Mittwoch, 6. August 2014

Adalbert Volck gegen Erich Ludendorff (1924)

Spaltungstendenzen in der Deutschvölkischen Freiheitspartei 1924

Die Baltendeutschen Dr.Adalbert Volck (1868-1948) (DNB) (Vater) (1, S. 449) und Herbert Volck (1894-1944) (Wiki) (Sohn) gehörten beide schon im Baltikum dem "Alldeutschen Verband" an und spielten in der deutschen, völkischen Bewegung der 1920er Jahre eine Rolle, der Vater insbesondere im Jahr 1924 als norddeutscher "Platzhalter Adolf Hitlers" und als entschiedener Gegner Erich Ludendorffs während der Haftzeit von Adolf Hitler.

Abb. 1: Herbert Volck - "Rebellen" (1932)
Vater und Sohn waren während des Ersten Weltkrieges unabhängig voneinander quer durch Rußland nach Asien geflohen. Der Vater vom Baltikum aus, der Sohn weil er als abgestürzter deutscher Militärflieger in russische Kriegsgefangenschaft geraten war und aus dieser floh. Der Vater floh bis Japan und von dort über die USA weiter nach Deutschland, wo er im Jahr 1916 ankam. Der Sohn bis an die chinesische Grenze und von dort über den Kaukasus zurück nach Deutschland, wo er im Januar 1918 ankam.

Ob ihrer beider erfolgreiche Fluchtbewegungen von ähnlichen "Netzwerken" innerhalb Rußlands ermutigt oder auch unterstützt worden sind, ist nicht bekannt. Viele andere "Abenteurer" und Reisende, die sich im asiatischen Teil von Rußland oder in Japan aufgehalten haben, sind mit besonderen Sympathien etwa für den Islam, den Buddhismus, Tibet, den Okkultismus und vielerlei Geheimlehren zurückgekommen (vgl. etwa das Buch "Das schwarze Reich"). Oft handelte es sich dabei um "Ariosophen", also solche Theosophen, die besonders den Glauben an die nordische Herrenrasse im Gegensatz zu den nichtnordischen "Tschandalenrassen" betonten und die die Herkunft und das geistige Zentrum dieser nordischen Herrenrasse im Hochland von Tibet suchten.

Ausgerechnet einen solchen ariosophischen Astrologen hatte Herbert Volck schon vor seinem Absturz in Rußland kennen- und schätzengelernt. Nämlich den nachmaligen Hamburger (Kriminal-)Astrologen und späteren Hofastrologen des Reichssicherheitshauptamtes, den später von "Spiegel" und "Springer" mit mancherlei Publizität bedachte "schillerndste Gestalt der deutschen Astrologiegeschichte" Wilhelm Wulff (1893-1984) (2, S. 43f):
Damals, irgendwo in Rußland, sagte ich ihm etwas über seine Zukunft und die gefährlichen Jahre, die ihm bevorstanden. Er hatte alles optimistisch aufgenommen.
Weiter schreibt Wulff über seinen damaligen Freund Volck (2, S. 43f):
Volck war immer lustig, er wirkte sehr gesund und sportlich, ein Spaßvogel, der es mit den militärischen Dienstvorschriften nie sehr genau nahm. Unsere Beförderung in den Offiziersrang stand damals bevor, doch mußte Volck erst sein Notabitur nachholen. Er war ein sehr guter Kamerad. (...) Er war nichts anderes als ein echter Abenteurer. Abenteuerlich waren nicht nur seine späteren politischen Engagements, sondern auch seine Kriegserlebnisse als Soldat. (...) Er ritt über dreißig Patrouillen in Frankreich, zum Teil hinter der französischen Front. (...) Von Sibirien versuchte er nach China zu fliehen, doch wurde er nahe der Grenze von einer Kosackenpatrouille aufgegriffen. Schon zum Tode verurteilt gelang ihm der Ausbruch aus einem russischen Gefängnis.
Auffällig ist vielleicht auch, daß der Vater Adalbert Volck schon 1922 eine lange Aussprache mit Dietrich Eckart gehabt haben soll, und daß der Sohn Herbert Volck sich in den 1920er Jahren als Entlarver kommunistischer Spione spezialisierte. Wobei man natürlich leicht auch in umgekehrter Richtung arbeiten konnte wie das kein geringerer als Reinhard Gehlen noch lange nach 1945 von Volcks Freund Martin Bormann angenommen hat und wie das auch von zahlreichen anderen Nationalsozialisten jener Zeit vermutet wird (Erich Koch etc.), bzw. von "Nationalbolschewisten" und "Neuen Nationalisten".

