Dienstag, 14. Dezember 2010

Der Staatsakt für Erich Ludendorff am 22. Dezember 1937 in München

Einen Überblick über staatliche Trauerfeiern in Deutschland seit 1888 mit eindrucksvollen historischen Photographien gibt es auf der Seite des Bundesinnenministeriums, Abteilung Protokoll: "Staatsakte - Staatliches Trauern im Wandel der Zeit". Wenn man die dort vorgestellten Staatsakte für Kaiser Wilhelm I. (1888), Walther Rathenau (1922), Friedrich Ebert (1925), Gustav Stresemann (1929) vergleicht mit demjenigen für Erich Ludendorff im Dezember 1937, so drängen sich doch insgesamt in der äußeren Form deutlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede auf.

Abb. 1: Zeitungausgabe vom 20. Dezember 1937

Der für Erich Ludendorff durchgeführte Staatsakt ist im übrigen gegen seinen ausdrücklichen eigenen Willen von der Staatsmacht erzwungen worden. In der Folge vom 5.9.1934 seiner Halbmonats-Zeitschrift "Quell" hatte Ludendorff geschrieben (S. 405):
Für das Gedenken in den Erinnerungtagen der Schlacht von Tannenberg meinen Dank.
Ich bin gefragt worden, ob dereinst von mir ein politisches Testament zu erwarten sei. Zunächst gedenke ich (...) zum Nutzen der geistigen Bewegung, die mein Name vertritt, noch recht lange zu leben. Dann aber wird auch mein Leben, wie jedes Leben, abgeschlossen sein. Ich gab in ihm dem Deutschen Volk ganz eindeutig so viel Klares und Großes für Gegenwart und Zukunft zu seiner Volksschöpfung auf den Weg, daß ich nicht die Absicht habe, noch besondere Weisungen zu hinterlassen. Nur für meine Beisetzung in Deutscher Muttererde habe ich Bestimmungen getroffen. Sie soll ohne jedes militärische Gepränge, das mir ja zustehen würde, nach Deutscher Gotterkenntnis nur im Beisein von Deutschen stattfinden, die ihr leben.
In den Gedenktagen der Schlacht von Tannenberg. Erntings 1934. Ludendorff.
Natürlich hatten sich in den weiteren drei Jahren bis zu seinem Tod im Verhältnis zur Staats- und Wehrmachtsführung viele Veränderungen gegeben. Allerdings hatte Ludendorff, soweit übersehbar, niemals durch eine andere Willenserklärung die hier angeführte aufgehoben.

Abb. 2: Mathilde Ludendorff mit ihren beiden Söhnen Asko und Hanno von Kemnitz in München am 21.12.1937 (aus: 1)
Anläßlich des Staatsaktes für Erich Ludendorff am 22. Dezember 1937 sind auch Photographien der nächsten Angehörigen Ludendorffs veröffentlicht worden. Die Söhne von Mathilde Ludendorff begleiten sie selbst (Abb. 2, 3), bzw. folgen dem Sarg Erich Ludendorffs.

Abb. 3: Mathilde Ludendorff umgeben von ihren Angehörigen während des Staatsaktes in München am 22.12.1937 (aus: 1)
Während des Staatsaktes an der Feldherrnhalle in München am 22. Dezember 1937 waren die Angehörigen (Abb. 3) in der ersten Reihe von links nach rechts: die Konzertpianistin Frieda Stahl, die Schwester Mathilde Ludendorffs, Mathilde Ludendorff selbst, sowie ihre Tochter Ingeborg Freifrau Karg von Bebenburg. In der hinteren Reihe standen die Söhne Mathilde Ludendorffs Asko und Hanno von Kemnitz und ihr Schwiegersohn Franz Freiherr Karg von Bebenburg.

Im Internet sind nun auch Filmaufnahmen von diesem Staatsakt für Erich Ludendorff zugänglich geworden (Yt.).


