Samstag, 31. August 2013

Ein Ludendorff-"Freund" und seine Mitgefühle für Freimaurer, Hindenburg und Hitler

Wilhelm Breucker und der Versuch der Gleichschaltung Erich Ludendorffs 1933/34

Der Hindenburg-Mythos kann heute als entzaubert gelten (1). Hindenburg war von 1914 bis zu seinem Tod im Jahr 1934 als eine große "Täuschungsmaschine" tätig. Militärische Leistungen, die ihm zugesprochen wurden, die er aber in keinem Augenblick seines Lebens erbrachte hatte, setzte er zwischen 1918 und 1934 in Politik um. Er benutzte das große Ansehen, das ihm durch die militärischen Leistungen Erich Ludendorffs während des Ersten Weltkrieges mühelos, "im Schlaf" zugefallen war, dazu, ganz andere politische Ziele zu verfolgen, als sie jener Erich Ludendorff verfolgte, auf dessen militärischen Leistungen das Ansehen Hindenburgs allein beruhte. In heutigen Begriffen stellte der Hindenburg-Mythos ein klassisches "Hijacking" dar.

Ludendorff wollte schon in seinen Kriegserinnerungen, die 1919 erschienen, den Hindenburg-Mythos entzaubern, ließ sich aber von dem Freimaurer Sven Hedin dazu bereden, die entsprechenden Charakterisierungen Hindenburgs in seinen Erinnerungen abzumildern. So ging Erich Ludendorff erst nach der Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten nach und nach mehr auch öffentlich sichtbar auf Distanz zu Hindenburg und erkannte die Notwendigkeit, den Mythos zu entzaubern, der sich um die Person Hindenburgs rankte.

Um so dringlicher aber Ludendorff an dieser Entzauberung arbeitete, um so mehr Historiker und sonstige Zeitzeugen fanden sich, die kräftigst an der Aufrechterhaltung dieses Hindenburg-Mythos arbeiteten. Ludendorff zweifelte am Ende seines Lebens nicht mehr daran, daß Paul von Hindenburg Freimaurer war, und daß die Errichtung und Aufrechterhaltung des Hindenburg-Mythos aus freimaurerischen Interessen heraus geschah und durch freimaurerische Seilschaften betrieben wurde. Diese Seilschaften wirkten jedenfalls noch lange nach 1945 weiter. Auch in dieser Zeit fanden sich zahlreichst zumeist konservative Historiker, die an der Aufrechterhaltung des Hindenburg-Mythos arbeiteten. Es seien genannt Walter Hubatsch, Walter Elze oder Siegfried Kaehler. Im Umfeld dieser Seilschaften nun bewegte sich auch der "alte Düsseldorfer Freund und Regimentskamerad" Erich Ludendorffs, der Hauptmann a.D. und spätere Troisdorfer Fabrikdirektor Wilhelm Breucker.

Sollte er auch sonst einer freimaurerischen Einbettung zugerechnet werden können, wofür zu viel spricht, insbesondere seine Empörung darüber, daß Ludendorff den Oberstleutnant Hentsch, der das "Wunder an der Marne" bewirkt hatte, als einen Freimaurer bezeichnete, was Breucker ohne jede Begründung als Falschbehauptung zurückweist (wie kann er das - ohne selbst Freimaurer zu sein?), dann würde man am Verhalten von Breucker sehen können, wie diese Kreise vor wie nach 1933, vor wie nach 1945 systemstabilisierend tätig gewesen sind. Auch in der Person des Wilhelm Breucker, der dann als einer der "Verbindungsmänner" solcher Kreise zu Erich Ludendorff hinüber bezeichnet werden müßte.

Man wird sich auch hierbei mehr bewußt als vielleicht zuvor, daß die sogenannte "Gleichschaltung" nicht ein Geschehen ist, dem sich die offizielle Freimaurerei nur widerwillig selbst unterzog, sondern ein Geschehen, daß womöglich im Geheimen die Freimaurerei insgesamt sogar kräftig vorangetrieben und gefördert hat. Wie schon an dem Logenideologen Hans Zehrer aufgezeigt, haben solche Kreise - gemeinsam mit solchen Regierungsfreimaurern wie Franz von Papen oder Hjalmar Schacht - die Gleichschaltung und die Stabilisierung des nationalsozialistischen Terrorregimes aktiv und bewußt gefördert. So jedenfalls wiederum auch - - - Wilhelm Breucker.

Die Ludendorff-Bewegung soll gleichgeschaltet werden

Zwischen 1933 und 1942 gaben sich führende Kreise der NSDAP und des Reichssicherheitshauptamtes, also des SD und der Gestapo, auf dieser Linie auch immer wieder der diffusen Erwartung hin, mit genügend Terror und Druck würde sich früher oder später auch die Priester- und Männerbund-kritische Ludendorff-Bewegung "gleichschalten" lassen. Man erwartete, daß man sie früher oder später vor allem auch auf religiösem Gebiet der "Deutschen Glaubensbewegung" des Jakob Wilhelm Hauer eingliedern würde können. Bzw. in den Anfangsjahren dachten offenbar einige ganz Naive sogar daran, daß sich die Ludendorff-Bewegung mit den sogenannten "Deutschen Christen" "gleichschalten" könne. So jedenfalls auch wieder - - - Wilhelm Breucker.

Im Jahr 1933 war es vor allem dieser alte Düsseldorfer Freund und Regimentskamerad, der mit solchen diffusen Vorschlägen an Erich Ludendorff herangetreten ist. Wilhelm Breucker hat noch im Jahr 1955 kräftig an jenem Hindenburg-Mythos mitgestrickt, der es erst ermöglicht hatte, daß dieser Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernennen konnte. Deshalb hatte Erich Ludendorff spätestens seit 1927 kräftigst an der Entzauberung dieses Hindenburg-Mythos gearbeitet. Auch dieses Bestreben suchte sein "alter Düsseldorfer Freund und Regimentskamerad" Wilhelm Breucker stetig zu unterlaufen. Wilhelm Breucker war also sowohl vor wie nach 1933, sowohl vor wie nach 1945 "systemstabilisierend" tätig, obwohl sein Freund Ludendorff der Öffentlichkeit immer wieder zu zeigen versuchte, auf welchen brüchigen Grundlagen diese jeweiligen Systeme beruhten.

Abb.: "Hochzeit im Hause Ludendorff am 3. Januar" 1918 - stehend zweiter von rechts: Wilhelm Breucker

Darüber berichtet Breucker aber in seinem Erinnerungsbuch über Erich Ludendorff (2) so gut wie gar nichts. Ebensowenig berichtet er in seinem Erinnerungsbuch, daß er selbst über seine eigenen Vermittlungsversuche zwischen Ludendorff und Hindenburg, sowie zwischen Ludendorff und der NSDAP Ende des Jahres 1933 auch direkt an Adolf Hitler persönlich berichtete (3, 4). Deshalb hat bis heute wohl auch niemand recht zur Kenntnis genommen, wie Adolf Hitler Ende des Jahres 1933 auf die fortlaufende Weigerung Erich Ludendorffs gegenüber der Forderung nach Gleichschaltung, ja, auf Ludendorffs stetige NS-kritische Eingaben an Hindenburg, reagierte. Nämlich mit einer persönlichen Drohung und Warnung. Die eben wieder jener Regimentskamerad Wilhelm Breucker an Erich Ludendorff übermitteln sollte (2).

Von diesem Austausch hinter seinem Rücken zwischen seinem "alten Freund" Wilhelm Breucker und Adolf Hitler über ihn, Ludendorff, selbst, hat Erich Ludendorff wohl bis an sein Lebensende nie etwas erfahren. Publiziert wurde darüber auch erst im Jahr 1985. Allerdings an sehr versteckter Stelle (3). Von Seiten der "Anhänger" der Ludendorff-Bewegung selbst. Merkwürdigerweise wurde von diesen dabei aber daraus wiederum kein gar zu großes Aufsehen gemacht (keine "große Story" gemacht), wie dies noch 1952 und 1954 geschehen war, nämlich bei Neuerkenntnissen über das Wirken von Wilhelm Breucker (5 - 9).

Im letzten Blogbeitrag sind die vielen empörten Brieftelegramme behandelt worden, die Erich Ludendorff aus Anlaß der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler und in den vielen Monaten der Festigung seiner Terrorherrschaft an den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg gesendet hat. Direkte Reaktionen Adolf Hitlers auf diese teilweise an ihn weitergeleiteten Briefe Ludendorffs an Hindenburg sind weder im Umfeld der Ludendorff-Bewegung, noch sonst in der Forschung behandelt worden bislang. So hatte bisher der Eindruck vorherrschen können, Hitler hätte diese weitergeleiteten empörten Ludendorff-Telegramme aufgrund seines großen Wohlwollens für Erich Ludendorff unbeachtet gelassen. Das stimmt aber nicht. Hitler ließ Ludendorff dieserhalben mindesten einmal eine Warnung zugehen. Und dies dürfte nicht zuletzt auch hinsichtlich der Mordpläne, die Hitler gegenüber Ludendorff im Sommer 1937 verfolgte (10), keineswegs ohne Belang sein.

Anfang dieses Jahres waren wir durch unsere Auseinandersetzung mit der Familie Pernet, der ersten Ehefrau Erich Ludendorffs, ihrer Kinder und Enkelkinder (11-13) auf das Erinnerungsbuch von Wilhelm Breucker aus dem Jahr 1953 gestoßen (2), eines langjährigen Freundes von Erich Ludendorff und der Familie seiner ersten Ehe. Von Erich Ludendorff selbst jedenfalls wurde er bis zu seinem eigenen Tod als Freund angesehen. Daß Breucker Ludendorff gegenüber ein echter und aufrichtiger Freund gewesen ist, wird durch sein Erinnerungsbuch und sehr gehässige Passagen in diesem über Ludendorff eigentlich allzu deutlich widerlegt. Hätte Ludendorff davon gewußt, zu welcher Gehässigkeit Breucker fähig gewesen war im Denken und Schreiben über ihn, seinen "Freund", so hätte er seine Freundschaft zu ihm wohl baldmöglichst beendet. Sicherlich aber hat erst die Zeit nach 1945 Breucker Anlaß gegeben, aus seinem Herzen keine Mördergrube mehr zu machen. Breucker schwamm - wie so viele - immer mit der Zeit, wie wir noch sehen werden.

Abb. 1: Wilhelm Breuckers Erinnerungsbuch "Die Tragik Ludendorffs" (erschienen 1953)

In seinem Buch findet sich nun jedenfalls - versteckt in einer Anmerkung - sehr wohl eine sehr eindeutige Reaktion von Adolf Hitler persönlich auf diese Brieftelegramme Erich Ludendorffs an Paul von Hindenburg im Jahr 1933. Dies war der Anlaß, sich vorliegend mit dem Zeitzeugen Wilhelm Breucker und dem Briefwechsel zwischen ihm und seinen Briefpartnern Erich Ludendorff, Paul von Hindenburg und Adolf Hitler noch einmal etwas genauer zu befassen.

