- Die Vergangenheit reicht über ein vielfältiges Wurzelgeflecht hinein in die Gegenwart
Die Vergangenheit reicht über ein vielfältiges Wurzelgeflecht hinein in die Gegenwart, so auch im Bereich der Familiengeschichte. In diesem Beitrag soll auf Familiengeschichten hingewiesen werden, die Berührungen aufweisen mit kulturell gehaltvolleren Teilen der völkischen Bewegung der 1920er und 1930er Jahre (einführender Teil). Zu den kulturell gehaltvolleren Teilen der völkischen Bewegung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehörte auch die Ludendorff-Bewegung. In den letzten Jahren werden immer wieder einmal Familiengeschichten bekannt, die auf irgendeine Weise in Berührung gekommen sind mit der Ludendorff-Bewegung, etwa weil die Eltern oder Schwiegereltern Ludendorff-Anhänger waren. Solche Familiengeschichten sollen in diesem Blogbeitrag zusammen gestellt werden. Sie werden nach und nach ergänzt, so wie zuletzt - 2024 - durch Hinweis auf Dieter Henrich.
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Viele Menschen haben ihre Familiengeschichte im 20. Jahrhundert aufgearbeitet, viele Menschen, deren Eltern oder Großeltern Nationalsozialisten waren oder die in der völkischen Bewegung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tätig waren. So auch der Autor dieser Zeilen in mehreren Blogbeiträgen.
In der überwiegenden Mehrheit der Familiengeschichten der Deutschen markiert das Jahr 1945 einen Bruch. Um so mehr zeitlichen Abstand zu diesem Bruch gewonnen wird, um so deutlicher tritt er heraus. Es ist dieses Jahr 1945 jenes Jahr, in der sich die Menschen der jüngeren Generation eines ganzen Volkes von der eigenen inneren, idealistischen Lebensanschauung, sowie auch der ihrer Eltern, Großeltern und Vorfahren abgewandt haben.
In dieser Hinsicht bildet das Jahr 1945 ein Bekehrungs-Ereignis, die "Bekehrung" eines ganzen Volkes, die "Umerziehung" eines ganzen Volkes.
Damals wurde die gesamte deutsche Jugend zu einer neuen "Religion" bekehrt, zur Religion des Konsums, der Oberflächlichkeit, des Hedonismus, des Wirtschaftswunders, des Wohlstandes und der Zerstörung der vielfältig überlieferten Werte, zu einer Religion des nie da gewesenen Zynismus und der Dummheit, ja, Verblödung, zu einer Religion des Absurden, zu einer Religion seelischer Leere und Hohlheit. Diese Bekehrung wurde heuchlerisch vertuscht unter der Maske der "neuen", "demokratischen", "humanistischen" Gesinnung, zu der Deutsche bis dahin - offenbar - bis dahin nicht fähig gewesen seien.
Welche tiefe Trauer war noch Mitte der 1990er Jahre auf Treffen von westpreußischen Heimatvertriebenen erlebbar (so z.B. in Münster), wo man unter Hunderten von Menschen, unter Hunderten der einzige Angehörige der eigenen Generation (Jahrgang 1966) gewesen war und wo sich alle Menschen, die sich mit einem unterhielten, wunderten, weshalb man sich für die Geschichte Westpreußens, ihrer Heimat interessierte. Denn die eigenen Kinder der Anwesenden, die Kinder von Hunderten, Tausenden, nein, Millionen von Menschen interessierten sich praktisch durchgehend und allesamt nicht mehr für das, was ihren eigenen Eltern und Großeltern teuer und heilig war bis zur letzten Atemstunde ihres Lebens. So die Aussage jedes Anwesenden, mit dem man überhaupt nur ins Gespräch kam. Das Abwenden der nachwachsenden deutschen Generation von allem, was vorher war, war da spürbar wie selten. - Mit welchem Ziel? Mit welchem Anspruch? Wohin? - - -
Es seien von solchen Brüchen in Familiengeschichten zunächst einige Beispiele genannt, insbesondere solche, die auf unseren Blogs schon behandelt worden sind oder Erwähnung gefunden haben.
Die deutsche Schriftstellerin Gisela Heidenreich (geb. 1943) (Wiki) ist die uneheliche Tochter eines Familienvaters und SS-Offiziers, der nach dem Zweiten Weltkrieg aktiv mitgearbeitet hat bei dem "Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes" (Wiki) (1, 2). Dieses hat sich nachhaltig darum bemüht, das deutsche kulturelle Erbe und den dieses tragenden seelischen Gehalt auch über das Jahr 1945 hinweg zu retten. Wirkte und wirkt Gisela Heidenreich bei diesen Anliegen heute weiter mit? Ihre Mutter war nicht nur gut befreundet mit der langjährigen Sekretärin Adolf Hitlers, sondern Geliebte eines hochrangigen Diplomaten aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, der sich aus Deutschland absetzte als ihm gerichtliche Verfolgung drohte (2). Mit diesen "Geheimnissen" ihrer Herkunft beschäftigte sich Gisela Heidenreich in mehreren Büchern gründlich. Fand sie dadurch ein weniger "ungebrochenes" Verhältnis zu dem Gehalt ihrer eigenen Familiengeschichte?
Der deutsche Schriftsteller Bernward Vesper (1938-1971) (Wiki), der langjährige Freund von Gudrun Ensslin, war Sohn des viel gelesenen nationalsozialistischen Schriftstellers Will Vesper (1882-1962) (Wiki). Noch als junger Erwachsener hat er sich Ende der 1950er Jahre - gemeinsam mit Gudrun Ensslin - im Umfeld des deutschen völkischen Schriftstellers Hans Grimm bewegt. Wie kam es - dennoch - zur Abkehr? Eine Abkehr, die im Selbstmord endete.