Juni 1924 - In den Augen Ludendorffs ist Adalbert Volck ein "gewissenloser Saboteur"

Am 3. Juni 1924, während der Haftzeit Hitlers, wurde der Rechtsanwalt Adalbert Volck zum Oberhaupt der Nationalsozialisten von Norddeutschland ernannt. Er nannte sich selbst den "Platzhalter" Adolf Hitlers in Norddeutschland (3, S. 252f). Darüber wird berichtet (3, S. 256):
Dr. Adalbert Volck erließ nach seiner Ernennung zum Leiter des Direktoriums bereits am 4. Juni 1924 einen Befehl mit der Anweisung, sämtliche Landesverbände "von jetzt ab nach diktatorischem Prinzip durchzuorganisieren". Im Befehl Nummer zwei hob er hervor, "daß Adolf Hitler unser Vorbild und Führer ist". In den nächsten Befehlen, die alle vom Juni 1924 stammen, wandte er sich schärfstens gegen den Parlamentarismus und gegen die Verschmelzung der NSDAP mit der Deutschvölkischen Freiheitspartei (DFVP). (...)
1905 organisierte Adalbert Volck den baltischen Selbstschutz in Nordlivland. Er gelangte im Ersten Weltkrieg auf abenteuerlicher Flucht quer durch Rußland über Japan und Amerika im Jahre 1916 nach Deutschland, ließ sich (...) dann in Lüneburg nieder. Er war Rechtsanwalt und Bankdirektor. Von Lüneburg aus betrieb er völkische Arbeit. Auf dem Coburger Treffen im Oktober 1922 lernte er Adolf Hitler kennen; mit Dietrich Eckart hatte er dort eine längere Aussprache. Im November 1922 wirkte er bei der Gründung der DFVP in Berlin mit. Er wurde im Frühjahr 1924 aus der DVFP ausgeschlossen, weil er sich mit Graefe, Wulle und Henning nicht verstand. Von diesem Zeitpunkt an war er ein entschiedener Verfechter der Hitlerbewegung. Die Gründe seines Ausscheidens aus der DVFP teilte er Ludendorff im März 1924 mit. Da Ludendorff hartnäckig an der Verschmelzung der beiden Richtungen im Sinne der DVFP festhielt, kam es zu einem gereizten Briefwechsel zwischen ihm und Volck.
Am 28. Juni 1924 schreib Erich Ludendorff an Adalbert Volck (zit. n. 3, S. 257) (Hervorhebung nicht im Original):
Geehrter Herr Volck!
Nehmen Sie meinen Dank für Ihren Brief vom 27.
Mitte Mai hat mir Herr Hitler aus sich heraus in Gegenwart von Kriebel, Rosenberg, Dr. Weber, Hptm. Weiß erklärt, er wünsche die Verschmelzung.
Wenn Hitler später schwankend geworden ist, so ist das auf die Tätigkeit gewissenloser Saboteure zurückzuführen. Am 12. 6. 1924 nahm Hitler einen ähnlichen Standpunkt ein wie Mitte Mai; er hielt damals die Grundlage für die Verschmelzung in naher Aussicht und befahl seinen Anhängern, bis zum Abschluß der Verhandlungen jeden gegenseitigen Kampf und Sonderbestrebungen zu unterlassen.
Sie schreiben nun in Ihrem Brief, Hitler wäre gegen die Vereinigung und darum hätten Sie sich einer Sondergruppe angeschlossen. Hitler sagte mir das letzte Mal, als ich ihn sah (15. 6.), es wären nicht alle einverstanden und gab mir Abschrift Ihres Briefes an ihn vom 11. . Ich erwähne das deshalb, damit Sie die Verantwortung erkennen, die Sie tragen, wenn Sie, wie ich zu Hitler sage, "400 %" Nationalsozialisten folgen. Im übrigen will ich nicht auf Sie einwirken, bedaure aber, daß schließlich persönliche Momente immer wieder bestimmend zu sein scheinen. Haben Sie keine Sorge, daß die Bewegung abstirbt. Sie wird auch von keinem Freikorps geführt (?). Leider fehlt uns jede Organisation und will man eine einrichten, so kommen die 400 %! Damit geht Kraft und Arbeit verloren. Diese Verantwortung tragen Sie mit.
Ich nütze dem Volke da, wo ich kann und wo ich Wirkungsfeld habe für meine Absichten. Die Redewendung, "ich wäre für das ganze Volk da" ist abgedroschen. Das ganze Volk will mich ja nicht, auch nicht einmal die 400 %. Jedenfalls danke ich für Beteuerungen, wenn man nur Schwierigkeiten macht. Ob ich klar sehe oder nicht, ist meine Sache, z.Zt. sehe ich noch recht klar!
Mit deutschem Gruß!
Ludendorff.
Von vornherein kann also der Verdacht nicht ausgeschlossen werden, daß die Arbeit des Adalbert Volck gezielt darauf hinwirkte, die völkische Bewegung zu spalten und das zu bewirken, wovor er warnte, nämlich, daß sie absterben würde. Und womöglich hat er hier im gleichen Geist gearbeitet wie später seine "Kollegen" Martin Bormann, Erich Koch und andere.

