Und: War Ludendorff eine deutsche "Verhängnisgestalt"?
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Von dem Politikwissenschaftler Peter Graf Kielmannsegg (geb. 1937), emeritierter Professor der Universität Mannheim, ist in der FAZ eine Rezension der Ludendorff-Biographie von Manfred Nebelin veröffentlicht worden (1, 2).
In dieser Rezension heißt es unter
anderem:
Von dem Politikwissenschaftler Peter Graf Kielmannsegg (geb. 1937), emeritierter Professor der Universität Mannheim, ist in der FAZ eine Rezension der Ludendorff-Biographie von Manfred Nebelin veröffentlicht worden (1, 2).
Abb. 1: "Hindenburg und Ludendorff erwarten S.M." (wohl 1915 oder 1916) (ganz links wohl Max Hoffmann) |
Durchgehend ist der Autor um ein differenzierendes Urteil bemüht, eine Bemühung, die beim Gegenstand Ludendorff weder einfach noch selbstverständlich ist.
Zu den Stärken des Buches rechnet er seine
Detailschärfe und Quellennähe. Über die Schwächen des Buches sagt Graf
Kielmannsegg:
Es fehlt an bilanzierenden Reflexionen über die Kernfragen, die sich einem Ludendorff-Biographen stellen: Was ist über den „Feldherrn“ Ludendorff zu sagen? War Ludendorff wirklich ein „Diktator“? Trifft das Urteil, mit dem das Buch den Leser entläßt: Ludendorff eine deutsche „Verhängnisgestalt“?
Es hat unter Kundigen nie einen Zweifel daran gegeben, daß Ludendorff, nicht Hindenburg der eigentliche Kopf der deutschen Kriegführung war. Nebelin bekräftigt diese Einschätzung.
Abb. 2: Ludendorff beim Kampfgeschwader III der Obersten Heeresleistung, Frühjahr 1917 (4) (Quelle)
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Besonders bemerkenswert scheint dann aber doch auch folgendes Urteil des Grafen Kielmannsegg zu sein:
Das Urteil über das Vabanquespiel der Offensive von 1918 fällt im Allgemeinen hart aus. Auch Nebelin setzt da keinen anderen Akzent. Man wird freilich, um Ludendorff gerecht zu werden, zumindest fragen müssen, welche Alternativen zu diesem verzweifelten Versuch Deutschland 1918 denn noch hatte. In Paris und London gab es, jedenfalls seit die Regierungschefs Clemenceau und Lloyd George hießen, keinerlei Kompromißbereitschaft mehr. Man setzte auf Sieg und nichts als Sieg, gerade so wie Ludendorff. Sollte Deutschland kapitulieren, ohne besiegt zu sein? Vermutlich war das Kaiserreich seit dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten in einer militärisch wie politisch aussichtslosen Lage. In aussichtslosen Lagen Entscheidungen zu treffen, die der Nachwelt einleuchten, ist schwierig.
Abb. 3: Ludendorff - Abfahrt nach der Visite, Frühjahr 1917 (4) (Quelle)
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Und dann weiter:
Den „Diktator“ Ludendorff rückt Nebelin mit dem Untertitel des Buches ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Aber trifft der Begriff die Verhältnisse? Allenfalls für das eine Jahr zwischen dem Sturz Bethmann-Hollwegs im Juli 1917 und dem Scheitern der großen Offensive im Westen hat er eine gewisse Plausibilität. Durchgehend gilt, dass Ludendorff nur so lange mächtig war, wie Hindenburg zu ihm stand. Bis zum Scheitern Bethmann-Hollwegs war zudem der Kaiser vor allem in den entscheidenden Personalfragen in einem keineswegs nur formalen Sinn die letzte Instanz. Am hartnäckigen und lange erfolglos geführten Kampf Ludendorffs zuerst gegen Falkenhayn und dann gegen Bethmann-Hollweg zeigt Nebelin das selbst auf. Auch an den Reichstag, die Gewerkschaften, die süddeutschen Staaten ist zu denken, wenn man sich ein Urteil über die Machtverhältnisse im Deutschland der Kriegsjahre bilden will. Ludendorff war vorübergehend der mächtigste Mann in Deutschland, ein Diktator, lässt man dem Begriff seine präzise Bedeutung, war er nicht.
Schließlich: die „deutsche Verhängnisgestalt“ Ludendorff. Das Wort verweist auf das deutsche Verhängnis, auf Hitler also. War Ludendorff ein Wegbereiter Hitlers? Anders als Hindenburg hat Ludendorff nach 1918 keine richtungsweisende Entscheidung mehr getroffen, auch 1933 nicht. Die Last, die Ludendorff, sekundiert von Hindenburg, mit der Erfindung der Dolchstoßlegende - der schäbigen Weigerung einzugestehen, daß Deutschland den Krieg militärisch verloren hatte -, der Republik aufbürdete, hat fraglos zu ihrem Scheitern beigetragen. Aber die Formel von der deutschen Verhängnisgestalt meint doch wohl mehr. Was sie meint, wird bei Nebelin schon deshalb nicht ganz klar, weil der Ludendorff der Jahre 1918 bis 1937 bei ihm nicht mehr auftritt.