Wilhelm Breucker verschweigt seine eigene Rolle, die er im Verhältnis zwischen Ludendorff und Hitler in den Jahren 1933 und 1934 gespielt hat, in seinem Erinnerungsbuch. Daraus ergibt sich eine völlig unzulässige Verzerrung des gesamten Bildes, das er von Ludendorff entwirft und von demjenigen, der in diesem seinem Buch seine Urteile über Ludendorff fällt. Diese eigene Rolle ist aber durch eine andere Veröffentlichung prinzipiell schon seit 1985 (!) bekannt (3). Allerdings wurde über diese Rolle publiziert an einem quasi so "verstecktem" Ort und ohne daß dabei die Implikationen und die Bedeutung dieser Rolle herausgearbeitet und herausgestellt worden wären, daß darauf auch nicht Bezug genommen werden konnte, als man in der eigentlichen Forschungsliteratur selbst darauf zu sprechen gekommen ist (3).

Wilhelm Breucker - Wer war das? 

Seit 1913 kennt er Erich Ludendorff persönlich. Als damaliger Leutnant des von Ludendorff als Regimentskommandeur befehligten Düsseldorfer Niederrheinischen Füssilier-Regiments Nr. 39 (2, S. 19f). Breucker war zu jener Zeit Bataillonsadjutant. Seit jener Zeit stand er offenbar auch in einem nahen persönlichen Verhältnis zur Familie Ludendorff, auch zu Erich Ludendorffs erster Frau und ihren Kindern. Denn im März 1916 sollte Breucker zusammen mit seiner Frau zu den wenigen auf einer Fotografie abgebildeten Gästen der Hochzeit der Tochter Erich Ludendorffs in Berlin zählen, die nicht zu der Verwandtschaft gehörten. Womöglich war Breuckers Frau sogar die Trauzeugin (12).

Im Dezember 1914 war Breucker schon von Ludendorff als Oberleutnant zum Adjutanten des Feldmunitionschefs Ost in den Stab des Oberbefehlshabers Ost berufen worden. Zur Begrüßung war er im Schloß zu Posen beim Abendessen zwischen Ludendorff und Hindenburg zu sitzen gekommen, wie er stolz berichtet (2, S. 31f, 39). Und hier lernte Breucker natürlich auch sonst viele später noch bedeutende Offiziere kennen. Nach dem Krieg nahm er an den alljährlichen Erinnerungstreffen des Stabes Ober-Ost teil, an denen auch Hindenburg teilnahm.

Während eines Frontkommandos lernte Breucker auch den späteren General von Fritsch kennen, mit dem ihn bis zu dessen Tod im Jahr 1939 eine gute "Kriegskameradschaft" verband, wie Breucker schreibt (2, S. 41). 

Im Jahr 1918 - und so auch noch am 9. November 1918 - tat Breucker Dienst im Waffen- und Munitionsbeschaffungsamt auf dem Kurfürstendamm in Berlin (2, S. 156). Er hatte deshalb zusammen mit seiner Frau eine Wohnung in Berlin in der Güntzelstraße 66 (das Wohnhaus ist heute noch erhalten). In diese konnte Breucker das Ehepaar Ludendorff aufnehmen, als es in den Revolutionstagen in der Pension Tscheuschner, wo dieses bis dahin lebte, zu Beunruhigungen kam um dessen Anwesenheit willen. Einige Tage nach der Entlassung Ludendorffs am 26. Oktober 1918 hatte Wilhelm Breucker auch ein Gespräch mit Walther Rathenau. Um den 11. November 1918 herum hatte er in Berlin zwei Unterredungen mit dem Kriegsminister Scheuch, wobei die Reise Ludendorffs nach Schweden besprochen wurde (2, S. 78). Im Dezember 1918 hatte Breucker in Kassel auf Schloß Wilhelmshöhe längere Unterredungen mit Hindenburg und Wilhelm Groener, dem Nachfolger Ludendorffs. Und zwar über Breuckers erfolglose Forderungen nach Richtigstellung der damals in der Öffentlichkeit verbreiteten Verunglimpfungen Ludendorffs (2, S. 76, 80f, 167f). Auch Hugo Stinnes ließ Breucker damals zu sich bitten (2, S. 81f). 

Ab Januar 1919 arbeitete Breucker offenbar als Kaufmann (2, S. 173). In den 1920er Jahren stand er in Verbindung mit dem Bonner Historiker Aloys Schulte (1857-1941) (Wiki,), der ihm die erste Anregung gab, seine Erinnerungen über die geschichtliche Rolle Erich Ludendorffs festzuhalten (2, S. 7). Über Schulte heißt es auf Wikipedia:

Wenngleich eindeutig deutschnational in der Tendenz, enthielt er sich einer völkischen Argumentation, wie sie im Stil der Zeit jüngere „Grenzkampfforschen“ wie etwa Paul Wentzcke anklingen ließen. Im Nachwort seines 1933 veröffentlichten Buchs sprach Schulte zwar eine kurze Belobigung des nationalsozialistischen Regimes aus, das die „Liebe zum Vaterland gesteigert“ habe. Auf eine innere Parteinahme ist daraus allerdings kaum zu schließen.

Womöglich würde Breucker für sich in Anspruch nehmen, daß er genauso beurteilt werden müsse, aber klugerweise sind seine "äußeren" Worte der Parteinahme ja vor seinem Tod nie bekannt geworden.

Am 28. Oktober 1921 schrieb Breucker, "Zurzeit München", einen Brief an Ludendorff, den Ludendorff noch am gleichen Tag an die Presse weitergab zur Richtigstellung einer Behauptung des "Vorwärts" über Ludendorffs Reise nach Schweden, daß nämlich der Gedanke, unter falschem Namen mit einem ausländischen Paß nach Kopenhagen zu reisen, von Seiten der Regierung Ebert ausgegangen war (Deutsche Allgem. Ztg. 26.10.1921).

1928 schreibt Breucker sich mit dem Reichspräsidenten von Hindenburg persönlich wegen einer von diesem gewünschten Aussöhnung mit Erich Ludendorff. 1933 schreibt er sich mit Adolf Hitler persönlich - um des gleichen Grundes willen. 1934 hat er ein "prophetisches" Gespräch mit General von Fritsch (2, S. 143). Zumindest Anfang der 1930er Jahre lebte Breucker in Bonn. In Nachlaßdatenbanken wird er auch als "Fabrikdirektor" bezeichnet (Uni Göttingen). Womöglich war er in der chemischen Industrie in Troisdorf bei Köln tätig, wo ein Wilhelm Breucker für die Jahre 1940 bis 1945 als Mitglied der Geschäftsführung der Firma "Verwertchemie" aufgeführt wird (1996, S. 97).

1952 erscheint von Wilhelm Breucker in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein Artikel über Walther Rathenau. In diesem wird Ludendorffs Verhalten gegenüber Rathenau außerordentlich scharf kritisiert. Dagegen nahm dann Mathilde Ludendorff in derselben Zeitung und in ihrer eigenen Zeitschrift ("Quell") Stellung (5 - 8). (Das wird in einem eigenen Blogbeitrag noch einmal ausführlicher dokumentiert.) Womöglich ist er nach 1945 in seine vormalige Garnisonsstadt Düsseldorf zurückgekehrt. 1953 oder später schreibt Breucker jedenfalls eine handschriftliche Widmung in ein Exemplar seines im Jahr 1953 erschienenen Ludendorff-Buches für den vormaligen Reichskanzler Hans Luther (1979-1962) (Wiki), der damals in Düsseldorf lebte und starb. Dies geht aus einem antiquarischen Angebot hervor (ZVAB):

Titelblatt mit Signatur des Autors, Vorsatzblatt mit handschriftlicher Widmung des Autors an Reichskanzler a.D. Dr. HANS LUTHER (* 10. März 1879 in Berlin; 11. Mai 1962 in Düsseldorf) und schließlich von diesem auf dem vorderen Schmutztitel ebenfalls handschriftlich signiert! [wirklich GUTES und SAUBERES EXEMPLAR der Erstausgabe mit seltenem Autograph eines Reichskanzlers der Weimarer Republik] Widmung des Verfassers.

Breuckers Ludendorff-Buch wurde auch von dem Historiker Walter Görlitz (1913-1991) (Wiki) - Leiter des Ressorts Kultur der Zeitung "Die Welt" unter Chefredakteur Hans Zehrer - in einer Rezension sehr gelobt.

Wilhelm Breucker wurde in jener Zeit von dem Göttinger Historiker Siegfried August Kaehler (1885-1963) (Wiki) (Uni Göttingen) konsultiert, der 1953 eine kleine Schrift über Erich Ludendorff im Jahr 1918 veröffentlichte, und der 1958 Erinnerungen des Generalstabsoffiziers Albrecht von Thaer (Wiki) herausgab. In Vorbereitung zu beiden Arbeiten wechselte Kaehler Briefe mit Breucker. Kaehler gebrauchte interessanterweise gegenüber seinem Freund, dem Historiker und dezidierten Ludendorff-Gegner Walter Elze, noch im Jahr 1961 auffallend schwülstige, unecht klingende Worte, wenn er auf die Person Hindenburgs zu sprechen kam (s. Briefwechsel).

Soweit das, was überblicksartig über die personellen Verflechtungen, Bekanntschaften und Briefwechsel Wilhelm Breuckers beim derzeitigen Kenntnisstand gesagt werden kann.

Der Prinz Wilhelm von Preußen heiratet - Juni 1933

Ob der Briefnachlaß von Wilhelm Breucker erhalten ist und wenn ja wo und in welcher Vollständigkeit, entzieht sich derzeit unserer Kenntnis. In seinem Buch hat Breucker fast immer nur Briefauszüge Ludendorffs angeführt, selten seine eigenen Briefe, auf die Ludendorff mit seinen Briefen reagiert. Dadurch entsteht ein mehr als unvollständiges Bild und es wird auch deutlich, daß Breucker seine eigene Rolle und seine eigene Verantwortung an keiner Stelle thematisiert. Ja, sehr oft verwischt er sie richtiggehend. Im folgenden sollen Breuckers briefliche Aktivitäten der Jahre 1933 und 1934 möglichst vollständig dokumentiert werden, soweit sie bis heute bekannt und veröffentlicht worden sind.

Abb. 2: Prinz Wilhelm von Preußen, 1926/27

Breucker berichtet unter anderem (2, S. 113):

Als sich der älteste Sohn des deutschen Kronprinzen, der später im 2. Weltkriege gefallene Prinz Wilhelm von Preußen mit Fräulein Dorothea v. Salviati in Bonn verlobte, frug Ludendorff bei mir, der ich damals in Bonn lebte, mißtrauisch an: "Ist die Familie Salviati katholisch oder protestantisch?" Ich antwortete: "Ihren Artikel 'Die Hohenzollern in den Händen Roms' müssen Sie in der Schublade behalten, die Familie Salviati ist einwandfrei protestantisch."