Wenn man diese Schilderung auf sich wirken läßt, dann war auch gar nicht Hitler selbst anfangs die treibende Kraft, die auf einen "Bruch" mit der Deutschvölkischen Freiheitspartei und mit Ludendorff hinsteuerte, sondern bestimmte Kräfte eher an der Basis, bzw. solche, die sich als solche ausgaben. Womöglich hat Hitler auf solche Kräfte nur reagiert und ließ sich von ihnen tragen.

Am 13. Juli 1924 wurden auf einer Tagung in Harburg unter anderem folgende Beschlüsse gefaßt (3, S. 259):
1. Volck sollte (...) feststellen, ob Hitler die Führung völlig niedergelegt habe und ob Strasser von ihm zum Vertreter ernannt worden sei. (...)
2. Ludendorff wurde als militärischer Führer anerkannt, doch wurde bestimmt, daß ohne Wissen und Einwilligung des Direktoriums auch mit ihm keine Verhandlungen geführt werden durften.
3. Sturmtruppen durften nur vom Direktorium Ludendorff unterstellt werden.
(...)
Am 18. Juli formulierte Adalbert Volck im Vorfeld der anstehenden Weimarer Tagung am 20. Juli als Richtlinie unter anderem (zit. n. 3, S. 260f):
Unser Programm lautet mit zwei Worten: "Adolf Hitler".
Juli 1924 - Vorwurf unter Völkischen, "im Auftrag von Moskau" zu handeln

Auf der Tagung in Weimar selbst trug Adalbert Volck am 20. Juli als "Platzhalter für Hitler" in Norddeutschland unter Anwesenheit Ludendorffs in einer gewünschten Stellungnahme unter anderem folgendes vor (zit. n. 3, S. 263f):
Heute ist die Ansicht ausgesprochen worden, daß der Wunsch des Herrn General Ludendorff uns ein Befehl sein müsse, d. h. daß wir gezwungen werden sollen, uns bedingungslos zu fügen und das ist einer grundsätzlichen Frage, die nur nach ernster Gewissensprüfung von jedem einzelnen entschieden werden kann.
Dies würde ihn gerade als Balten in einen schweren "Gewissenskonflikt" stürzen, da gerade die Balten Ludendorff sehr viel zu verdanken hätten:
Um so schwerer fällt es mir, mich dem Wunsche des General Ludendorff nicht fügen zu können. (...) Und so muß ich zu meinem Bedauern erklären namens der genannten Gebiete, daß ich für diese den Zusammenschluß ablehnen muß.
Es wird berichtet (Willing, S. 265 (Hervorhebung nicht im Original):
Bei diesen Worten setzte ein Tumult ein, einige Bravorufe, aber überwiegend "lehnsknechtisches" Gebrüll, Streicher schrie: "Sie sind hartherzig". Esser kreischte: "Balten seien keine Deutsche".
Volcks Ausführungen lösten lauten Widerspruch aus. Ludendorff ergriff nach der Mittagspause das Wort und zeigte sich empört über den Widerspruch, den Volck gegen ihn gewagt hatte: "er sagte kurz: nach den heutigen Erfahrungen sei ihm speiübel geworden, wenn das die völkische Bewegung sein solle, dann bedanke er sich für dieselbe und bedauere, in unserer Mitte geweilt zu haben". (...)