Der Schriftsteller des Absurden Walter Erich von Bebenburg-Richartz (1927-1980) (Wiki) war der älteste Enkelsohn von Mathilde Ludendorff, und zwar ein solcher, um den sich nach Meinung eines bekannteren Jesuitenschülers, der sich in der alternativen Öffentlichkeit bewegt, "streng gehütete Familiengeheimnisse" ranken, was dieser 2017 öffentlich äußerte, ohne diese Geheimnisse nun auch tatsächlich zu benennen (3). Aber womöglich aufgrund solcher "Geheimnisse" hat sich sich der Enkelsohn von der Weltanschauung und dem Lebensgehalt seiner Großmutter und Mutter abgewandt und wurde stattdessen - - - ein guter Freund von Günther Grass, eines ähnlich "Bekehrten". Eine Abkehr, die im Selbstmord endete.
Der Künstler Ingo Springenschmid (1942-2016) (Wiki) war ein Sohn des völkischen Schriftstellers Karl Springenschmid (1897-1981) (Wiki). Ingo Springenschmid hat lebenslang gerungen mit der Tatsache, daß er einen solchen Vater hatte wie er ihn hatte. Was bewirkte diese Abkehr von seinem Vater? Eine Abkehr, die ihn bis an sein eigenes Lebensende voll tiefen Zwiespaltes zurückließ, in der er keinen eigenen inneren Frieden fand (4). Und das bei einem Vater, der so viele mitreißende Bücher geschrieben hatte.
Dieter Henrich hat Mathilde Ludendorff gelesen
[Ergänzung 8.3.24] 2021 hat der namhafte deutsche Philosoph und Hölderlin-Forscher Dieter Henrich (1927-2022) (Wiki) Lebenserinnerungen heraus gebracht (12).
Abb. 1: Die Lebenserinnerungen von Dieter Henrich (2021) |
Im Klappentext zu ihnen heißt es (12):
Dieter Henrichs philosophische Autobiographie ist reich an prägnanten Erinnerungen an Personen und Begebenheiten in vielen Lebenssphären und Weltgegenden. Er wurde zu einem der einflußreichsten Philosophen seiner Zeit, mit einer ergebnisoffenen, undogmatischen Philosophie, in der die Freiheit des Subjekts als eine ermöglichte und nicht als eine aus Selbstmacht initiierte verstanden wird. In mit großer Offenheit geführten Gesprächen lernen wir einen eleganten, altersweisen Metaphysiker ohne System und ohne Lehrsätze kennen.
In dem Buch ist zu erfahren: Dieter Henrich wuchs in Kassel und Marburg als Einzelkind auf, nachdem zwei ältere Geschwister an der Spanischen Grippe gestorben waren. Als Kind eines Vaters, der in armen Verhältnissen aufgewachsen ist und deshalb Vermessungstechniker wurde, anstatt Jura studieren zu können, wie er es eigentlich gewollt hatte. Der Vater starb schon mit 57 Jahren im Jahr 1938 als Dieter Henrich erst 11 Jahre alt war. Dieser hatte ihm viel bedeutet. Henrich sagt über den Segen, den ihm sein Vater in der Sterbeminute gegeben hat (12):
Deshalb werde ich immer Gedanken fassen, in denen dieser Moment als eine letzte Bedeutungsquelle bewahrheitet bleibt.
Und etwas später allgemeiner über sein Philosophieren, das er dabei in Gegensatz stellt zu dem Philosophieren von Jürgen Habermas oder Niklas Luhmann (12):
Die Begründung muß aus sich selbst heraus überzeugen können. (...) Was ich theoretisch ausarbeite, muß aus dieser Begründung allein heraus überzeugen - und zugleich verfugt mit dem sein, was ich als meine eigene Erfahrung in Erinnerung halte und seitdem sprachlich und begrifflich zu durchdringen versuche.
Das Buch ist als Gespräch verfaßt. Nachdem Henrich über seinen Vater gesprochen hat, fragen seine Gesprächspartner: "Kommen wir noch ein wenig genauer auf Ihre Mutter zu sprechen." Henrich antwortet (12):
Sie hatte eine ästhetisch-künstlerische Neigung. Meine Mutter sprach das an, was in der Religion das Geheimnisvolle ist. Sie hatte Freundinnen, die mit der Bewegung von Rudolf Steiner verbunden waren und die versuchten, mich ebenfalls zu gewinnen. Eine andere gute Bekannte meiner Mutter war Anhängerin der Sekte um Mathilde Ludendorff, der Frau des Generals. Sie verstand sich als völkische Theosophin, die mit ihren umfangreichen, meist in Versen verfaßten Werken eine Art militarisierter Mystik begründen wollte. Die mußte ich als Jugendlicher lesen, weil diese Tante mich dazu drängte. Meine Mutter selbst blieb immer protestantische Christin, zugleich offen gegenüber jeder Erfahrung des Heiligen, des Einbrechens einer numinosen Wirklichkeit, in die wir für sie auch im alltäglichen Leben bereits einbezogen waren.