Das muß also im Juni 1933 gewesen sein. Denn über den Prinzen Wilhelm von Preußen (1906 - 1940) heißt es auf Wikipedia:

Am 3. Juni 1933 heiratete er Dorothea von Salviati (* 10. September 1907 in Bonn; † 7. Mai 1972 in Bad Godesberg), eine Ehe, die nach dem hohenzollerschen Hausgesetz als nicht ebenbürtig eingestuft wurde. Wilhelm verzichtete daher auf sein Erstgeborenenrecht und damit auf eine mögliche Thronfolge.
Als wie berechtigt man Erich Ludendorffs Interesse für Wilhelm von Preußen auch heute noch wird ansehen müssen, geht aus dem weiteren Satz auf Wikipedia hervor:
Für den monarchisch-konservativen Teil der Opposition gegen das NS-Regime galt Wilhelm als Hoffnungsträger.
Und dementsprechend hatte auch sein Gefallenentod 1940 für großes Aufsehen in Deutschland gesorgt:
Ein Heeresgruppenführer meinte: „Wenn der 20 Jahre älter wäre, würde unser Land anders aussehen.“ Der Trauergottesdienst fand am 29. Mai 1940 in der Friedenskirche im Park von Potsdam-Sanssouci statt. Von dort aus bildeten 50.000 Menschen ein kilometerlanges, stummes Spalier zum Antikentempel, dem Begräbnisort. Die größte unorganisierte Massenkundgebung seiner Regierungszeit veranlaßte Hitler zur Verkündung des sogenannten Prinzenerlasses, der den Angehörigen ehemaliger deutscher Herrscherhäuser zunächst den Fronteinsatz und ab 1943 den Dienst in der Wehrmacht untersagte.

Und in diesem Zusammenhang gilt es ja auch zu beachten, was hier auf dem Blog auch noch einmal aufzuarbeiten wäre, daß Erich Ludendorff bis zu seinem Lebensende im allerbesten persönlichen Verhältnis zum Kronprinzen Wilhelm, also dem Vater dieses Prinzen, stand. Ein Verhältnis, das dieser Kronprinz auch noch nach dem Tod Erich Ludendorffs gegenüber dessen Ehefrau und deren Tochter aufrecht erhielt. (Siehe Erinnerungen Mathilde Ludendorffs daran aus Anlaß des Todes des Kronprinzen Wilhelm im Jahrgang 1951 der Zeitschrift "Quell".)

Forderungen nach religiöser "Gleichschaltung" Ludendorffs - Juli 1933

Wohl im Juli 1933 schrieb Wilhelm Breucker nun einen wesentlich bedeutsameren Brief an Erich Ludendorff, und zwar, so berichtet er erläuternd (2, S. 193, Anm. 3)

über religiöse Fragen, in dem zum Schluß auch das Verhältnis Ludendorffs zu Hitler berührt wurde.

Typischerweise zitiert Breucker auch an dieser Stelle seinen eigenen Brief nicht. Was in seinem Brief enthalten war, kann deshalb bislang nur aus den von Breucker gebrachten beiden Antworten Ludendorffs erschlossen werden (siehe gleich). Was das Verhältnis Ludendorffs zu Hitler betrifft, so versuchte Breucker wohl auch hier, einen Ausgleich zwischen den Sichtweisen Ludendorffs und Hitlers herbeizuführen. Das betrifft unter anderem den erörterten jeweiligen Anteil an den Ereignissen des 9. November 1923 und an dessen Fehlschlag. Erich Ludendorff antwortete auf diesen Brief aus Tutzing am 20. Juli 1933, also am Tag des Abschlusses des "Reichskonkordates" zwischen der katholischen Kirche und dem Deutschen Reich (zit. n. 2, S. 193f):

Ihren Brief habe ich mit ernster Aufmerksamkeit gelesen und kann ihn heute auch noch nicht vollständig beantworten. Ich stelle zunächst geschichtliche Tatsachen fest. Wir haben keine zweitausendjährige Geschichte, sondern unsere Geschichte ist viele, viele tausend Jahre älter. Die Christenlehre kam überdies erst im 8. Jahrhundert über den Rhein und die Alpen. Es wird mit den 2000 Jahren eine ungeheure Verwirrung angerichtet.

Am 9. November 1923 wollte Herr Hitler auf Rosenheim zurückgehen. Ich bestand auf dem Abhalten des Zuges im vollen Bewußtsein dessen, was kommen könnte. Ich ging deshalb in der vordersten Linie und schickte Heinz Pernet nach Haus.

Herr Hitler ist mit mir nicht durch das Feuer geschritten. Ich ging durch das Feuer, er warf sich hin. Das ist ganz natürlich gewesen. Ich stelle das nur fest, damit auch hierin die geschichtliche Wahrheit nicht verkümmert.

Das Wort Synthese ist heute sehr im Gebrauch. Wie wollen Sie aber eine Synthese machen zwischen einem Glauben an einen persönlichen Gott und einen Gott, der jenseits von Raum, Zeit und Ursächlichkeit erachtet wird und wo jede Begriffsbestimmung abgelehnt wird.

Wie wollen Sie eine Synthese machen zwischen einem Glauben, der den göttlichen Sinn des Menschenlebens auf Erden erfüllt und mit dem Tode auch das Bewußtsein des Menschen für immer erloschen ansieht und mit einem Glauben an ein ewiges Leben im Himmel und einen vorübergehenden Aufenthalt auf dem Jammertal Erde.

Wie wollen Sie eine Synthese machen zwischen einem Glauben, der den Menschen herauserlösen will aus seinem Volk und einen Staat Gottes errichten möchte und einen Glauben, der zur Deutschen Volks- und Staatsschöpfung führt.

Ich griff nur Beispiele heraus.

Nun frage ich Sie, welche Bücher meiner Frau Sie gelesen haben. Ich würde Ihnen vorschlagen, einmal zu studieren:
"Deutscher Gottglaube"
"Erlösung von Jesu Christo"
"Die Weltdeutung der Frau Dr. Mathilde Ludendorff" von Hans Kurth
Ich muß erst die Grundlagen kennen, auf denen Sie stehen. Dann können wir uns unterhalten. Eher ist es aus der Entfernung erst recht nicht möglich. Seien Sie aber überzeugt, daß ich das gern tue.

Darauf offenbar hat Wilhelm Breucker mit den Zeilen geantwortet (3, S. 296f, Anmerkung; Hervorhebung nicht im Original):

Die NS-Idee will den ganzen Menschen total erfassen. Gelingt ihr das bei der künftigen Erziehung der Jugend - es spricht alles dafür, daß es ihr gelingen wird -, so muß das m. E. notwendigerweise zu einem Konflikt, oder besser gesagt, zu geistigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden christlichen Kirchen führen, die ihrerseits auf den Anspruch einer Erziehung im christlichen Sinne nicht verzichten werden.

Dazu kommt, daß im NS selbst die verschiedensten Kulturelemente miteinander ringen, und daß führende Persönlichkeiten der NSDAP, z.B. General Reventlow, Dr. v. Leers u. a. heute schon einen Gottglauben außerhalb des Christentums vertreten.

Auf der anderen Seite habe ich der Schrift Ihrer Frau "Deutscher Gottglaube" entnommen, daß es nicht Ihre Absicht ist, den im Christentum wurzelnden Deutschen ihren Glauben zu nehmen, daß sie vielmehr den unendlich vielen Angehörigen beider Konfessionen, die in Wirklichkeit nicht mehr Christen sind und lediglich aus anderen Gründen noch ihren Konfessionen angehören, einen neuen Gottglauben geben wollen.

Auch führenden Persönlichkeiten, die "heute schon" (!) "einen Gottglauben außerhalb des Christentums vertreten", und die die Absicht haben, den Deutschen "einen neuen Gottglauben geben" zu wollen, steht Wilhelm Breucker im Jahr 1933 ebenfalls nicht so ablehend, ja, gehässig gegenüber, wie er davon in seinem Erinnerungsbuch von 1953 durchgängig den Eindruck gibt. Warum diese Widersprüchlichkeit nicht schon im Jahr 1985 von Gunther Duda oder vom Schriftleiter Franz von Bebenburg in der Zeitschrift "Mensch & Maß" einmal deutlicher herausgearbeitet worden ist, muß an dieser Stelle ungeklärt bleiben. Franz von Bebenburg hatte sich 1954 im "Quell" sehr stark empört über das Breucker-Buch. Aber aus Sicht dieser neuen Dokumente hätte er noch zu einer ganz anderen Einschätzung des Wirkens von Wilhelm Breucker kommen müssen. Doch von Bebenburg griff diese Neuerkenntnisse offenbar in keiner Weise auf. Dieser Umstand fällt ins Auge. Breucker schreibt jedenfalls weiter (Hervorhebung nicht im Original):

Und nun folgere ich: Während nach geschichtlicher Erfahrung Glaubensbewegungen, die kompromißlos von außen den Kampf gegen eine herrschende Lehre aufnehmen, Gefahr laufen, zu einer bedeutungslosen Sekte zu werden, vermag eine Lehre, die aus dem herrschenden Glauben heraus allen denen, die unbefriedigt sind, neue Wege und Ziele weist, sich eher durchzusetzen und zu einer wirklichen Erneuerung im Glauben und in der Folge zu einer Reformation der Kirchen zu führen.

Eine wirklich kühne These, die bei Einschätzung der damaligen, gesamtreligiösen Lage doch in vielerlei Hinsicht einigermaßen wirklichkeitsfremd, unrealistisch anmutet. Jedenfalls scheint dies also so ungefähr damals Breucker als Ideal vorgeschwebt zu sein. Merkwürdig! Und dann glaubt er auch noch, seinen "Freund" Ludendorff zu diesem seinen Ideal bekehren zu können:

Der Umstand, daß sich der neue Staat zum Christentum bekennt, scheint mir dabei kein Hindernis zu sein, denn ich sehe in der Glaubensbewegung "Deutsche Christen" sowohl wie im Reichskonkordat nichts Endgültiges, sondern eher die Festlegung von Mensurregeln zur Absteckung des Bodens, auf dem sich die künftigen großen geistigen Auseinandersetzungen, die der Umbruch einer Zeit, die alles in Bewegung gebracht hat, im Gefolge haben wird, abspielen werden.

Aus diesen Gedanken heraus kommt meine Anregung, ob Sie Ihren Kampf nicht in die NS-Bewegung einschalten könnten und wollten.