Die beiden Söhne Mathilde Ludendorffs, Hanno und Asko von Kemnitz sind in 1'00 zu sehen, in ihrer Mitte der Schwiegersohn Mathilde Ludendorffs, Franz Karg von Bebenburg. Alle drei in Zivil. Die Witwe Mathilde Ludendorff steht ab 1'46, 1'57 und 2'11 als dunkel gekleidete Frau, eingerahmt von ihrer Schwester und ihrer Tochter, mit dem Rücken zum Betrachter. Dahinter wieder ihre Söhne und ihr Schwiegersohn.

Abb. 4: Adolf Hitler spricht Mathilde Ludendorff sein Beileid aus (aus: 5)
Dieser Schwiegersohn, Franz von Bebenburg, der Schwiegersohn Mathilde Ludendorffs, berichtete Anfang der 1960er Jahre anläßlich des "Rechtsstreites" um das Verbot des "Bundes für Gotterkenntnis" über diesen Staatsakt (2):
Am 22. 12. 1937 nahm ich mit Frau Dr. Ludendorff, ihrer Schwester Frieda Stahl, meiner Frau und meinen beiden Schwägern, Asko und Hanno von Kemnitz, auf dem hierzu für die Angehörigen besonders vorgesehenen Platz vor der Feldherrnhalle am Staatsbegräbnis teil. ... Frau Dr. Ludendorff hatte verlangt, daß sie erst im letzten Augenblick ... ihren Platz einnimmt, so daß ihr jedes Zusammentreffen mit irgendwelchen Parteileuten erspart bleibe. ... Ohne die Reichsminister und Gauleiter eines Blickes zu würdigen, gingen Frau Dr. Ludendorff und wir auf unseren Platz. Als nach der Rede des Reichskriegsministers von Blomberg als erster Hitler einen Kranz vor dem Sarg niederlegte und seine Hand zum sogenannten ‚Deutschen Gruß’ erhob und alle Minister und Gauleiter und die vieltausendköpfige Menschenmenge ebenfalls die Hand erhob, haben wir sechs Personen auf der Mitte des freien Platzes vor der Feldherrnhalle als einzige das nicht mitgemacht.
Nach Niederlegen seines Kranzes trat Hitler zu uns und reichte Frau Dr. Ludendorff die Hand, um ihr sein Beileid auszudrücken. Er sprach auch wenige Worte. Hierauf gab er Frau Frieda Stahl und meiner Frau die Hand. Meine beiden Schwäger und ich standen hinter den für die Damen vorgesehenen Stühlen. Hitler verbeugte sich gegen uns, was wir mit einer gleichen knappen Verbeugung erwiderten. Keiner von uns erhob die Hand zum vorgeschriebenen Gruß.
Als dann kurz darauf der Sarg wieder auf die Lafette gehoben wurde, begab sich Frau Dr. Ludendorff, ohne die auf sie zutretenden Reichsminister zu beachten, mit den beiden Damen so schnell als möglich wieder in die Residenz, wo sie sofort mein Auto bestieg. ... Frau Dr. Ludendorff hat mir vor und nach dem Staatsakt mehrfach erklärt, wie sehr sie gegen diese erzwungene ‚Ehrung’ sei, daß sie aber leider machtlos sei. Sie wolle aber den Toten nicht allein lassen. Sie sagte auch, daß sie hoffe, daß das Staatsbegräbnis wenigstens in etwas Hitler hindere, nach dieser ‚Ehrung’ sofort scharf gegen uns und den Ludendorff-Verlag vorzugehen, wie es zweifellos zu erwarten sei, nachdem Hitler im Sommer 1937 Ludendorff habe Landesverrat anhängen wollen.
Die Witwe hatte zumindest gegenüber Hitler durchgesetzt, daß Ludendorff nicht - wie von Hitler gewünscht - im Tannenberg-Nationaldenkmal bestattet wurde, und daß sein Sarg auch nicht von der Hakenkreuzfahne, sondern von der Reichskriegsfahne bedeckt war.

Abb. 5: Veröffentlichung des Ludendorffs Verlag zum Staatsakt (1)

"Ich hatte noch nie eine solche Heldenverehrung gesehen ..."