Wenn man es recht versteht, handelte es sich bei dieser Tante also um eine Schwester seiner Mutter. Das dürfte etwa in den Jahren 1943 oder 1944 gewesen sein als er 16 und 17 Jahre alt war. Soweit man das diesem Buch entnehmen konnte, gehörte diese Lektüre zu seinen ersten Schritten in die Philosophie überhaupt. Mit 17 Jahren stellte er 1944 auch den Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP und wurde aufgenommen. [Ende Ergänzung 2024]
Wolfgang Jacobeit
Abb. 2: W. Jacobeit - Erinnerungen (2000) |
Wolfgang Jacobeit (1921-2018) (Wiki) (WerwarwerinderDDR) wurde in Naumburg an der Saale geboren, wo sein Vater - vermutlich schon als Physiklehrer - wirkte. Seine Mutter war eine Konzertsängerin. Aufgewachsen ist Wolfgang Jacobeit aber in Lyck in Ostpreußen, wohin sein Vater offensichtlich versetzt worden war oder sich hatte versetzen lassen. Sein Vater (Herbert Jacobeit) war bis 1931 Mitglied der NSDAP, wandte sich von dieser aber ab und wurde ein überzeugter Anhänger der Philosophie von Mathilde Ludendorff (5). In einer Rezension der Lebenserinnerungen von Wolfgang Jacobeit wird über dessen Jugenderinnerungen folgendes berichtet (6):
Der Vater, Gymnasiallehrer, war zeit seines Lebens ein fanatischer Anhänger Ludendorffs und des besonders auch durch dessen Frau Mathilde verbreiteten völkischen Mystizismus - wütend zerriß er 1931, als Hitler sich mit Ludendorff überwarf, das Mitgliedsbuch der NSDAP, der er sich schon zu Beginn der zwanziger Jahre angeschlossen hatte. Der musisch interessierten Mutter, die ihre Karriere als Konzertsängerin aufgab, als sie heiratete, war diese Gedankenwelt ihres Mannes fremd. Der einzige Sohn stand ihr besonders ...
Das weitere kann - wie vieles des folgenden - aufgrund nur beschränkter Google-Bücher-Ausschnitte nicht vollständig zitiert. In seinen Lebenserinnerungen berichtet Jacobeit, daß sein Vater zwei Brüder hatte, Edmund Jacobeit und Horst Jacobeit, die ähnlich wie sein eigener Vater gesinnt gewesen seien (5, S. 15):
Herbert und Edmund studierten in Jena weiter, waren aber völkisch-nazistischen Kreisen verbunden und beide brüsteten sich noch später, vom Jenaer Rathaus einmal die schwarz-rot-goldene Fahne herunter geholt zu haben.
In seinen Erinnerungen heißt es wörtlich weiter über das schon erwähnte Mitgliedsbuch der NSDAP seines Vaters, soweit das bislang von Google Bücher her zitiert werden kann (5, S. 16):
.... aus der Brieftasche die kleine Mitgliedskarte der NSDAP, zerriß sie in kleine Stücke und warf sie in den Papierkorb. Was war der Grund? Hitler und Ludendorff, die beiden Rädelsführer des Novemberputschs von 1923, hatten sich irgendwie entzweit, und dies später mit gewissen Folgen für die Anhänger der Weltanschauung von Mathilde und Erich Ludendorff. Das war nicht nur für meinen Vater Anlaß, der Nazipartei den Rücken zu kehren und sich ausschließlich einer fast abgöttisch-unterwürfigen Verehrung der Ludendorffs und ihrer "Deutschen Gotterkenntnis" sowie der Propagierung ihrer zahlreichen Schriften vor allem gegen die Juden, die Freimaurer, Jesuiten und deren vermeintliche Verbrechen an deutschen Geistesgrößen der Vergangenheit, zu widmen.
Seine Familie lebte in der masurische Stadt Treuburg (Wiki), eine Stadt, die nur fünf Kilometer westlich der russischen Grenze vor 1914, bzw. der polnischen Grenze vor 1939 lag, und die bis 1928 Marggrabowa hieß, dann aber mit Zustimmung der Bevölkerung zu "Treuburg" umbenannt worden ist. Diese Stadt ist 1945 durch die Kriegshandlungen zu 80 Prozent zerstört worden. Sie lag 25 Kilometer entfernt von der Stadt Lyck (5, S. 16):
... Wir zogen mit Sack und Pack in die masurische Stadt Marggrabowa, wo Vater tatsächlich als Studienrat für Mathematik und Physik, man kann sagen, endlich nach Herzenslust so agieren konnte, wie er es sich wohl immer gewünscht hatte. Er kannte keinen Feierabend, experimentierte in einem neu eingerichteten Physiklabor und bereitete dort den Unterricht für den nächsten Tag ...
.... Da saßen sie dann wie schlecht getarnte Verschwörer bei uns zu Hause, suchten ohne Unterlaß, diskutierten lautstark und waren sich darüber einig, daß die Nazis bald abgewirtschaftet haben würden. Mit dem Tod Ludendorffs 1937 und dem angeordneten Staatsbegräbnis vor der Münchner Feldherrnhalle - mein Vater nahm voller Erschütterung daran teil - kam es zur Versöhnung zwischen Hitler und Mathilde Ludendorff.