Läßt man diesen Brief länger auf sich wirken, so könnte man zu der Meinung kommen, daß Adolf Hitler oder Alfred Rosenberg selbst zu jener Zeit nicht wesentlich anders gedacht haben könnten. Oder Kreise, die auf das Denken und die Politik Adolf Hitlers oder Alfred Rosenbergs Einfluß nehmen konnten. So jedenfalls dachte sich auch Wilhelm Breucker jene "Synthese", auf die Erich Ludendorff in dem Brief zuvor geantwortet hatte. Auf diese neuerlichen Gedanken Breuckers antwortete Erich Ludendorff am 16. August 1933 mit sehr viel konkreteren, tagespolitischen Beobachtungen (2, S. 159f; auch: 3, S. 296 - 298):

Durch das Verbot der "Ludendorffs Volkswarte" am Tage nach Abschluß des Konkordates ist klar gezeichnet, daß römische Einflüsse (Göring, Goebbels, Papen) in der Partei allmächtig sind.
Und:
Wie stark diese Gruppe Göring bewertet wird, zeigen die Telegramme Mussolinis an Göring und Hitler. Ersterer ist alles danach, letzterer nichts mehr. So ist die Lage. Nachdem Hitler das Konkordat abgeschlossen hat, braucht Rom zuverlässige Durchführer desselben. Haben Sie noch nie das Wort gehört, wenn die Blätter fallen, ist Hitler erledigt?
Auch Ludendorff sah also Hitler nicht als einen "zuverlässigen Durchführer" des Konkordats an. Eine auffällige Einschätzung, die man so aus Ludendorffs Mund sonst noch nirgendwo glaubt, gehört zu haben. Ludendorff weiter:
Ich meine, innerhalb der NSDAP müssen erst die Machtkämpfe ausgekämpft werden. Hitler will ja auch das Wiedererscheinen der Volkswarte, auch Röhm, ...
- Das mag man ebenfalls als ungewöhnliche Einschätzungen erachten. Woher wußte Ludendorff davon? - 
... aber sie kommen gegenüber Rom und seinen Trabanten einfach nicht durch. Gewiß könnte ich mich jeden Tag "gleichschalten", das ist für mich unmöglich. Ebenso ist es für mich unmöglich, ein System gutzuheißen, das mir das Wort verbietet und meine Freunde, wie es immer wieder geschieht, grausam mißhandelt, so kürzlich in Berlin und in der Neumark. Ich müßte sehr viel Garantien erhalten, so viele, daß Rom sie stets verhindern wird. Hitler sieht ja die Gefahren nicht, in denen er selbst steht, auch Röhm nicht. Theorie und Praxis stehen da arg gegeneinander.

Ludendorff meint hier vielleicht: Nach der Theorie mögen Hitler und Röhm in der katholischen Kirche sehr wohl eine große Gefahr sehen. In der Praxis handeln sie aber nicht nach dieser Theorie. Ludendorff selbst jedenfalls bleibt scharf ablehend und kompromißlos.

Die Kompromißlosigkeit Ludendorffs - vorbildlich oder verwerflich?

Es ist übrigens auffallend, wie diese damalige Kompromißlosigkeit Ludendorffs während des Dritten Reiches, nach 1945 und heute von verschiedenen Seiten bewertet wird. Einerseits ist sie immer schon bewundert worden. Andererseits glaubt man heute wie damals "alle Schuld auf Ludendorff" werfen zu müssen dafür, daß es dem militärischen Widerstand nicht gelang, Hitler zu stoppen. (So Ludwig Beck und Robert Holtzmann 1938 - und ihnen folgend die Historiker M. Nebelin und R.A. Blasius 2012.) Hätte sich ein Ludendorff deutlicher an die Spitze des militärischen Widerstandes gegen Hitler gestellt und zu diesem Zweck, so wie dieser Widerstand auch sonst, mehr Kompromisse geschlossen, so, meinten also damals schon einige der sicherlich einsichtsvollsten Zeitgenossen - und meinen noch heutige einige Historiker (Rainer A. Blasius, Manfred Nebelin) - hätte es eine realistischere Chance gegeben, Hitler zu stoppen, als mit der Kompromißlosigkeit Ludendorffs.

Diese These schlägt immerhin einmal ein ganz neues Raisonement an in der Bewertung von Widerstand während des Dritten Reiches und der Rolle Ludendorffs dabei. Sie übergeht den Anteil Ludendorffs am militärischen Widerstand während des Dritten Reiches nun keineswegs mehr rundweg mit Schweigen. Wie das bis 2012 fast durchgängig in der Forschungsliteratur und in Überblicksdarstellungen zur Geshichte des militärischen Widerstandes gegen Hitler der Fall gewesen ist. Aber man verfällt nun - merkwürdigerweise! - sofort in ein völlig anderes Extrem. Man sagt: Ja, Ludendorff ist dem militärischen Widerstand gegen Hitler zuzurechnen. Und: Eben darum ist ihm die Hauptschuld für dessen Mißerfolg zuzusprechen! Und schuld daran soll nun plötzlich die Kompromißlosigkeit Ludendorff sein.

Während es sonst eigentlich immer nur negativ bewertet wird, wenn sich Menschen dem Dritten Reich gegenüber zu kompromißlerisch verhalten haben, wird Ludendorff nun gar ein Strick daraus gedreht.

Aber immerhin mutet dies als eine These an, der man nicht gleich von vornherein jede Berechtigung absprechen möchte. Sie wertet ja die geschichtliche Rolle Ludendorffs ungeheuer auf. Nicht zuletzt darum verdient sie eine Auseinandersetzung, die viele Aspekte der damaligen Zeitumstände und der Zielsetzungen Erich Ludendorffs zu überprüfen und mit in Anschlag zu bringen hätte. Sie ist deshalb auch an ganz anderer Stelle zu führen als in diesem - auch hierfür vorbereitenden - Blogbeitrag.

Warum kuscht die NSDAP vor den Kirchen? - September 1933

Zwischenzeitlich war, so schildert es Breucker, die Bedeutung der Berufung Ludendorffs nach dem Osten im August 1914 in nationalsozialistischen Zeitungen verkleinert worden (2, S. 194, Anm. 1). Am 4. September 1933 schrieb Erich Ludendorff aus Tutzing über die "neuen" - also: nationalsozialistischen! - "Freunde" des Wilhelm Breucker (eine Kennzeichnung, zu der es, man achte darauf, von Breucker keinen Widerspruch gibt!) (2, S. 194f):
Ihre neuen Freunde sind es, die die Geschichtsklitterung treiben, aber trotzdem werden sie bewundert.
Es gilt festzuhalten, daß Breucker selbst in seinem Erinnerungsbuch nirgendwo dieser Einschätzung Ludendorffs widerspricht, daß im Jahr 1933 die Nationalsozialisten zu seinen "neuen Freunden" gehörten. So nämlich wird es in der Tat gewesen sein. Und das wird nicht der unwesentlichste Sachverhalt sein, der bei der Einschätzung der Person des Wilhelm Breucker als Zeitzeuge, Mithandelnder und geschichtlich Urteilender überhaupt in Anschlag zu bringen ist. Auch Franz von Bebenburg hat 1954 völlig versäumt, auf diesen Umstand aufmerksam zu machen. - Ludendorff erläutert dann noch einmal geduldig die Vorgänge, die 1914 zu seiner Berufung nach dem Osten führten. Zur aktuellen Situation schreibt Ludendorff unter anderem (2, S. 160):
Wenn Goebbels heute bei Hitler-Röhm steht, so zeigt das die neue Kräfteverteilung.
Und über nicht in Regierungsverantwortung stehende Deutsche schreibt Ludendorff:
Gewiß muß eine Regierung anders handeln als freie Deutsche, sollte aber den Kampf freier Deutscher nicht hemmen, sondern ihn begrüßen, denn dieser Kampf kann ihr Gelegenheit geben, vom Gegner Vorteile zu gewinnen.
Ludendorff meint also so etwa, Hitler solle ihn und seinen Kampf dazu benutzen, die auch von ihm nicht geliebten Kirchen in die Enge zu treiben. So auch im weiteren:
Im übrigen sind die Kirchen keine Machtfaktoren in Deutschland, sobald die Regierung nur Farbe bekennen würde. Aber das verlange ich gar nicht, sondern nur kein Hemmen von Richtung, die die Freiheit des Volkes fördert. Glaubt denn die NSDAP, das Betonen des Rassestandpunktes würde ihr je verziehen? Es sind Kinder, mit denen nichts anzufangen ist, weil sie die einfachsten Zusammenhänge nicht verstehen.

Ludendorff meint also, daß die Kirchen es dem Nationalsozialismus niemals danken werden, daß er den Rassestandpunkt vertritt. (Diese Aussage ist im heutigen Sinne so zu verstehen, daß ja das ethnische Herkunftsprinzip im Christentum nur gegenüber dem jüdischen Volk quasi erkannt wird von allen christlichen Richtungen. Denn hier handelt es sich ja um das "Volk Gottes". Dem ethnischen Herkunftsprinzip aller anderen Völker und Kulturen steht das Christentum ganz gleichgültig, bzw. kulturell und religiös "globalisierend" gegenüber. Das Christentum verliert überall dort seine Allgemeingültigkeit und seinen Einfluß, um so mehr irgendwo das ethnische Herkunftsprinzip von vormals christlichen Völkern betont wird, und wenn diese sich ebenfalls als Volk ihres - dann natürlich eigenen - Gottes zu betrachten.) Ludendorff meint also, daß der Nationalsozialismus von vornherein auf seinen Versöhnungskurs gegenüber den Kirchen verzichten könne, den er ja auch später, etwa ab dem Jahr 1935 zu nicht geringen Teilen aufgegeben hat.

Es sei betont, daß von fast keinem der hier zitierten Briefe und Briefauszüge bekannt ist, ob und wieweit sie den jeweiligen vollständigen Brieftext wiedergeben.

Breucker berichtet zu Ludendorffs Brief vom 4. September 1933:

Während Ludendorff seine meist handschriftlichen Briefe an den Verfasser im allgemeinen mit der Anrede "Lieber James" oder "Lieber Breucker" begann und mit "herzlichen Grüßen" oder mit "treuen Grüßen" schloß, hatte er in dem mit Maschine geschriebenen Brief vom 4. September die Anrede "Geehrter Herr Breucker" gewählt und den Brief mit "Deutschen Grüßen" geschlossen. Auf die Rückfrage des Verfassers vom 5. September, ob diesem Wechsel eine Absicht zugrunde läge, schrieb Ludendorff in der gewohnten Form den Brief vom 7. September.
Und dieser lautete nun:
Ich bin noch immer der Alte. Der Wechsel der Anrede war völlig unabsichtlich, nur geschehen in der Eile des Briefdiktierens. Ich habe keinen Anlaß, meine Einstellung Ihnen gegenüber irgendwie zu ändern, zumal ich nicht zu denen gehöre, die nicht andere Anschauungen gelten lassen.

Woher kam das Mißtrauen Breuckers, so fragt man sich. Daß er so leicht an einen Wechsel im Freundschaftsverhältnis glauben konnte? Es wäre naheliegend, daß er da von sich auf einen anderen schloß. Zumal wenn man die vielen gehässigen Worte liest, die er in seinem Erinnerungsbuch von 1953 über Ludendorff und seine nichtchristlichen Anschauungen äußert, der von sich aus in seinen Briefen an Breucker immer außerordentlich herzlich gegenüber Breucker geäußert hat und keineswegs die Breucker'schen religiösen Anschauungen herabsetzend. Ludendorff hätte sich sicherlich nicht so herzlich über Breucker geäußert, wenn er gewußt hätte, daß Breucker fähig war, derartig gehässige Gedanken über ihn zu denken, wie er sie in seinem Erinnerungsbuch von 1953 öffentlich gemacht hat.