Zum Schluß wurde abgestimmt, wer für den Zusammenschluß und die Reichsleitung Ludendorff-Graefe mit Ludendorff auch als politischem "diktatorischen Befehlshaber" sei. Die große Mehrzahl war dafür. Dagegen stimmten Volck
und einige andere. In einem 1925 veröffentlichten Bericht "Die Wahrheit über Adolf Hitler und seinen Kreis" von Friedrich Plümer heißt es über das "pöbelhafte Benehmen Essers und Streichers" auf dieser Tagung, ihnen (zit. n. 3, S. 266)
war es nämlich vorbehalten gewesen, durch höchst unsachliche Angriffe auf Dr. Volck von Lüneburg einen Mißton in die Einigkeit zu bringen. Zwei rheinische Vertreter erklärten wörtlich: "Diese beiden handelten doch im Auftrag von Moskau. Das ist bewußte Zerstörungsarbeit. Gott beschütze Exz. Ludendorff vor solchen Freunden!"
Insbesondere Esser sollte nur wenige Monate später selbst zu den wohl entschiedensten Ludendorff-Gegnern an der Seite Hitlers in jenem Zeitabschnitt werden. Interessant ist, daß der Vorwurf, im Auftrag von Moskau zu handeln, schon damals vielen naheliegend erschien. Es wäre sicherlich einmal interessant, alle Anhaltspunkte über die tatsächliche geheimdienstliche Unterwanderung der völkischen Bewegung, offenbar der einzigen, die Moskau wirklich als gefährlich empfand, durch "herumgedrehte" Moskauer Agenten oder "Doppelagenten" zu untersuchen. Sie als Möglichkeit zu berücksichtigen, wird also schon in dieser frühen Zeit immer richtig sein.

Am 29. Juli 1924 schreibt Hermann Fobke, der Freund Adalbert Volcks, der im Landsberger Gefängnis den Kontakt zu Hitler darstellte, an Volck (zit. n. 4, S. 54):
Bei der Beurteilung von Hitlers Verhalten ist neben seinem mir reichlich unverständlichen "Neutralitätsfimmel" zu berücksichtigen, daß er tatsächlich außerordentlich stark mit seinem Buch beschäftigt ist, von dem er sich sehr viel verspricht. Das Werk dürfte etwa Mitte Oktober  herauskommen.
August 1924 - Tagung in Weimar

Aufgrund der verbliebenen Unklarheiten wurde vom 15. bis 17. August 1924 eine zweite Tagung in Weimar abgehalten. In seiner Rede führte Ludendorff unter anderem aus (zit. n. 3, S. 267f) (Hervorhebung nicht im Original):
Noch gebricht es unserer Bewegung an Wucht. (...) Es gibt Unterführer, die sich überschätzen in eitler Verblendung. So bildet sich ein Partei-Bonzentum, so schlagen Spaltpilze immer wieder Wurzeln in unserer Partei, und es wird ihnen nicht entgegengetreten. Die Unterführerkrise bleibt ein ernstes Zeichen für uns. Wir haben Männer unter uns, die nicht zu uns gehören. Lehnen wir als Mitglieder grundsätzlich alle ab, die noch Bindungen haben außerhalb unserer Weltanschauung! (...) Grundsatz der gemeinsamen Bewegung ist schärfste Durchsetzung des Führergedankens.
Und es wird berichtet (3, S. 268f):
Die "Reichsführerschaft" gab am 25. August 1924 folgende Erklärung heraus: "Es hat sich unter den Herren Volck, Haase, Sunkel ein "Direktorium der nationalsozialistischen Arbeiterpartei" gebildet. Dieses Direktorium besitzt keine gültigen Vollmachten des Herrn Hitler und wird von den Unterzeichneten nicht anerkannt.
gez. Ludendorff, Strasser, v. Graefe
Volck antwortete darauf mit der Erklärung, daß auch die "Reichsführerschaft" keine Vollmachten von Herrn Hitler hätte. Am 7. September 1924 veranstaltete das Direktorium unter Volck eine Tagung mit den ihm unterstehenden Verbänden. Volck äußerte dort (zit. n. 3, S. 270):
Ludendorff steht dauernd an falscher Stelle und mit falscher Haltung. Das in Weimar gefallene Wort "der Wunsch Ludendorffs ist uns Befehl" ist ein Schlag ins Gesicht der völkischen Idee.
November 1924 - Arthur Dinter

Am 7. November 1924 griff auch Arthur Dinter in einem Vortrag im Bürgerbräukeller in München Ludendorff schärfstens an (3, S. 273).  Nach der Haftentlassung Hitlers im Dezember 1924 zog sich Adalbert Volck zurück. Am 3. Februar 1925 schrieb er in einem Brief, daß er schon mit den ersten Maßnahmen Hitlers nicht einverstanden war (3, S. 281)! Und er mußte feststellen, daß auch Hitler an Volck und seiner Arbeitsgemeinschaft nicht viel Interesse hatte (4, S. 64).