Daß es zur Versöhnung zwischen beiden gekommen sei, ist nicht richtig. Schon vor dem Tod Erich Ludendorffs war es im März 1937 zu einer - rein äußerlichen - "Versöhnung" Erich Ludendorffs mit Hitler gekommen. Nach dem Tod Erich Ludendorffs hatte Mathilde Ludendorff aber sehr große Schwierigkeiten, die Selbständigkeit ihrer Bewegung gegenüber den Vereinnahmungs- und Überschluckungsversuchen durch die SS und die NSDAP zu bewahren. Gleich bei Kriegsbeginn 1939 wurde ihrem Verlag das Papier entzogen, so daß ihre Zeitschrift nicht weiter erscheinen konnte, Regime-treue Zeitschriften jedoch konnten weiterhin erscheinen. Es ist halt die persönliche Sicht Jacobeit's, beeinflußt offenbar durch die Jahrzehnte lange DDR-Geschichtsschreibung, wenn er weiter schreibt (5, S. 17):
Warum auch nicht? Denn ich vermag auch heute noch kaum gravierende Unterschiede zwischen beiden Ideologien zu erkennen. Der Antisemitismus der Ludendorffer gebärdete sich nicht anders als der des "Stürmer". Die Irrationalität in "Glaubensfragen" war bei beiden im Prinzip nicht zu unterscheiden usw., was Herbert Jacobeit und andere zu extremen Ludendorff-Anhängern und zu Verfechtern der Deutschen Gotterkenntnis (Ludendorff)" werden ließ, war in erster Linie die Gestalt des "Feldherrn", hinter der der Gefreite Hitler kaum einen Platz zu beanspruchen hatte. Ich habe mit meinem Vater nie über dieses Thema gesprochen. Er hätte mir wohl auch kaum Bescheid gegeben, denn, wer auch immer an der Ludendorffschen Doktrin zweifelte oder Bedenken äußerte, war ihm sofort suspekt, und das ließ er den die Betreffenden bis zur Beleidigung spüren. Wie schon erwähnt, war für Herbert Jacobeit die Welt 1918 stehen geblieben und Ludendorff war für ihn die charismatische Figur schlechthin. Als sich nach 1923 die Koalition zwischen den beiden Rädelsführern des Putsches nicht mehr fortsetzen ließ, war die Hoffnung auf eine Rückkehr zur einstigen Gemeinschaft und damit zu den Verhältnissen von vor 1918 zunächst vertan. Hitler rüstete sich zur Macht durch den Aufbau einer Massenpartei. Er schuf sich eine neue Elite, in der die alte kaiserliche Generalität von Hindenburg bis Mackensen, dem Hohenzollernclan und anderen als Staffage für die großen Gepränge, Aufmärsche, Empfänge u. a. m. herhielten. Ludendorff befand sich nicht unter diesen. Warum nicht, wäre berechtigterweise zu fragen. Ich muß es offen lassen, weil es mich auch als Historiker nicht interessiert. Er scheint ein recht eitler Mensch gewesen zu sein, dem seine Getreuen den deutschen Sieg bei Tannenberg 1914 und den Handstreich auf Lüttich zuschrieben. Aber erst später habe ich davon erfahren, daß er als einer der rücksichtslosesten Fortsetzer des Krieges nach 1918 eine Zeit lang ins schwedische Exil ausweichen mußte. Die Ludendorff-Bewegung blieb trotz des Zwiespalts mit den Nazis bestehen. Die Bücher beider wurden in einem eigenen Verlag herausgebracht, und jede Woche erschien die Zeitschrift "Am heiligen Quell deutscher Kraft", von meinem Vater mit Ungeduld erwartet, von meiner Mutter und mir negiert. Herbert Jacobeit war handwerklich sehr geschickt. - - Er erwarb sich als Hobby die Kenntnisse und Fertigkeiten eines ...
Leider im Internet nicht vollständig einsehbar. Und (5, S. 18):
Herbert Jacobeit verhielt sich ausgesprochen extrem, wenn ich nur daran denke, daß meine Mutter und ich viele Abende damit zubrachten, seinen Lesungen aus dem neuesten Heft des "Heiligen Quell" nicht nur zuzuhören, sondern sogar den Inhalt einzelner Abschnitte mit eigenen Worten ...
Handgewebtes trugen die Frauen und hatten immer Sprüche oder Sentenzen von Mathilde Ludendorff parat. Mein Vater trieb einen regelrechten Personenkult um den "Feldherrn" und seine Frau, der sich kaum von dem der Nazis unterschied und deren zumindest ideologischer Beitrag zum Holocaust nicht von der Hand zu weisen ...
... oder Gustav Freitags "Germanentreue", die mit "Ingo und Ingraban" begann, rechnen würde. (...) Von der Ludendorffschen "Aufklärungsliteratur" etwa zur Marneschlacht 1914 habe ich kaum Notiz genommen. Der Kult um "den Feldherrn" hat mich zu sehr ....