Abb. 3: Oberstleutnant Richard Hentsch (1869 - 1918) (s.a. hier)

Interessant ist übrigens auch die Begründung, mit der Breucker seine negativere Nachkriegssicht auf Ludendorff motiviert. Er habe erst dann Ludendorffs Sichtweise auf den Oberstleutnant Richard Hentsch (1869-1918) (Wiki) von 1914 zur Kenntnis genommen, nämlich daß dieser Freimaurer gewesen wäre und als solcher das "Wunder an der Marne" bewirkt hätte. Ob diese Motivation auf Seiten von Breucker nun tatsächlich vorlag oder nicht: aus ihr würde doch sehr viel Mitgefühl mit der Freimaurerei sprechen, das man auch sonst bei seinen vielen Kontakten (siehe oben) nicht leicht ausschließen möchte. Breucker war jedenfalls definitiv kein Freimaurergegner oder -kritiker.

Am 14. November 1933 schreibt Erich Ludendorff aus Tutzing an Wilhelm Breucker (zit. n. 2, S. 195):

Aus der Anlage ersehen Sie das Nähere. Das ganze ist wieder einmal von der echt deutschen Niedertracht.

Der Tannenbergbund ist nach wie vor verboten, ebenso wie Ludendorffs Volkswarte. Ich weine nicht darüber, sondern begrüße es, daß ich nicht anders behandelt werde wie ein Kommunist oder Marxist.

Der Prozeß ist noch nicht erledigt.

Meiner Frau und mir geht es prächtig.

Und in der Anlage heißt es:

Die Darstellung, die in verschiedenen Blättern, namentlich von Erich Czesch-Jochberg über den 8. November 1923 gegeben wird, ist verzerrend und unwahr. 

Es geht um den Vorwurf aus der NS-Partei heraus, daß Ludendorff am Abend des 8. November 1923 die Herren Kahr, Lossow und Seisser aus dem Bürgerbräukeller in ihre Ämter habe zurückkehren lassen und ihnen damit die Möglichkeit zum Abfall und zur Untreue gegeben habe. Das wäre eine politische Dummheit Ludendorffs gewesen. Ludendorff sagt dazu, daß der Putsch nur durchführbar war mit einer freiwilligen Mitwirkung dieser drei Herren, und daß es gar keine andere Möglichkeit gegeben hätte, als sich auf das von diesen gegebene Wort zu verlassen. Es wird aus all dem deutlich, was alles für Fragen trennend zwischen Ludendorff und Hitler standen oder die Trennung vertiefen sollten. Und von denen zumindest Breucker glaubte, sie müßten zunächst geklärt und bereinigt werden, bevor es zu einer Aussöhnung zwischen beiden kommen könne.

Breuckers Bericht an Hitler - 25. November 1933

Wohl etwa zur gleichen Zeit, nämlich Anfang November 1933, ist Parteigenosse Heinz Pernet (12, 13), der Stiefsohn Erich Ludendorffs, von Adolf Hitler persönlich - und offenbar mündlich - damit beauftragt worden, gemeinsam mit Wilhelm Breucker den Versuch zu machen, Hindenburg und ihn, Hitler, mit Ludendorff zu versöhnen. Auf Pernets Wunsch hin schreibt

Wilhelm Breucker am 25. November 1933 einen persönlichen Brief an Adolf Hitler. Diesen Brief erwähnt Breucker - natürlich (!?!) - in seinem Erinnerungsbuch von 1953 mit keinem Wort. Womit die Glaubwürdigkeit des geschichtlich Urteilenden Wilhelm Breucker, wie schon erwähnt, schwer erschüttert ist.

Und offenbar hat Breucker diesen Brief auch Ludendorff gegenüber nie erwähnt. Daraus ergeben sich die schwerwiegendsten Verzerrungen, die Breucker über sich selbst und sein Handeln Erich Ludendorff schon 1933 gegenüber erweckte und der Öffentlichkeit noch in den Jahren 1952 und 1953. Wie konnte sich Breucker in den Jahren 1952 und 1953 über Ludendorffs Verhalten zu Rathenau aufregen, wenn er sich selbst Adolf Hitler und Genossen 1933 zu seinen "neuen Freunden" wählte, ihnen zumindest um den Mund redete und auch noch versuchte, Parteiabweichler wie Erich Ludendorff "auf Linie zu bringen"?

Wenn Breucker in diesem Brief davon spricht, daß er "seit dem Jahre 1928 unentwegt bemüht" gewesen sei, Ludendorff mit Hindenburg zu versöhnen, dann bezieht sich dies zunächst vor allem auf seine eingehende Aussprache mit Erich Ludendorff in München in der ersten Januarwoche des Jahres 1928, über die er an Paul von Hindenburg am 11. Januar 1928 ausführlich berichtete, wofür sich Hindenburg am 22. Januar 1928 hinwiederum ausführlich bedankte (2, S. 117 - 126). Wie diese Aussage aber mit der Angabe in seinen Erinnerungen in Einklang gebracht werden soll, er, Breucker, habe vor 1930 den Kontakt mit Ludendorff abgebrochen gehabt, da Ludendorff sein falsches Zitieren des Rathenau-Wortes von dem Werfen "aller Schuld auf Ludendorff" nicht habe korrigieren wollen (2, S. 193, Anm. 1), muß an dieser Stelle noch dahinstehen. Dieser Frage rund um die Beziehungen Breuckers und Ludendorffs zu Walther Rathenau muß ein eigener Beitrag vorbehalten bleiben.

Hitler hätte aber gewiß kein Verständnis gehabt dafür, daß Breucker - etwaig - so viel daran gelegen gewesen sein sollte, daß ausgerechnet ein Rathenau von einer Mitschuld daran, daß 1918 "alle Schuld auf Ludendorff geworfen" wurde, durch Ludendorff hätte freigesprochen werden sollen. Es muß deshalb an dieser Stelle einstweilen offen bleiben, ob Breuckers Angaben in dem folgenden Brief an Hitler falsch gewesen ist oder die in seinem Erinnerungsbuch von 1953 bezüglich dieses Rathenau-Zitates und seines Bruches mit Ludendorff dessenthalben. Es ist durchaus auch denkbar, daß er diesen - höchstens zweijährigen - "Bruch" erst nach 1945 so arg in den Vordergrund gestellt hat, um von seiner doch sehr eindeutig pronationalsozialistischen Haltung zumindest im Jahr 1933 abzulenken. Wie pronationalsozialistisch Breucker zu dieser Zeit war, geht ja erst aus diesem Brief an Hitler deutlich hervor. Schreibt er in ihm doch von dem "großen von Ihnen siegreich begonnenen Kampf um Deutschlands Erneuerung". Wie hätte ein echter Freund Rathenaus so etwas schreiben können? (Aber vielleicht ist das auch eine naive Frage. Es wird viele Freunde Rathenaus gegeben haben, die sich 1933 so äußern konnten. Im Blogartikel zu Ernst Hanfstaengl wiesen wir auf solche sogar ausdrücklich hin.) Im Gesamtzusammenhang lautet Breuckers Brief an Hitler vom 25. November 1933 (3, S. 296f, Anmerkung; Hervorhebungen nicht im Original):

Mein Führer!

Heinz Pernet gibt mir Kenntnis davon, daß Sie ihn beauftragt haben, einen Weg zu suchen mit dem Ziel der Verständigung zwischen Ihnen und dem Generalfeldmarschall einerseits und General Ludendorff andererseits. Da ich seit dem Jahre 1928 unentwegt bemüht bin, auf General Ludendorff in diesem Sinne einzuwirken und da ich mich zu denen zählen darf, die Ludendorff trotz abweichender Auffassung in manchen weltanschaulichen Fragen ihre Ansichten stets offen gesagt haben, so legt Heinz Pernet mir nahe, mich unter Berufung auf ihn unmittelbar an Sie zu wenden ...

Nach der Machtübernahme durch die NSDAP habe ich in vielen Briefen auf General Ludendorff einzuwirken versucht, daß er seinen weltanschaulichen Kampf doch einschalten möge in den großen von Ihnen siegreich begonnenen Kampf um Deutschlands Erneuerung. Ich legte meine Gedanken in einem Brief an General Ludendorff nieder.
Und dann zitiert er seinen oben schon gebrachten Brief an Ludendorff, der mit den Worten beginnt"Die NS-Idee will den ganzen Menschen total erfassen ..." Im Anschluß daran übermittelt Breucker Hitler auch Ludendorffs Antwort an Breucker vom 16. August 1933 (siehe oben), sowie (3, S. 297, Anmerkung):
die Mitteilung eines Versuches, über Röhm zu einem Ausgleich zu kommen, und Vorschläge des weiteren Vorgehens für die Möglichkeit einer "Wiedervereinigung".

Leider sind diese letztgenannten Versuche und Vorschläge bislang noch nirgendwo im Wortlaut veröffentlicht worden und liegen nur im Institut für Zeitgeschichte in München als Mikrofilm vor (3, S. 296, Anmerkung). Auch warum sie vom Ludendorff-Anhänger Gunther Duda und seinem Schriftleiter Franz von Bebenburg im Jahr 1985 nicht wesentlich ausführlicher aufgearbeitet worden sind, muß an dieser Stelle dahinstehen. Jedenfalls wäre dieser Umstand auffallend.

Wie ist das Handeln Breuckers zu bewerten, nämlich einen nur an ihn, Breucker, gerichteten Privatbrief Erich Ludendorffs über Hitler und die NSDAP an Hitler selbst weiterzugeben? Es gibt bislang keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Weitergabe wenigstens mit stillschweigender Zustimmung Ludendorffs geschehen wäre. Aber stellte sie dann nicht einen sehr eindeutigen Vertrauensbruch Breuckers Ludendorff gegenüber dar? Auf jeden Fall konnte sich Hitler aufgrund dieser Briefausführungen über die Einstellung Ludendorffs zu ihm und seinem Handeln in dieser Zeit nur noch in geringem Zweifel befinden. Es seien die oben zitierten Briefauszüge hier noch einmal angeführt, um Gelegenheit zu geben, sie nun - sozusagen - noch einmal quasi Adolf Hitler beim Lesen über die Schulter blickend zu lesen (2, S. 159f; auch: 3, S. 296 - 298):

Durch das Verbot der "Ludendorffs Volkswarte" am Tage nach Abschluß des Konkordates ist klar gezeichnet, daß römische Einflüsse (Göring, Goebbels, Papen) in der Partei allmächtig sind.
Und:
Wie stark diese Gruppe Göring bewertet wird, zeigen die Telegramme Mussolinis an Göring und Hitler. Ersterer ist alles danach, letzterer nichts mehr. So ist die Lage. Nachdem Hitler das Konkordat abgeschlossen hat, braucht Rom zuverlässige Durchführer desselben. Haben Sie noch nie das Wort gehört, wenn die Blätter fallen, ist Hitler erledigt? Ich meine, innerhalb der NSDAP müssen erst die Machtkämpfe ausgekämpft werden. Hitler will ja auch das Wiedererscheinen der Volkswarte, auch Röhm, aber sie kommen gegenüber Rom und seinen Trabanten einfach nicht durch. Gewiß könnte ich mich jeden Tag "gleichschalten", das ist für mich unmöglich. Ebenso ist es für mich unmöglich, ein System gutzuheißen, das mir das Wort verbietet und meine Freunde, wie es immer wieder geschieht, grausam mißhandelt, so kürzlich in Berlin und in der Neumark. Ich müßte sehr viel Garantien erhalten, so viele, daß Rom sie stets verhindern wird. Hitler sieht ja die Gefahren nicht, in denen er selbst steht, auch Röhm nicht. Theorie und Praxis stehen da arg gegeneinander.

