist und Schriftsteller Rudolf Cronau warnt vor Welttheokratien

Im Jahr 1930 ist Mathilde Ludendorff in München angeklagt worden "wegen Religionsvergehens", weil sie eine positive Besprechung eines aufrüttelnden Buches veröffentlicht hatte. Der Titel des Buches lautete: "Die Entwicklung des Priestertums und der Priesterreiche oder: Schamanen, Wundertäter und Gottmenschen als Beherrscher der Welt. Ein Warnruf an alle freiheitliebenden Völker" (22). Erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt Mathilde Luendorff eine Mitteilung darüber, welche Person sich eigentlich hinter dem Pseudonym des Autors dieses Buches, nämlich hinter "Randolph Charles Darwin" verborgen hatte.

Abb. 1: Angeklagt wegen Religionsvergehens - Schrift von Mathilde Ludendorff aus dem Jahr 1930

Indem man von diesem Namen weiß, läßt sich das von ihr besprochene, Buch heute noch besser einordnen von der Motivlage des Verfassers her, wenn man nämlich einiges über das sonstige Leben und Wirken dieses nicht unbedeutenden Humanisten, Kirchen- und Priesterkritikers weiß.

Abb. 2: R. Cronau
Es handelt sich um den deutschamerikanischen Schriftsteller Rudolf Cronau (1855-1939) (Wiki). Er stammte aus Solingen, war aber schon früh nach den USA ausgewandert, und konnte schon zum Zeitpunkt der Herausgabe seines genannten Buches auf ein sehr reichhaltiges Abenteuer-, Reise- und Schriftsteller-Leben zurückblicken (vgl. 1, 2- 24). Unter anderem gilt er als einer der bedeutendsten Indianer- und Westernmaler. Wichtiger aber noch ist ist, daß er im Jahr 1919 eine Geschichte der Frauenemanzipation geschrieben hat (16). 

Heute befindet sich sein Nachlaß im Stadtarchiv von Solingen (1). Über ihn ist inzwischen auch allerhand Literatur erschienen (Auswahl: 24-29).

Seine Lebenserinnerungen hat unter den Titel gestellt "Auf des Lebens Wellen und Wogen - Fahrten, Kämpfe, Abenteuer und Leistungen eines stets wanderfrohen Überseedeutschen" (24). Er ist ein Freund von Carl Schurz gewesen und hat sich mit diesem in den USA für die dortigen Deutschen eingesetzt.

Ein Brief an Mathilde Ludendorff von 1953

Da aber der Zusammenhang des Pseudonyms "Randolph Charles Darwin" mit der Person dieses vielseitigen Rudolf Cronau noch heute in Internet und Öffentlichkeit wenig genannt wird - sowohl im Zusammenhang mit dem Buch "Entwicklung des Priestertums", als auch im Zusammenhang mit der Person Rudolf Cronau - wird es sicherlich Sinn machen, einmal den Brief zu zitieren, durch den Mathilde Ludendorff über die Person des Verfassers dieses gründlich und umfassend erarbeiteten priesterkritischen Buches aufgeklärt worden ist.

Abb. 3: Rudolf Cronau
Über den Absender des folgenden Briefes, Hanns Fischer, kann derzeit dabei leider nicht mehr mitgeteilt werden, als das, was aus dem Brief selbst hervorgeht:

Hanns Fischer
Chicago, Illinois, 9. November 1953
Liebe Frau Ludendorff!
Deutschland ist wieder einmal ein ganz entrechtetes Land und Volk. ... Ihre lieben Zeilen, wenngleich betrübend, bekräftigen leider meine Aussagen. ... Wenn ich erst einmal im Besitze aller Ihrer Schöpfungen bin, werde ich versuchen, gründlich darüber zu deuten, in Englisch aber. ...
„Die Entwicklung des Priestertums und der Priesterreiche“ von R. Ch. Darwin wurde öfters im "Quell" erwähnt. Hinter diesem Decknamen verbirgt sich Rudolf Cronau, ein Amerikaner deutscher Herkunft, der als Historiker und Forscher viele bedeutende Werke schuf. Er schrieb u. a. auch „Woman Triumphant“, das 1919 in New York erschien. Will versuchen, für Sie ein Buch aufzufinden. Ich war mit Cronau befreundet, weiß also viel von ihm und durch ihn. Er schrieb deutsch und englisch gleich meisterhaft, und hat nach dem ersten Weltkrieg viel, viel Leid in Deutschland gelindert. Daß selbst die sogenannten Deutschamerikaner ihn nicht kennen oder verschweigen, ist eben bezeichnend!
Mut und Vertrauen, liebe Frau Ludendorff, und nehmen Sie mir meine offenen Worte nicht übel. Recht herzlich, Ihr Hanns Fischer

Unter anderem zwei Jahre später, in ihrem Aufsatz "Die Hochflut des Okkultismus" vom 23.10.1955 (26), erinnert Mathilde Ludendorff einleitend auch noch einmal erneut an das Buch von Rudolf Cronau und ihre eigenen Erfahrungen mit ihm:

In einem sehr verdienstvollen Werke hatte vor einigen Jahrzehnten ein amerikanischer Forscher, der sich den Schriftstellernamen Charles Darwin beilegte, die "Entwicklung der Priesterreiche" eingehend geschildert. Er hatte aus unantastbaren Quellen all den Trug nachgewiesen, der in fernsten und fernen Jahrtausenden bis zur Gegenwart hin mit dem Glauben an Gott oder Götter, mit der Glückssehnsucht und Leidangst, vor allem Dingen mit der Todesangst getrieben wurde. So sehr sahen sich auch die Priester des 20. Jahrhunderts von den Tatsachen seiner Forschung noch enthüllt und tief getroffen, daß meine Besprechung dieses verdienstvollen Werkes in unserer Zeitschrift mir vor dreieinhalb Jahrzehnten eine Anklage wegen "Gotteslästerung" mit Hilfe des berühmten § 166 eintrug. Sofort nach dieser Anklage schrieb ich die heute leider vergriffene Schrift "Angeklagt wegen Religionsvergehen", die schon nach acht Tagen zu 100 000en ins Volk gegangen war. Sie hat damals unserem Aufklärungskampf so sehr geholfen, daß ich mich verpflichtet fühlte, in dem Schlußabschnitt dieser Schrift dem bei der Vorvernehmung von mir entdeckten Kläger, nämlich dem erzbischöflichen Ordinariat in München, meinen ausführlichen, herzlichen Dank auszusprechen.
Jenes Buch des Forschers Charles Darwin war eine sehr gründliche Aufklärung, die auch noch heute sehr zeitgemäß ist, denn die Todesnot des Gottesbewußtseins auf diesem Sterne ist wahrlich noch nicht überwunden! (...) Die umfassende Kenntnis der Naturgesetze hat den Völkern die Scheu vor den Naturgewalten genommen und läßt die Jugend nur allzu leicht an die Stelle dieser Scheu den Zynismus setzen, der sie so trefflich für eine Verleitung zur materialistischen Gottleugnung geeignet macht. Den wichtigsten Dienst leisten hierzu gerade - wenn auch völlig ungewollt - die Religionen. (...) Die so tief vom Gotterleben der Seele hinabgestürzten Priesterreiche behielten die urältesten Wege der Tröstungen und Hilfen nicht nur bei, sondern ließen den Okkultismus geradezu verhängnisvoll aufblühen. ...

Abb. 4: R. Cronau
Im weiteren führt sie aus, daß anstelle der christlichen Religion nicht nur materialistischer Zynismus aufblüht, sondern auch Okkultismus, der bis hin zum Satanismus einer solchen Okkultloge wie der "Fraternitas Saturnis" führt. Die "freiheitsliebenden Völker" haben wohl heute immer noch allen Grund, solchen Gefahren gegenüber auf "Warnrufe" wie jene des Rudolf Cronau zu hören.

In der Zeitschrift der Ludendorff-Bewegung "Der Quell" vom 9. Februar 1961 setzte Edmund Reinhard, der damalige zweite Vorsitzende des "Bundes für Gotterkenntnis (Ludendorff)", die Todesanzeige für einen "Dr. med. Hanns Fischer", Facharzt in Eßlingen/N.. Womöglich handelte es sich bei ihm um den obigen Briefschreiber. 

Nachbermerkung (10.3.23): Der Wikipedia-Artikel über Rudolf Cronau ist heute viel ausführlicher als vor zehn Jahren. Außerdem gibt es auch inhaltsreiche Artikel über ihn auf "Wikitree" (Wiki-Tree), auf dem sich Familienbilder finden, ebenso auf Wiki Commons und Wiki Source.

So daß man inzwischen einen noch deutlich besseren Überblick und Einblick in sein Leben und Wirken erhält. 

Sein Buch "Die Entwicklung des Priestertums und der Priesterreiche" ist auf Wikipedia immer noch nicht verzeichnet. 

Cronau war schon 74 Jahre alt, als er dieses Buch im Jahr 1929 heraus gebracht hat. Es wäre auch noch einmal der Frage nachzugehen, wie es dazu kam, daß dieses Buch ausgerechnet im Theodor Weicher-Verlag in Leipzig erschien, in dem ja auch die ersten Bücher von Mathilde Ludendorff erschienen sind. 

Der vorliegende Blogartikel verdient also eine gründliche Überarbeitung und Erweiterung. Cronau hat Jahre lang für die "Gartenlaube" in Leipzig gearbeitet. Er war befreundet mit Sitting Bull. Er war zwei mal verheiratet und hatte drei Kinder, die inzwischen alle drei schon verstorben sind.