In Lyck gab es auch einen anderen, eher akademischen Kreis von Ludendorff-Anhängern, die sich regelmäßig trafen, dann aus den weltanschaulichen Schriften namentlich von Mathilde Ludendorff lasen, die sich in ihrer völkischen Haltung einig waren und die dennoch mit Nazis nichts zu tun haben wollten; sie hatten alle etwas Sektiererhaftes an sich. - - Die Zeit in Lyck war für mich insofern noch etwas Besonderes, als meine Eltern meinetwegen einen Mitschüler aus einem Dorf unweit der polnischen Grenze aufnahmen: Walter von Lojewski, in dessen Elternhaus das Masurische als Umgangssprache galt. Er lebte mit uns bis zum gemeinsamen Abitur in Gumbinnen, war auch kein besonders guter Schüler, wurde aber in seiner Art ebenfalls Ludendorffanhänger, besuchte Tagungen in Tutzing und sonstwo, korrespondierte wohl auch mit Mathilde Ludendorff. Er entschied sich für die Laufbahn eines Berufsoffiziers bei der Luftwaffe, überstand den Krieg unbeschadet und wirkte bis zu seinem Tod Anfang der 1980er Jahre als Dorfschullehrer im Thüringischen. Ein paar Mal haben wir uns da noch getroffen. Er erinnerte sich gern so mancher Annehmlichkeiten im Haus meiner Eltern und vertrat das Ludendorffsche Gedankengut kaum weniger vehement als mein Vater. In dieser Hinsicht gab es niemals einen Konsens, wenn die Gespräche darauf kamen, obwohl wir inzwischen beruflich ausgewiesene und erfahrene Familienväter geworden waren. - Die Jahre in Lyck nahmen mit dem Jahr 1937 ein fast unrühmliches Ende. Herbert Jacobeit wurde nach Gumbinnen im östlichsten Ostpreußen versetzt, und das kam einer behördlichen Strafversetzung gleich: Er war in Lyck mit einem jüngeren Kollegen, der wohl dem "Stahlhelm" angehörte, aber noch nicht das "Ritual" der Feuertaufe des Krieges erfahren hatte, über eine neue Marschordnung der Reichswehr in Streit geraten. - Daß die Soldaten nunmehr in Dreierreihe statt wie 32 …
Erwähnt sei hier noch, daß aus der masurischen Adelsfamilie von Lojewski im 20. Jahrhundert mindestens vier namhafte Journalisten hervor gegangen sind: Sohn des masurischen königlichen Försters Gottfried von Lojewski war der Journalist Erich von Lojewski (geb. 1909 in Masuchowken, Kreis Lyck, Masuren, gest. 1970) (Wiki). Dessen Sohn war der Journalist Wolf von Lojewski (geb. 1937) (Wiki). Der Journalist Werner von Lojewski (1907-1980) (DNB) hinwiederum war Vater des Journalisten Günther von Lojewski (1935-2023) (Wiki). Es könnte naheliegend sein, familiäre Zusammenhänge zwischen Günther, Wolf und Walter von Lojewski zu vermuten. Das ist aber - zumindest über schnelle Recherche - nicht gleich zu klären.
All diese Angaben bilden Puzzle-Teile für die Geschichte der Ludendorff-Bewegung allgemein, aber insbesondere auf für die Geschichte derselben in Ostpreußen, zumal zu ihrer Geschichte in Ostpreußen ansonsten nur vergleichsweise wenig bekannt ist, zumal aus den 1930er Jahren. Aus den hier gebrachten Auszügen geht hervor, daß es lohnend sein wird, diese Erinnerungen noch einmal vollständig und im Gesamtzusammenhang auszuwerten.
Wolfgang Jacobeit war dann von 1970 bis 1986 Professor für Volkskunde an der Humboldt-Universität in Berlin. Im Jahr 2000 hat er dann Erinnerungen veröffentlicht (5), die wir hier auswerten, und die auch breiter rezensiert worden sind (9, 10). Wolfgang Jacobeit hat von 1939 bis 1941 Geschichte und Volkskunde an den Universitäten Leipzig und Königsberg studiert. 1941 wurde er zum Wehrdienst eingezogen, kam aber bis 1945 nie zum Kriegseinsatz. 1943 heiratete er in Elbing (HU Berlin):
Er schrieb seine Abschlußarbeit durch die Einberufung erst nach dem Ende des zweiten Weltkrieges in Göttingen bei Will-Erich Peukert. 1956 wechselte er von Göttingen an die Akademie der Wissenschaften in Berlin, habilitierte sich 1961, war dann von 1970 bis 1980 Direktor des Museums für Volkskunde in Berlin sowie seit 1970 zugleich Honorarprofessor und ab 1980 berufen als Lehrstuhlinhaber für Volkskunde am Bereich Ethnographie der Humboldt-Universität zu Berlin.
Sah er in Göttingen und Westdeutschland in jenen Jahren in der Volkskunde für sich keine Zukunft? Und was war aus seinen Eltern 1945 und später geworden? Jacobeit lebte jedenfalls lange Jahre in Birkenwerder. Als seine zweite Ehefrau Sigrid Jacobeit zur Leiterin der Gedenkstätte des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück ernannt wurde, wechselte er seinen Wohnort nach Fürstenberg an der Havel, wo er auch begraben ist.
Seine erste Frau und die Kinder wandten sich - offenbar noch während der DDR-Zeit - der anthroposophischen Bewegung zu, die Jacobeit ebenso heftig ablehnte wie zuvor die Ludendorff-Bewegung seines Vaters.
Der Schriftsteller Peter Härtling und seine Schwiegereltern
Mit einer Tochter von Ludendorff-Anhängern aus Nürtlingen war der einstmalige elternlose Flüchtlings-Junge und deutsche Schriftsteller Peter Härtling (1933-2017) (Wiki) verheiratet. Auf Wikipedia ist über die schweren Jugenderlebnisse von Peter Härtling zu lesen (Wiki):
Peter Härtling verbrachte seine Kindheit zunächst in Hartmannsdorf bei Chemnitz, wo sein Vater eine Rechtsanwaltskanzlei unterhielt. Während des Zweiten Weltkriegs zog die Familie nach Olmütz in Mähren, gegen Ende des Kriegs floh sie vor der Roten Armee nach Zwettl in Niederösterreich. Im Juni 1945 starb der Vater in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Nach dem Krieg übersiedelte Härtling nach Nürtingen. (...) 1946 nahm sich seine Mutter das Leben. Deren Vergewaltigung durch russische Soldaten hatte Härtling 1945 mitansehen müssen. (...) 1959 heiratete er die Psychologin Mechthild Maier. Das Paar hat vier gemeinsame Kinder.