Abb. 2: Adalbert Volck - "Die Tragödie des russischen Volkes und die Schuldlüge"
(Selbstverlag, Lüneburg 1926)
Aus den bisherigen Veröffentlichungen werden die Gründe für das Verhalten von Adalbert Volck noch nicht so recht verständlich. 1926 gab er eine Schrift heraus mit dem Titel "Die Tragödie des russischen Volkes und die Schuldlüge".

Ludendorff, Graefe und Strasser legten am 16. Februar 1925 ihre Reichsführerschaft nieder und erklärten die "Nationalsozialistische Freiheitsbewegung" für aufgelöst, nachdem bekannt geworden war, dass Hitler sich von Ludendorff trennte, weil er den Katholizismus nicht bekämpfen wollte, sondern nur den Marxismus, und dass er deshalb die NSDAP neu gründen würde (3, S. 284):
Ein "Freundeskreis der völkischen Bewegung" unter der Führung von Ludendorff, Reventlow, Feder und Jürgen Ramin zur Vertiefung der völkischen Anschauung wurde gegründet.
Abb. 3: Herbert Volck - Die Wölfe - Ullstein-Verlag (zuerst 1918, Folgeauflagen bis 1936)

Geheimdienst-Mitarbeiter Herbert Volck

Herbert Volck wurde 1917 Geheimagent des deutschen militärischen Auslands- und Inlands-Nachrichtendienstes. Er behielt diese Funktion über die beiden Regimewechsel von 1918 und 1933 hinweg bei. Nach außen hin war er dabei nach 1918 und nach 1933 oft auch als "Privatdetektiv" tätig, um - wie so häufig - beim Auffliegen seine eigene Regierung, bzw. seine vorgesetzten Stellen (- Schwarze Reichswehr?, Organisation Consul?, Walter Lohmann?, Wilhelm Canaris? oder ähnliche) nicht zu kompromittieren.

Sein Lebenslauf und seine Tätigkeit weist viele Parallelen zu zeitgleich lebenden "Neuen Nationalisten" auf, die - wie Volck - politische, militärische, terroristische und geheimdienstliche Aktivitäten mit publizistischen Aktivitäten verbanden, und die nach 1945 weiterhin so gut vernetzt blieben, wie sie es bis dahin gewesen waren. Also der Kreis um Friedrich Hielscher, Werner Best, Ernst Jünger, Franz Schauwecker, Friedrich Wilhelm Heinz, die alle - wie Volck - über Geheimdienstkontakte verfügten, bzw. wahrscheinlich auch über Kontakte zu Geheimgesellschaften oder auch satanistischen Logen wie dem O.T.O..

O.T.O.-Oberhaupt Aleister Crowley jedenfalls weilte bis 1932 oft in Deutschland und stand dort und in Paris in gutem Kontakt mit dem rechtskonservativen Leiter des militärischen Geheimdienstes und Schleicher-Vertrauten Ferdinand von Bredow und mit dem freimaurerisch-okkulten Tat-Kreis. Wenn Volck über Krieg und "Kampf" spricht, klingt das oft sehr ähnlich wie bei den "Neuen Nationalisten". So etwa in seinem in Haftzeit geschriebenen, 1932 erstmals erschienenen, 1934 überarbeiteten und erweiterten Buch "Rebellen um Ehre" (1934, S. 133):
... der Krieg, der herrliche, grause Männerkampf ...
In diesen Worten klingt - wie auch im Tenor seiner Schriften sonst - eine Verherrlichung des Krieges und "des Kampfes" um seiner selbst willen an. Eine solche findet man allzu deutlich auch bei Friedrich Hielscher, bei Ernst Jünger ("Der Kampf als inneres Erlebnis") und zahlreichen anderen "Neuen Nationalisten". Und eine solche Haltung muss internationalen, satanistischen Logen sehr genehm sein, da sie auffallend gut kompatibel ist zu ihrer Ideologie Im Satanismus wird ja auch das Böse um seiner selbst willen verherrlicht. Auch in den Trivialromanen des Ian Fleming über "James Bond" etwa kommt eine solche nihilistische Haltung zum Ausdruck. James Bond ist der "willige Vollstrecker" der Anweisungen seiner Vorgesetzten. Fleming und Crowley haben eng mit den deutschen O.T.O.-Mitgliedern und Okkultisten in Gestapo und Reichssicherheitshauptamt während des Zweiten Weltkrieges zusammen gearbeitet, etwa beim Herüberlocken von Rudolf Heß nach England.