Abb. 5: Ludendorff und von der Schulenburg mit Offizieren in Valenciennes, Frankreich (1917?) |
Manches, was Kielmannsegg sonst noch schreibt, steht dann aber irgendwie im Widerspruch zu dem soeben Zitierten. Wie auch immer! Viele andere Rezensionen zu diesem Buch lesen sich bei weitem nicht so selbständig urteilend. Die in der "Welt" von einem Klaus-Jürgen Bremm etwa beginnt mit den Worten:
Nacheinander demontierte er einen Generalstabschef, einen Reichskanzler und einen Außenstaatssekretär.
An
so kurzen Sätzen wird einem bewußt, wie fehlerhaft das Reden vom
"Dikator" Ludendorff sein kann. Um den Generalstabschef von Falkenhayn
zu demontieren, hat der - - - "Diktator" Ludendorff immerhin zwei Jahre
gebraucht. Und auch der Reichskanzler und der Außenstaatssekretär werden
nicht nur deshalb gesürzt worden sein, weil sie sie sich Ludendorff als
Gegner erworben hatten. Und so schreibt auch Volker Ullrich in der "Zeit" über die angebliche "Diktatur" Ludendorffs:
Doch das ist eine Übertreibung. Denn so mächtig Ludendorff auch war - allein herrschen konnte er nicht. Trotz seines Bedeutungsverlusts im Kriege hatte der Kaiser bei der Besetzung der höheren Reichsämter immer noch ein wichtiges Wort mitzureden. Vor allem aber verkennt der Autor das wachsende Gewicht der neuen Reichstagsmehrheit aus Sozialdemokratie, katholischem Zentrum und liberaler Fortschrittspartei, auf deren Wünsche die Militärs Rücksicht nehmen mußten.
Allmählich
scheint also jener geschichtliche Abstand gewonnen zu sein, der
zumindest in Teilen der deutschen Geschichtswissenschaft ein Abrücken
von allzu schablonenhaften, plakativen Kennzeichnungen ermöglicht. Es
dürfte sicherlich sinnvoll sein, diesen Umstand festzuhalten.
Abb. 6: Ludendorff und von der Schulenburg mit Offizieren bei Valenciennes |
Und nachdem hier auf dem Blog schon zwei Beiträge mit seltenen Photographien von Erich Ludendorff erschienen sind (01/2012 und 06/2012), soll dieser Anlaß genutzt werden, um einen dritten zu eröffnen. Oftmals lassen Photographien neue Fragen auftauchen, neue Themen in die Aufmerksamkeit treten. Und sie tragen möglicherweise ebenfalls zur Versachlichung von Beurteilungen bei.
Erich Ludendorff in seltenen Photographien (II)
Auf der Rückseite des "privaten Fotos" von Abbildung 1 (3) steht handschriftlich ohne Datumsangabe (siehe Abb. A im Anhang): "Hindenburg und Ludendorff erwarten S.M.", also Seine Majestät, den deutschen Kaiser, Wilhelm II.. Der rote Teppich liegt ausgerollt an einem Bahnsteig.
Ganz links glaubt man Ludendorffs engsten Mitarbeiter im Osten, Max Hoffmann, erkennen zu können. Das könnte ein Hinweis darauf sein, daß dieses Foto im Osten (Schlesien?) aufgenommen worden ist. Die Berge im Hintergrund könnten aber auch auf eine französische Karstlandschaft (?) hindeuten. Vielleicht ein Foto aus dem Jahr 1915, denn es werden noch "Pickelhauben" getragen.
Abb. 7: Ludendorff und von der Schulenburg mit Offizieren bei Valenciennes |
Der Familienhistoriker Thomas Genth (2) schreibt über seinen Großvater und über das Foto in Abb. 2:
Ende 1916 wurde Adolf Genth vom neugegründeten Kampfgeschwader III der obersten Heeresleitung (Kagohl III) übernommen. (...) General Ludendorf bei der Visite des Kagohl III im Frühjahr 1917 auf dem Flugplatz St. Denis-Westrem (Belgien), dem Einsatzhafen der Kasta 13, der auch mein Großvater angehörte.
Abb. 8: Ludendorff und von der Schulenburg mit Offizieren bei Valenciennes |
Zeit und Ort zu Abbildung 4 sind nicht bekannt (5). Auf der Rückseite (vgl. Anhang, Abb. B) könnte in Handschrift stehen: "Ludendorf (sic) confeiant avec un offiziere d'Etat Major". Zu Deutsch: "Ludendorff vertraulich mit einem Stabsoffizier". (Siehe Kommentar zum Blogbeitrag.)
Abb. 9: Ludendorff und von der Schulenburg mit Offizieren bei Valencienne |
Abb. 10: OHL - Hindenburg und Ludendorff verabschieden älteren General oder Landesfürsten (aus einem Privatnachlaß) |
Abb. 11: "Ludendorff in Heiligblasien-Frühjahr 1918" (Postkarte) |
Abb. 12: Der Hetmann der Ukraine General Skoropadski zu Besuch bei Hindenburg und Ludendorff, September 1918 (a, b)
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Anhang
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