Über die Eltern von Mechthild Maier erzählt Peter Härtling in seinen Lebenserinnerungen. Und dies findet folgendermaßen Erwähnung im inhaltsreichen Anmerkungs-Teil zum einleitenden Kapitel von Manfred Nebelins Ludendorff-Biographie (S. 14, Anmerkung 82):
Ein seltenes Zeugnis von der Spätblüte des "Deutschen Gottglaubens" im Nachkriegsdeutschland geben die Lebenserinnerungen des Schriftstellers Peter Härtling. Darin beschreibt dieser mit großem Einfühlungsvermögen und feinem Humor, wie die Bekehrungsversuche seines Schwiegervaters, eines angesehenen Nürtinger Arztes und eifrigen Lesers der Schriften Mathilde Ludendorffs, an ihm abprallten: "Wotans himmlischer Zug rauschte an mir ohne Wirkung vorbei".
Nun, gar so kenntnisreich scheint Peter Härtling bei diesem "Vorbeirauschen" nicht geworden zu sein, sonst hätte er mitbekommen müssen, daß die Philosophie von Mathilde Ludendorff mit "Wotans himmlischem Zug" nichts zu tun hat. Immerhin wird aber über Mechthild Maier berichtet:
Eine besondere Rolle in Härtlings Leben nahm dessen Ehefrau Mechthild ein, die er schon im Alter von 13 Jahren kennenlernte und deren Liebe ihn durch eine schwierige Kindheit und Jugend brachte. "Ihrer Liebe verdankte Papa sein Kraft, ohne sie hätte sich sein Lebenswillen nicht so entwickelt. Das wissen wir Kinder."
Er selbst wird mit den Worten zitiert (Deutschlandfunk 2016):
"Wir haben auch viel miteinander gemacht, die Mechthild und ich. Wir haben unglaublich viel, fehlt mir heute, wenn ich mit so 20- bis 22-Jährigen zusammen bin … die Diskutierwut, dieses der Sache auf den Grund gehen wollen. Ich weiß noch, die Mechthild hatte mit Kassner zu tun, mit der Physiognomie von ihm. Wir haben uns gefetzt und es war jedem wichtig, was er dachte. Das sind einfach Bausteine, die man aufeinandersetzt."
Seine Frau Mechthild Maier, mit der er seit 1959 verheiratet war und vier Kinder hatte, las als Erste seine Manuskripte, brachte die Schlußform in den Computer, denn Härtling bevorzugte das Schreiben auf einer alten mechanischen Schreibmaschine. Und er freute sich über Kritik von ihr, auch wenn sie seit Beginn des neuen Jahrtausends nicht mehr während des Lesens von einzelnen Kapiteln ihre Fragen und Anmerkungen einbrachte, sondern erst ganz am Schluß: "Sonst habe ich Angst, daß mich eine zu scharfe Kritik hemmt." Die Erfahrungen seiner Frau, die lange als Psychologin am Jugendamt gearbeitet hatte, brachte er auch bei seinen Kinderbüchern ein. In seiner ersten Erzählung in diesem Genre, "Das war der Hirbel" (1973), stellte er ein Kind in den Mittelpunkt, das nicht fähig ist, sich auszudrücken; es wurde ebenso Klassenlektüre in der Grundschule wie "Ben liebt Anna" (1979) über die zarte Liebe von Ben zum Aussiedlermädchen Anna. Mit diesen Büchern, mit "Oma" (1975), "Theo haut ab" (1977) oder "Paul, das Hauskind" (2010) setzte er Maßstäbe im Kinderbuch. Daß ein Autor für Erwachsene wie für Kinder schreiben kann, ist selten: Für sein kinderliterarisches Gesamtwerk wurde er 2001 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.
Man möchte meinen, daß Peter Härtling manchen Grund zu Dankbarkeit hätte haben können gegenüber seinen Schwiegereltern dafür, daß es ohne sie jene Frau nicht gegeben hätte, die so tiefgreifend Einfluß auf sein Leben genommen hat. - Auf Google Bücher kann man finden, daß der Name Ludendorff in den Texten von Peter Härtling immer einmal wieder fällt, aber selten in Zusammenhängen, bei denen man den Eindruck gewinnt, diese Erwähnungen hätten ihren Ursprung in Auseinandersetzung mit kundigeren Ludendorff-Anhängern gehabt. So bringt er an einer Stelle als Zitat gedichtete Worte der frühen 1920er Jahre, die da lauten (s. "Vergessene Bücher - Hinweise und Beispiele"):
"Der heilige Name Gneisenau ist auf unseren Lippen, wenn wir den Blick zu den geisterkühnen Zügen Ludendorffs erheben ..."
In "Lebensläufe von Zeitgenossen" fällt die Bemerkung:
... Zuerst habe er viel von Siegen gefaselt, der Unüberwindbarkeit der deutschen Truppen, habe Hindenburg und Ludendorff vergöttert, habe eine Litanei von Schlachtennamen heruntergebetet, als Refrain höre ...
Und in "Mein Lesebuch" finden sich die Bemerkungen:
... als Armeeführer, mit Ludendorff um die Weiterexistenz des Schlosses Coucy gerungen habe, das mit seinen romanischen Gewölben als architektonischer Edelstein zwischen die beiden Fronten geraten war. "Es war wirklich ...