Abb. 4: Herbert Volck (rechts) und sein Fluchtkamerad Josef Reis (links) nach ihrem 1000 Kilometer Fußmarsch durch Persien im deutschen Fliegerhauptquartier in Mossul, Januar 1918 (aus dem Buch "Die Wölfe")
Und so wie viele andere "Neue Nationalisten" (etwa Werner Best) bewegte sich Herbert Volck schon früh um Umfeld der Alldeutschen Bewegung. Schon Adalberg Volck ist Alldeutscher (O. Simons) und finanzierte auch im Januar 1919 das von seinem Sohn aufgestellte "Freikorps Lüneburg", bzw. "Freikorps Volck", das dann im Rahmen der "Eisernen Division" an den Baltikum-Kämpfen gegen die Rote Armee teilnahm.

Im Lebenslauf von Herbert Volck fallen auch zahlreiche Parallelen auf zu dem, was von dem Astrologen und Okkultlogengründer Rudolf von Sebottendorff in seinem Buch "Bevor Hitler kam" über die Thule-Gesellschaft berichtet wird. So wie Thule-Leute 1919 gegen die Räterepublik kämpften, so kämpfte Herbert Volck zeit seines Lebens - wie er vorgibt zumeist als "Einzelkämpfer" - und aus eigener Initiative heraus gegen den Bolschewismus.

Und wie Kapitän Walter Lohmann und so viele andere kriegsverherrlichende Freikorps-Leute, Thule-Leute und "Neue Nationalisten" bewegte sich Herbert Volck in jener Zeit im Umfeld der "Schwarzen Reichswehr" (Wiki), ihrer  Rüstungsbemühungen, ihrer Logen- und "Fememorde" (Morde und Mordversuche an Liebknecht, Luxemburg, Erzberger, Rathenau, Parvus Helphand jeweils - offenbar - aufgrund von Logenurteilen des Thule-Ordens, unter anderem unter Vorsitz des Ludwig Müller von Hausen (Wiki) und womöglich anderer "Logenrichter"). Und damit bewegte sich Herbert Volck im Umfeld des zumeist aus offizieller Sicht illegalen Waffenhandels und des illegalen Handels mit militärischen Ausrüstungsgegenständen. Diese wurden von den verschiedensten politischen Gruppierungen und Schiebern vor den Entwaffungskommissionen der Westmächte ("Entente") versteckt oder ins Ausland verkauft. Volck klärte als Detektiv solche Waffenschiebereien ins Ausland auf, um diese Waffen für die Schwarze Reichswehr (die "Weißen", wie er es nennt) zu sichern. Auch spionierte er die geheime militärische Ausrüstung und Übung der Kommunisten (der Roten Armee) in Thüringen. Also ein netter "James Bond der Zwischenkriegszeit".

Er bewegte sich - wie Martin Bormann oder Erich Koch - im Dunkelfeld von Spionage und Gegenspionage, von Agenten und umgedrehten Agenten. Schon Wilhelm Wulff deutet da viele Möglichkeiten an. So wie der Astrologe Wilhelm Wulff schon von Kapitän Lohmann und seinem Bewegen im Untergrund russischer Spionagetätigkeiten innerhalb Deutschlands berichtet, so berichtet er das auch von Herbert Volck. Es kann also keineswegs ausgeschlossen werden, daß Herbert Volck so wie Martin Bormann, Erich Koch, Friedrich Wilhelm Heinz, Otto John und so viele andere besonders stark in der Gefahr stand, ein von den Kommunisten herumgedrehter Agent zu werden. Gerade auch wenn er vorgibt, selbst ständig kommunistische Agenten herumgedreht und erpreßt zu haben. (Herumgedreht und erpreßbar zu sein wäre in diesen Kreisen vor sich selbst und anderen mit einer "nationalbolschewistischen" Haltung zu entschuldigen gewesen, wie sie ja etwa auch Friedrich Hielscher vertreten hat.)

