Donnerstag, 12. September 2013

Zwei unbekannte Lichtbilder Erich Ludendorffs (1905)

Ludendorffs Abkommandierung zur Marine im Frühjahr 1905

Abb. 1: Erich Ludendorff in Wilhelmshaven nach einer Rekrutenvereidigung, 9. März 1905 (Ausschnitt von Abb. 2)

Rekrut Oskar Krullmann schreibt nach Hause (1905)

Im März 1905 schrieb der Hotelier-Sohn und soeben vereidigte Marine-Rekrut Oskar Krullmann aus Frankenthal in der Rheinpfalz von seiner Garnisonsstadt Wilhelmshaven an seine Schwester Julie Krullmann und seine Mutter die folgende Postkarte (siehe Abb. 4): 

Liebe Julie u.[nd liebe] Mutter!

Sende Dir hiermit eine Karte von meiner Vereidigung, auf der S.M. der Kaiser sich befand, und uns auch vereidigte. Liebe Mutter, [ich] schreibe nächstens einen Brief mit Erklärung, wie die Sache vor sich ging. Schreibe [Du] auch mal eine Karte oder [einen] Brief. Gruß Oskar.

Postkarten damaliger Zeit waren oft kleinformatiger als heutige. Diese Postkarte von Oskar Krullmann hatte das niedliche Format 14 mal 9 Zentimeter. Sie  zeigt auf der Vorderseite, wie Krullmann dort mit Bleistift erläuterte (hier in den Abbildungen wegretuschiert):

"Nach der Vereidigung verläßt S. Majestät die Halle"

Und unter der Person des Kaisers notierte er "S.M. Kaiser" und unter die Person rechts vom Kaiser notierte er: "G. Admiral Bendemann". Die Person links vom Kaiser benannte er nicht. Sie war damals auch noch ganz unbekannt. Es handelte sich um den Major im Generalstab Erich Ludendorff (1865-1937) (Wiki) im Alter von 40 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt war er für einige Wochen zur Marine abkommandiert.

Vor vier Tagen haben wir dieses seltene Lichtbild bei Ebay ersteigert und heute erhalten. Aus der bisherigen Literatur, zeitgenössischer oder späterer, ist es, soweit übersehbar, nicht bekannt geworden.

Die Fotografie vermittelt deshalb neue Erkenntnisse zu der letzten Abkommandierung Erich Ludendorffs zur Marine, die es in seiner Laufbahn gegeben hat.

Abb. 2: Erich Ludendorff, Kaiser Wilhelm II., Admiral Bendemann, Wilhelmshaven, 9. März 1905 (Ausschnitt von Abb. 3)

Frühere Bordkommandos von Erich Ludendorff

Schon als Leutnant war Erich Ludendorff 1887 bis 1890 in Wilhelmshaven und Kiel auf Bordkommandos zur Marine abkommandiert gewesen. Da er mit dem Schiff fuhr, auf dem auch der Kaiser fuhr, besorgte er sich aus diesem Anlaß eine neue Uniform. Da er dienstlich nicht auffallen konnte, um die Aufmerksamkeit des Kaisers zu erregen, so begründete er diese Anschaffung gegenüber seinen Eltern, wolle er es wenigstens durch eine solche Äußerlichkeit versuchen. Schon damals speiste er bei einer Gelegenheit am Tisch des Kaisers. Doch, so berichtete er an seine Eltern, unterhielt sich dieser nur mit dem Admiral (zit. n. 1, S. 49):

Die anderen Sterblichen wurden mit allgemein hingeworfenen Fragen abgespeist.

Ludendorff beendet das diesbezügliche Kapitel in seinen Vorkriegs-Erinnerungen mit den Worten:

Mit dieser Reise schloß auch meine Zugehörigkeit zur Marine ab.
Abb. 3: Die vollständige Postkarte: Erich Ludendorff, Wilhelm II., Bendemann, Wilhelmshaven, 9. März 1905

Das Bordkommando von 1905

Doch auch noch einmal im Jahr 1905 wurde Erich Ludendorff aus dem Großen Generalstab heraus zur Marine abkommandiert. Darüber schreibt er in "Mein militärischer Werdegang" (2, S. 100):

Ich habe die große Generalstabsreise 1905 nicht mitmachen können. Ich war damals zum Admiralstabe und im Anschluß daran auf vier Wochen zur Flotte kommandiert. Ich kam wieder nach Kiel, wo ich als junger Leutnant gestanden hatte. Gewaltig war die Entwicklung der Stadt, noch gewaltiger die Entwicklung der Flotte und der Schiffstypen gewesen. Ich war auf das Panzerschiff "Kaiser Wilhelm II." kommandiert. Das war ein anderes Schiff als die "Baden", es entsprach aber in Armierung, Panzerung und Torpedoausrüstungen den damals herrschenden Ansprüchen schon nicht mehr vollkommen. In der Tat, die Marine konnte dem Kaiser für ihre Entwicklung dankbar sein und mit ihr Volk und Heer, wenn der Oberste Kriegsherr auch so für das Heer gesorgt hätte.