Worauf sich diese Worte beziehen, kann man auf Wikipedia nachlesen (Wiki). Insbesondere der deutsche Heeresgruppenführer Kronprinz Rupprecht, der bayerische Thronfolger, hat sich offenbar für den Erhalt dieser Burg gegenüber Ludendorff eingesetzt, offenbar ohne Erfolg außer dem, daß dieser Vorgang später von Peter Härtling aufgegriffen wurde. Oder es finden sich die Ausführungen (s. "Ich war für all das zu müde" - Briefe aus dem Exil):
... Bolschewiken, jedenfalls aus verkehrten Nazis. Begreiflich. Aber damit begeben sie sich der Gnade, womit ihr einzigartiges Schicksal sie ausgezeichnet hatte. Sollen wir, die weder vor Ludendorff noch vor Hitler kuschten, uns nun vor der pfäffischen Unduldsamkeit von Leuten beugen, die teils auf ihre Rasse, teils auf eine gewiß nicht minder engstirnige und ...
Hier dürfte von kommunistischen Revolutionären die Rede sein. Um solche Google-Bücher-Schnippsel inhaltlich zu verstehen, müßten sie natürlich noch im Gesamtzusammenhang herausgesucht werden.
Jahrgang 1937 - Einar Schlereth, Journalist und Übersetzer
Überhaupt dürfte es allmählich Sinn machen, die Erinnerungen zahlreicher Kinder von Eltern, die insbesondere vor 1945 Ludendorff-Anhänger waren, und deren Kinder sich nach 1945 von dieser Weltanschauung abgewendet haben, im Überblick auszuwerten. Dazu wurden hier auf dem Blog auch schon die Erinnerungen des Westpreußen Einar Schlereth ausgewertet, des Dritte Welt-Experten, Journalisten und Übersetzers. Er hatte Ludendorff-Anhänger als Eltern. Er ist Jahrgang 1937 (Stud. Natur 2016).
Jahrgang 1943 - Hans-Jürgen Krahl, Studentenführer und Lieblingsschüler Adornos
"Er war der Klügste von uns allen," hat Rudi Dutschke über ihn gesagt, über den früh verunfallten führenden Angehörigen der 68-Bewegung Hans-Jürgen Krahl (1943-1970) (Wiki). Dieser hat keine Familienangehörigen hinterlassen, die ihm heute noch das Grab pflegen können. Er schrieb in seinem Lebenslauf (Krahl-Seiten):
Gegen Ende des Krieges flohen meine Eltern mit mir vom damaligen Stettin in meine Geburtsstadt. Dort verbrachte ich meine Kindheit bis zum 15. Lebensjahre.
Auf Wikipedia heißt es über ihn (Wiki):
Krahl war nach eigenen Angaben Mitglied im Ludendorffbund, zu Beginn seines Studiums von Philosophie, Germanistik, Mathematik, Geschichte an der Universität Göttingen trat Krahl in die schlagende Verbindung Verdensia ein. 1961 wurde er Mitglied der CDU und war „ein eiferndes Gründungsmitglied der Jungen Union“ in Alfeld. Schon 1964 trat er dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) bei, und 1965 begann er bei Adorno seine Dissertation zum Thema Naturgesetz der kapitalistischen Bewegung bei Marx. Krahl war der einzige Student und Mitarbeiter, den Adorno als gleichwertigen Gesprächspartner akzeptierte.
Nun aus der Autobiographie des oben erwähnten Dieter Henrich geht hervor, daß Adorno auch Dieter Henrich sehr schätzte, allerdings blieb Henrich auf Distanz zu Adorno, da er selbst Adorno nur für mittelmäßig hielt.
Krahl, der "Lieblings-Schüler Adornos", schrieb 1971 über seine Herkunft, über die sonst wenig bekannt zu sein scheint, die folgenden kruden Ausführungen. Sie scheinen doch zudem nicht gerade gutes Schriftdeutsch zu verraten (zit. n. Die Zeit 2002):
"In Niedersachsen, jedenfalls in den Teilen, aus denen ich komme, herrscht noch zum starken Teil das, was man als Ideologie der Erde bezeichnen kann, und so habe auch ich mich, als ich meinen politischen Bildungsprozeß durchmachte, zunächst nicht anders als im Bezugsrahmen der Deutschen Partei bis zur Welfenpartei bewegen können. Ich konnte mir nicht einmal die Ideologien erarbeiten, die Liberalität und Parlamentarismus bedeuten, - wenn man bedenkt, daß die Dörfer, in denen ich aufgewachsen bin, jene Nicht-Öffentlichkeit noch pflegen in ihren Zusammenkünften, die an die Rituale mittelalterlicher Hexenprozesse erinnern.
Wenn man davon ausgeht, daß heute noch in vielen Teilen der Bundesrepublik, vom Bayerischen Wald bis zur niedersächsischen Heide, finsterste Ideologien der Mystik stattfinden, so war es sehr verständlich, daß mich mein Bildungsprozeß zunächst einmal in den Ludendorffbund trieb." Begriffliches Denken habe er "aus der Mystik Meister Eckharts und Roswithas von Gandersheim erfahren". Und mit dialektischem Witz fügt er an: "Ideologien, die, wenn man sie marxistisch interpretieren will, sicherlich ausgelegt werden können im Sinne eines utopischen Denkens, wie es Ernst Bloch getan hat, die aber, wenn man sie aus dem Erfahrungszusammenhang der herrschenden Klasse rezipiert, finsterste Unmündigkeit reproduzieren."