1920 wurde die Eiserne Division (Wiki), der das Freikorps Lüneburg, bzw. Freikorps Volck angehörte, aufgelöst. Danach habe Herbert Volck wieder den Kontakt zu ihm, Wilhelm Wulff, dem Astrologen, gesucht (2, S. 44, 46):
Er hatte sich (...) viele meiner früheren Prognosen gemerkt und berichtete jetzt darüber. Freilich kam er vor allem mit Fragen über sein ferneres Leben. Er wollte wissen, ob er den Soldatenrock ausziehen, Zivilist werden und als Büroangestellter untertauchen sollte. (...) Ich hatte ihm vorgeschlagen, sich einen bürgerlichen Beruf zu suchen oder Schriftsteller zu werden. (...) Meine Ratschläge, sich nicht mehr um Militär und Politik zu kümmern und Kriminalromane zu schreiben (...) schlug er in den Wind.
1922 war der vielseitige Herbert Volck in den USA als Vortragsreisender tätig, sozusagen als Vorgänger seines berühmteren Nachfolgers, des Felix Graf von Luckner (Wiki). Also des "Seeteufels" und Freimaurers, eines ebenfalls erfolgreichen Abenteuer-Schriftstellers. Letzterer begann seine prodeutsche Vortragstätigkeit in den USA 1926. Volck hingegen mußte seine Vortragstätigkeit auf Intervention des deutschen Botschafters in den USA wieder einstellen. Womöglich hatte er sich auch auf Anraten und mit Unterstützung seines Vaters unternommen, der die deutschfeindliche Stimmung in den USA schon 1916 aus eigener Anschauung kennengelernt hatte. Außerdem war Volck - so gibt er an - als ganz unpolitischer Privatdetektiv nach den USA gereist, um den Verbleib eines Rembrandt-Gemäldes zu klären.

Herbert Volk und Martin Bormann bei Wilhelm Wulff

1923 trennte sich Volck von seiner ersten Frau. Den November 1923 erlebte Herbert Volck in Hamburg, wo er sich zusammen mit Martin Bormann vor der kommunistischen Verfolgung verstecken mußte. Und zwar bei niemand geringerem als bei seinem Astrologen Wilhelm Wulff, wie dieser berichtet.

1927 warnt ein Rundschreiben militärischer Dienststellen der Reichswehr (nach 1, S. 221) vor
"einem Leutnant d. Res. a. D. Herbert Volck, angeblich Schriftsteller und Privatdetektiv", der gegen die Überlassung eines hohen Geldbetrages kommunistische Spione aufzuspüren verspricht. Bei Auftauchen solle man ihn hinhalten und die Abwehr verständigen.
Womöglich ist dieses Schreiben von der Abteilung Abwehr (Wiki) veranlaßt worden. (Womöglich auch schon in Abstimmung mit dem Marinenachrichtendienst (Wiki) des Kapitän Walter Lohmann, die beide am 1. April 1928 miteinander vereinigt wurden und dann von Lohmanns Kollegen und Nachfolger, Wilhelm Canaris geleitet wurden.)

1928 arbeitet Herbert Volck als "Adjutant" des Dithmarscher Bauernführer Claus Heim, des Führers der schleswig-holsteinischen Landvolk-Bewegung. Für diese entwickelten auch andere "Neue Nationalisten" großes Interesse. Etwa Friedrich Hielscher. 1928 bis 1930 sitzt der "Bombenleger-Volck" Herbert Volck wegen der Sprengstoffanschläge der Landvolkbewegung im Gefängnis Zelle an Zelle mit dem "Neuen Nationalisten" Ernst von Salomon und schreibt - wie Salomon - an seinem neuesten "Abenteuer"-Buch.

Nach 1933 machte sich Herbert Volck Hoffnungen, Polizeipräsident von Berlin werden zu können, wenn nicht gar noch höhere Funktionen innerhalb der deutschen Polizei, bzw. der Gestapo. Als der Hellseher Eric Jan Hanussen von der Gestapo ermordet wurde, vertrat Herbert Volck die Gestapo gegenüber der Justiz und gegenüber jenen, die diesen Mordfall aufklären wollten. Zugleich machte er seinem eigenen Astrologen Wilhelm Wulff, dem vormaligen Astrologen des Canaris-Vorgängers Lohmann und dem nachfolgenden "Hofastrologen des Reichssicherheitshauptamtes", also von Arthur Nebe, Reinhard Heydrich, Heinrich Himmler, Walter Schellenberg und Felix Kersten, den Vorschlag, in Berlin die Position des ermordeten Hanussen einzunehmen. In gewisser Weise ist dies dann ja auch - zumindest nach 1941 - geschehen.

All das, was im vorliegenden Beitrag zusammen getragen wurde, sind sicherlich nur Teilausschnitte eines größeren Bildes zu den Lebensläufen von Vater und Sohn Volck. 1942 bis 1944 kam Herbert Volck - angeblich wegen Kritik der Kriegsführung, wie es auf Wikipedia heißt - ins Konzentrationslager, wo er 1944, im fünfzigsten Lebensjahr ums Leben kam, vier Jahre vor seinem Vater. Und ein so mächtiger Mann wie Martin Bormann, der einst sein Freund war, hätte ihn nicht retten können? Oder war er sogar der Veranlasser dieses frühen Todes? In der Geschichte der Geheimdienste des 20. Jahrhunderts gibt es noch viele Lücken.