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  1. Poensgen, Aline: Bestand Rudolf Cronau 1881-1939 - Findbuch. Stadtarchiv Solingen 1996 (pdf)
  2. Geschichte der Solinger Klingenindustrie, Stuttgart 1885, VII, 52 S. 2 Taf. (FA 94)
  3. Von Wunderland zu Wunderland. Landschafts- und Lebensbilder aus den Staaten und Territorien der Union von R.C. Mit Erläuterungen in Poesie und Prosa von Friedr. Bodenstedt, H.W. Longfellow u.a. (24 Lieferungen mit je 2 großen Bildern nebst 2 Blatt Text, Leipzig, 1886 (FA 197)
  4. Unter dem Sternbanner. Land und Volk der Vereinigten Staaten von Nordamerika in Wort und Bild geschildert von R.C. in Verbindung mit hervorragenden deutschen und amerikan. Schriftstellern. Fünfzig Lichtdruckbilder mit erläuterndem Text in Poesie und Prosa, Leipzig
  5. Fahrten im Lande der Sioux, Leipzig 1886
  6. Das Buch der Reklame. Geschichte, Wesen und Praxis der Reklame; Ulm 1887, 92, 80, 94, 128, 92 S. (MA 3077)
  7. Absonderliche Fahrten. Episoden aus einem Wanderleben, 1887
  8. Im wilden Westen. Eine Künstlerfahrt durch die Prairien und Felsengebirge der Union, Braunschweig 1890 VI. 383 S. (MA 317)
  9. Amerika. Die Geschichte seiner Entdeckung von der ältesten bis auf die neueste Zeit. Eine Festschrift zur 400j. Jubelfeier der Entdeckung Amerikas durch Chr. Columbus, 2 Bde, Leipzig 1892
  10. Illustrative Wolkenformen, 1897
  11. Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika. Eine Geschichte der Deutschen in den Vereinigten Staaten. Berlin 1. Aufl. 1909, 2. Aufl. 1924, 696 S.(GA 166) SEVERUS Verlag, (656 Seiten) (GB) (Gutenberg)
  12. England, ein Zerstörer der Völker, Chicago 1914, 19 S. (Na 47- 19)
  13. Do we need a third War for Independence, New York, 1914 (Na 47- 19)
  14. The British Blackbook, New York 1915, 121 S. (MA 42)
  15. German Achievements in America, 1916
  16. Woman triumphant. The Story of Her Struggles for Freedom, Education ans Political Rights, New York 1919, 300 S.
  17. The Discovery of America and the Landfall of Columbus, New Yorf 1921, 53 S. (MA 41)
  18. The Army of the American Revolution and its Organizer, New York, 1923, 150 S. (MA 173)
  19. The last Resting Place of Columbus. A Monograph Based on Personal Investigations, New York 1926 31 S. (Na 47-19)
  20. Prohibition and Destruction of the American Brewing Industry, New York 1926, 31 S. (KA 152)
  21. Die Deutschen als Gründer von New Amsterdam-New York und als Urheber und Träger der amerikanischen Freiheitsbestrebungen. Eine Denkschrift zur Erinnerung an den vor 300 J. erfolgten Erwerb der Insel Manhattan durch Peter Minuit u. an d. 150j. Feier des amerik. Unabhängigkeitskriegs, New York 1926, 70 S. (MA 55)
  22. Darwin, Randolph Charles (Pseudonym): Die Entwicklung des Priestertums und der Priesterreiche oder: Schamanen, Wundertäter und Gottmenschen als Beherrscher der Welt. Ein Warnruf an alle freiheitliebenden Völker. Theodor Weicher Verlag, Leipzig 1929; (Buchfreund); Nachdrucke: Verlag für ganzheitliche Forschung, Wobbenbüll, Husum 1979 (GB); Historia Verlag 2002; Historia Verlag, Ulm 2007; Dogma 2013
  23. Denkschrift zum 150. Jahrestag der Deutschen Gesellschaft der Stadt New York 1784-1934, USA 1934, 97 S. (KA 250)
  24. Auf des Lebens Wellen und Wogen. Fahrten, Kämpfe, Abenteuer und Leistungen eines stets wanderfrohen Überseedeutschen, New York 1939, 185 S. (masch.) (GA 306)
  25. Heinz Rosenthal: Leben und Werk eines Deutschamerikaners, Solingen 1954 (masch.) (GF 184)
  26. Ludendorff, Mathilde:  Die Hochflut des Okkultismus. In: Der Quell, Folge 20, 23.10.1955, S. 913-919
  27. R. Keller/Hans Lohausen: Rudolf Cronau. Journalist und Künstler, Solingen 1989
  28. Gerold Wunderlich: R. Cronau. Topographical Views of America [Ausstellungskatalog] New York 1993, 33 S. zahlr. Abb. (Kopie GA 3122)
  29. Jeanette Baden: Das Amerikabild Rudolf Cronaus, Magisterarbeit Bonn 1994. Weiteres s. hier u. im Katalog des Stadtarchivs Solingen (GA 3130)
  30. Ludendorff, Mathilde: Angeklagt wegen Religionsvergehens. Ludendorffs Volkswarte Verlag, München 1930 (51.-100. Tsd.); erneut: Archiv-Edition, Viöl, 2007 
  31. Hackländer, Sabine: Rudolf Cronau. 2012 (Yumpu)

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