Von der Mißhandlung der Freunde Ludendorffs hatte Hitler ja erst zwei Tage zuvor durch die Weiterleitung von Telegrammen, die Ludendorff an Hindenburg gesandt hatte, erfahren können, die am 23. November mit dem Stempel versehen worden waren: "Der Reichskanzler hat Kenntnis" (siehe voriger Beitrag). Im Grunde konnten diese Worte von Hitler so gelesen werden, als fühlte Ludendorff sich ihm - und Röhm - innerhalb der Führungsetage der NSDAP noch am ehesten verbunden. Viel mehr jedenfalls als der von Ludendorff gekennzeichneten Gruppe "Göring, Goebbels, Papen". Interessant ist auch, daß Ludendorff schon hier von jenen "Garantien" spricht, auf die sich Hitler im Jahr 1937 dann tatsächlich - zumindest äußerlich - hat festlegen lassen, als es zu der von ihm, Hitler, schon seit vier Jahren angestrebten persönlichen Zusammenkunft zwischen ihm und Ludendorff schließlich kommen sollte.

Es wäre sicherlich auch von Interesse, noch einmal den genauen Wortlaut der genannten Telegramme an Göring und Mussolini zu kennen. Die Worte "Hitler will ja auch das Wiedererscheinen der Volkswarte, auch Röhm, aber sie kommen gegenüber Rom und seinen Trabanten einfach nicht durch" machen womöglich deutlicher, als es aus sonst bekannten Quellen hervorgeht, wie Erich Ludendorff sein Verhältnis zu Adolf Hitler und Ernst Röhm einschätzte - und deren Einstellungen zu ihm. Zumindest im August 1933. Ebenso machen diese Worte deutlich, wie stark Ludendorff nicht nur Goebbels und Papen, sondern auch Göring als der katholischen Lobby innerhalb der Hitler-Regierung zugehörig beurteilte. Und wie sehr er überhaupt die "Gefahren" einschätzte, in denen Hitler selbst stehen würde - und auch Röhm. War - aus dieser Sicht - Röhm womöglich ebenfalls ein Opfer, das Hitler "Rom" brachte, um sich die katholische Kirche weiter wohlwollend gesonnen zu halten? Es kommt einem der Gedanke, daß dieses Motiv bei den Röhm-Morden mit hineingespielt haben könnte.


Abb. 4: Heinz Pernet, um 1935 (aus dem Privatbesitz seiner Tochter Barbara)

Heinz Pernet an Hitler - 28. November 1933

Jedenfalls leitete Heinz Pernet diesen Brief Breuckers und dessen beigelegten Briefwechsel mit Ludendorff am 28. November 1933 an Adolf Hitler weiter mit den Worten (3):

Mein Führer, lieber Hitler!

Ihrem Wunsch entsprechend habe ich den Hauptmann a. D. Breuker mit dem Versuch einer Aussöhnung beauftragt. Ich lege in der Anlage einen Brief Breukers vor ... Breuker war im Regiment 39 (Ludendorff), hat viel in unserem Hause verkehrt und ist dem Feldmarschall
- gemeint ist der Reichspräsident Paul von Hindenburg -
gut bekannt. B. steht Ihnen jederzeit zur Verfügung und hat mich gebeten, Ihnen zu sagen, daß Sie nur befehlen brauchen, daß er sich in Berlin oder München bei Ihnen meldet ...

Ob es zu dieser Meldung Breuckers bei Hitler gekommen ist, wird nirgendwo erwähnt offenbar bisher. Breucker selbst berichtet ja über sein Verhältnis zu Hitler in seinem Ludendorff-Buch so gut wie gar nicht. Da Hitler wenige Wochen später Breucker über den Gauleiter Terboven Wünsche zukommen läßt, liegt es aber doch nahe, daß es auch zu einem persönlichen Vortrag Breuckers bei Hitler gekommen ist. Leider werden, wie gesagt, auch keine weiteren Einzelheiten zu dem Versuch mitgeteilt, "über Röhm zu einem Ausgleich zu kommen".

Erich Ludendorff, der vieles sehr genau wiedergibt in seinen Verhandlungen mit Hindenburg und Hitler, berichtet über diese Bemühungen Breuckers in seinen Lebenserinnerungen nichts. Ebensowenig Wilhelm Breucker. Offenbar erfuhr ja Ludendorff auch gar nicht, daß sein Stiefsohn Heinz Pernet und Breucker darüber im November 1933 an Hitler berichtet haben. Auffallenderweise wird ja auch in dem Ludendorff-Buch von Wilhelm Breucker zwar der Briefwechsel Breucker-Ludendorff zitiert, nicht aber auf die doch politisch sehr viel wesentlichere Weitergabe desselben an Hitler persönlich hingewiesen. Breucker unterschlägt also in seinen Erinnerungen einen ganz wesentlichen Eigenanteil an der Gestaltung des Verhältnisses zwischen Ludendorff und Hitler - und auch zwischen Ludendorff und Hindenburg. Breucker schreibt über Ludendorff nur (2, S. 146):

Alle Annäherungsversuche Hitlers lehnte er ab. (…) Hitler selbst gab die Hoffnung nicht auf, zu einer Versöhnung mit Ludendorff zu kommen. Wiederholt schickte er Mittelspersonen, darunter auch den späteren Generalstabschef, Generaloberst Beck, nach Tutzing.

Der Besuch Becks in Tutzing fand aber erst Anfang 1935 statt. Zwei Jahre später. Davon daß er über seine eigenen Aktivitäten im Jahr 1933 direkt an Hitler berichtete, schreibt Breucker nichts. Das muß als mehr als unredlich empfunden werden. Erst wenn er seinen Eigenanteil redlich dargestellt hätte, hätte Breucker ein Recht gehabt, so wie er es in seinem Buch "Die Tragik Ludendorffs" getan hat, das von ihm als vorbildlich bewertete Handeln Ludendorffs abzuwägen gegenüber dem von ihm als irrtümlich und verderblich bewerteten Handeln Ludendorffs. Der Leser sollte doch ein Recht darauf haben zu wissen, wer eigentlich diese Abwägungen über die - unterstellte - "Tragik" Ludendorffs ausspricht. Und wie "tragisch" und irrtümlich sich eigentlich das Verhalten desjenigen ausnimmt, der glaubt, eine solche Tragik auf Seiten Ludendorffs feststellen zu dürfen: Wie steht es um "Die Tragik des Wilhelm Breucker", fragte schon Franz von Bebenburg 1954. Um so verwunderlicher, wenn er nach 1984, nachdem er noch manches mehr über diese "Tragik" erfahren hatte, nicht weiter reagiert haben sollte.

Ja, mehr noch: Über Seiten hinweg schreibt Breucker in seinem Erinnerungsbuch über die vielen Schuldigen an der Machtergreifung und Machtfestigung Adolf Hitlers. Er zählt auf: die Regierungen vor Hitler, die Parteien, die Wissenschaft, die Kirchen, die Wirtschaft, die Generalität (2, S. 136ff). Nur von einer eigenen Mitverantwortung, von eigenen Irrtümern, von eigener Schuld schreibt Wilhelm Breucker an keiner Stelle. Als hätte er selbst mit seiner Anhimmelung Hitlers im Jahr 1933 nicht die gleiche Schuld auf sich geladen wie alle die von ihm Genannten.

Dabei will er schon nach den Röhm-Morden den General von Fritsch fast in den gleichen Worten vor Hitler gewarnt haben, wie es von Ludendorff berichtet wird (2, S. 142f). Kann man das dem Wilhelm Breucker noch glauben, wo er doch ein Jahr zuvor noch Ludendorff zur Gleichschaltung bewegen wollte und zur Versöhnung mit Hitler und Hindenburg? Ja, wie wir sehen werden, setzte sich Breucker ja noch im Jahr 1935 für eine Versöhnung Ludendorffs mit Hitler ein!

Man könnte womöglich sogar noch weiter gehen: Wenn er in seinem Buch ständig von der "Tragik" Ludendorffs spricht, so projeziert er womöglich vor allem von sich selbst auf andere. Von seiner eigenen - - - "Tragik". Mit dem Wort Tragik wurde - zumal nach 1945 - auch sonst viel Mißbrauch getrieben. Es ist in keiner Weise erkenntniserweiternd, sondern nebulös in der pompösen Art, in der es daher kommt. Es verhüllt wohl zumeist Unklarheiten desjenigen, der es benutzt. In dem Erinnerungsbuch von Breucker ist dieser Mißbrauch jedenfalls offensichtlich.

"Bleikammern" des deutschen Geistes - Dezember 1933

An wievielen verschiedenen "Fronten" Breucker damals - auch auf Wunsch Ludendorffs - tätig gewesen ist, geht auch hervor aus dem am 8. Dezember 1933 aus Tutzing geschriebenen Brief Ludendorffs an ihn. Ludendorff hatte sich zuvor nämlich von Breucker auch einen Bericht erbeten über dessen Verhandlungen im November 1918 mit dem Kriegsminister über die Ausreise Ludendorffs nach Schweden. Auf diesen Bericht antwortet Ludendorff nun am 8. Dezember 1933 (2):

Herzlichen Dank für den Bericht nebst Anlagen. Sie sind mir sehr wertvoll. Ich werde die Anlagen zurückschicken, sobald ich Zeit habe. Das wird wohl nach Weihnachten kommen, denn ich glaube, daß auch der "Heilige Quell" eingehen wird; denn ich kann die Verpflichtung nicht übernehmen, die der "Schriftsteller" übernehmen muß, wenn er heute noch etwas im Deutschen Volke veröffentlichen will. 
Gemeint ist der zur Pflicht gemachte Eintritt in die Reichsschrifttumskammer, die Ludendorff an anderer Stelle auch "Bleikammern" für den deutschen Geist nannte (siehe voriger Beitrag). Ludendorff weiter:
So werde ich wohl auch mein letztes Buch für die Zeit nach meinem Tode schreiben. Dann kann es im Auslande erscheinen. So weit sind wir gekommen.

Hitler droht Ludendorff - Dezember 1933

Das folgende ist schon am Ende des letzten Beitrages behandelt worden. Nur anläßlich eines Briefes Ludendorffs vom 9. Januar 1934 läßt Wilhelm Breucker in seinem Buch in einer kleinen Anmerkung einmal seine persönlichen Beziehungen zu Adolf Hitler hindurchblitzen. Schreibt er doch zu diesem (2, S. 196, Anm. 2):

Hitler hat mir durch den Gauleiter Terboven mitteilen lassen: "Während er sich dauernd um einen Ausgleich mit Ludendorff bemühe, schriebe dieser beleidigende Briefe über ihn. Ich möchte Ludendorff warnen, da er - Hitler - dem nicht länger zusehen könne."