Der Bankier David Rockefeller war als Student Zuschauer dieses Staatsaktes. Bei David Rockefeller handelt es sich um den Enkelsohn eines der verhaßtesten amerikanischen Bankiers, die wohl je gelebt haben. Er ist heute selbst "einer der mächtigsten Bankiers der Welt". In seinen Memoiren hat er über seinen Aufenthalt in Deutschland im Jahr 1937 berichtet. Es gibt viele Hinweise darauf, daß die Rockefellers zu jenen Wallstreet-Bankern gehören, die den politischen Erfolg der NSDAP vor 1933 finanziert haben und zur Stabilisierung des Dritten Reiches über die Wirtschaft und die Gestapo nach 1933 beigetragen haben. (Siehe etwa Anthony C. Sutton. Siehe etwa das Wirken des späteren CIA-Chefs Allen Dulles, der nach 1945 über den Industriellen Hugo Stinnes, einen Schwager seines engsten Mitarbeiters Gero von Gaevernitz, ganz offensichtlich eine schützende Hand über den Gestapo-Organisator Werner Best gehalten hat. Letzterer ist bis 1989 in Deutschland nie angeklagt worden).

In einem Interview erzählte David Rockefeller (Die Weltwoche, 16.4.08):
Prägend waren obendrein meine Begegnungen mit dem Nationalsozialismus in Deutschland. 1933 kam ich als Erstsemester nach München, wo ich während zweieinhalb Monaten Deutsch lernte. Ich wohnte bei einer Familie an der Kaulbachstrasse und nahm Deutschstunden bei einer Frau Berman, die Jüdin war. Wenige Monate zuvor hatte Adolf Hitler die Macht ergriffen, und die ersten anti-jüdischen Gesetze waren in Kraft. Die Menschen sprachen hinter vorgehaltener Hand über die Gestapo. Ich war schockiert, wie die Deutschen die wachsende Kritik an den Juden einfach hinnahmen.

Haben Sie sich damals Gedanken gemacht, wie diese Entwicklung weiter verlaufen könnte?
Ja. 1935 begab ich mich auf einer Urlaubsreise erneut nach Deutschland. Nun lag bereits ein tiefes Unbehagen in der Luft. Hitlers Rhetorik war unmissverständlich geworden. Sein dramatischer Tonfall verbreitete Angst und Schrecken. 1937 war ich während meiner Weihnachtsferien zufällig in München. General Erich Ludendorff wurde begraben. Mit meiner Leica machte ich einen Schnappschuss von Hitler, als er vorbeistolzierte. Ich hatte noch nie eine solche Heldenverehrung gesehen, die von einer nahezu irren Menschenmenge ausging.

Abb. 6: Staatsakt in München (Herkunft: Ebay)
Das Dritte Reich sollte übrigens keineswegs der einzige Fall bleiben, in dem Wallstreet-Banker in Zusammenarbeit mit dem amerikanische Geheimdienst unter Allen Dulles weltweit Politiker, Journalisten, Militärs und politische Bewegungen "kaufte", Staatstreich finanzierte und durchführte, Wahlen beeinflußte und Kriege herbeiführte (3, 4).

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  1. von Kemnitz, Hanno: Der letzte Weg des Feldherrn Erich Ludendorff. Einziger geschlossener Text- und Bildbericht von den Trauerfeierlichkeiten und dem Staatsbegräbnis am 22. Julmonds 1937. Ludendorffs Verlag, München 1938
  2. Der Rechtsstreit ... über die Verbotsverfügung. Dokumente der Gegenwart. Neue Veröffentlichungen und Urkunden zur Zeitgeschichte VIII. Verlegt bei Franz von Bebenburg, Pähl 1963, S. 131f
  3. Schäfer, Horst: Der Chef-Terrorist - Vor 40 Jahren starb CIA-Direktor Allen Dulles. Politonline.ch, 28.2.2009
  4. Markus Kompa: Die schmutzigen Tricks des Allen Dulles. Telepolis, 04.10.2007 
  5. Sonderheft General Ludendorff. Aus: Illustrierter Beobachter, Verlag Eher Nachf., München, 12. Jahrgang, 28.12.1937 (24 Seiten)

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