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  1. Neander, Joachim: Zwei Entwurzelte: Friedrich Reck-Malleczewen und Herbert Volck. In: Garleff, Michael (Hg.): Deutschbalten, Weimarer Republik und Drittes Reich, Band 2. Böhlau, Köln 2007, S. 209 - 226 (Google Bücher)
  2. Wulff, Wilhelm Th. H.: Tierkreis und Hakenkreuz. Als Astrologe an Himmlers Hof. Bertelsmann Sachbuchverlag, Gütersloh 1968
  3. Franz-Willing, Georg: Putsch und Verbotszeit der Hitlerbewegung. November 1923 - Februar 1925. Verlag K.W. Schütz KG, Preußisch Oldendorf 1977
  4. Plöckinger, Othmar: Geschichte eines Buches. Adolf Hitlers "Mein Kampf": 1922-1945. Eine Veröffentlichung des Instituts für Zeitgeschichte. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2011 (aktualisierte Auflage) (Google Bücher
  5. Volck, Herbert: Die Wölfe. Mein sibirisch-kaukasisches Abenteuerbuch. Ullstein, Berlin 1918 (= Ullstein-Kriegsbücher 42); Neuausgabe: Die Wölfe. 33000 Kilometer Kriegsabenteuer in Asien. Ullstein, Berlin 1936
  6. Volck, Herbert: Reschett. Tragödie eines Starken. Leipzig 1922 (über seine Kaukasus-Erlebnisse)
  7. Volck, Adalbert: Völkisches Erleben und Wollen. (Geleitw.: Prof. Dr. Hofmeister) Selbstverlag (Herbert Volck) Lübeck, Moltkeplatz 9, 1924 (377 S.)
  8. Haase, Ludolf: Aufstand in Niedersachsen. Der Kampf der NSDAP. 1. Halbband 1921 (ohne Ortsangabe). 2. verbesserte und vermehrte Niederschrift 1924 (ohne Ortsangabe), vervielfältigtes Manuskript in Maschinenschrift (Handschriften-Abteilung der Niedersächsischen Staats- und Universitäts-Bibliothek Göttingen)
  9. Volck, Adalbert: Die Tragödie des russischen Volkes und die Schuldlüge. Selbstverlag, Lüneburg 1926 (135 S.) (Google Bücher)
  10. Volck, Adalbert: Die Romkirche, ihre Unfehlbarkeitslehre und deren Folgen. Lüneburger-Tagblatt-Druckerei, 1932 (84 S.)
  11. Volck, Herbert: Rebellen um Ehre. Mein Kampf für die nationale Erhebung 1918 - 1933. Herausgegeben von Erna Volck. Brunnen-Verlag / Willi Bischoff Verlag, Berlin 1932 (373 S.) (1.-10. Tsd., 11.-16. Tsd., 17. - 20. Tsd.); Neue, durchgesehene u. erg. Aufl. Bertelsmann, Gütersloh 1934 (466 S.) (41.-60.Tsd.), 1938, 1941 (5. Aufl.)(61. bis 90. Tsd., 91.-110. Tsd.); Verlag für ganzheitliche Forschung und Kultur, Viöl 1996
  12. Volck, Herbert: Öl und Mohammed. 'Der Offizier Hindenburgs' im Kaukasus. W. G. Korn, Breslau 1938
  13. Volck, Herbert: Odyssee für Deutschland. Ein Kampf in drei Erdteilen Mit Bildnis des Verfassers. W. G. Korn, Breslau 1939
  14. Jochmann, Werner: Nationalsozialismus und Revolution. Ursprung und Geschichte der NSDAP in Hamburg 1922–1933. Dokumente. Frankfurt am Main 1963 (Veröffentlichungen der Forschungsstelle für die Geschichte des Nationalsozialismus in Hamburg, Band 3)
  15. Simons, Olaf: Volck, Herbert 4.4.1894 - August 1944. Auf: http://www.polunbi.de/pers/volck-01.html (2004) 
  16. Kempe, Hans: Der Vertrag von Versailles und seine Folgen. Reinhard Welz Vermittler-Verlag Mannheim 2005
  17. Höge, Helmut: Volksfront/Natbol. "Hausmeisterblog" (TAZ-Blog), 22.01.2009

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