Josef Terboven (1898-1945) (Wiki), der Gauleiter von Essen, wird hier von Breucker womöglich auch deshalb genannt, um nicht darauf hinzuweisen, daß er selbst in direktem Kontakt mit Hitler gestanden hatte. (Dieser Terboven ist womöglich vor allem deshalb eingeschaltet worden, weil Breucker in seinem Gau, nämlich in Bonn, lebte.) An welche weiteren Sanktionen gegen Ludendorff Hitler bei dieser Warnung gedacht hat, ist wohl nicht leicht zu sagen. Und in welcher Form Breucker diese persönliche Warnung Hitlers nun Ludendorff überhaupt zukommen ließ, macht Breucker ebenfalls nicht deutlich. Er kann Ludendorff nur mit sehr zurückhaltenden Worten auf diese Warnung Hitlers hingewiesen haben, schreibt Ludendorff doch in seiner Antwort vom 9. Januar 1934 aus Tutzing nur (2, S. 196):

Es sind ja alles Märchen. Die einzigen Briefe, die ich geschrieben habe, gingen an den Reichspräsidenten über Mißhandlungen und Verhaftungen meiner Mitkämpfer. Das war Pflicht und Recht.
Ludendorff weiter:
Nie ist an einen Ausgleich gedacht worden, das sind Schmarren und werden verbreitet, um gewisse N.S.D.A.P.-Kreise zu beruhigen, die mich für den klarsten völkischen Vorkämpfer halten.

Aus diesen wenigen Zeilen geht deutlich genug hervor, wie sehr Breucker Ludendorff selbst über seine Bemühungen um Ausgleich zwischen ihm und Hitler im Unklaren gelassen hat und auch die Wünsche Hitlers selbst offenbar nicht sehr deutlich und sehr direkt zum Ausdruck gebracht hat. Es lief zu jener Zeit also viel hinter dem Rücken Ludendorffs, ohne daß dieser davon etwas bis zu seinem Lebensende erfuhr. Ja, ohne daß darüber Breucker nun wenigstens endlich im Jahr 1953 redlich Bericht erstattet hätte.

In diesem Zusammenhang ist es sicherlich auch erwähnenswert, daß der wohl wichtigste "beleidigende Brief" Ludendorffs an Hindenburg über Hitler zwar von Breucker zitiert wird, daß Breucker aber mit keinem Wort sagt, wie ihm der Wortlaut dieses Briefes zur Kenntnis gekommen ist. Dessen Echtheit ist ja zwischenzeitlich - erstmals von dem Spiegel-Historiker, Verfassungsschutzmitarbeiter, Gestapo- und Reichstagsbrand-Verharmloser Fritz Tobias - deshalb angezweifelt worden, weil - im Gegensatz zu all den anderen im Tenor ähnlichen Telegrammen Ludendorffs an Hindenburg - kein Original bislang hat aufgefunden werden können. Der Wortlaut dieses nach Breucker am 1. Februar abgesandten Telegrammes ist schon im vorigen Beitrag angeführt worden.

Dies wäre das einzige Telegramm Ludendorffs an Hindenburg gewesen, das Hitler tatsächlich allen Grund gehabt hätte, auch als sehr persönlich "beleidigend" zu empfinden. Wie wäre es mit der Hypothese, daß Ludendorff diese Worte gar nicht an Hindenburg persönlich gerichtet hatte, sondern an irgendjemand anderen, in dem Sinne von:
Hindenburg hat durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler unser heiliges deutsches Vaterland einem der größten Demagogen aller Zeiten ausgeliefert. Ich prophezeie Ihnen feierlich, daß dieser unselige Mann unser Reich in den Abgrund stürzen und unsere Nation in unfaßbares Elend bringen wird. Kommende Geschlechter werden ihn wegen dieser Handlung in seinem Grabe verfluchen.
Vielleicht sogar an Breucker selbst? Und vielleicht wurde ein solcher Privatbrief dann dazu benutzt - ähnlich wie im Jahr 1937 - Hitler gegen Ludendorff aufzubringen? Es wäre ja, wie wir gesehen haben, nicht der einzige Privatbrief Ludendorffs an Breucker gewesen, den letzterer an Hitler weitergegeben hat.

"Wieder keine Silbe von Ludendorff!" - August 1934

Paul von Hindenburg starb am 2. August 1934. Wie sich Hitler bei diesem Anlaß in seinem Verhältnis zu Ludendorff verhielt, geht gut aus Tagebucheinträgen des kritischen, aber zwiespältig positionierten, gut verdienenden deutschen Schriftstellers Erich Ebermayer (1900-1970) (Wiki) hervor, ein Jugendfreund der Familie Mann und des wegen Pädokriminalität verurteilten Gustav Wyneken. Am 4. August 1934 schrieb er in sein Tagebuch (zit. n. 20, S. 121):
Soeben wird ein "Gesetz über das Staatsbegräbnis für den dahingeschiedenen Reichspräsidenten" veröffentlicht. Neuerdings müssen also sogar Begräbnisse durch Gesetze geregelt werden! Er soll im Feldherrnturm des Tannenberg-Denkmals beigesetzt werden. "Auf der Walstatt seiner ruhmreichen Schlacht soll der greise Vater des Vaterlandes ruhen", meint die deutsche Presse. Zu dumm, daß General Ludendorff dauernd behauptet, er allein hätte die Schlacht von Tannenberg gewonnen!

Und am 7. August schreibt Erich Ebermayer (20, S. 123):

Die Trauerfeier für Hindenburg in der Kroll-Oper war würdig und wie alles, was die Herren inszenieren, glänzend gemacht. Hitler hat eine große Rede gehalten, in der er noch einmal das Leben des großen Toten aufrollt. Der Name Ludendorff fällt nicht ein einziges Mal. Interessant der Satz: "Das deutsche Volk kann nur beglückt sein über die Fügung einer Vorsehung, die seine deutscheste Erhebung unter den Schutz und den Schirm seines ehrwürdigsten Edelmannes und Soldaten stellte."
Heute nacht große Truppenparade der Wehrmacht in Neudeck und Überführung des Trauerkonduktes nach Tannenberg. Der Führer hielt bei der Trauerfeier im Tannenberg-Denkmal eine Rede. Wieder keine Silbe von Ludendorff! Als Hitler auf die Leistungen Hindenburgs im Weltkrieg zu sprechen kommt, ruft er aus: "Für das nächste Jahrhundert wird das deutsche Volk nicht nötig haben, seine Waffenehre zu rehabilitieren!" Mögen diese Worte ehrlich sein! Aber ich weiß längst, daß sie nur eine Einschläferungspille für die Welt sind. Erheiternd mutet der Satz an: "Es ist eine der wundersamsten Fügungen einer rätselhaften weisen Vorsehung, daß unter der Präsidentschaft dieses ersten Soldaten und Dieners unseres Volkes die Vorbereitung zur Erhebung unseres deutschen  Volkes eingeleitet werden konnte und er selbst noch das Tor der deutschen Erneuerung öffnete."
Will Hitler mit dem Toten scherzen? Will er ihm noch einmal hinreiben, daß er so blind und willenlos war, nicht einmal zu merken, welcher Staatsstreich, welche Revolution unter seiner Präsidentschaft vorbereitet wurde?!
Nun, Ebermayer überblickte hier noch gar nicht die ganze Heuchelei, die in diesen Worten Hitlers enthalten war, der genau wußte, daß er aufgrund des korrupten Verhaltens Hindenburgs im Osthilfeskandal an die Macht gekommen war. Und er überblickt ebenso wenig das ganze korrupte Verhalten von Hindenburg, der doch die Nazis sogar für die Röhm-Morde gelobt hatte. Hier nennt Hitler die von ihm oft angeführte "Vorsehung" "rätselhaft", vielleicht doch ein Hinweis dafür, für wie unangemessen er es in letzter Instanz halten mußte, doch einen solchen Hindenburg und all die Vorgänge um ihn an die Macht gekommen zu sein.

"Nun will ich Sie aber fragen ..." - Februar 1935


Über die Zeit ein halbes Jahr später berichtet Wilhelm Breucker (2, S. 146):
Ludendorff verharrte in Ablehnung. Als ich einmal aus der Umgebung Hitlers gebeten wurde, einen neuen Versuch zu machen, fragte ich vorher bei Ludendorff an, ob er grundsätzlich zu einer Aussöhnung bereit sei.
Ludendorff antwortete darauf mit einem Brief vom 19. Februar 1935. In diesem heißt es (zit. n. 2, S. 146):
Über das von Ihnen angeschnittene Thema spreche ich mich grundsätzlich nicht aus.

Nun will ich Sie aber fragen, wie Sie denn solche Frage an mich richten können, wo Sie genau wissen, wie meine Freunde und ich durch Gewalt aller Art in unerhörter Weise bedrängt werden. Ich meine, meine Freunde sollten mich besser kennen und wissen, daß ich zu niedrigen Handlungen nicht fähig bin.

Doch nun herzliche Grüße

Es lebe die Freiheit!

Dieser Ruf müßte durch ganz Deutschland schallen und nicht nur von mir geäußert werden.

Ludendorff

Das war wieder einmal scharf geantwortet. Und eindeutig. Übrigens hat es zumindest einen anderen bedeutenderen Deutschen gegeben, der den Ruf "Es lebe die Freiheit!" in jener Zeit auch sehr betont seinen Mitmenschen gegenüber geäußert hat. Und zwar der Schauspieler Heinrich George. (Siehe das erst jüngst ausgestrahlte Doku-Drama über Heinrich George von und mit den beiden Söhnen Georges aus diesem Jahr 2013.)