Aus letzteren Worten hört man hindurch, dass Ludendorff der Meinung war, dass damals die Seerüstung unverhältnismäßig auf Kosten der Landrüstung betrieben worden sei. Hier Lichtbilder vom Linienschiff S.M.S. Kaiser Wihelm II. (Wiki). Der Biograph Franz Uhle-Wettler spricht aufgrund eines "Auszuges aus der Kriegsrangliste des Chefs des Generalstabes des Feldheeres, Ablichtung im Besitz des Verfassers" von einer insgesamt "viermonatigen Kommandierung" (zit. n. 3, S. 54)

an Bord eines Schiffes der aktiven Schlachtflotte (S.M. Kaiser Wilhelm der Große)

Uhle-Wettler schreibt:

Dennoch erstaunt die Länge der Kommandierung, Einzelheiten waren nicht mehr zu klären; die Akten sind verloren.

In Briefen an seine Eltern schreibt Erich Ludendorff davon, daß er die Abkommandierung angesichts der hohen Arbeitsbelastung im Generalstab in Berlin als Erholung empfand. Auch daß er sich Bewegung verschaffen müsse, um sein Körpergewicht halten zu können (3, S. 71). Weitere Einzelheiten sind der Literatur dazu bislang - soweit übersehbar - nicht zu entnehmen.

Abb. 4: Oskar Krullmann schreibt nach Hause, März 1905 (Rückseite von Abb. 3)

Der sehr kenntnisreiche Verkäufer (aus Hameln) schrieb zu der von ihm selbst mit Bleistift - in Blockbuchstaben - hinzugefügten Beschriftung auf der Rückseite der Postkarte in Antwort auf unsere kritische Nachfrage:

Die Beschriftung wurde von mir vor einigen Jahren hinzugefügt. Sie entstand aufgrund des anderen Bildes, das ebenfalls im März 1905 beim Kaiserbesuch in Wilhelmshaven entstanden ist und sich bereits davor in meinem Besitz befand. In der Größe und Schärfe eines Kabinettfotos erlaubt es einen besseren Gesichtsvergleich mit publizierten Aufnahmen. Nach genauem Besehen - speziell der Augen-, Nasen- und Ohrenpartie - bin ich mir sicher, daß es sich um Ludendorff handelt. Zumal sich im März 1905 nicht allzuviele Armee-Majore (s. d. geflochtenen Schulterklappen) bei der Marine getummelt haben dürften. Angesichts der Umständlichkeit des Kommandierungsverfahrens wird es sich bei Ludendorff zu diesem Zeitpunkt wohl sogar um den einzigen Armeeoffizier dieses "Kalibers" gehandelt haben. In diesem Sinne war es wohl geradezu eine Selbstverständlichkeit, ihn als Generalstabsvertreter - mit besten Karriereaussichten - auch zum Kaiserbesuch heranzuziehen. Der hoffnungsvolle Sproß mochte so seinen Kontakt zum Obersten Kriegsherrn auffrischen.

Die Erstpublikation des hier genannten zweiten Lichtbildes von Erich Ludendorff, das bei diesem Anlass entstanden ist, möchte sich der Verkäufer selbst vorbehalten. Deshalb soll an dieser Stelle nur ein vom Verkäufer beschrifteter Abzug desselben eingestellt sein, das er zur Erläuterung des Angebotes und zur Verifizierung seiner Angaben bezüglich der Identität Ludendorffs mit eingestellt hatte.

Abb. 5: Erich Ludendorff und Admiral Bendemann in Wilhelmshafen, März 1905 (mit eingesetztem bekannten Foto Ludendorffs aus dem Jahr 1902)

Nachdem das erstgenannte Foto wohl historisch richtig zugeordnet werden konnte, wird auch ein weitere Fotografie, die - vermutlich - Erich Ludendorff zusammen mit Kaiser Wilhelm II. zeigt und im Internet ohne Zeit- und Ortsangabe zu finden ist, zugeordnet werden können:

Abb.: Erich Ludendorff und Kaiser Wilhelm II. vermutlich auf der Rekrutenvereidigung am 9. März 1905 in Wilhelmshaven

Die "Wilhelmshavener Zeitung" berichtet

Kaiser Wilhelm II. hat Wilhelmshaven sehr häufig besucht. Und wie solche Besuche gewöhnlich abliefen, wird man noch genauer einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2003 entnnehmen können (6). Nach Google-Bücher-Ausschnitten berichtete die "Wilhelmshavener Zeitung" über den Kaiserbesuch am 9. und 10. März 1905 unter anderem folgendes (zit. n. 6, S. 271f):