So sei es für ihn, fährt Krahl fort, schon "ein enormer Schritt an Aufklärung" gewesen, daß er 1961 der CDU beitrat und in Alfeld die Junge Union gründete. Hier habe "gewissermaßen eine Odyssee durch die Organisationsformen der herrschenden Klasse hindurch" begonnen, "und es gehört, das möchte ich mir ganz persönlich zugute halten, ein enormes Ausmaß auch an psychischer Konsistenz dazu, in dieser finsteren Provinz zwei Jahre kontinuierlich an CDU-Versammlungen von Kleinstadt-Honoratioren teilzunehmen ..."
Allerdings ist über die früheste Episode im Leben Krahls - den Ludendorffbund, einen von Mathilde Ludendorff gegründeten „Bund für Gotterkenntnis“, der das jüdisch kontaminierte Christentum durch einen „artgemäßen deutschen Glauben“ ersetzen wollte - kaum Genaues bekannt.
- Heidenreich, Gisela: Das endlose Jahr. Die langsame Entdeckung der eigenen Biografie - ein Lebensbornschicksal, 2002
- Bading, Ingo: Gisela Heidenreich und die NS-Vergangenheit des Auswärtigen Amtes Das Leben der Mutter von Gisela Heidenreich im Dritten Reich und mit seinen Folgen. Auf: Gesellschaftlicher Aufbruch - jetzt!, 3. März 2012, http://studgenpol.blogspot.com/2012/03/gisela-heidenreich-und-die-ns.html
- Bading, Ingo: "Streng gehütete Familiengeheimnisse" - Rund um den ersten Schwiegersohn von Mathilde Ludendorff Welche Rolle spielten Jesuiten für das Lebensschicksal des ältesten Enkelsohnes von Mathilde Ludendorff, des Schriftstellers Walter Erich von Bebenburg/Richartz (1927-1980)? Studiengruppe Naturalismus, 3. April 2017, http://studiengruppe.blogspot.com/2017/04/streng-gehutete-familiengeheimnisse.html
- Ingo Springenschmid (1942-2016) spricht über seine Kindheit und seinen Vater Karl Springenschmid. In: "Im Porträt: Ingo Springenschmid", Vorarlberg-Museum, 2015, 1'54 bis 5'00, auf: https://youtu.be/1NdJGjClDtg?t=1m54s
- Wolfgang Jacobeit: Von West nach Ost und zurück. Autobiographisches eines Grenzgängers zwischen Tradition und Novation. Westfälisches Dampfboot 2000 (298 S.) (GB)
- Rezension von 5. in: Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (IWK), Band 37 (Friedrich-Ebert-Stiftung, Forschungsinstitut, Historische Kommission zu Berlin), Verlag Historische Kommission, 2001 (GB), S. 510
- Thomas Scholze: Rezension zu: Jacobeit, Wolfgang: Von West nach Ost - und zurück. Autobiographisches eines Grenzgaengers zwischen Tradition und Novation. Münster 2000 , in: H-Soz-Kult, 17.04.2001, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-1094>.
- Götz, Uschi: Fremd in der Fremde - Mit Peter Härtling durch seine schwäbische Heimat. In: https://www.deutschlandfunkkultur.de/fremd-in-der-fremde-mit-peter-haertling-durch-seine.1001.de.html?dram:article_id=360080
- Weihrauch, Christian: Abschied von dem Schriftsteller - Hunderte Trauergäste erweisen Peter Härtling die letzte Ehre. Frankfurter Neue Presse, 19.07.2017. http://sdp.fnp.de/lokales/kreise_of_gross-gerau/Hunderte-Trauergaeste-erweisen-Peter-Haertling-die-letzte-Ehre;art688,2714109
- Hauck, Stefan: Der freundliche Skeptiker. Nachruf auf Peter Härtling. Börsenblatt, 10. Juli 2017, https://www.boersenblatt.net/artikel-nachruf_auf_peter_haertling.1348795.html
- Wesel, Uwe: Der Krahl - Das kurze Leben des legendären Frankfurter Studentenführers und sein langer Weg aus Ludendorffbund und Junger Union in die Revolte des Jahres '68. In: Die Zeit, 12. September 2002, 38/2002, https://www.zeit.de/2002/38/Der_Krahl
- Henrich, Dieter: Ins Denken ziehen. Eine philosophische Autobiographie. C.H. Beck, München 2021 (GB)
Der deutsche Philosoph Dieter Henrich (1927-2022) berichtet in seinen Lebenserinnerungen über seine Mutter:
AntwortenLöschen"Sie hatte eine ästhetisch-künstlerische Neigung. Meine Mutter sprach das an, was in der Religion das Geheimnisvolle ist. Sie hatte Freundinnen, die mit der Bewegung von Rudolf Steiner verbunden waren und die versuchten, mich ebenfalls zu gewinnen. Eine andere gute Bekannte meiner Mutter war Anhängerin der Sekte um Mathilde Ludendorff, der Frau des Generals. Sie verstand sich als völkische Theosophin, die mit ihren umfangreichen, meist in Versen verfaßten Werken eine Art militarisierter Mystik begründen wollte. Die mußte ich als Jugendlicher lesen, weil diese Tante mich dazu drängte. Meine Mutter selbst blieb immer protestantische Christin, zugleich offen gegenüber jeder Erfahrung des Heiligen, des Einbrechens einer numinosen Wirklichkeit, in die wir für sie auch im alltäglichen Leben bereits einbezogen waren."
Er dürfte hier über die Zeit zwischen 1942 und 1944 berichten, über die Zeit, in der er 15 bis 17 Jahre alt war.