"Himmler, sperren Sie mich doch in ein Konzentrationslager" - März 1935

Breucker berichtet weiter (2, S. 197, Anm. 2):

Auf die Nachricht hin, daß der in Ungnade gefallene General Ludendorff anläßlich seines 70. Geburtstages am 9. April 1935 von Hitler besonders geehrt werden sollte, hatten sich viele Offiziere der alten Armee an mich mit der Bitte gewandt, bei Ludendorff anzufragen, ob sie zur Gratulation nach Tutzing kommen dürften, um sich an der vorgesehenen Ehrung des Generals zu beteiligen. 
Es wäre natürlich außerordentlich interessant zu erfahren, um welche Offiziere und Generäle es sich hierbei gehandelt hat. Die Antwort Ludendorffs vom 1. März 1935 ist wiederum schneidend (zit. n. 2, S. 197):
Bitte sagen Sie ..., sie möchten nicht kommen. Ich habe vor mehreren Jahren mit ihnen so ernste Erfahrungen gemacht, daß ich mich innerlich von allem losgelöst habe. Nun ist es vorbei, was gewesen ist, ist gewesen. Ich bin nicht der Mann, den man heute verletzt und dem man morgen sich wieder nähert, je nachdem es einem beliebt oder wieder Mode wird. Ich denke an das alles in größter Ruhe zurück, lasse aber Vergangenes ruhen. Zudem ist ein Geburtstag stets Privatsache. Als ich vor einigen Jahren mein 50. Dienstjubiläum beging, da wäre Gelegenheit zum Bekennen gegeben gewesen. Nicht einmal der Kaiser gedachte meiner, obschon er einer großen Zahl von Generalen, die mit mir in gleicher Lage waren, telegraphierte. Ich will mich nun nicht mehr aus meiner Zurückhaltung, in der ich mich wohl fühle, herausziehen lassen. Daß es so gekommen ist, ist nicht meine Schuld. Z. Zt. werden 2 Deutsche vom Staatsanwalt verfolgt, die früher Tannenberger waren, das ist ihre einzige Schuld. Wie viele Deutsche wurden verhaftet, weil sie den Brief verteilt haben, den ich Ihnen ja auch gesandt habe (Trauerspiel in 4 Aufzügen), obschon ich Herrn Himmler erklärt habe, d. h. seinem Adjutanten, ihn konnte ich telephonisch nicht erreichen, er könne mich ja in ein Konzentrationslager stecken, er solle aber meine Freunde in Ruhe lassen! Selbst meine Tochter wurde zur Polizei wegen dieses Verbrechens zitiert. Ich will Freiheit und Recht für mich, meine Freunde und das Volk. Solange Willkür und Rechtlosigkeit herrschen, kann ich nur den bisherigen Weg einhalten.
An anderer Stelle in seinem Erinnerungsbuch behauptet Breucker, Ludendorff habe Freiheit und Recht nur für sich selbst und seine Anhänger gefordert. Obwohl das im klaren Widerspruch steht zu diesen Worten Ludendorffs, die er in seinem eigenen Buch abdruckt. Und es steht auch im klaren Widerspruch zu den Zeitungsartikeln und den zahlreichen Telegrammen an Hindenburg, die im vorigen Beitrag zitiert worden sind. Hier fordert Ludendorff überall Freiheit und Recht für "das Volk" schlechthin. Und kritisiert Willkür und Rechtlosigkeit schlechthin. Wie Breucker selbst noch im Jahr 1953 über Freiheit und Recht, insbesondere Geistsfreiheit dachte, geht hervor aus seinen außerordentlich gehässigen Worten zu dem Papierentzug für die Zeitschrift "Quell" nach Kriegsausbruch 1939 (2, S. 162)
Später, nach Ludendorffs Tode, verstopfte Goebbels auch diesen Quell - eine der wenigen Wohltaten, die dieser Mann dem deutschen Volke erwiesen hat!

Und solche Worte spricht jemand, der von Erich Ludendorff bis an sein Lebensende als ein Freund angesehen worden ist? 

Auf den ersten Blick also liest sich das Breucker-Buch ganz passabel und plausibel. Um so genauer man aber hinschaut, auf um so mehr Widersprüche, ja, Unredlichkeiten, wenn nicht Gehässigkeiten stößt man. Breucker muß noch im Jahr 1953 innerlich außerordentlich heftig mit seinem "Freund" Ludendorff gehadert haben. Der den Nationalsozialismus und Adolf Hitler bis an sein Lebensende wesentlich schärfer und unter Gefahr des eigenen Lebens abgelehnt und bekämpft hat, als er, Wilhelm Breucker. Darin wird weniger eine "Tragik" Ludendorffs liegen, sondern viel mehr die eigentliche - - - "Tragik" des Wilhelm Breucker.

1955 - "Ludendorff hatte an Hindenburg in schwierigen Lagen einen starken Halt"

1955 wird Breucker dann sogar noch weiter gehen und schreiben (14, S. 242, Anm. 39),

daß Ludendorff, wie er mir oft bekannte, an der durch nichts zu erschütternden Ruhe Hindenburgs in schwierigen Lagen einen starken Halt gehabt hat.
Das sind Worte, die sich noch 1955 außerordentlich krass in den Dienst der Aufrechterhaltung des Hindenburg-Mythos stellten. Davon, daß er diese Worte berichtet hätte zu Lebzeiten Erich Ludendorffs, als genau diese Problematik von Ludendorff in der Öffentlichkeit sehr heftig erörtert worden ist, davon ist noch an keiner Stelle etwas bekannt geworden. Wohin man also bei Wilhelm Breucker sieht, trifft man auf Unredlichkeiten, ja, mehr noch: auf Handlungen im Dienst der Aufrechterhaltung von Mythen, die nur im Interesse von Lobbygruppen wie der Freimaurerei gestanden haben können.

Und es steht in Erwartung, daß man davon noch mehr finden wird, wenn noch mehr über das Wirken das Wilhelm Breucker bekannt werden sollte.

Nachtrag (10.6.14): In den Erinnerungen des Hitler-Adjutanten Julius Schaub findet sich folgender Bericht über das Jahr 1933 (19, S. 115f):
Anlässlich eines Vortrages, den der Reichskanzler beim Reichspräsidenten hatte, kamen sie auch auf den Weltkrieg 1914/18 zu sprechen. Hierbei wurde auf das Buch von Oberst Hoffmann eingegangen. Dieses Buch schildert vor allem die Schlacht um Tannenberg. Es behandelt u. a., wer der eigentliche Sieger von Tannenberg sei - Hindenburg äußerte sich zu Adolf Hitler folgendermaßen: "Wäre die Schlacht am Tannenberg verloren worden, so wüßte man ganz genau, wer die Gesamtverantwortung in der Schlacht hatte. Nachdem es aber ein Sieg wurde, streiten sich die verschiedensten Heerführer um den Lorbeer."
Zu sagen ist noch, daß das Hoffmannsche Buch nicht für Hindenburg spricht.

Zu ergänzen wäre: Hoffmann spricht in diesem Buch vielmehr sich selbst einen wesentlichen Anteil am Schlacht-Erfolg zu. Man wird auch diese Erörterung Hitlers mit Hindenburg in die Reihe der (zaghaften?) Versuche Hitlers einordnen müssen, den von ihm gewünschten Ausgleich zwischen Hindenburg und Ludendorff zustande zu bringen.

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  1. Bading, Ingo: Charlotte Knobloch fordert Auseinandersetzung mit Mathilde Ludendorff - Verschiebungen auf dem geschichtspolitischen Feld. Auf: Gesellschaftlicher Aufbruch - jetzt!, 23. August 2010
  2. Breucker, Wilhelm: Die Tragik Ludendorffs. Eine kritische Studie auf Grund persönlicher Erinnerungen an den General und seine Zeit. Helmut Rauschenbusch Verlag, Stollhamm (Oldb) o.J. [1953] (Google Bücher) 
  3. Wächter, Dieter (d.i. Gunther Duda): Nationalsozialismus und Romkirche. Zum 120. Geburtstag Erich Ludendorffs. In: Mensch & Maß, Teil 1: Folge 6, 23.3.1985, S. 241 - 248; Teil 2: Folge 7, 9.4.1985, S. 289 - 298
  4. Gruchmann, Lothar: Ludendorffs „prophetischer“ Brief an Hindenburg vom Januar/Februar 1933. Eine Legende. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 47/1999, S. 559 - 562
  5. Breucker, Wilhelm: Walther Rathenau. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. September 1952
  6. Ludendorff, Mathilde: Berichtigung zum Artikel "Walther Rathenau". In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 255, 3. November 1952
  7. Breucker, Wilhelm: Rathenau und Ludendorff. In: Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Nr. 257, 5. November 1952; Abgedruckt auch im folgenden Artikel:
  8. Ludendorff, Mathilde: Eine interessante Berichtigung. In: Der Quell, Folge 22, 23.11. 1952, S. 1045 - 1047 (s.a. Google Bücher) [über Breucker und das Rathenau-Zitat "Es ist noch im letzten Augenblick gelungen, alle Schuld auf Ludendorff zu werfen".]
  9. Bebenburg, Franz von: Eine Antwort an Wilhelm Breucker. In: Der Quell, Folge 7, 1954, S. 302 - 309 (s.a. Google Bücher) [Besprechung von W. Breuckers "Die Tragik Ludendorffs" (1953), und der sehr positiven Besprechung dieses Buches von Walter Görlitz].
  10. Bading, Ingo: Hitlers Mordpläne gegen Ludendorff im Sommer 1937. Aufsatz in zwei Teilen. Auf: Studiengruppe Naturalismus, 29. Januar 2013 
  11. Bading, Ingo: Ludendorffs erste Frau. Ihre Erinnerungen als historische Quelle - beispielhafte Auszüge. Studiengruppe Naturalismus, 13.3.2012
  12. Bading, Ingo: Das Familienleben Erich Ludendorffs - Insbesondere rund um seine erste Ehe (1909 - 1925). Studiengruppe Naturalismus, 15.2.2013 
  13. Bading, Ingo: "Parteigenossin Ihre Exzellenz Frau Margarethe Ludendorff" Eine Familiegeschichte zwischen Adolf Hitler und Erich Ludendorff. Auf: Studiengruppe Naturalismus, 19. Februar 2013
  14. Breucker, Wilhelm: Die Erinnerungen des Generals Groener. In: Wehrwissenschaftliche Rundschau. Jg. V, 1955, S. 318 (Google Bücher
  15. Ludendorff, Erich: Vom Feldherrn zum Weltrevolutionär und Wegbereiter Deutscher Volksschöpfung. III. Band. Meine Lebenserinnerungen von 1933 bis 1937. Verlag Hohe Warte, Pähl 1953
  16. Fritz Tobias: Ludendorff, Hindenburg und Hitler. Das Phantasieprodukt des Ludendorff-Briefes. In: Uwe Backes; Eckhard Jesse; Rainer Zitelmann (Hrsg.): Die Schatten der Vergangenheit. Impulse zur Historisierung des Nationalsozialismus. Propyläen Verlag Frankfurt/Main und Berlin 1990
  17. Eberle, Henrik: Briefe an Hitler: Ein Volk schreibt seinem Führer. Unbekannte Dokumente aus Moskauer Archiven - zum ersten Mal veröffentlicht. 2007 (Google Bücher); engl. 2012 
  18. Bading, Ingo: Ludendorff in Berlin 1919 und 1920 - "Eine schöne Wohnung in der Viktoriastraße, ganz in der Nähe des Tiergartens". Auf: Studiengruppe Naturalismus, 23. Januar 2012 
  19. Rose, Olaf: Julius Schaub - in Hitlers Schatten. Erinnerungen und Aufzeichnungen des Chefadjutanten 1925 – 1945. Druffel und Vowinckel, Stegen/Ammersee 2005 (440 S.)
  20. Ebermeyer, Erich: Denn heute gehört uns Deutschland… Tagebücher. 1959; …und morgen die ganze Welt. Tagebuch, 1966; zit. n. Bretzler, Andreas: NS-Zeit 1934 - 1938. Chronik, beruhend auf fast 100 verschiedenen Quellenwerken. 2006 (pdf)

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