9. März 1905 (WZ) (...)
Der Kaiser in Wilhelmshaven. Wilhelmshaven, 8. März. (...)
Ein kostbarer Teppich führt durch das anmutige Blumenarrangement in das für den Durchgang des Kaisers bestimmte Fürstenzimmer. Nach und nach finden sich an dieser Stelle eine größere Anzahl Herren zur Begrüßung des Kaisers ein. Es sind dies: Generalinspekteur der Marine, Admiral v. Köster, Staatssekretär des R. M. A., Admiral v. Tirpitz, Chef der Marinestation der Nordsee, Admiral v. Bendemann (...). Es ist gerade 11.50 Uhr, als fauchend und keuchend der glänzende Kaiserliche Hofzug von Oldenburg kommend (in die Bahnhofshalle) einbrauste. (...)
Neben dem Kaiser nahm Admiral von Bendemann Platz. - Dann ging es in flotter Fahrt zur Vereidigung.
10. März 1905 (WZ)

Der Kaiser in Wilhelmshaven. Wilhelmshaven, 9. März. (...) Nach der Vereidigung begab sich der Kaiser zum Frühstück im Kasino und von dort in seiner offenen Equipage nach dem Hafen, wo er sich sofort an Bord seines Flottenflaggschiffes einschiffte. (...)

Es folgt dann eine eingehende Werft-Besichtigung durch den Kaiser mit zahlreichen Vorführungen neuer technischer Errungenschaften. Weiter heißt es:

Bereits gegen 1 Uhr begab er sich sodann in seinem Wagen zum Stationsgebäude, um einer Einladung des Herrn Stationschefs, Admirals v. Bendemann, zum Frühstück zu folgen. Geladen hierzu waren ferner die Admirale  v. Koster, v. Tirpitz, Vizeadmiral v. Ahlefeld
und zahlreiche andere mehr.
Im ganzen waren etwa 30 Gedecke aufgelegt.

Militärgebäude von Wilhelmshaven, die damals wichtig waren, sind hier zu sehen. Wie Kaiser Wilhelm II. bei solchen Gelegenheiten gesprochen hat, ist unter anderem diesem Tondokument zu entnehmen, die berühmte "Hunnenrede", die er am 27. Juli 1900 ebenfalls in Bremerhaven hielt.

Abb. 6: S.M.S. Kaiser Wilhelm II. (Wiki)

Übrigens: Vier Jahre später erst, am 14. August 1909, sollte Erich Ludendorff heiraten. An der Entdeckung dieser Lichtbilder wird erkennbar, daß auch heute noch viele neue Details zur Biographie Erich Ludendorffs zusammen getragen werden können.


Abb. 7: Stationskommando Wilhelmshaven

Elf Jahre später ...

Elf Jahre später sollte Erich Ludendorff dann nicht mehr ein so Unbekannter sein, auch nicht in Wilhelmshaven. Da titelte das "Wilhelmshavener Tagblatt" beispielsweise am 7. September 1916 mit der Meldung:

Abb. 8: Wilhelmshavener Tagblatt, 7. September 1916 - Großes Hauptquartier meldet "Turakan erstürmt" (als Beispiel)

Turakan erstürmt
Über 20.000 Rumänen gefangen genommen
(Amtlich) Großes Hauptquartier, 7. September 1916
Westlicher Kriegsschauplatz. Die Somme-Schlacht nimmt ihren Fortgang. (...)
Österlicher Kriegsschauplatz (...) Keine Ereignisse von Bedeutung. (...)
Balkan-Kriegsschauplatz (...)
Die siegreichen deutschen und bulgarischen Kräfte haben den stark befestigten Platz Turakan genommen. Ihre Siegesbeute beträgt nach den vorliegenden Meldungen über 20.000 Gefangene, darunter 3 Generale und mehr als 100 Offiziere und über 100 Geschütze. (...)
Der erste Generalquartiermeister Ludendorff
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  1. Nebelin, Manfred: Ludendorff. Diktator im Ersten Weltkrieg. Siedler Verlag, München 2010 
  2. Ludendorff, Erich: Mein militärischer Werdegang. Blätter der Erinnerung an unser stolzes Heer. Ludendorffs Verlag, München 1935 (Google Bücher)
  3. Uhle-Wettler, Franz: Erich Ludendorff in seiner Zeit. Soldat, Stratege, Revolutionär. Eine Neubewertung. Verlagsges. Berg, Berg 1995 (Google Bücher)
  4. keentied: Foto Marine LUDENDORFF KAISER WILHELM Wilhelmshaven Photo Adel AK SMS S.M.S.. Ebay 8.9.2013 
  5. Bading, Ingo: Das Familienleben Erich Ludendorffs Insbesondere rund um seine erste Ehe (1909 - 1925). Studiengruppe Naturalismus, 15. Februar 2013 
  6. Eberspächer, ‎Cord; Schamoni, ‎Peter; Sombart, Nicolaus: Wilhelm II. und Wilhelmshaven. Zur Topographie einer wilhelminischen Stadt. Verlag Lohse-Eissing, Wilhelmshaven 2003 (303 S.) (Google Bücher)